Protokoll der Sitzung vom 15.12.2016

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Minister Remmel hat die Redezeit um 1:45 Minuten überzogen. Gibt es den Wunsch der Fraktionen, noch einmal zu reden? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich an dieser Stelle die Debatte zu Tagesordnungspunkt 7.

Ich stelle zum einen fest, dass sich die Fraktionen entgegen der Ankündigung in der heutigen Tagesordnung zwischenzeitlich darauf verständigt haben,

gemäß § 82 Abs. 2 Buchstabe c) unserer Geschäftsordnung den vorliegenden Antrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 16/13688 – Neudruck – und den Änderungsantrag Drucksache 16/13802 zu überweisen. – Das ist einvernehmlich.

Überwiesen werden soll in insgesamt drei Ausschüsse: den Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr, den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk und den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. – Das ist ebenfalls einvernehmlich.

Gemäß § 52 Geschäftsordnung erhält bei mehreren zuständigen Ausschüssen ein Ausschuss die Federführung. Es ist in diesem Haus gute Tradition und parlamentarische Gepflogenheit, dass die antragstellenden Fraktionen diesen Ausschuss vorschlagen und dass wir es dabei belassen. So machen wir es auch vor Weihnachten und ändern an dieser Tradition nichts.

Deshalb wird der Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr die Federführung erhalten, und die beiden anderen Ausschüsse gehen in die Mitberatung. Nach der Beratung in öffentlicher Sitzung wird dann in öffentlicher Sitzung im federführenden Ausschuss abgestimmt. Wer dieser Überweisung mit all diesen Erklärungen zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Piraten, die SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die CDU, die FDP und der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Möchte jemand dagegen stimmen? – Nein. Enthaltungen? – Auch nicht. Damit hat das Parlament auch diese Überweisung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

8 Rahmenvertrag zwischen Kultusministerkon

ferenz (KMK) und VG Wort gefährdet gute Lehre

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/13680

In Verbindung damit:

Digitalisierung der Lehre nicht ausbremsen – Rahmenvertrag über die Intranetnutzung neu verhandeln!

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/13695

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/13789

Als erster Redner hat für die antragstellende Fraktion der Piraten Herr Dr. Paul das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Wir behandeln heute einen Antrag, den man auf den ersten Blick als obsolet erachten könnte; denn die Kultusministerkonferenz und die Verwertungsgesellschaft Wort haben sich mittlerweile auf eine Arbeitsgruppe verständigt, um eine neue Rahmenvereinbarung zu schließen. Wir denken aber, dass es trotzdem wichtig ist, hier im Landtag darüber zu diskutieren und es zur Sprache zu bringen; denn das Verfahren wirft für uns einige Fragen auf.

Erstens. Wieso hat die Kultusministerkonferenz überhaupt einen solch indiskutablen Rahmenvertrag geschlossen? Welche Denke steht dahinter, die die Hochschulen in ein förmliches Bürokratiechaos geworfen hätte? Zweitens. Wie kann ein solcher Rahmenvertrag geschlossen werden, wenn man doch ach so sehr auf die digitale Bildung setzt? Drittens. Muss eigentlich immer erst das sprichwörtliche Kind in den Brunnen fallen, bevor man reagiert bzw. regiert?

Darüber ist deutlich und laut anzuerkennen, dass sich Nordrhein-Westfalen dafür eingesetzt hat, dass die Beteiligten sich wieder an einen Tisch setzen. Das muss hier betont werden. Fast wäre das verzockt worden.

Exemplarisch möchte ich noch einmal kurz darstellen, was die Universität Osnabrück nach der Schließung des Rahmenvertrags einmal durchgespielt hat. So schreibt die Universität in ihrem Bericht über die Auswertung des Vorlesungsverzeichnisses des Wintersemesters 2014/15: Den erfolgten Meldungen mit einem Kostenumfang von ca. 5.000 € bei 8 Cent pro Seite und Teilnehmer stehen erhebliche Aufwände bei Verwaltung, Serviceeinrichtungen und Lehrenden gegenüber.

So investierten Lehrende mindestens 3.900 Minuten – 65 Stunden – in die reinen Meldevorgänge – zusätzliche Recherchen, Informationen und Rückfragen dabei nicht eingerechnet. Für den laufenden Support, um Lehrende zu informieren und zu beraten, wären für die Universität Osnabrück dauerhaft ca. 25 % einer qualifizierten Stelle notwendig gewesen. Weiterer Aufwand würde darüber hinaus zukünftig durch die interne Abrechnung entstehen, die eben nicht Teil dieses Pilotprojektes war.

Nicht auszudenken, was das für die dichteste Hochschullandschaft der Welt hier in Nordrhein-Westfalen bedeutet hätte! Das lässt sich nur erahnen.

Für uns entscheidend – und ich möchte die Gelegenheit hier nutzen, das zu erwähnen – bleibt aber nach

wie vor die Frage nach dem Umgang mit den Urheberrechten im Allgemeinen. Die derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen im Bereich des Urheberrechts beschränken das Potenzial der aktuellen Entwicklung, da sie auf einem veralteten Verständnis des sogenannten geistigen Eigentums basieren, welches der angestrebten Wissens- oder Informationsgesellschaft entgegenwirkt. Man muss sogar sagen: In historisch-rechtsvergleichender Hinsicht gibt es kein einheitliches Begriffsverständnis dieses Begriffs „geistiges Eigentum“.

Da sich die Kopierbarkeit digital vorliegender Werke technisch eben nicht sinnvoll einschränken lässt und die flächendeckende Durchsetzbarkeit von Verboten auch im privaten Lebensbereich als gescheitert betrachtet werden muss, sollten die Chancen der allgemeinen Verfügbarkeit von Werken erkannt und genutzt werden – auch wirtschaftlich genutzt werden.

Wir sind der Überzeugung, dass die nichtkommerzielle Vervielfältigung und Nutzung von Werken als eine natürliche betrachtet werden sollte und sie die Interessen der meisten Urheber entgegen anderslautender Behauptungen bestimmter Interessengruppen eben nicht negativ tangiert. In der Vergangenheit konnte auch kein solcher Zusammenhang schlüssig belegt werden.

In der Tat existiert eine Vielzahl innovativer Geschäftskonzepte, welche die freie Verfügbarkeit bewusst zu ihrem Vorteil nutzen und die Urheber unabhängiger von bestehenden Marktstrukturen machen können. Daher fordern wir, das nichtkommerzielle Kopieren, Zugänglichmachen, Speichern und Nutzen von Werken nicht nur zu legalisieren, sondern auch explizit zu fördern, um die allgemeine Verfügbarkeit von Information, Wissen und Kultur zu verbessern. Dies stellt eine essenzielle Grundvoraussetzung für die soziale, technische und wirtschaftliche Weiterentwicklung unserer Gesellschaft dar.

(Beifall von den PIRATEN)

Darüber hinaus – und ich darf nicht unterlassen, das hier zu sagen – erkennen wir die Persönlichkeitsrechte der Urheber an ihrem Werk in vollem Umfang an. Die heutige Regelung der Verwertungsrechte wird einem fairen Ausgleich zwischen den berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Urheber und dem öffentlichen Interesse an Zugang zu Wissen und Kultur jedoch nicht gerecht. Im Allgemeinen wird für die Schaffung eines neuen Werks in erheblichem Maße auch auf den öffentlichen Schatz an bereits existierenden geistigen Schöpfungen zurückgegriffen. Die Rückführung von Werken – letzter Satz – in den öffentlichen Raum ist daher nicht nur berechtigt, sondern im Sinne der Nachhaltigkeit der menschlichen Schöpfungsfähigkeiten von essenzieller Wichtigkeit.

Meine Fraktion wird allen drei Anträgen zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die FDP-Fraktion hat Frau Kollegin Freimuth das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema ist nicht neu. Der erste Rechtsstreit zwischen der Verwertungsgesellschaft Wort und den Ländern stammt aus dem Jahr 2009. Trotzdem hat das Thema jetzt eine Aktualität erhalten, weil die Nutzung von digitalen Dokumenten, die in den Intranets unserer Hochschulen zur Verfügung gestellt werden, zum 1. Januar 2017 infrage stand. Die Hochschulen haben aktuell ganz zu Recht auf die nicht vorhandene Praktikabilität der neuen Vereinbarung hingewiesen, die die Länder mit der Verwertungsgesellschaft Wort kürzlich getroffen haben.

Ich weiß, dass sich die Länder insgesamt – und auch das Land Nordrhein-Westfalen – immer sehr für eine Fortsetzung der pauschalen Vergütungssysteme stark gemacht haben, wie sie im Übrigen für die anderen Verwertungsgesellschaften noch gelten. Aber die VG Wort – das war Gegenstand der rechtlichen Auseinandersetzung – hat in Wahrnehmung der von ihr vertretenen berechtigten Interessen der Urheber das Thema anders vertreten und auch durchgefochten.

Insofern eine kleine Anmerkung: Ich finde die Formulierung „Wir fordern Sie auf“ in dem Entschließungsantrag, den uns SPD und Grüne heute vorgelegt haben, wenig angebracht. Die VG Wort nimmt berechtigte Interessen der Urheber war. Gleichwohl haben wir, um die Interessen der Hochschulen und der Studierenden wahrzunehmen, das Recht und in gewisser Weise auch die Verpflichtung, digitale Semesterapparate sicherzustellen, sodass wir in eine Verhandlung neu eintreten müssen, um einen Ausgleich zu erzielen. Da ist es nicht sonderlich hilfreich, für verhärtete Fronten zu sorgen und letztlich die Verhandlungsposition zu schwächen.

(Beifall von der FDP)

Seit der Antragstellung haben wir aber auch zur Kenntnis genommen, dass Bewegung in die Szenerie gekommen ist. Sowohl die Länder als auch die Hochschulrektorenkonferenz und die Verwertungsgesellschaft Wort wollen noch einmal an einen Tisch kommen und eine praktikable Lösung entwickeln.

Noch weiß niemand, wie diese Vereinbarung oder das Ergebnis dieser Arbeitsgruppe aussehen kann. Da ist von einem Moratorium die Rede. Die Frage ist aber, ob die gleichen pauschalen Vergütungssätze gelten oder höhere angesetzt werden. Wird also das Moratorium in irgendeiner Form – in Anführungszeichen – „erkauft“? Und welche Präzedenzen setzen

wir letztlich auch für die anderen Verwertungsgesellschaften?

Es lohnt sich deshalb, die Verhandlungen mit den anderen Beteiligten und Partnern sehr sorgsam vorzunehmen, um auch die anderen Verwertungsgesellschaften und dortige mögliche Veränderungen im Blick zu behalten. Deswegen haben die nun begonnenen Gespräche auch eine grundsätzliche Bedeutung.

Wir haben immer klar gesagt, dass die Bereitstellung der digitalen Semesterapparate in den Intranets der Hochschulen für eine zeitgemäße Ausbildung und Bildung der Studierenden an unseren Hochschulen notwendig ist. Das ist ein Ziel, dem wir stärker Rechnung tragen müssen als bislang. Die Möglichkeit, mit der das sicherlich am angemessensten passieren kann, besteht darin, zum Beispiel auf der Bundesebene auf eine Veränderung im Urheberrecht hinzuwirken, um eine allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke im Urheberrecht durchzusetzen. Was wir momentan an Problematik sehen, muss der Aufhänger dafür sein, mit mehr Nachdruck auf die Bundesebene einzuwirken.

Wenn SPD und Grüne in ihrem Entschließungsantrag unter Punkt II.5 formulieren: „Der Landtag fordert die Landesregierung auf, ihre Bemühungen auf der Bundesebene um die Einführung der allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke im Urheberrecht intensiv fortzusetzen“, ist das zwar nicht falsch, es reicht aber bei Weitem nicht aus.

Wir hätten auch die Möglichkeit, etwas selbstbewusster heranzugehen und zum Beispiel über eine Bundesratsinitiative aller Länder ein Initial auf die Bundesregierung und den Bundestag auszuüben,

(Beifall von der FDP)

um zu einer klarstellenden Regelung zu bekommen, die längerfristig trägt. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Freimuth. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Bell.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir behandeln heute ein Thema, das wohl viele Menschen in unserem Land mit großer Aufmerksamkeit betrachten – zumindest die mehr als 760.000 Studierenden an den Hochschulen dieses Landes. Ich kann aus meiner Erfahrung im Umgang mit Studierenden sagen: Es gibt im Moment kaum ein Thema, das die Studierenden in Nordrhein-Westfalen mehr bewegt hat als diese Frage.

(Ministerin Svenja Schulze: Ja!)

Denn wenn die Ankündigung, die digitalen Semesterapparate zum 1. Januar 2017 von den Servern zu nehmen, Realität würde, würde die Lern- und Studiersituation an den Hochschulen radikal um mindestens eine Generation ins vordigitale Zeitalter zurückgeworfen.

An der Hochschule in Bielefeld wurde bereits ein Kopierraum eingerichtet, um die Möglichkeit zu schaffen, zumindest wieder mit Kopien aus Bibliotheken zu arbeiten. Dass das eine völlig inakzeptable Situation war, zustande gekommen durch den Abschluss einer nicht praktikablen Rahmenvereinbarung, erschließt sich wohl jedem von uns.