Daniel Schwerd
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und am Stream! Rundfunk, das war früher einmal das, was wir im Radio hörten oder im Fernsehen sahen. Frequenzen sind knapp. Daher war es sinnvoll, die verfügbaren Plätze auf Anbieter so zu verteilen, dass eine möglichst ausgewogene Mischung an Inhalten und Meinungen erreicht wird. Deswegen müssen sich Rundfunksender registrieren. Dies wurde im Rundfunkstaatsvertrag so festgeschrieben.
Dann kam das Internet, und der klassische Rundfunk wuchs mit Inhalten im Internet zusammen. Jetzt haben wir Sendungen, die man nach Wunsch aus Mediatheken abrufen kann, also nicht notwendigerweise linear. Wir können Anbieter aus der ganzen Welt empfangen, und wir haben das WEB 2.0. Plattformen wie YouTube oder PERISCOPE erlauben es jedermann, zum Sender zu werden. Die Unterscheidung zwischen Sender und Empfänger ist heutzutage aufgehoben.
Gleichwohl wendet man den Rundfunkstaatsvertrag mit seinen nicht mehr ganz so passenden Begriffsbestimmungen auch auf linear angebotene Sendungen im Internet an. Dabei wird nicht zwischen privaten, nicht kommerziellen oder kommerziellen Diensten unterschieden. Eine Ausnahme gibt es nur für Programme mit weniger als 500 Zuschauern.
Die Landesmedienanstalten tun nun das, was das Gesetz ihnen vorschreibt. Sie haben auf die Einhaltung gesetzlicher Regelungen zu achten. Das veranlasst sie, YouTuber mit mehr als 500 Zuschauern bei Livesendungen zum Erwerb einer Lizenz anzumahnen.
Das Internet ist aber nicht knapp. Es gibt keine Frequenzen zu verteilen. Es gibt keine Programmknöpfe im Internet. Das führt dann zu absurden technischen Lösungen, wie beispielsweise die Zahl der Zuschauer auf 499 zu beschränken, so wie übrigens auch der Stream, der hier aus dem Landtag gesendet wird. Eine solche Beschränkung ist jedenfalls für die Meinungs- und Informationsfreiheit schädlicher als eine fehlende Zulassung.
Die Fragestellung, wie man die Vielfalt der Meinungen im Internet sichert, ist im Internet nicht über die Zulassung von einzelnen Sendern zu regeln, sondern über die Neutralität der Plattformbetreiber und der Zugangsanbieter. Das Zauberwort heißt „Netzneutralität“ oder besser gleich „Plattformneutralität“.
Es wird also Zeit, den Rundfunkstaatsvertrag entsprechend zu ändern. Telemediendienste mit linearen Video- und Audioangeboten brauchen keine Zulassung. Das ist anachronistisch. Stattdessen sollten die Landesmedienanstalten mit der Beobachtung von Intermediären, von Plattformen und von Zugangsanbietern beauftragt werden und hier gegebenenfalls regulierend eingreifen dürfen.
Plattformen müssen sich den Teilnehmern gegenüber fair und gerecht verhalten, sowohl gegenüber den Nutzern als auch den teilnehmenden Anbietern. Das zu sichern, wäre zeitgemäß. Darüber hinaus brauchen wir eine gesetzlich festgeschriebene Netzneutralität ohne Ausnahmen. – Vielen herzlichen Dank und bis demnächst in diesem Theater.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und am Stream! Die Türkei ist auf dem besten Wege in einen totalitären Führerstaat. Der Putschversuch im Sommer letzten Jahres wurde als letzte Legitimation genutzt, das Land gleichzuschalten. Die Massenentlassungen von Beamten, Lehrern, Professoren, Richtern, das Verbot kritischer Zeitschriften und Fernsehsendern, systematische Verhaftungen von Journalisten und
Oppositionspolitikern kommen nicht von heute auf Morgen.
Dabei werden Entlassungs- und Verhaftungslisten abgearbeitet, die sehr viel länger bestehen. Das alles weckt ungute Erinnerungen aus der Zeit der Machtergreifung im Deutschland der 30er-Jahre.
Die Entschließung von SPD und Grünen, über die wir heute abstimmen, enthält verurteilende Worte. Das ist gut. Gehandelt wird aber nicht. Wie auf der Bundesebene bleibt es bei einer lauen Verurteilung, die Herrn Erdogan nicht im Mindesten tangieren wird. Wo sind denn die konkreten Maßnahmen? Warum isoliert man dieses Regime nicht? Warum setzt man Verträge nicht aus? Warum stellt man Finanzhilfen nicht ein? Wie ist es denn mit befristeten Einreiseverboten oder Kontensperrungen für den Erdogan-Clan oder Regierungsmitglieder? Ich darf daran erinnern, dass diese SPD hier Mitglied der Bundesregierung ist. Sie muss die Bundesregierung hierzu nicht auffordern, sie könnte es einfach machen.
Die Unterwerfungsgesten der Bundesregierung bei der Armenien-Resolution des Bundestages und im Fall Böhmermann jedenfalls waren einfach nur peinlich. Man lässt sich mit einem unsäglichen Flüchtlingsabkommen erpressen, mit dem man Hunderttausende geflüchteter Syrer aus der EU heraushalten will, und pampert dafür das Regime mit Millionenbeträgen – noch ein Grund, dieses scheußliche Abkommen umgehend zu beenden.
Die Türkei ist im ersten Halbjahr 2016 von Platz 25 auf Platz 8 der Empfänger deutscher Rüstungsexporte aufgerückt. Damit unterstützen wir hier unmittelbar den Feldzug gegen die Kurden.
Die Deutsche Bundeswehr ist in Incirlik stationiert. Auch das ist ein Faktor, auf den sich ein Erdogan ja berufen kann. Die von den deutschen Tornados gewonnenen Aufklärungsdaten dienen auch dem Angriff auf die Kurden in der Region. Dabei dürfen wir nicht mitmachen! Die Bundeswehr muss aus Incirlik abgezogen werden.
Auf EU-Ebene gibt es umfangreiche Zollerleichterungen und Millionenhilfen. Sogar über Erweiterungen soll noch verhandelt werden. All diese Signale ermutigen Erdogan doch nur, seinen eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Er muss das alles doch als implizite Zustimmung werten. Das müssen wir abstellen. Es ist Zeit, auch die konkrete Türkeipolitik grundlegend zu ändern. Von lauen Worten wird sich Erdogan jedenfalls nicht beeindrucken lassen. – Vielen herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Saal und an den diversen Kabeln!
Ich habe im Vorfeld überlegt, ob ich mich überhaupt noch einmal zum Thema „Breitband“ zu Wort melden soll. Wir haben uns in der Vergangenheit geradezu den Mund fusselig geredet. Wir haben wirklich zahlreiche Ideen geliefert, zum Beispiel das Infrastrukturziel Glasfaser, Verzicht auf Sackgassen wie Vectoring, Kompetenzbündelung in einem Ministerium usw., leider mit wenig Wirkung auf die Landesregierung. Herr Vogt, hier im Plenum hieß es sehr lange Zeit „technologieneutrale Förderung“. Es war ein sehr dickes Brett zu bohren, bis Sie das abgelegt haben.
Vielleicht müssen wir diese Legislaturperiode im Wesentlichen als verloren werten für das Ziel des flächendeckenden Breitbandausbaus mit Glasfaser. Mit dem Tempo kommen wir nie ans Ziel. Aber ich bin nicht bereit, die digitale Spaltung in diesem Land einfach so hinzunehmen.
Haben Sie Anwesenden nicht alle den Anspruch, in der kommenden Legislaturperiode zu regieren? Dann werden Sie dem gerecht und entscheiden Sie etwas mit langfristiger Wirkung, was einmal über eine Legislaturperiode hinausgeht! – Vielen herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und am Stream! Eines vorab: Betriebliche Mitbestimmung ist ein in über 100 Jahren erkämpftes Recht von Arbeitern und Angestellten. Sie berücksichtigt das Interesse der Beschäftigten, die Geschicke ihres Unternehmens auf Augenhöhe mit zu lenken.
Zu diesem Zweck gibt es Betriebsräte. Deren Freistellung ab einer bestimmten Größe des Unterneh
mens ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Mitbestimmung. Dafür haben sich die Betriebsräte dann auch ihrer Mitbestimmungsaufgabe im Unternehmen zu widmen. Bei der öffentlichen Verwaltung ist es der Personalrat, der diese Funktion wahrnimmt.
Im Falle Wendt aber geht es gerade nicht um betriebliche Mitbestimmung. Wendt ist gerade nicht für Personalratsarbeit freigestellt. Man zahlt ihm seit vielen Jahren ein Gehalt dafür, einer Funktionärsarbeit in seinem Gewerkschaftsverband nachzugehen.
Die Bezahlung eines Bundesvorsitzenden stellt die direkte Subvention eines Verbandes dar. Die DPolG ist dafür bekannt, aggressiv Mitglieder von anderen Gewerkschaften abzuwerben. Das lässt sie sich pro Jahr 80.000 € an Erfolgsprämien kosten. Sind das also unsere Steuern, die dafür eingesetzt werden?
Wendt hat sich in den vergangenen Jahren als innenpolitischer Scharfmacher hervorgetan. Bei jeder Gelegenheit forderte er eine Ausweitung der Überwachung und neue Gesetze. Er forderte zum Beispiel Gummigeschosse für die Polizei, Zäune an der deutschen Grenze und die Aufhebung von Privatsphäre im Internet. Mit seinen Worten: Ermittler sollen spähen, so viel es geht. – Selbst das verfassungsmäßige Trennungsgebot zwischen Geheimdiensten und der Polizei wollte er aufheben. Das Ganze bekommt jetzt ein besonderes Geschmäckle, wenn wir erfahren, dass er all diese Forderungen mit Steuergeldern hat erheben dürfen, und zwar mit Unterstützung durch das Innenministerium.
Ich muss wohl nicht sagen, was ich davon halte, dass Wendt als oberster DPolG-Polizist es mit der Wahrheit nicht so genau nahm, als er „report München“ über den Ursprung seines Gehaltes belügen wollte. Dass er jetzt in den bezahlten Ruhestand gehen soll, finde ich persönlich unerträglich. Nicht zu vergessen: Von der besagten Versicherung erhält er als Aufsichtsrat immer noch 50.000 € im Jahr obendrauf.
Innenminister Jäger erklärte im Innenausschuss, er habe von all dem nichts gewusst und er sähe auch keine Schuld bei sich. Man finde in der Personalakte einfach keine Vereinbarung über eine Freistellung. Mir scheint, der Herr Minister hat nach sieben Jahren Ministeramt überhaupt keine Ahnung, was in seinem Arbeitsbereich los ist. Das ist fahrlässig. Ein solches Versagen passiert ja jetzt nicht zum ersten Mal. Und wieder einmal ist der Innenminister nicht bereit, dafür politische Verantwortung zu übernehmen.
Mich erinnert das an Bart Simpson, der mit seinem ständigen „Ich habe nichts gemacht“ vor dem Scherbenhaufen steht. Wer aber nichts weiß und nichts macht, der ist in seinem Job falsch. Man vergesse bitte nicht, dass Wendt als Aufsichtsrat jedes Mal in den Geschäftsberichten der Versicherung benannt wird. Es ist wenig überzeugend, dass man das nicht gewusst haben will.
Lieber Herr Innenminister, ich erwarte, dass Sie den zu Unrecht ausgezahlten Sold in voller Höhe nebst Zinsen zurückfordern. Alles andere wäre unredlich und eine Missachtung des Steuerzahlers. Diese Praxis muss auch generell sofort beendet werden.
Im Übrigen sollten Sie, Herr Minister, die politische Verantwortung für die zahlreichen Desaster in Ihrem Verantwortungsbereich übernehmen und zurücktreten. – Vielen herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren im Saal und am Bildschirm! Die regierungstragenden Fraktionen betrachten Industrie 4.0 im Wesentlichen aus dem Blickwinkel der Wirtschaftsförderung. Man sieht hier zahlreiche Chancen für die heimischen Mittelständler. Das ist nicht falsch.
Zum Blickwinkel der CDU: Ich habe diesen Entschließungsantrag gelesen und konnte darin einfach nichts zu dem Thema „Industrie 4.0 und gute Arbeit“ finden.
Völlig am Thema vorbei, völlig ahnungslos. Traurig, traurig!
Aber zurück zum Thema. Industrie 4.0 ist jedenfalls sehr viel mehr als Wirtschaftsförderung für den Mittelstand. Der damit verbundene Wandel wirft Fragen auf, denen wir uns widmen müssen. Prof. Syska von der Hochschule Niederrhein übte in der Anhörung im Wirtschaftsausschuss daher deutliche Kritik am Antrag von SPD und Grünen. Seiner Meinung nach
wolle man in dem Antrag lediglich Bestehendes perfektionieren, würde aber dem, was da kommt, kaum gerecht.
Das sind die wesentlichen Fragen: Welche Rolle spielt der Mensch in dieser schönen neuen Welt? Wird er zum Teil der Maschinerie, als defizitär begriffen und im Übrigen als entbehrlich betrachtet? Hat er sich der Skalierbarkeit der neuen Industrieproduktion mit eigener schrankenlosen Flexibilität anzupassen? Muss man – weil ja vermeintlich alles neu ist – gleich zahlreiche soziale Errungenschaften infrage stellen?
Nicht zu vergessen: Das Ganze wird sich im Dienstleistungsbereich wiederholen. Da könnte Künstliche Intelligenz zu dem werden, was Roboter bereits im Industriebereich darstellen, nämlich eine treibende Kraft der Automatisierung und damit der Rationalisierung. Hier würde es dann ganz besonders die Mittelschicht treffen.
Wir können den Rückwärtsgang nicht einlegen. Angesichts der Chancen im Postwachstum für zirkuläres Wirtschaften und Nachhaltigkeit und für die Chance der Demokratisierung der Produktion sollten wir das auch nicht tun. Aber wir sollten als Politiker die Rahmenbedingungen setzen, in denen diese Wandel ablaufen, die man als „vierte industrielle Revolution“ bezeichnet.
Nachhaltigkeit und zirkuläres Wirtschaften müssen von Anfang an in die Industrieproduktion eingebaut sein. Darauf muss man bereits im Definitionsprozess einwirken. Damit müsste man jetzt aber unmittelbar beginnen.
Mit der steigenden Flexibilisierung der Produktion kann den Bedürfnissen der Menschen Rechnung getragen werden und nicht umgekehrt mit der Flexibilisierung der Lebensverhältnisse den Bedürfnissen der Produktion. Dass Letzteres alternativlos sei, ist schlicht gelogen.
Die Idiotie, dass immer weniger Menschen immer mehr arbeiten sollen, müssen wir beenden.
Wir müssen wieder über Arbeitszeitverkürzung reden. Die Rationalisierungsdividende aus Industrie 4.0 und die sie begleitenden Technologien sollten dazu Spielraum eröffnen. Wenn Arbeit weiterhin ein abnehmender Faktor in der allgemeinen Wertschöpfung ist, müssen wir die Daseinsvorsorge auf neue Füße stellen; denn diese basiert bislang zum großen Teil auf Lohnsteuern. Roboter und Algorithmen zahlen eben keine Steuern.
Nicht zuletzt müssen wir überlegen, ob die Existenzsicherung weiterhin an das Vorhandensein einer Erwerbsarbeit geknüpft sein soll, oder ob wir eine davon unabhängige Grundsicherung brauchen.
Ich habe einen Entschließungsantrag vorgelegt, im dem einige dieser Punkte aufgezählt werden. Joachim, falls du mir zuhörst: Es geht nicht nur darum, dass Bestehendes erhalten bleiben soll,
sondern auch darum, dass natürlich auch die Chancen genutzt werden sollen. Nach meinem Entschließungsantrag soll die Landesregierung mit dafür sorgen, dass dieser Wandel in der Arbeitswelt fair und sozial abläuft. Stimmen Sie bitte mit dafür, die Landesregierung entsprechend zu beauftragen. – Vielen herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Fake News, Hasspostings, Cybermobbing, Astroturfing, Social Bots – alle diese Begriffe werden in der Debatte derzeit wild durcheinandergeworfen. Der Beitrag von Robert Stein ist das beste Beispiel dafür.
Die Gefahr dieser Phänomene sollte man trotzdem nicht herunterspielen. Das kommt mir in diesem Antrag etwas zu kurz.
Der junge syrische Geflüchtete Anas Modamani zum Beispiel wurde mit Hass überzogen, nachdem ein
Selfie mit Kanzlerin Merkel für die Behauptung missbraucht wurde, er sei ein Terrorist. Letztlich können Fake News, Cybermobbing und Verleumdung im Netz Existenzen vernichten sowie Gesundheit und Leben gefährden.
Doch wir müssen bei jeder Maßnahme überlegen, ob sie den vorgesehenen Zweck überhaupt erfüllt und welche schädlichen Nebenwirkungen sie hat. Im Fall gesetzlicher Regelungen gegen Fake News würde ich den Nutzen klar verneinen. Beleidigung, Verleumdung, falsche Tatsachenbehauptung, Mobbing und Stalking – alles das ist bereits jetzt verboten, im Internet wie außerhalb. Eine rechtliche Handhabe gibt es bereits. Das hält aber niemanden davon ab, solche Postings zu veröffentlichen. Daran wird ein neuer Straftatbestand jedenfalls nichts ändern. Die Täter agieren ja in aller Regel aus der vermeintlichen Anonymität heraus.
So wild die Begriffe durcheinandergeworfen werden, so schwierig dürfte es auch sein, sie klar nach außen abzugrenzen. Je nach Definition werden auch schnell mal Satire oder Ironie als Fake News eingestuft. Denken Sie an die Postings des „Postillon“, die oft genug von Lesern für echt gehalten werden.
Letztlich besteht die Gefahr, dass der Vorwurf der Fake News dazu genutzt wird, unliebsame Informationen aus dem Internet zu verdrängen. Eine staatliche oder privatwirtschaftliche Vorabkontrolle von Nachrichten jedenfalls birgt die unmittelbare Gefahr der Zensur. Diesen spiegelglatten Weg sollten wir nicht gehen.
Effektiver wäre vielmehr, wenn Polizei und Justiz bei der Rechtsdurchsetzung gut ausgerüstet sind und zügig arbeiten, wenn Betroffene ernst genommen werden und unsere Solidarität erfahren.
Es ist auch wichtig, dass die Betreiber der sozialen Medien mitwirken und sich nicht hinter irgendwelchen Firmenstandards verschanzen. Jedes Unternehmen müsste eine standardisierte Möglichkeit anbieten, wie Betroffene falsche Nachrichten oder falsche Behauptungen melden können, und anschließend transparent über die weitere Bearbeitung informieren. Falls notwendig, kann man sie auch dazu verpflichten.
Nicht zuletzt muss Medienkompetenz vermittelt werden. Das umfasst gerade auch Medienkritik, eben den kritischen Umgang mit Medien und Inhalten. Das kommt derzeit viel zu kurz.
All das wäre wirksamer als irgendwelche neuen Straftatbestände und könnte sofort umgesetzt werden. Irgendwelche Gesetze nach dem Motto „Weil
nicht sein kann, was nicht sein darf“ sind jedenfalls der falsche Weg. – Vielen herzlichen Dank.
Herzlichen Dank, dass du die Frage zulässt. – Ich frage mich, warum
ihr im Antrag nicht einfach zehn Autos gefordert habt. Bei dieser Zahl würde man sagen, dass es sich um einen Versuch handelt. Das kann man ausprobieren. Über diese Summe kann man reden. Damit kann man Erfahrungen gewinnen.
Warum mussten es denn direkt 100.000 sein? Das ist eine absurd hohe Zahl.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und im Stream! Ich habe großes Verständnis dafür, dass die CDU diesen Antrag vorlegt. Der Breitbandausbau in unserem Bundesland ist bislang ein Trauerspiel. Es helfen auch keine Ankündigungen, was man bis 2018, 2022 oder 2026 alles für Ziele hat. Man muss auch Anstrengungen unternehmen, diese Ziele zu erreichen. Entsprechende Anstrengungen seitens der Landesregierung sind jedenfalls nicht zu sehen. Ankündigungen ersetzen keine verlegten Glasfaserkabel.
Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass man sich auch einmal nach innovativen Lösungen zum Breitbandausbau umsieht und vielleicht etwas ausprobiert, was an anderer Stelle angewendet worden ist, so wie die CDU das hier vorschlägt.
Die hier vorgestellte Lösung halte ich aber nicht für zielführend. Zunächst einmal haben wir es mit einem
Gießkannenprinzip zu tun. Im Zuge der Gleichbehandlung müssten alle Unternehmen gleichermaßen bedacht werden.
Dann hat man keinen Einfluss auf Ort und Umfang des Ausbaus. Man kann weder Synergien mit anderen Bauprojekten nutzen noch die unterschiedlichen Ausbaufelder priorisieren, also etwa Mittellagen bevorzugen, um möglichst schnell Randlagen erschließbar zu machen. Und genau das sollte man tun.
Weiter fehlt jede soziale Komponente. Weder sind Privathaushalte eingeschlossen, noch gibt es eine Berücksichtigung der zahlreichen Solo-Selbstständigen in unserem Land. Die sitzen nämlich nicht in den Gewerbegebieten, sondern meist in Heimbüros oder in kleinen Gemeinschaftsbüros in der Stadt. Aber hieraus stammen die meisten digitalen Innovationen.
Schließlich wird wieder einmal der Kardinalfehler aller Breitbandförderung gemacht: Das Geld wird den Telekommunikationsunternehmen quasi als versteckte Subvention geradezu hinterhergeworfen. Die Werte, die mit diesem Ausbau erzeugt werden, gehören anschließend privaten Anbietern. Das ist eine beispiellose Privatisierung öffentlichen Eigentums. Gewinne werden wieder einmal privatisiert, Kosten sozialisiert.
Wenn wir öffentliche Mittel in die Hand nehmen – und das müssen wir in exorbitanter Höhe tun, um die Ausbauziele zu erreichen –, dann muss das dadurch entstehende Netz anschließend in der Hand der Allgemeinheit sein, also in öffentlicher Hand, bei den Kommunen oder bei bürgerschaftlichen Initiativen. Dann wird die Förderung zur Investition.
Ich fordere die Regierung auf, Förderungsprogramme für Kommunen und bürgerschaftliche Initiativen und Genossenschaften aufzulegen, damit diese die Werte generieren können, die solche Breitbandnetze darstellen.
Beim Wirtschaftsministerium sollte auch eine zentrale Planung stattfinden, damit Synergien unterschiedlicher Projekte genutzt werden können. Der Betrieb solcher Netze kann ja dann von Betreibergesellschaften erfolgen.
Ja, sicher.
Ja, das ist mir bekannt. Es ist jetzt auch keine neue Idee. Aber es ist eine gute Idee.
Es ist zumindest zu bevorzugen, anstatt, wie gesagt, Telekommunikationsunternehmen das alles schlicht und ergreifend hinterzuwerfen, ohne dass eine entsprechende Gegenleistung dafür erfolgt.
Die Werte, die diese Netze darstellen, dürfen nicht verschleudert werden. Das ist in der Vergangenheit schon genug geschehen. So sollten wir jedenfalls nicht weitermachen. – Vielen herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und am Stream! Im Fall des Terroristen Anis Amri sind im Vorfeld zahlreiche Fehler gemacht worden. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Da helfen auch peinliche Schuldzuweisungen an andere nicht, Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen. Wer aus Fehlern nicht lernt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen. Das mag bei manchen Fehlern akzeptabel sein, im Fall eines terroristischen Anschlages ist es das nicht.
Die Einstufung von Anis Amri als nicht ganz so gefährlich war so ein Fehler. Wir müssen aufklären, wie es dazu kam. Wir müssen zum Beispiel aufklären, warum es nirgendwo ein vollständiges Lagebild gab. Wir müssen aufklären, warum wichtige Informationen nicht geflossen sind, zum Beispiel über seinen Aufenthaltsort, über diverse Straftaten, über die eindeutigen Aussagen, die er gegenüber der V-Person auf der gemeinsamen Fahrt nach Berlin gemacht hat. Die Kommunikation zwischen den beteiligten Behörden hat nicht funktioniert. Wir müssen untersuchen, wieso. Das muss geändert werden.
Wir müssen aufklären, warum die bestehenden Gesetze nicht angewendet worden sind, warum es zum Beispiel keine Meldeauflagen gab. Das Innenministerium sagt, von Meldeauflagen hätte man abgesehen, weil er dann möglicherweise abgetaucht wäre – was natürlich eine völlig widersinnige Schlussfolgerung ist, wenn man ihn nicht flächendeckend überwacht, er also sowieso ständig von der Bildfläche verschwindet.
Wenn man von einer möglichen Gefahr weiß, dann muss man doch entweder unmittelbar einschreiten oder sie wenigstens ständig im Auge behalten. Sollte es dafür zu wenig Personal gegeben haben, dann sollte man das doch bitte auch ändern.
Wir müssen aufklären, warum man noch nicht einmal versucht hat, vor Gericht eine Abschiebungsanordnung zu erwirken. Die Tatsache, dass man damit vor einen Richter zu treten hat und gute Gründe vortragen muss, kann doch kein Argument sein, das zu unterlassen.
Das Innenministerium spricht vom Hafthindernis, dass die Passersatzpapiere von den tunesischen Behörden erst nach zu langer Zeit eingetroffen wären.
Das erklärt aber nicht, warum man nicht wenigstens dann Abschiebehaft beantragte, als die Erteilung der Papiere wesentlich näher gerückt war, nachdem eine offizielle Bestätigung über seine Staatsbürgerschaft vorlag. Auch dieser Ablauf muss überprüft werden.
Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen war federführend im Fall Anis Amri. Es war verantwortlich für die Koordinierung und Initiierung von Maßnahmen des Ausländerrechtes und des Strafrechtes. So hatten es die beteiligten Ämter von Bund und Ländern beschlossen. Folgerichtig müssen wir an dieser Stelle mit der Untersuchung ansetzen. Es ist Augenwischerei, wenn Innenminister Jäger, wenn die Fraktionen von SPD und Grünen die Verantwortung dafür auf Behörden anderer Länder oder des Bundes abschieben wollen.
Die hier zahlreich begangenen Fehler korrigiert man nicht auf die Schnelle mit neuen Gesetzen, härteren Strafen oder esoterischer Sicherheitstechnik. Dem muss man schon auf den Grund gehen. Und man wird seine politische Verantwortung für diese Fehler auch nicht los, wenn man am lautesten nach Überwachungstechnik und Gesetzesverschärfungen ruft.
Die politische Verantwortung für dieses Desaster trägt der Innenminister. Dafür sollte er seinen Hut nehmen. – Vielen herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und am Stream! Anis Amri reiste mit einem Dutzend falscher Identitäten und falschen Papieren durch ganz Deutschland. Er absolvierte eine kriminelle Karriere – mit Sozialhilfebetrug, Diebstählen, Drogenhandel. Er verkehrte mit Islamisten. Er googelte im Internet nach Bombenbau. Er sprach mit zahlreichen Leuten, ob sie mit ihm gemeinsam Anschläge begehen wollen. Vom marokkanischen Geheimdienst kamen mindestens zwei Terrorwarnungen. Einem V-Mann des LKA erzählte er von seinen Plänen, sich Schnellfeuergewehre für einen Anschlag zu beschaffen, während dieser ihn im Auto nach Berlin fuhr.
Trotzdem hat all das keinen Alarm ausgelöst. Die Behörden haben im Fall Anis Amri krass versagt. Und das ist die eigentlich bittere Erkenntnis dieses Falls. Der Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz hätte möglicherweise verhindert werden können, hätte man diese Zeichen richtig gedeutet.
Jetzt wird also wieder nach neuen Strafen gerufen, nach leichterer Abschiebung, nach Fußfesseln, nach weiterer Aushöhlung des Rechts auf Asyl und unserer Bürgerrechte. Es wird noch mehr anlasslose Überwachung gefordert. Vermeintliche Rechtslücken sollen geschlossen werden.
Aber all das hat nichts mit dem Fall Anis Amri zu tun. All das wird nicht für mehr Sicherheit sorgen. Im Gegenteil: Das ist eine Scheinsicherheit, solange die tatsächlichen Probleme nicht angegangen werden.
In Deutschland halten sich 62 sogenannte Gefährder mit abgelehntem Asylantrag auf. Anis Amri war einer davon. War es nicht möglich, wenigstens diese lückenlos zu überwachen?
Anis Amri jedenfalls wurde nicht lückenlos überwacht. Er wurde nicht in Haft genommen. Das wurde nicht einmal versucht. Selbst die verfügbaren milderen Mittel des Asylrechts, beispielsweise Meldeauflagen, wurden nicht angewendet. Von den Grenzen des Rechtsstaates waren wir hier noch weit entfernt. Dann kann aber auch niemand behaupten, dass, wenn strengere Regeln im Asylrecht verfügbar gewesen wären, diese hier überhaupt auch angewendet worden wären.
Minister Jäger sagte vergangene Woche im Innenausschuss, dass er den Namen Anis Amri vor dem Anschlag nicht kannte. Der Minister lässt sich also nicht von seinem Ministerium über ausreisepflichtige Gefährder in NRW unterrichten.
Das ist besonders interessant; denn eine Abschiebungsanordnung nach § 58a Aufenthaltsgesetz hätte der Minister selbst veranlassen müssen. Das hat er also noch nicht einmal prüfen können. Und zu allem Überfluss hat die eine beteiligte Stelle nicht mit der anderen gesprochen, das LKA nicht mit der Ausländerbehörde Kleve und nicht mit der Staatsanwaltschaft Duisburg.
Wir müssen also konstatieren: Konsequente Anwendung des bestehenden Rechts hätte vielleicht schon ausgereicht. Funktionierende Kommunikation unter den Sicherheitsbehörden hätte vielleicht schon ausgereicht.
Schärfere Gesetze jedenfalls ersetzen keine Defizite im Vollzug. Kameras stoppen keine Lastwagen.
Nur herkömmliche Polizeiarbeit, gründliche Ermittlungen, anlassbezogene, konsequente Überwachung und funktionierende Kommunikation zwischen allen beteiligten Stellen bringen auch Sicherheit. Ja, das ist anstrengend. Ja, das braucht viel Personal. Und ja, dieses muss dann auch gut ausgerüstet und ausgebildet sein. Durch esoterische Sicherheitstechnik kann man das genauso wenig ersetzen wie durch noch mehr Gesetze und neue Strafen.
Und ja, es ist aufwendig, vor einen Richter zu treten und eine rechtliche Maßnahme wie zum Beispiel eine Abschiebungsanordnung zu begründen. Aber das muss sein. Das ist keine Rechtslücke. Wir brauchen diese Instanz, damit das Recht gewahrt bleiben. Dieser muss man sich dann als Exekutive auch stellen.
Über die sozialen Gründe, warum junge Menschen zu Fanatikern werden, haben wir hier noch gar nicht gesprochen. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, im Fall Anis Amri sind krasse Fehler im Vollzug offenbar geworden. Diese müssen jetzt weiter aufgeklärt werden, und zwar in einem Untersuchungsausschuss.
Außerdem muss das Versagen Folgen haben. Minister Jäger trägt die politische Verantwortung für dieses Desaster und sollte die Konsequenzen ziehen.
Jetzt aber den kurzen Weg zu gehen und einfach einen Katalog neuer Gesetze und einen bunten Strauß neuer Überwachungstechnik zu fordern, ist keine Lösung. Den nächsten Anis Amri wird das nicht aufhalten. – Vielen herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und vor den Bildschirmen! Lassen Sie mich eines vorausschicken: Wenn wir anlässlich der letzten beiden Silvesternächte Kritik an der Polizei üben, dann sind damit nicht die einzelnen Polizeibeamtinnen und -beamten gemeint. Ich habe großen Respekt vor deren Leistung; denn sie sehen jeden Tag Gewalt, Kriminalität und die Folgen menschlicher Tragödien, und sie müssen es ausbaden, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Ich habe Respekt vor all denjenigen, die diese Arbeit tagtäglich leisten und das als ihre Berufung ansehen.
Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Fisch stinkt vom Kopf. Es ist die Polizeiführung, die jeweils für das Versagen am Kölner Hauptbahnhof verantwortlich ist. Es ist die Polizeiführung, die vorletztes Silvester viel zu wenige Kräfte einsetzte und auch dann keine Verstärkung schickte, als das notwendig war und dringend erbeten wurde. Es ist die Polizeiführung, die für die katastrophale Kommunikation während und nach Silvester verantwortlich ist.
Dieses Jahr ist das Pendel ganz offensichtlich in die andere Richtung umgeschlagen. Diesmal wurde mit fragwürdigen Methoden gearbeitet. Es wurden Hunderte von jungen Männern festgehalten, die offensichtlich nach dem Aussehen, nach Haut- und Haarfarbe, ausgewählt wurden: Deutsche durch die rechte Tür, ausländisch anmutende Männer durch die linke!
Insgesamt sind zahlreiche Widersprüche ungeklärt. Zuerst redet man von – ich setze das in Anführungsstriche – „Hunderten Nafris“ am Bahnhof. Später räumt man kleinlaut ein, es seien nach jetziger Kenntnis gerade einmal 30 Nordafrikaner unter den Kontrollierten gewesen. Die mitgeteilten Zahlen passen vorne und hinten nicht zusammen.
Während es offiziell heißt, es seien lediglich Gruppen von gemeinsam anreisenden Pöblern und Betrunkenen gezielt herausgegriffen worden, sprechen zahlreiche Zeugenberichte eine andere Sprache. Es gibt Berichte von Einzelreisenden, es gibt Berichte von einzelnen Personen, die aus größeren Gruppen herausgegriffen worden sind. Es gibt Berichte von Männern,
die in weiblicher Begleitung unterwegs waren und von ihrer Begleitung getrennt worden sind.
Viele wurden auch erst mal gar nicht kontrolliert, sondern einfach in einem Kessel festgehalten. Um eine Minute nach Mitternacht wird dieser Kessel plötzlich aufgelöst, und alle Männer können gehen – unkontrolliert! Kann mir das einer erklären?
Wie wurden die Zielpersonen denn nun tatsächlich ausgewählt? Racial Profiling, also die Auswahl polizeilich zu kontrollierender Menschen alleine nach deren Hautfarbe oder Herkunft, ist von Gerichten klar verboten worden. Wenn man also zu dieser Maßnahme griff im berechtigten Bemühen, dass sich die Vorkommnisse vom letzten Silvester nicht wiederholen, dann war das ganz klar unzulässig. Man kann nicht ein Unrecht mit einem anderen bekämpfen.
Ich glaube, mit dieser Anzahl an Polizisten, die in Köln unterwegs waren, hätte man auch ohne Kessel die Sicherheit herstellen können. Hier sind zahlreiche Fragen offen und Konsequenzen erforderlich. Dazu liegt mein Entschließungsantrag vor, für den ich um Zustimmung bitte.
Bei allem berechtigten Dank an die Beamtinnen und Beamten, die für unsere Sicherheit sorgten, während wir Silvester feiern durften, darf man die Aufklärung dieser Vorkommnisse nicht vergessen. – Vielen herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren am Stream! Mit den Innenpolitikern und der Vorratsdatenspeicherung ist das ein bisschen so wie bei dem Kind mit der Kerze: Immer wieder verbrennt es sich am heißen Wachs die Finger; aber es kann es einfach nicht lassen, damit zu spielen. – Immer wieder aufs Neue versucht man, eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung in Deutschland einzuführen, und immer wieder stößt man an die Grenzen des Erlaubten. Anstatt aber einzusehen, wo die Grenzen des Rechtsstaats sind, nennt man das Projekt eben anders und versucht es erneut.
Jetzt hat die Vorratsdatenspeicherung also auf europäischer Ebene eine Klatsche bekommen. Das Urteil ist unmissverständlich. Die massenhafte Speicherung von Daten ohne konkreten Anlass und ohne Einschränkung der zu überwachenden Personen ist illegal. Flächendeckend verpflichtende Speicherung aller Verkehrsdaten geht nicht.
Das geht an die Adresse von Herrn Stotko, der irgendwie die Flucht ergriffen hat. – Nein, da hinten ist er; super. Herr Stotko, die Speicherung der Daten findet lange vor dem Richtervorbehalt statt. Das ist das Problem.
Auch wenn das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zunächst die Vorratsdatenspeicherung in Großbritannien und Schweden betrifft, darf man nicht so tun, als ginge das Deutschland nichts an. Unsere
Vorratsdatenspeicherung ist genauso konstruiert. So sicher wie das Amen in der Kirche wird auch die deutsche Vorratsdatenspeicherung Gegenstand vor dem EuGH werden, und genauso sicher wird sie da dieselbe Begründung kassieren.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, derzeit sind die Telekommunikationsunternehmen unseres Landes damit beschäftigt, die technischen Voraussetzungen für eine Vorratsdatenspeicherung zu schaffen. Während das für große Unternehmen leicht zu stemmen ist, ist es für kleine Unternehmen ein Kraftakt. Nicht weniger als 2.500 Unternehmen sind davon betroffen. Der eco Verband spricht von Kosten in Höhe von 600 Millionen €.
Eine echt frustrierende Aussicht, wenn man sich vor Augen hält, dass diese Ausgaben mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für die Tonne sind! Letztlich wird das alles der Verbraucher in Form von steigenden Telekommunikationskosten zahlen müssen. Der Bürger bezahlt für seine eigene Überwachung. Und wir haben dabei noch nicht einmal über die ganzen Fragen von Privatsphäre und Datenschutz gesprochen!
Die Sorgfaltspflicht, die wir gegenüber den Bewohnern, den Steuerzahlern, den Unternehmern dieses Landes haben, gebietet es eigentlich, diesen vollkommen unsinnigen Aufwand von ihnen abzuwenden. Es wäre dringend notwendig, bis zur höchstrichterlichen Prüfung die Umsetzung erst einmal auf Eis zu legen, also so lange, bis die Prüfung auch der deutschen anlasslosen Vorratsspeicherung vor dem EuGH abgeschlossen ist. Kommt das Gericht dann, wie zu erwarten, zu demselben Schluss, haben wir uns Hunderte von Millionen unnötiger Kosten erspart. – Vielen herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Tribüne und hinter den Bildschirmen! Ich spare mir solche Wortspiele mit „Kraft“ und „mega“. Ich benutze lieber eine Alliteration: Das ist ein digitales Desaster.
Die Digitalstrategie der Ministerpräsidentin wurde schon herzlich belacht, als sie Anfang 2015 vorgestellt wurde. Besser ist es nicht geworden.
Die FDP-Fraktion wollte in der Großen Anfrage mit den Fragen die Landesregierung vorführen. Entlarvt aber hat sich die Landesregierung in den Antworten ganz von selbst.
Auf die Frage nach den nötigen Mindeststandards digitaler Schulausstattung antwortet sie, den Schulen da keine Vorgaben machen zu wollen. Ja, meinen Sie, die Schulen verzichten freiwillig auf digitale Technik? Meinen Sie, es macht zum Beispiel Informatiklehrern Spaß, ihren Unterricht vorwiegend mit Kreide und Schiefertafel zu machen? Das ist doch Unsinn.
Versetzen Sie die Schulen endlich in die Lage, zeitgemäßen Unterricht zu machen, und reden Sie sich nicht heraus. Jedes Kind in jeder Schule muss einen eigenen Computer oder ein eigenes Tablet haben. Jeder Klassenraum braucht eine digitale Schultafel. Jede Schule braucht einen Breitbandanschluss. Das wären Mindeststandards. Ist das denn so schwer?
Im Breitbandausbau sieht so richtig schlecht aus. Für die Landesregierung hat der Ausbau in Gewerbeparks Vorrang. Das ist aber kein reines Wirtschaftsthema. Es geht um digitale Daseinsvorsorge für alle Bürger.
In Ihren Antworten verweisen Sie stolz auf eine gestiegene Breitbandausbauquote von 2012 bis 2015 von 69 % bis 75 %. Das umfasst alle verfügbaren Technologien, auch Funk, auch alte Kupferkabel, die längst an ihrem Limit angekommen sind.
In dem Tempo wird es mindestens weitere 12 Jahre dauern. Damit brechen Sie Ihre Versprechen. Es hieß, bis 2018 sei alles ausgebaut. Die Gigabit-Zukunft sichern Sie damit schon mal gar nicht.
Für freie WLAN-Zugänge in öffentlichen Räumen verweist die Landesregierung tatsächlich auf den Freifunk. Das sollen also die Bürgerinitiativen richten. Das ist schon Chuzpe.
Es wundert nicht, dass die Zahlen der Existenzgründungen seit Jahren abnehmen. Sie verweisen auf Programme für IT- und Kreativwirtschaft, die gemessen an der Beschäftigtenzahl nur Peanuts sind, während ein Vielfaches der Mittel nach wie vor in Bergbau und Stahlindustrie fließt.
Sie fahren auf Sicht. Sie haben keine langfristige Strategie. Sie retten sich gerade mal von einer Legislaturperiode zur nächsten. Sie hoffen, dass Sie irgendwie durchkommen. Sie ignorieren die digitale Spaltung. Sie verspielen unsere digitale Zukunft und die unserer Kinder, und das ist grob fahrlässig. – Vielen herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und hinter den Bildschirmen! Wenn der Hyper-Kapitalismus auf Digitalisierung trifft, entstehen neue Formen von Lohnarbeit, Formen des Click- and Crowdworkings. Plattformen für die Vermittlung von Mikroarbeitspaketen ermöglichen einen neuen weltweiten Wettbewerb der Arbeitnehmer untereinander. Crowdworker verkaufen als formal Selbstständige ihre Arbeitskraft, wobei grundsätzlich der zum Zuge kommt, der das zum niedrigsten Preis tut. Das ist gnadenlos und global.
Es entsteht ein neues digitales Prekariat ohne soziale Absicherung, ohne Arbeitnehmerrechte, ohne eigene Interessenvertretung, ohne Gewerkschaft. In Amazon Mechanical Turk zum Beispiel entscheiden die Auftraggeber, ob sie mit der Leistung der Arbeitnehmer zufrieden sind. Wenn nicht, dann zahlen sie einfach nichts. Sie vergeben Aufträge an mehrere zugleich und bezahlen nur den Besten. Selbst auf deutschen Crowdworking-Plattformen kommt man
oft nur auf Stundenlöhne von 3 oder 4 €, so wird berichtet. Offizielle Statistiken gibt es keine.
Man kann nicht so tun, als dürfe man die sozialen Errungenschaften hier nicht durchsetzen, die in vielen Jahren des Arbeitskampfes und des gewerkschaftlichen Bemühens erreicht worden sind. Nein, man muss sie sogar durchsetzen.
Natürlich müssen Mindestlöhne auch hier gelten, sonst verschwindet bald die gesamte Arbeit in solche Erwerbsformen, und der Mindestlohn ist eine schöne Erinnerung ohne praktische Relevanz.
Natürlich muss es auch hier eine vernünftige Alters- und Krankenversorgung geben.
Natürlich müssen Auftragnehmer den Auftraggebern auf Augenhöhe begegnen dürfen.
Hier ist der Gesetzgeber gefragt, notwendige Rahmenbedingungen durchzusetzen. Da sind auch die Gewerkschaften gefragt, eine neue digitale Vernetzung dieser Arbeitnehmer zu organisieren. Wie das alles genau gehen soll, das ist oft noch unklar. Da ist wissenschaftliche Begleitung nötig. Wir brauchen auch verlässliche Statistiken.
Click- and Crowdworking hat nicht nur Nachteile, es bietet ja auch Chancen. Es schafft ganz neue Arbeitsmöglichkeiten. Es kann Arbeit zu denjenigen bringen, die bislang keine Möglichkeit hatten, sie anzunehmen, etwa weil sie alleinerziehend sind, weil sie nicht mobil sind. Es ist eine Chance für Geringqualifizierte. Denn die Übernahme solcher Arbeitspakete ist meist nicht an Voraussetzungen gebunden. Es bietet eine Möglichkeit, sich erst im Kleinen an neue Aufgaben heranzuwagen, und es erlaubt einen hohen Grad individueller Freiheit, was Arbeitszeiten und Arbeitsorte angeht.
Das Ganze muss eben fair ablaufen. Wir leben in einem Sozialstaat, und wir haben soziale Verantwortung auch für den Rest der Welt. Wir haben gewisse Standards durchzusetzen. Das soll dann bitte auch getan werden. Rechtsfreie Arbeitsräume sollten wir uns nicht leisten. – Vielen herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Tribüne und in den Netzwerken! Es könnte so schön sein: ein flächendeckender freier WLAN-Zugang im gesamten öffentlichen Raum.
Technisch wäre das gar kein Problem. Überall, wo ein Internetanschluss zur Verfügung steht, könnte man auch ein offenes WLAN einrichten. Das kostet fast gar nichts und bringt sehr viele Vorteile für den Tourismus und die öffentliche Daseinsvorsorge und würde der digitalen Spaltung der Gesellschaft entgegenwirken.
Es steht jedoch eine einzelne Industrie im Weg, die ihre althergebrachten Vertriebswege in Gefahr sieht. Dabei gibt es überhaupt keinen Beleg, dass freie WLANs in nennenswertem Zusammenhang mit ihren Produkten stehen. Die Rechteverwertungsindustrie nutzt bizarre Rechtskonstrukte und verhindert damit freie WLANs überall. Das ist ein absoluter Anachronismus, den es in dieser Form nur für ihre Ansprüche gibt.
Rechteinhaber sollen also jetzt die Möglichkeit bekommen, WLAN-Anbieter gerichtlich gegen Ordnungsgeld zu zwingen, Rechtsverletzungen abzustellen, so der Europäische Gerichtshof. Wie Hotspot-Betreiber das tun sollen, ist völlig unklar, denn auch mit Passwortschutz und Identitätskontrolle kann man das weder verhindern noch im Nachhinein aufklären.
Es entsteht also wieder einmal neue Rechtsunsicherheit für Betreiber freier WLAN-Netzwerke. Genau das hatten wir schon, und genau das ist der Grund, warum es mit dem offenen Internet, mit freiem Wissen und freier Kultur hierzulande nicht weitergeht.
Was soll denn ein Passwortschutz bringen? Wenn man offene Netze mit Passwörtern verschließt, muss man diese den Nutzern ja doch irgendwie öffentlich mitteilen. Dann hängen also Schilder mit Passwörtern allerorten. Oder man nimmt gleich den Netzwerknamen als Passwort, wie sich das in vielen Ländern schon eingebürgert hat. – Das Einzige, was man damit erreicht, ist eine neue Rechtsunsicherheit und eine Verschlechterung der Benutzerfreundlichkeit.
Wie soll das illegale Uploads verhindern? Einen absoluten Schutz vor Missbrauch von Technik gibt es nicht. Narrensicher geht nicht, denn Narren sind einfallsreich.
Wer mit juristischen Mitteln die Verwender von Technologie dazu zwingen will, jeden Missbrauch von vornherein auszuschließen, hat das nicht verstanden, sondern bringt sie damit nur in eine unmöglich zu erfüllende Situation. Die Industrie kann noch dutzendmal mit dem Fuß aufstampfen und das wollen – Gerichte sollten da nicht mitmachen. Wer da auch nicht mitmachen sollte, ist der Gesetzgeber, und das richtet sich an die Landesregierung mit ihren Möglichkeiten im Bundesrat.
Lassen Sie sich nicht für dumm verkaufen. Hören Sie auf mit Lippenbekenntnissen. Bringen Sie endlich das Providerprivileg für alle WLAN-Anbieter auf den Weg! Das ist kein Hexenwerk. – Vielen herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Tribüne und an den ruckelnden Streams! Ich bin kein Fan von Kannibalismus zwischen den Bundesländern. Wenn andere Bundesländer Breitbandförderung des Bundes dringender brauchen als wir, dann gönne ich ihnen das. Aber: Weniger als 3 % des zur Verfügung stehenden
Volumens abzurufen – da muss ich der CDU Recht geben –, das kann nicht sein. Ich kann nicht glauben, dass wir so gar keine Verwendung dafür hätten.
Vielmehr zeigt es das totale Desinteresse der Landesregierung am Thema. Es zeigt, dass die ganzen schönen und laut verkündeten Initiativen, 50 Mbit/s flächendeckend bis 2018 zu schaffen oder – wie wir zuletzt auf dem Breitbandforum hörten – Gigabit Glasfaser bis 2026, nur hohle Sprüche sind, schöne Worte, nichts dahinter. Ankündigungsminister Duin!
So toll, dass wir gar keine Breitbandförderung des Bundes brauchen könnten in NRW, so toll ist das Netz hier wirklich nicht. Die Menschen auf dem Land können davon ein Lied singen. Und selbst in halbstädtischen Lagen haben wir es doch eher mit einem Netz der frühen 90er-Jahre zu tun als mit einem des 21. Jahrhunderts.
Schon jetzt gibt es eine digitale Spaltung in unserem Land. In aller Regel geht sie einher mit einer sozialen Spaltung. Und das eine verschärft das andere. Wer heute vom Breitband abgehängt ist, ist diskriminiert. So wird Breitbandausbau zu einer sozialen Frage.
Und der Markt regelt es eben nicht. Der interessiert sich nicht für eine flächendeckende Versorgung, der ist an lukrativen Netzteilen interessiert. Ein Unternehmen ist doch kein Wohlfahrtverein, sondern möchte Gewinn machen.
Und die nicht lukrativen Teile bleiben den Kommunen. Öffentliches Eigentum und damit verbundene Gewinne werden privatisiert, Verluste werden sozialisiert. Politik als offensichtliche Fortsetzung der Privatgeschäfte mit anderen Mitteln! Die eigentlich notwendige solidarische Querfinanzierung zwischen den unterschiedlichen Lagen wird unmöglich.
Netze gehören in Bürgerhand. Das gilt für Netze aller Art der öffentlichen Daseinsvorsorge: Strom, Gas, Wasser und eben auch Breitbandinternet. Netze gehören in Bürgerhand, das meint zum Beispiel Kommunen oder bürgerschaftliche Gemeinschaften und Genossenschaften. Da sind öffentliche Fördermittel gut aufgehoben und schaffen langfristige Werte für die Allgemeinheit. Und wenn der Betrieb eines Breitbandnetzes das Know-how einer Kommune übersteigt, dann beauftragt sie dafür Netzbetreiberunternehmen. Der Besitz aber bliebe in öffentlicher Hand. Das wäre weitsichtig.
Also, machen Sie bitte nicht nur Ankündigungen! Haben Sie mal eine Vision, und realisieren Sie die dann! – Vielen herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und an den
Bildschirmen! Herr Laschet sprach vorhin Kinderarmut an – ganz zu Recht. Überrascht war ich allerdings, als er der Landesregierung in dem Zusammenhang die Bankenrettung vorgeworfen hat. Das fand ich dann doch ein bisschen hybrid. Aber das nur am Rande.
Jedes fünfte Kind in Nordrhein-Westfalen ist arm. Unser Land ist sogar ein besonderes Negativbeispiel. Denn hier ist der Anteil armer Kinder in den letzten Jahren sogar gestiegen. Armut ist ein Lebensurteil. Arme Kinder werden zu armen Erwachsenen, die dann wieder arme Kinder bekommen. Armut wird gewissermaßen vererbt. Die Durchlässigkeit ist wie bei der Bildung in unserem Lande ganz besonders gering.
Wir leisten uns eine beispiellose soziale Spaltung in unserem Land. Wir lassen zu, dass diese weiter wächst. Wir beobachten ein explosives Potenzial, das Jahr für Jahr anwächst.
Die Ursache für diese Spaltung, der Grund für die Endgültigkeit dieses Urteils, arm zu sein, ist Hartz IV. Hartz IV ist staatlich verordnete Armut. Menschen in Hartz IV werden auf ein Lebensniveau gebracht, weit unter dem, was gesellschaftliche Teilhabe oder würdige Existenz ermöglichen würde. Ich brauche Ihnen das doch nicht vorzurechnen.
Menschen sind gezwungen, prekäre Arbeitsverhältnisse ohne Zukunftsaussichten einzugehen. Auch Arbeit schützt nicht vor Armut heutzutage. Ein Heer von Aufstockern hat selbst mit Arbeit nicht genug. Und wer sein Leben lang gearbeitet hat, bekommt oft genug nur Rente unterhalb des Existenzminimums.
Auch das hat einen Grund: die Aufkündigung der solidarischen Sozialversicherungssysteme. Junge, gesunde, gut verdienende Menschen können sich ausklinken. Übrig bleiben nur tendenziell Alte, Kranke und geringer Verdienende. Ich muss Ihnen doch nicht vorrechnen, dass ein solidarisches System so nicht funktionieren kann.
In unserem reichen Land müsste niemand arm sein. Gesellschaftliches Vermögen ist genug da. Doch es ist ungerecht verteilt. Wir haben uns vom Solidargedanken in unserer Gesellschaft verabschiedet. Jeder ist sich selbst der Nächste. Das nennt man Neoliberalismus.
Dabei waren wir schon einmal weiter. Wir hatten einmal ein System, das hieß soziale Marktwirtschaft. Keiner soll sich über schleppende Binnenkonjunktur wundern, wenn die Gehälter schon seit Jahren nicht mehr real steigen.
Der hier vorgelegte Landeshaushalt 2017 ist Beleg der Selbstentleibung der Politik. Jahrelang wurde die Einnahmeseite des Staates beschnitten, indem
Steuern besonders auf Vermögen oder Unternehmensgewinne entfielen. Internationale Konzerne können die Kannibalisierung der Steuersysteme der verschiedenen Länder untereinander ausnutzen, und nichts wird dagegen unternommen.
Jahrelang wurden Vermögenswerte der öffentlichen Hand verschleudert. Die lukrativen Besitztümer der Allgemeinheit wechseln in private Hände. Dem Staat und den Kommunen bleiben nur die unwirtschaftlichen Stücke.
Gleichzeitig steigen durch demografische Effekte die Ausgaben. Die meisten Haushaltspositionen lassen gar keinen Spielraum zu. Jede Einsparung ist ein schmerzhafter Schnitt in die Substanz, und so hat sich die Politik selbst jeder Möglichkeit politischer Gestaltung durch den Haushalt beraubt. Die Königsdisziplin des Landtags? Eine Farce.
Die Krönung dieser Selbststrangulation ist der Popanz der schwarzen Null. Die Politik hat sich das Aufnehmen von Krediten selbst verboten. Auch hier waren wir schon einmal weiter, nämlich bei Keynes‘ Deficit Spending, der Lehre des Schwarzen Freitag.
Die Aufnahme von Krediten ist doch nicht grundsätzlich schlecht. Ein guter Kaufmann wird selbstverständlich einen Kredit aufnehmen, wenn beispielsweise eine Produktionsmaschine defekt ist; denn sonst kann er seinen Laden gleich zumachen. Er wird selbstverständlich einen Kredit aufnehmen, wenn die Zinsen, die er dafür zu zahlen hat, unter dem Return on Investment liegen, den er erwartet. Er wird einen Kredit aufnehmen, wenn er damit sehr viel höhere Ausgaben in der Zukunft verhindern kann.
Unser Land macht das alles falsch. Unser Land verhält sich nicht wie ein verantwortungsbewusster Kaufmann. Dringend notwendige Investitionen, etwa in Bildung oder Infrastruktur, unterbleiben, obwohl man genau weiß, dass uns das in Zukunft teuer zu stehen kommen wird.
Eine nicht renovierte Infrastruktur – das sind doch einfach nur nicht deklarierte Schulden. Wollen wir den Laden, wollen wir das Land denn jetzt einfach zumachen?
Angesichts der niedrigen Zinsen wäre es sinnvoll, jetzt Schulden aufzunehmen und dringend notwendige Investitionen zu tätigen – in Bildung und in Infrastruktur – sowie beispielsweise einst öffentliche Netze zurückzukaufen, solange die Zinsen unterhalb der zu realisierenden gesellschaftlichen Vorteile liegen. Das wäre weitsichtig.
Das ist der letzte Absatz. Ich bin sofort fertig. – Und ein Letztes noch: Armut und Existenzsorgen sind der Boden, auf dem rechtspopulistisches Gedankengut keimt.
Die Wahlerfolge der AfD wären nicht denkbar ohne Abstiegsängste, die ganz geschickt ausgenutzt werden. Lassen Sie das nicht weiter zu. – Vielen herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Freifunker! Michael Meister, seines Zeichens Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, liegt falsch. Er hat auf eine Kleine Anfrage im Bundestag erklärt, dass Freifunk nicht gemeinnützig sei, unter anderem weil die Bereitstellung von Internetzugängen von kommerziellen Anbietern erfolge. Das ist gleich auf mehreren Ebenen falsch.
Herr Meister weiß nämlich ganz offensichtlich nicht, was Freifunk ist und welchen Zweck dieser hat. Er glaubt, Aufgabe des Freifunkes sei es, offene und kostenlose Internetzugänge bereitzustellen. Das ist es aber nicht alleine – Herr Vogt hat es auch mehrfach an dieser Stelle so dargestellt; denn dafür braucht es gar keinen Verein und auch keine Freifunk-Router. Sie können an Ihrem eigenen Router zu Hause einfach ein Gastnetzwerk einrichten, dieses ohne Verschlüsselung freigeben, und schon haben Sie einen freien und kostenlosen Internetzugang. Das ist es nicht.
Freifunk-Router haben eine entscheidende zusätzliche Eigenschaft, nämlich das sogenannte Meshing. Sie bauen von sich aus Verbindungen zu anderen Freifunk-Routern auf und kommunizieren direkt untereinander. Es entsteht ein eigenes Datennetz in Bürgerhand. Teilnehmer an diesem Netz können sich gegenseitig Dienste im Netz bereitstellen und untereinander kommunizieren. Ein Internetzugang ist dazu eigentlich gar nicht notwendig. Freifunk ist also die Errichtung solcher Bürgerdatennetze, die Bereitstellung von Plattformen, die alle nutzen können, also ein Stück Gemeineigentum.
Freifunk hat einen starken sozialen Charakter, er stellt nämlich Internetzugänge für diejenigen bereit, die sich sonst keinen leisten könnten, beispielsweise in Geflüchtetenheimen oder sozialen Brennpunkten. Freifunk hilft, die digitale Spaltung in unserer Gesellschaft zu schließen.
Kollege Stein, hören Sie einmal genau zu, wie es sich mit dem Bildungscharakter von Freifunk verhält. Da geht es nämlich um die Mitglieder des Vereins; die Aktiven, die sehr viel über den Aufbau und Betrieb von Netzwerken lernen. Für sie steht der Bildungs
charakter ganz klar im Vordergrund. Freifunker werden zu gefragten Netzwerkexperten. Und natürlich hat Freifunk positive Auswirkungen auf den Fremdenverkehr, auf die Attraktivität unserer Städte. Sie sehen, Freifunk ist so viel mehr als irgendein Internetzugangsanbieter.
Übrigens auch in seiner Argumentation liegt der Staatssekretär falsch. Eine Aktivität verliert doch nicht automatisch deswegen ihren gemeinnützigen Charakter, wenn im gleichen Bereich auch kommerzielle Anbieter unterwegs sind. Niemand käme auf die Idee, die Gemeinnützigkeit eines Vereins infrage zu stellen, dessen Mitglieder Alte und Kranke besuchen und betreuen, nur weil es auch kommerzielle Pflegedienste gut.
Also, liebe Landesregierung, gehen Sie bitte zu Herrn Meister und erklären ihm das noch einmal. Wir sind gerne bereit, Sie dabei zu unterstützen. Wirken Sie darauf ein, dass Freifunk in den Katalog gemeinnütziger Zwecke aufgenommen wird und veranlassen Sie alles Notwendige, dass das in NordrheinWestfalen jetzt schon passiert. – Vielen herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Sozialpolitik klaffen Worte und Taten immer besonders weit auseinander. Mich erinnert das an das Buch „1984“. Orwell beschreibt, wie man mit „Zwiesprech“ und „Zwiedenk“, also mit Sprache, die Realität nach seinen Wünschen formt. Die tatsächlichen Gegebenheiten nimmt man einfach gar nicht zur Kenntnis.
So ist das auch bei uns. Seit 2010 zieht die Ministerpräsidentin durch das Land und lässt keine Gelegenheit aus, zu verkünden, dass „wir in NRW“ solidarisch leben und hier „kein Kind zurückgelassen“ wird, so zuletzt am 2. Juni, als Frau Kraft in der Staatskanzlei mit Brigitte Mohn von der Bertelsmann Stiftung den Abschlussbericht des Modellprojektes „Kein Kind zurücklassen! – Kommunen in NRW beugen vor“ vorstellte. Ich glaube, wir haben einen Kubikmeter Hochglanzpapier dazu bekommen.
Und jetzt meldet dieselbe Stiftung, dass die Kinderarmut weiter gewachsen ist – und zwar auf Rekordhöhe vor allem in NRW. So leben beispielsweise in Gelsenkirchen nahezu 40 % der Kinder von Sozialhilfe. Wir machen sie zu Menschen dritter Klasse – ohne Zukunftschancen, ohne Perspektiven.
Hartz IV bedeutet für ein Schulkind 270 € im Monat. Ich frage Sie: Wie soll das gehen? Überlegen Sie doch mal, was allein ein Paar Schuhe oder eine Jeans kostet, wie schnell die Kinder da herausgewachsen sind oder wie schnell sie eine Kühlschrankfüllung verputzen. Wollen Sie diese Realität nicht langsam zur Kenntnis nehmen?
Arme Kinder werden zu armen Erwachsenen, die dann wiederum arme Kinder bekommen.
In unserem Land ist das besonders ausweglos.
Wir sehen seit Jahren eine offenkundige Spirale der Armut. Die Landesregierung wie auch die Bundesregierung wissen das sehr wohl. Sie versucht uns, und ich fürchte auch sich selbst, mit Realitätsverweigerung und orwellschem Zwiesprech darüber hinweg zu täuschen.
Und was fällt jetzt der GroKo zu dieser unstrittigen Diagnose ein? – Vom gleichen Gift immer noch mehr. Jetzt sollen es mal wieder Sanktionsverschärfungen richten. Glauben Sie, dass dadurch ein einziger Mensch in Lohn und Brot gebracht werden wird? – Ich bitte Sie! Wovon träumen Sie nachts? – Was machen denn Sanktionen bis unter das Existenzminimum mit den Menschen? Wie sieht es da mit der Menschenwürde aus?
Und zum Kindergeld: Niedrigverdiener sollen also jetzt ganze zwei Euro mehr Kindergeld erhalten, während Gutverdiener mehr als hundert Euro Steuerfreibeträge dazu bekommen. Für Hartz-IV
Bezieher werden selbst diese zwei Euro natürlich sofort wieder verrechnet. Für die bleibt nichts. Wie wirkt denn das auf die Betroffenen? – Das ist doch an Verachtung kaum noch zu überbieten.
Nehmen Sie sich bitte einmal ein Beispiel an Frau Landtagspräsidentin Gödecke. Sie hat Courage bewiesen. Sie hat in einem Interview die Fehler der Schulpolitik mit dem G8 angeprangert. Sie hat endlich einmal die Dinge bei ihrem wahren Namen genannt. Sie sagte: „Wir Erwachsene versündigen uns an euch.“
Und recht hat sie.
Wir versündigen uns an den Schulkindern. Wir lassen sie in Schulgebäuden sitzen, in die es reinregnet und bei denen die Fenster herausfallen.
Wenn das Bankensystem in Schieflage gerät, nehmen wir Millionen und Milliarden in die Hand. Wenn aber das Bildungssystem in Schieflage gerät, stehen wir an der Seitenlinie und schauen zu.
Und genauso versündigen wir uns auch an den 500.000 Kindern und ihren Eltern, die in NRW in Armut leben – ohne reelle