Protokoll der Sitzung vom 15.12.2016

Lieber Herr Ellerbrock, Sie haben uns in den vergangenen 24 Stunden schon dreimal frohe Weihnachten gewünscht. Deswegen will ich jetzt auch weihnachtsmilde sein. Vorhin hatten Sie aber nicht nur gesagt, dass es ein Anliegen der FDP sei, auf das der Minister eingegangen sei, sondern dass es sozusagen die Bedingung dafür gewesen sei, dass der Minister überhaupt gehandelt habe. So viel Selbstverliebtheit wollte ich der FDP dann bei aller Liebe für liberale Ideen nicht zugestehen.

Herr Ellerbrock, ich will noch einmal daran erinnern, dass es bei der Einstufung in das Abfallverzeichnis am 4. März dieses Jahres, also bei der Übertragung der POP-Ansätze in das nationale Recht, darum ging, dass Expertinnen und Experten zu dem Ergebnis gekommen sind, dass die bromhaltigen Flammschutzmittel in Bezug auf Umwelt und Gesundheit als gefährlich im Sinne des europäischen Rechts einzustufen sind.

Ich plädiere dafür, das Ganze im Umweltausschuss federführend zu behandeln, weil der Ursprung im März dieses Jahres eine Einstufung als gefährlicher Stoff im umweltrechtlichen Sinne war.

(Widerspruch von Josef Hovenjürgen [CDU])

Denn der Ursprungspunkt ist die Frage, ob ein Stoff gefährlich ist oder nicht. Für uns Grüne bleibt er auch trotz des Moratoriums ein gefährlicher Stoff. Wenn wir jetzt vorübergehend einen Entsorgungsweg zugunsten des Handwerks schaffen, um ihm dieses Problem nicht aufzubürden, dann sind wir zusammen. Das kann aber nicht die Dauerlösung sein. Die Dauerlösung in einem modernen umweltorientierten und nachhaltig wirtschaftenden Land muss darin bestehen, die Kreislaufwirtschaft zu stärken. Das haben wir übrigens, lieber Kollege Ellerbrock und lieber Kollege Brockes, gemeinsam so in der Enquetekommission zur Nachhaltigkeit der Chemie festgehalten,

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

dass wir Kreislaufideen, wo immer es möglich ist, stärken wollen.

Die Redezeit.

Hier ist es möglich. Deswegen werden wir diesen Weg auch konsequent anpacken. Seien Sie versichert: Wir als Grüne werden das eine Jahr Moratorium sehr konstruktiv und zugunsten des Handwerks, aber auch zugunsten der Umwelt und der Gesundheit der Menschen nutzen.

Denn das Problem mit den Dämmstoffen …

Herr Kollege Markert!

… wird in 20, 30 Jahren noch viel größer sein; denn im Moment verpacken wir unsere Häuser ja noch mit Styropor.

Vielen Dank, Herr Kollege Markert. Die zweite Kurzintervention hat sich zwischenzeitlich erledigt, sodass ich Ihnen für den Redebeitrag danke und Sie jetzt gerne das Redepult verlassen können.

Das ist aber lieb. Ich wünsche trotzdem allen frohe Weihnachten. – Danke.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön. – Der nächste Redner ist für die Piratenfraktion Herr Kollege Rohwedder.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Im Moment

gibt es Probleme mit der Entsorgung HBCD-haltiger Abfälle. Das ist mal wieder ein Problem mit Ansage. Die Lösung wurde auf die lange Bank geschoben, und jetzt brennt die Hütte.

Der von der CDU eingebrachte Antrag greift das auf, geht aber von verkehrten Voraussetzungen aus und kann deshalb auch keinen vernünftigen Lösungsansatz bringen. Anders als von der CDU dargestellt, ist der Stoff durchaus kritisch. Er wurde bereits 2008 in das Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe aufgenommen, und zwar in die Kandidatenliste als „besonders besorgniserregend“. 2013 wurde er dann als persistent organic pollutant – POP – eingestuft. Bereits im Februar 2011 war er in der EU-Chemikalienverordnung REACH wegen seiner Eigenschaften als „besonders besorgniserregend“ eingestuft worden.

Seit dem 30. September 2016 ist er in der entsprechenden Verordnung aufgeführt mit einem Grenzwert von einem Promille. Ab diesem Grenzwert gilt Abfall, der diesen Stoff enthält, als POP-Abfall und muss nur einer Verbrennung zugeführt werden können, bei der er zerstört oder unumkehrbar umgewandelt wird. Ein Recycling eines solchen Abfalls ist ausgeschlossen. Mit dieser Regelung wird das Ziel verfolgt, den Stoff dauerhaft aus dem Wertstoffkreislauf auszuschließen. Das ist sinnvoll.

Es gibt, wie immer bei solchen Änderungen, Übergangsregelungen. Darüber, wie sinnvoll sie im Einzelnen sind, kann man unterschiedlicher Meinung sein. Dem Antrag von CDU und FDP zu folgen, wäre aber kontraproduktiv; denn das Problem würde weiter auf die lange Bank geschoben. Das ist unangemessen und schädlich, wenn man sich die Begründung der EU vor Augen hält, die besorgt ist über die kontinuierliche Freisetzung persistenter organischer Schadstoffe in die Umwelt, die weit von ihrem Ursprungsort über internationale Grenzen hinweg transportiert werden, in der Umwelt verbleiben, sich über die Nahrungsmittelkette anreichern und ein Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt begründen.

Da kann man nicht ernsthaft die Wiederherstellung des Status quo von vor dem 30. September 2016 fordern, wie CDU und FDP das tun – vor allem nicht, wenn man weiß, dass den EU-Bestimmungen in diesem Fall das Vorsorgeprinzip zugrunde liegt. Das war den antragstellenden Fraktionen möglicherweise aber unbekannt.

So wäre beispielsweise eine Forderung sinnvoll gewesen, schnellstmöglich dafür zu sorgen, dass dieser Abfall in Anlagen verbrannt wird, in denen die vollständige Verbrennung durch ausreichend hohe Temperaturen oder ähnliche technische Merkmale oder Maßnahmen gesichert ist, und bestehende Anlagen, wenn nötig und möglich, entsprechend zu ertüchtigen.

Das hätte auch in den im Bundesrat eingebrachten Verordnungsantrag gehört, und zwar in den Abschnitt C, Alternativen. Es geht nicht nur um Rechtssicherheit, wie in diesem Abschnitt C geschildert – das ist juristisch richtig und auch selbstverständlich –, sondern auch um die naturwissenschaftlich-technische Sicherheit dabei.

Großartig ist in Ihrem Antrag die Forderung, der Landtag möge feststellen,

„dass die pauschale Einstufung ,gefährlich‘ für Abfälle, bei denen eine in der EG-POP-Verordnung genannte Konzentrationsgrenze für persistente organische Stoffe erreicht oder überschritten ist, unverhältnismäßig ist, weil sie unkalkulierbare Auswirkungen auf eingeführte Entsorgungswege und damit insbesondere auf die Sicherheit der Entsorgung für die abfallerzeugenden Unternehmen hat.“

Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Die Einstufung als „gefährlich“ abhängig zu machen von alteingeführten Entsorgungswegen statt von tatsächlichen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen über Wirkung, Anreicherung und gefahrloser Entsorgung kritischer Stoffe, zeugt von absoluter Ignoranz gegenüber den tatsächlichen Problemen und möglichen Lösungswegen.

Daran ändert auch der Änderungsantrag nichts, den Sie zusammen mit der FDP vorgelegt haben.

Damit haben wir wirklich Stoff genug, um im Ausschuss noch einmal darüber zu reden. Deshalb stimmen wir der Überweisung an den Ausschuss gerne zu. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Rohwedder. – Für die Landesregierung spricht jetzt noch einmal Herr Minister Remmel.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass sich dieses Problem meines Erachtens nicht dazu eignet, umweltpolitische oder auch andere Grundsatzdebatten oder Streitereien zu führen, weil das Ganze ein durchaus komplexes Zusammenwirken zwischen umweltrechtlichen Anforderungen, praktischen abfalltechnischen Anforderungen, abfallrechtlichen Fragen und am Ende wieder umweltpolitischen Wirkungen ist.

Ich glaube in der Tat, dass wir im Grundsatz einer Meinung sind, was die Zielsetzungen angeht. Weil wir da nicht auseinander sind, brauchen wir darüber auch keinen Streit zu führen. Ich denke, das Haus ist

in der ganzen Breite damit einverstanden, dass gefährliche Stoffe ausgeschleust werden müssen. Das ist ein Grundsatz, dem sicherlich keiner widersprechen würde.

Auch sind alle damit einverstanden, dass es darum geht, gute Entsorgungswege und entsprechende Kapazitäten vorzuhalten, und dass das auch funktioniert. Auch das ist sicherlich ein Grundsatz, hinter dem wir uns alle versammeln können.

Wir alle sind der Meinung, dass das auch zu vernünftigen Preisen passieren muss und dass nicht durch Engpasserzeugung Preise künstlich hochgehalten werden dürfen. Auch das ist sicherlich unsere gemeinsame Meinung.

Wir alle sind auch der Meinung, dass wir Stoffe zur Dämmung brauchen und dass deren Einbau auch aus den Anforderungen des Klimaschutzes heraus verstärkt erfolgen sollte. Da sind wir ebenfalls einer Meinung.

Letztlich sind wir, glaube ich, auch alle davon überzeugt, dass es keine Situation geben darf, in der Baustellen stillgelegt werden müssen oder Aufträge nicht ausgeführt werden können – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der aktuellen Situation, dass wir dringend Wohnraum brauchen.

Wenn wir das alles einmal als Grundsatz festhalten, hinter dem wir uns versammeln können, und Einverständnis damit voraussetzen, dann sollten wir uns einmal mit der Frage beschäftigen, worum es denn überhaupt geht. Wenn man das tun will, muss man sich schon ein bisschen näher damit befassen. Ich gebe zu, dass ich das auch erst vor ein paar Tagen richtig durchdrungen habe, vermute aber, dass es Ihnen nicht anders geht.

Ausgangspunkt waren und sind die Überlegung sowie die Verordnung der EU, dass gefährliche Stoffe ausgeschleust werden müssen.

Herr Minister Remmel …

Ich möchte das einmal ausführen, damit es nachvollzogen werden kann. – Diese sogenannte POPVerordnung der EU musste in deutsches Recht umgesetzt werden. Die Bundesregierung hat es lange versäumt, das zu tun. Am Ende des Tages ist es dann umgesetzt worden. Das ist ein umweltpolitischer Ansatz, gefährliche Stoffe auszuschleusen – Stichwort: POP-Verordnung.

Nun ist klar: Wenn man das auf der einen Seite verändert, dann muss man auch die abfallrechtliche Seite anpassen. – Das ist passiert, indem man beide Seiten dynamisch miteinander verknüpft hat. Dann

stellten sich sowohl das Volumenproblem als auch das Entsorgungsproblem.

In der Tat ist hier nicht die Frage der ausreichenden Kapazität das Problem. Wir haben 14 Müllverbrennungsanlagen in Nordrhein-Westfalen, die das leisten können und dafür auch eine Genehmigung haben. Das ist gar keine Frage.

Hier aber besteht das Problem – das hat sich in den letzten Tagen noch einmal konkretisiert –, dass wir über 100 Entsorgungs- und Konditionierungsanlagen haben, die für gefährliche Abfälle über keine Genehmigung verfügen. Da hilft auch der Erlass, den wir am 25. Oktober 2016 herausgegeben haben, nicht weiter, weil er zwar die Vermischung erlaubt, aber eben nicht eine Pauschalgenehmigung für 100 Anlagen ausspricht.

Deshalb brauchen wir die Übergangszeit von einem Jahr, um genau diese Frage zu klären. Bei dieser Übergangszeit geht es nicht etwa darum – auch das sage ich an dieser Stelle; das würde ich mir natürlich wünschen –, irgendwelche technischen Verfahren zu haben, um ein stoffliches Recycling zu machen. Mittelfristig ist das wünschenswert. Ich glaube, dass es da auch Perspektiven gibt.

Dieses eine Jahr Übergangszeit brauchen wir aber, um die Anforderungen der Europäischen Kommission, einen Nachweis darüber zu führen, auch praktisch umzusetzen. Es geht hier um die Nachweisführung, dass die gefährlichen Stoffe ausgeschleust werden. Deutsches Umweltrecht kennt bisher aber nur die Aufteilung in ungefährliche Stoffe und gefährliche Stoffe. Wir brauchen jetzt eine weitere Kategorie: gefährliche Stoffe, aber ungefährlich zu behandeln.

Das muss mit einer entsprechenden Nachweispflicht versehen werden. Die Entsorger haben auch ihre Bereitschaft erklärt, hierbei mitzuwirken. An dieser Konzeption müssen wir jetzt in diesem Jahr arbeiten.

Ich bitte Sie deshalb, diesen Weg auch zu unterstützen. Wir jedenfalls werden morgen im Bundesrat dafür werben. Ich habe auch den Eindruck, dass das auch bei den anderen Ländern angekommen ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)