Protokoll der Sitzung vom 25.01.2017

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Fast das Gleiche!)

Damit stellen Sie unsere Polizeibeamten unter Generalverdacht.

(Beifall von der FDP – Widerspruch von den GRÜNEN)

Vor diesem Hintergrund wirkt ein solcher Antrag heute wenig glaubhaft.

Zur Wahrheit gehört aber auch, liebe Kolleginnen und Kollegen: Anstatt über Begrifflichkeiten in einem Tweet zu streiten, wäre es mir viel lieber, wenn wir alle in diesem Haus unsere Energie darauf verwenden würden, uns den Herausforderungen in diesem Land zu stellen. Dazu gehört es auch, die Probleme zu lösen, die mit der Gruppe der Nafris, der nordafrikanischen Intensivtäter, verbunden sind. Wir sollten die Probleme angehen, statt über Begrifflichkeiten zu streiten. Schließlich wissen wir anhand der Analyseprojekte „Casablanca“ und „Nafri“, dass es jeweils über 2.000 Tatverdächtige allein in Nordrhein-Westfalen gibt.

Es sind insbesondere die seit Langem hier lebenden Menschen aus dem Maghreb, die gut integriert sind, die sich wünschen, dass wir konsequent und verbindlich gegen die Straftäter aus dem Maghreb vorgehen. Wir müssen die Menschen, die schon seit Langem bei uns wohnen und sich integriert haben, auch entsprechend schützen.

Meine Damen und Herren, die Devise muss also lauten: Weniger über Begriffe streiten und die Probleme angehen.

In diesem Zusammenhang muss ich einen letzten Aspekt ansprechen. Das Innenministerium hat dieser

Tage bewiesen, wie man es gerade nicht machen sollte. Das Innenministerium hat nämlich die sowieso schon im Scheinwerferlicht stehende Kölner Behörde wieder in die Schusslinie gebracht, die Arbeit der Polizei konterkariert und noch nicht einmal vor den Rechten des Parlaments haltgemacht.

Ich habe für die – das haben auch andere Kolleginnen und Kollegen bereits getan – Innenausschusssitzung einen Bericht über den Einsatzverlauf der Silvesternacht sowie die Lageabschlussmeldung angefordert. Frau Schäffer hat gerade schon darauf hingewiesen. Wie gewünscht, wurde diese Unterlage aus Köln geliefert. Daraufhin wurde jedoch im Ministerium der Schwarzstift gezückt, und man hat wichtige Informationen geschwärzt, und zwar – verzeihen Sie mir das – auch noch absolut dilettantisch, sodass diese Informationen sehr leicht lesbar waren.

Warum diese Informationen aber geheimhaltungsbedürftig waren, konnte uns nicht erklärt werden. Das konnte auch im Innenausschuss nicht plausibel dargestellt werden. Klar ist aber, dass der Innenminister, sprich das Ministerium, ähnlich wie im Fall Amri, bei HoGeSa oder der Silvesternacht, das Parlament ein Stück weit für dumm verkaufen wollte. Das zeigt auch, welche Achtung diese Landesregierung eigentlich dem Parlament beimisst.

Meine Damen und Herren, Wertschätzung vor dem Parlament, vor der Öffentlichkeit und letztlich auch vor den Beamten sieht in der Tat anders aus.

Anstelle von Vertuschungsversuchen brauchen wir mehr Transparenz. Vor allen Dingen aber brauchen wir – ich wiederhole mich – mehr echte Unterstützung für unsere Einsatzkräfte. Dabei helfen schöne Anträge allein jedoch nicht. Wir brauchen eine in diesem Parlament wirklich gelebte Unterstützung. 52 Wochen im Jahr, an jedem Tag des Jahres muss dieses Signal nach draußen gehen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und Christian Möbius [CDU])

Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die Piratenfraktion hat nun Herr Herrmann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Vielen Dank für die Erteilung des Wortes. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer im Saal und zu Hause! Zuallererst möchte ich natürlich sagen, dass auch wir Piraten den Einsatzkräften, die am Silvesterabend einen guten Dienst gemacht haben, selbstverständlich unseren herzlichen Dank aussprechen.

Dazu gehören die zahlreichen Polizistinnen und Polizisten, die diesen anstrengenden Job gut verrichtet

haben, aber auch die Rettungskräfte, die Feuerwehren, die vielen Pflegekräfte, die ebenfalls an Silvester ihren nicht minder schweren Dienst in den Krankenhäusern und Pflegeheimen ableisten, sowie alle anderen, die ihren Dienst für die Allgemeinheit ausüben, wenn die meisten anderen Menschen feiern. Ein solcher Dank ist selbstverständlich.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Tatsache, dass uns nun zwei Anträge vorliegen, deren Dank sich speziell an die Polizei in Köln richtet, ist wohl dem Umstand geschuldet, dass es offenkundig doch Vorgänge gibt, bei denen sich in den letzten Wochen Widersprüche aufgetan haben, die bis jetzt nicht richtig aufgeklärt sind.

Als Erstes wäre der Umstand zu nennen, dass bis heute nicht restlos geklärt ist, wie es zu dem Tweet der Polizei Köln mit einer diskriminierenden Bezeichnung für eine Gruppe von Menschen kam; Frau Schäffer hat eben darauf hingewiesen. Für die Polizei hat sich Polizeipräsident Mathies dafür entschuldigt. Das begrüßen wir und hoffen, dass die entsprechenden Vorkehrungen getroffen wurden, dass Ähnliches nicht wieder passieren kann.

(Beifall von den PIRATEN)

Viel schwerwiegender ist jedoch der Umstand, dass nach diversen Presse- und Augenzeugenberichten Menschen rein nach deren Aussehen am Hauptbahnhof Köln aussortiert und dann bis nach Mitternacht ohne weitere Maßnahmen in einem Polizeikessel festgehalten wurden. Zunächst war die Rede davon, dass diese Menschen aufgrund einer aggressiven Grundstimmung festgehalten worden seien. Das klingt jetzt nur vordergründig nachvollziehbar; denn es ist nicht geklärt worden, woran eine aggressive Grundstimmung erkannt wird oder wie sich diese äußert. Im Ausschuss haben wir darüber gesprochen, und dort war die Rede davon, dass sie betrunken oder alkoholisiert waren.

Die Lageabschlussmeldung der Polizei in Köln sagt dann auch etwas ganz anderes – ich zitiere –:

„Ab 22:00 Uhr befanden sich in und um den Kölner Hbf bis zu ca. 1.000 Personen mit nordafrikanischem Hintergrund. Alle Personen, die dem nordafrikanischen Spektrum zugeordnet werden konnten, wurden außerhalb des Hbf im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten einer Identitätsfeststellung unterzogen.“

Also wurden ausdrücklich alle Personen – nicht nur die mit einer sogenannten aggressiven Grundstimmung –, die dem nordafrikanischen Spektrum zugeordnet werden konnten, festgehalten.

Die Frage ist nun, wie diese Zuordnung geschah. Hier zitiert „SPIEGEL ONLINE“ einen Polizeisprecher mit den Worten: „Wie ein Nordafrikaner grund

sätzlich aussieht, das weiß man.“ Also lässt sich festhalten, wenn man nach der Lageabschlussmeldung geht, dass die Polizei allein das Aussehen und eine danach beurteilte Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe von Menschen zum Anlass genommen hat, diese gesondert festzuhalten. Genau das ist Racial Profiling, meine Damen und Herren.

(Beifall von den PIRATEN)

Genau hier stellt sich heraus, dass dieses Kriterium – das Aussortieren, Festhalten und Kontrollieren von Menschen nach deren Aussehen – vollkommen untauglich ist. Ich zitiere einen Bericht der „tageszeitung“ vom 13. Januar:

„Von den 674 Personen, deren Identität die Kölner Polizei feststellte, wurden nur 17 als Marokkaner und 13 als Algerier eingestuft.“

Ansonsten waren unter den Kontrollierten Iraker, Afghanen, Syrer. Ja, es befanden sich auch 46 Deutsche darunter. Es waren also mehr Deutsche als Nordafrikaner.

(Marc Lürbke [FDP]: Alles vorläufig, Herr Kol- lege!)

Das ist vorläufig.

Diese Bilanz ist der beste Beweis dafür, dass ein Aussortieren von Menschen nach vermeintlicher ethnischer oder nationaler Zugehörigkeit nicht nur diskriminierend, sondern auch ein völlig untaugliches polizeiliches Mittel ist.

Weiterhin bleibt unklar, wieso ein großer Teil der festgehaltenen Menschen nicht kontrolliert, sondern bis nach Mitternacht einfach nur festgehalten wurde. Das ist ein weiterer Umstand, den es auf jeden Fall aufzuklären gilt.

Der Antrag von SPD und Grünen bedankt sich nun dafür, dass ein friedliches und unbeschwertes Feiern ermöglicht wurde; Kollege Möbius hat das eben auch hervorgehoben. Das ist, wie ich soeben auszuführen versuchte, nicht ganz richtig; denn die 1.000 Menschen, die bis nach Mitternacht in einem Polizeikessel festgehalten wurden, konnten eben nicht unbeschwert und friedlich feiern.

Meine Damen und Herren, wir dürfen nicht anfangen, für bestimmte Gruppen Ausnahmen von Grundrechten zu akzeptieren. Wenn so etwas geschieht, ist dies eine Gefahr, die man nicht nur thematisieren darf, sondern die man thematisieren muss, und dies, ohne dass daraus ein Angriff auf die jeweiligen Beschäftigten konstruiert wird.

Ich erwarte, dass die Vorgänge der letzten Silvesternacht in der Aus- und Weiterbildung der Polizei angesprochen werden, und ich erwarte auf jeden Fall, dass wir uns im Innenausschuss nochmals mit dem Thema befassen. Die beiden Anträge braucht es

dazu nicht. Man könnte sogar sagen, dass sie kontraproduktiv sind; denn sie versuchen, mit Dankbarkeit ein Problem zu überdecken, und das ist nicht gut. Deswegen empfehle ich meiner Fraktion, beide Anträge abzulehnen. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Herrmann. – Nächster Redner ist der fraktionslose Kollege Schwerd.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und vor den Bildschirmen! Lassen Sie mich eines vorausschicken: Wenn wir anlässlich der letzten beiden Silvesternächte Kritik an der Polizei üben, dann sind damit nicht die einzelnen Polizeibeamtinnen und -beamten gemeint. Ich habe großen Respekt vor deren Leistung; denn sie sehen jeden Tag Gewalt, Kriminalität und die Folgen menschlicher Tragödien, und sie müssen es ausbaden, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Ich habe Respekt vor all denjenigen, die diese Arbeit tagtäglich leisten und das als ihre Berufung ansehen.

Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Fisch stinkt vom Kopf. Es ist die Polizeiführung, die jeweils für das Versagen am Kölner Hauptbahnhof verantwortlich ist. Es ist die Polizeiführung, die vorletztes Silvester viel zu wenige Kräfte einsetzte und auch dann keine Verstärkung schickte, als das notwendig war und dringend erbeten wurde. Es ist die Polizeiführung, die für die katastrophale Kommunikation während und nach Silvester verantwortlich ist.

Dieses Jahr ist das Pendel ganz offensichtlich in die andere Richtung umgeschlagen. Diesmal wurde mit fragwürdigen Methoden gearbeitet. Es wurden Hunderte von jungen Männern festgehalten, die offensichtlich nach dem Aussehen, nach Haut- und Haarfarbe, ausgewählt wurden: Deutsche durch die rechte Tür, ausländisch anmutende Männer durch die linke!

Insgesamt sind zahlreiche Widersprüche ungeklärt. Zuerst redet man von – ich setze das in Anführungsstriche – „Hunderten Nafris“ am Bahnhof. Später räumt man kleinlaut ein, es seien nach jetziger Kenntnis gerade einmal 30 Nordafrikaner unter den Kontrollierten gewesen. Die mitgeteilten Zahlen passen vorne und hinten nicht zusammen.

Während es offiziell heißt, es seien lediglich Gruppen von gemeinsam anreisenden Pöblern und Betrunkenen gezielt herausgegriffen worden, sprechen zahlreiche Zeugenberichte eine andere Sprache. Es gibt Berichte von Einzelreisenden, es gibt Berichte von einzelnen Personen, die aus größeren Gruppen herausgegriffen worden sind. Es gibt Berichte von Männern,

die in weiblicher Begleitung unterwegs waren und von ihrer Begleitung getrennt worden sind.

Viele wurden auch erst mal gar nicht kontrolliert, sondern einfach in einem Kessel festgehalten. Um eine Minute nach Mitternacht wird dieser Kessel plötzlich aufgelöst, und alle Männer können gehen – unkontrolliert! Kann mir das einer erklären?

Wie wurden die Zielpersonen denn nun tatsächlich ausgewählt? Racial Profiling, also die Auswahl polizeilich zu kontrollierender Menschen alleine nach deren Hautfarbe oder Herkunft, ist von Gerichten klar verboten worden. Wenn man also zu dieser Maßnahme griff im berechtigten Bemühen, dass sich die Vorkommnisse vom letzten Silvester nicht wiederholen, dann war das ganz klar unzulässig. Man kann nicht ein Unrecht mit einem anderen bekämpfen.

Ich glaube, mit dieser Anzahl an Polizisten, die in Köln unterwegs waren, hätte man auch ohne Kessel die Sicherheit herstellen können. Hier sind zahlreiche Fragen offen und Konsequenzen erforderlich. Dazu liegt mein Entschließungsantrag vor, für den ich um Zustimmung bitte.