Protokoll der Sitzung vom 14.12.2016

Wenn wir in Nordrhein-Westfalen jährlich rund 1,6 Milliarden € für Busse und Bahnen ausgeben, dann nicht, damit sich irgendjemand damit eine goldene Nase verdient. Nein, diese Mittel sind gemeinwohlorientiert, und die flächendeckende Versorgung mit Angeboten des ÖPNV ist ein Gebot der sozialen Daseinsfürsorge. Hierbei spielen die kommunalen Verkehrsunternehmen eine wichtige Rolle. Deshalb sind wir davon überzeugt, dass es den Kommunen freigestellt sein soll, die Qualität und die Quantität der ÖPNV-Leistungen zu definieren und soziale wie auch andere Standards für die Leistungserbringung festzulegen, an die sich dann auch jeder halten muss.

Um es auf den Punkt zu bringen und klar zu sagen: Wir wollen eigenwirtschaftliche Verkehre nicht per se verhindern, aber wir wollen Waffengleichheit und gleiches Recht für alle. Deshalb begrüßen wir auch die Bundesratsinitiative, die unsere Landesregierung mit Niedersachen und Schleswig-Holstein ergreift und die genau in die richtige Richtung geht.

Erlauben Sie mir – weil wir mit der Abstimmung heute auch eine fast einjährige inhaltliche Auseinandersetzung über den ÖPNV zu Ende führen – ganz zum Schluss einen Dank an alle, die daran mitgewirkt, sich eingebracht und geholfen haben, an das Haus. Wir haben ein gutes Gesetz auf den Weg gebracht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Kollege Rehbaum.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wer weiß, was das ist?

(Der Redner hält zwei Disketten hoch.)

Das ist die letzte technische Neuerung im Stellwerk der Duisburger Verkehrsbetriebe: die Einführung des 3,5-Zoll-Floppy-Laufwerks. Das ist die traurige Realität in vielen Stadtbahnbetrieben. Die Zeit ist dort vor ungefähr 20 Jahren stehengeblieben. Der VDV hat schon vor mehreren Jahren begutachtet, dass etwa 3 Milliarden € allein in nordrhein-westfälischen Stadtbahnbetrieben fehlen, davon allein 550 Millionen € in Duisburg.

Rot-Grün hatte jahrelang tatenlos zugeschaut. 2013 sind die Mittel massiv gekürzt worden. Seitdem sind dem System 150 Millionen € entzogen worden. Es war ein historischer Fehler, die ÖPNV-Infrastrukturmittel von 150 auf 120 Millionen € zu kürzen. Leidtragende sind Millionen von Fahrgästen in unseren Großstädten, die jeden Tag das Elend rot-grüner Verkehrspolitik zu spüren bekommen.

(Beifall von der CDU)

Die CDU hatte bereits 2013 die Rücknahme der rotgrünen Kürzungen beantragt. Sie haben sie trotzdem durchgeführt. Aber, Überraschung: Pünktlich vor der Wahl heben Sie die Beträge an und lassen sich dafür auch noch feiern. – Ich sage Ihnen: Die Rücknahme Ihrer Kürzungen der Stadtbahngelder ist bitter nötig, kommt aber viel zu spät.

Im Stadtverkehr geht es um die Bewältigung der Fahrgastmengen, im Regionalverkehr um die Sicherstellung von Mindestangeboten für die Bürger sowie um die Beförderung von Pendlern aus dem Umland in die Zentren und zurück.

Große Bedeutung hat hier der SPNV. Die Regionen, die allerdings nicht über einen Schienenverkehr verfügen, haben an dieser Stelle den Schnellbus, der gute Dienste tut. Es gibt hier aber eine systematische Ungerechtigkeit: Regionen mit einem Schienenstrang bekommen den Verkehr vom Land bezahlt, Regionen ohne Schienenstrang müssen ihren Schnellbus über die Gemeinden selbst bezahlen.

Der Schnellbus, meine Damen und Herren, ist die Regionalbahn auf Gummirädern. Verleihen wir dem Schnellbus endlich den Ritterschlag der Verkehrspolitik und stellen wir ihn finanziell den Regionalbahnen gleich, und zwar nicht optional, sondern verbindlich.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Bürgerbus. Wir haben ungefähr 100 Vereine in Nordrhein-Westfalen – hierzu haben wir auch einen Haushaltsantrag gestellt – mit etwa 5.000 ehrenamtlichen Fahrern.

Seit Jahren fordern wir die Anhebung der Organisationspauschale von 5.000 € auf 6.000 € pro Jahr und Verein. Es geht hier nur um 100.000 € zusätzlich in ganz NRW für diese 100 Vereine. Das Geld ist aber von enormer Bedeutung für die Finanzierung ihrer Vereinsarbeit, für die Gesundheitsprüfung der Fahrer, für die Führerscheinverlängerung, für Geselligkeit in den Vereinen und für die Wertschätzung ganz allgemein. Rot-Grün lässt die Bürgerbusvereine verhungern.

(Beifall von der CDU)

Wir wollen, dass ehrenamtliche Bürgerbusvereine endlich die Unterstützung erhalten, die sie verdient haben.

Zum Punkt der eigenwirtschaftlichen Anträge im ÖPNV: Wir haben eine gesunde Marktlandschaft im nordrhein-westfälischen Busverkehr. Wir haben Kommunalunternehmen und deren 400 mittelständische Subunternehmer, wir haben bundeseigene Unternehmen, internationale und private Unternehmen, die Verkehre dort betreiben, wo es eigenwirtschaftlich noch geht.

All diese Unternehmen und ihre Mitarbeiter eint aktuell die Sorge vor unseriösem Wettbewerb, einem Wettbewerb, der keiner ist, weil man sich als Verkehrsunternehmen nicht wie ein Handwerker jeden Tag aufs Neue um die Leistungen bemühen kann, sondern weil man nur alle acht Jahre genau einen einzigen Genehmigungsantrag auf die Linie abgeben kann. Geht die Genehmigung verloren, muss das Unternehmen aufgeben.

All die Unternehmen im ÖPNV eint die Sorge, dass ein Marktneuling zum Beispiel aus Niedersachsen, aus Hessen oder aus Rheinland-Pfalz das macht, was derzeit noch legal ist. Er nimmt sich einen Laptop und würfelt die Produktionsfaktoren zusammen – Busse, Wartung, Kraftstoffe –, und in der Spalte „Busfahrerlohn“ trägt er ein: Mindestlohn. So rechnet er sich ganze Linienpakete eigenwirtschaftlich und übernimmt die Linienrechte. Wer die soziale Marktwirtschaft ernst nimmt, kann das nicht richtig finden.

Die CDU will den Kommunen die Möglichkeit einräumen, den Verkehrsunternehmen die Anwendung eines repräsentativen Tarifvertrags vorzugeben. Damit können sich die privaten und öffentlichen Unternehmen wieder auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren: Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit, Innovation und Effizienz und Sicherheit für die Fahrgäste. Und davon profitieren auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verkehrsunternehmen.

Damit eines klar wird: Wir brauchen dafür kein bürokratisches Tariftreue- und Vergabegesetz, sondern eine schlichte Klarstellung im ÖPNV-Gesetz.

(Beifall von der CDU)

Ich komme zum Schluss. – Aufgrund der jüngsten, ernst zu nehmenden juristischen Bedenken auch aus dem kommunalen Lager zu der von SPD und Grünen vorgeschlagene Flexibilisierung des § 11a ÖPNVGesetz haben wir uns entschieden, diese Forderung nicht weiter zu unterstützen.

Der Antrag zum Personenbeförderungsgesetz im Bundesrat ist bereits angestoßen. Kollege Becker sagte es bereits. Damit hat sich im Grunde Ihr Antrag hier im Landtag erübrigt. Debatten für die Vitrine brauchen wir sicherlich nicht zu führen.

Der vorliegende Gesetzentwurf zum ÖPNV-Gesetz ist unseres Erachtens kein großer Wurf. Er ist mutlos, kraftlos, ohne Vision, aber er hat wichtige Themen zumindest erkannt.

Die Nahverkehrspolitik von Rot-Grün ist wie die Technik im Duisburger Stellwerk. Ich zeige es noch einmal her.

(Der Redner zeigt eine Diskette.)

Aber dann kommen Sie zum Schluss.

Darunter leiden die Fahrgäste, darunter leiden die Mitarbeiter, und darunter leidet auch das Image von NRW. NRW braucht einen Aufbruch, auch in der Nahverkehrspolitik.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Rehbaum. – Nun spricht für die grüne Fraktion Herr Kollege Beu.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach langer und intensiver Beratung werden wir heute das neue ÖPNVGesetz für Nordrhein-Westfalen beschließen. Die Novellierung wurde nicht nur aus formalen Gründen wie der auslaufenden Befristung notwendig, sondern schaffte auch die Möglichkeit, neue Tatbestände in dieses Gesetz zu integrieren.

Die ÖPNV-Pauschale an die kommunale Familie wird ab 2017 jährlich um 20 Millionen €, der Mindestbeitrag für die pauschalierte Investitionsförderung um 30 Millionen € pro Jahr erhöht. Insgesamt werden wir im kommenden Jahr rund 1,6 Milliarden € für den SPNV und den ÖPNV in Nordrhein-Westfalen aufwenden. Besonders hinweisen möchte ich aber tatsächlich auf die erstmalig vorgenommenen neuen fünf Förderprogramme.

Erstens: Unterhaltungsinvestitionen der Straßenbahn- und Stadtbahnstrecken. Kollege Rehbaum hat eben irgendwelche Floppy-Disks gezeigt. Ich weiß

gar nicht, von welcher Stelle er sie im Duisburger Nahverkehr tatsächlich bekommen hat. Aber die Problembeschreibung ist korrekt.

Dies haben wir dann letztendlich auch abgestellt, indem es jetzt einen neuen Fördertatbestand für die Sanierung dieser Stadtbahnstrecken gibt. Dabei ist vorgeschaltet eine Notwendigkeitsprüfung dazu, ob es nicht kostengünstigere Lösungen gibt, wie beispielsweise den Verkehr wieder nach oben zu verlegen. Das wird letztendlich dann auch sachgerecht durch das Ministerium entschieden werden.

Zweites Förderprogramm: Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken. Es war Ergebnis auch einer verfehlten Politik der Deutschen Bundesbahn in den 1950er-, 1960er- und 70er-Jahren, Strecken einfach stillzulegen.

Wir wollen im Prinzip, dass jetzt, und zwar als betriebswirtschaftlich vernünftige Regelung, tatsächlich auch Bahnstrecken reaktiviert werden. Das wird vor allem dem ländlichen Raum zugute kommen. Deshalb sind wir der Meinung, dass dann auch die Bevölkerungszentren wieder enger miteinander verknüpft werden und diese Maßnahme auch sinnvoll ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Da, wo entsprechende Streckenreaktivierungen nicht möglich sind, sollen Schnellbusse zukünftig diesen Verkehr zwischen Zentren der Region oder auch zwischen Zentren und Bahnstationen aufnehmen können.

Herr Rehbaum, es kann natürlich nicht so sein, dass sich dann die Kommunen ihrer Verantwortung entziehen und alle Maßnahmen aus der entsprechenden regionalen Verantwortung auf die kommunal verfassten drei Aufgabenträger für den SPNV abtreten, nach dem Motto: Dann soll es doch jemand anders zahlen, aber wir nicht aus den Kassen der Kreishaushalte. – Sie wissen auch selber, dass zumindest die großen Städte hier im Land im Regelfall einen viel größeren Aufwand für ihren kommunalen ÖPNV ausgeben.

Drittens: die Elektrifizierung bisheriger Dieselstrecken. Es gibt in NRW immer noch S-Bahn-Strecken, die mit Dieselfahrzeugen betrieben werden, eine ganz hier in der Nähe zwischen Kaarst und Mettmann, eine weitere zwischen Bonn und Euskirchen, um nur zwei zu nennen. Da ist es auch Aufgabe des an sich umweltfreundlichen Verkehrsmittels auf der Schiene, weiter einen Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele zu leisten.

Dieses wollen wir tun. Das soll dann innerhalb der gültigen Verkehrsverträge auch über die kommunal verfassten Aufgabenträger gewährleistet werden.

Viertens: Förderung zukunftsfähiger Busangebote. Es ist im höchsten Maße kontraproduktiv, wenn alte

Dieselbusse mit roten Plaketten und Sondergenehmigungen durch Umweltzonen des Landes fahren. Da gilt es, tatsächlich eine Vorreiterrolle zu realisieren, damit Elektromobilität im ÖPNV geleistet werden soll, um praktisch Impulse zur Anschaffung von Elektro- oder auch Brennstoffzellenbussen zu geben. Es ist letztendlich auch Ziel und Aufgabe des Landes, dieses weiter zu fördern.

Fünftens: Herstellung der Barrierefreiheit. Nach dem altbekannten Personenbeförderungsgesetz sollen im Jahre 2022 alle Haltestellen barrierefrei ausgebaut sein. Doch muss man feststellen, dass zumindest etliche Kommunen dieser Aufgabe bisher nur mangelhaft nachgekommen sind. Wir wollen zukünftig aber die Kommunen dabei unterstützen, indem wir Mittel zur Verfügung stellen, um das Ziel der Barrierefreiheit für Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, möglichst zeitnah realisieren zu können.

Die Mittelverteilung zwischen den Aufgabenträgern in Westfalen, im Rheinland und an der Ruhr soll transparent und nach Kriterien geregelt werden, wie es bereits zwischen den 16 Bundesländern nach dem Kieler Schlüssel erfolgt. Wir wollen der Diskussion, wir sind der benachteiligte Landesteil und bei allen anderen werden die Mittel versenkt, zukünftig jede Grundlage entziehen.

Schließlich haben wir den Gesetzentwurf der Landesregierung gemeinsam mit der SPD als regierungstragende Fraktionen nach dem Anhörungsverfahren noch an zwei Stellen geändert. Eine Änderung beinhaltet, dass wir die kommunalen Verkehrsunternehmen in ihrem Wettbewerb und ihrer Wettbewerbsfähigkeit stärken wollen. Die zweite Änderung ist die Aufhebung der Befristung in § 12. Damit ist es dann auch den kommunal verfassten Aufgabenträgern nicht mehr möglich, Investitionsanträge neuer Art von den Kommunen mit dem Argument der mangelnden finanziellen Planbarkeit nicht mehr zu genehmigen.

Da sind wir, wie bei allen anderen Maßnahmen, auf einem guten Weg und fordern die Aufgabenträger auf, ihre Ziele zu verwirklichen und ihren Aufgaben entsprechend nachzukommen. – Vielen Dank.