Das war 2010 noch anders, als Ihnen die Regierungsverantwortung übergeben wurde. – Wir sind Schlusslicht bei den Landesfinanzen. Wir sind Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum. NordrheinWestfalen ist Schlusslicht bei der inneren Sicherheit. Und Nordrhein-Westfalen ist Schlusslicht bei der Bildung. Und das muss sich ändern! Das ist nicht hinnehmbar!
Das Probleme dabei ist, dass Sie tagtäglich Berichte vor Ort, in Medien und von Instituten hören, die die Lage beschreiben, und auf der anderen Seite sitzt eine Regierung, die in Hochglanzbroschüren denkt und sagt: Es ist alles wunderbar. Es muss sich nichts ändern. Dem Land geht es gut.
Ich will Ihnen an ein paar Beispielen allein aus den letzten Tagen, vom heutigen Tag diesen Gegensatz deutlich machen. Wir spüren viel Verunsicherung insbesondere in den Regionen des Landes, denen es schlechter geht als anderen. Wir spüren vor Ort Verunsicherung in vielen Städten des Ruhrgebiets, die eben nicht Anschluss an die Gesamtentwicklung haben, die wir in Deutschland und in anderen Teilen des Landes Nordrhein-Westfalen erleben.
Denen, die diese Sorgen haben, helfen Sie aber nicht dadurch weiter, dass Sie, wie Frau Kraft es gemacht hat, sagen: Das Ruhrgebiet hat heute genau so viele Beschäftigte wie zu den Hochzeiten von Kohle und Stahl. – Die Menschen empfinden das anders. Und wenn man an den Empfindungen der Menschen vorbeiredet, fördert man Populisten. Das ist das Problem von Politik! Das ist das Problem!
Sie haben gesagt, dass viele Arbeitsplätze beim Strukturwandel verloren gegangen sind. Es sind aber nicht 2,3 Millionen. Auf Nachfrage hat die Staatskanzlei dann ja erklärt, die Frau Ministerpräsidentin habe sich in der Zahl geirrt. – Wenn Sie aber sagen
würden: „Es haben viele Hunderttausend Menschen ihre Arbeitsplätze verloren, und wir – die Regierung bzw. wir als Politik – wollen, dass die Menschen wieder Arbeit haben, und das wird jetzt unsere Priorität sein“, dann wäre das die richtige Antwort. Es ist aber nicht die richtige Antwort, wenn Sie sagen, es sei alles wie bei Kohle und Stahl.
Wir sind am heutigen Tag mit dem Auto hierhergefahren. Im Auto haben wir WDR 2 gehört. Da gab es einen Bericht über Bildungsarmut in Nordrhein-Westfalen. Das war eine Reportage darüber, wie heute die Bildungssituation nördlich der A40 ist.
Liebe Kollegen, Sie wissen, dass uns viele Tausend Menschen zuhören. Es wäre auch für Sozialdemokraten gut, die Kultur, zuzuhören und Argumente auszutauschen, zu pflegen, statt diese Brüllerei in den Mittelpunkt zu stellen.
Ich stelle fest, wie unruhig Sie bei diesem Thema sind. Ich habe bisher nichts anderes gemacht als zu schildern, was heute Morgen bei WDR 2 lief, und schon sind die Sozialdemokraten auf den Tischen, weil sie glauben, dass da irgendeiner …
Hören Sie es sich einfach an! Ich empfehle Ihnen, die Brüllerei für 40 Minuten einzustellen. Danach können Sie brüllen, wie Sie wollen.
Die Bürger schätzen nämlich auch nicht, wenn Sie den Eindruck haben: Im Parlament wird von einer Seite des Hauses der Gegner niedergebrüllt. Das schätzen die Leute nicht, um das hier mal in aller Klarheit zu sagen.
Ich sage es Ihnen noch einmal: Sie werden sich das jetzt anhören müssen. Das, was viele Menschen empfinden, werde ich hier jetzt vortragen.
Nördlich der A40 schildert dieser Bericht, schildern Eltern, schildern Schulleiter im Originalton, sagen Bildungsstudien, dass man Bildungsaufstiegschancen …
Frau Lüders, auch in Dortmund gibt es eine A40, auch bei Ihnen in der Stadt gibt es Probleme, auch wenn Sie die nicht mehr sehen. Auch in Ihrer Stadt gibt es Probleme. Nördlich dieser A40, so sagt der
Nein, das ist nichts Neues. Deshalb sollten Sie auch sagen: So ist die Realität im Land. – Sie sollten aber nicht sagen: Wir geben immer mehr Geld aus, alles gut, 170 Milliarden € nur für Kinder und Bildung, wie die Ministerpräsidentin gesagt hat.
170 Milliarden € geben wir für Kinder und Bildung aus. Frau Asch, Sie bekommen auch noch die Lösung. Dafür sind wir ja hier. 170 Milliarden € – das sagen Sie den Menschen, die diese Not beklagen – geben wir für Bildung und Kinder aus. Gestern sagten Sie in den Lokalradios: 200 Milliarden € geben wir mit dem Haushalt für nächstes Jahres für Kinder und Bildung aus. Sie verschweigen aber, dass alleine 40 Milliarden € nur die Pensionslasten der Lehrer sind.
Sie müssen in den Norden des Ruhrgebiets die besten Schulen, die besten Aufstiegschancen geben und nicht mit Finanztricks die Leute für dumm verkaufen. Das ist das, was die Leute aufregt!
Zweiter Weltmeister beim Täuschen der Leute mit Hochglanzrhetorik ist der Innenminister. Die Leute empfinden: Es gibt No-go-Areas. Sie haben Angst, sich in bestimmte Gebiete hineinzutrauen.
Ich weiß, dass Sie es stört, dass man das ausspricht. Ein interner Polizeibericht hat in diesen Tagen gesagt: Libanesische Großfamilien haben das Machtvakuum gefüllt, das die Hells Angels gelassen haben. Diese Berichte landen bei Ihnen im Ministerium. Heute beschreibt „DIE WeLT“ in einem großseitigen Artikel die Situation der Polizei in Gelsenkirchen. Und der Minister stellt sich hin und bezeichnet jeden, der das benennt, der die Probleme der Menschen benennt, als gehirnlose Zone, nämlich dieses Parlament als No-brain-Area. Das ist das Problem.
Wenn Sie die Probleme der Menschen nicht ansprechen und lösen, fördern Sie die Populisten in diesen Gegenden. Das ist das Problem.
Beim Wirtschaftswachstum haben wir ja das Gleiche erlebt. Der Wirtschaftsminister stellt sich hier hin – das haben wir in der letzten Plenarsitzung erlebt –, redet alles schön und sagt: Alles wunderbar. Wir sind auf gutem Wege. Wir haben dies und das gemacht.
Dann kommen die Wirtschaftsinstitute, und dann sagt er: Ja, die sind irgendwie beeinflusst. Das sitzt der Herr soundso im Vorstand. Das glaube ich alles nicht. – Die sagen aber alles das Gleiche. Egal, wo sie politisch stehen, sagen sie: In Nordrhein-Westfalen ist das Wachstum unter dem Durchschnitt der deutschen Länder.
Die richtige Antwort einer Regierung wäre: Ja, wir akzeptieren das. Ja, wir arbeiten daran, dass es besser wird. – Das muss der neue Stil ab nächstem Jahr in diesem Haus sein: Probleme verbessern und nicht Hochglanz.
Letztens hat mir eine Bürgerin geschrieben, sie hätte gelesen, die Ministerpräsidentin war beim Papst und hätte ihm eine Grubenlampe überreicht. Es wäre doch viel klüger gewesen, wenn sie als Symbol für Nordrhein-Westfalen eine rote Laterne mitgenommen hätte.
Ich erinnere daran, was wir im April hier im Plenum nach der Schocknachricht vom Nullwachstum gesagt haben, nämlich: Wir brauchen eine klare Lageanalyse. Wir brauchen dann einen Schulterschluss, gerne auch über Fraktionsgrenzen hinweg, was denn jetzt geändert werden muss. Und wir brauchen ein Ziel, das Ziel, das wir in der Spitzengruppe der deutschen Länder marschieren. Das muss formuliert werden.