Protokoll der Sitzung vom 16.09.2016

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich heiße Sie alle ganz herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Es handelt sich um die 122. Sitzung. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich 26 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Auch heute feiern ein Kollege und eine Kollegin ihren Geburtstag gemeinsam mit uns. Aus der Fraktion der SPD feiern Frau Kollegin Britta Altenkamp und Herr Markus Weske ihren Geburtstag. Ganz herzlichen Glückwunsch euch beiden im Namen des Hohen Hauses!

(Beifall von allen Fraktionen und der Regie- rungsbank)

Im Fall von Markus Weske, der im FC Landtag alles gegeben hat und jetzt auf Krücken den Landtag besucht, im Namen des Hohen Hauses auch gute Besserung!

(Beifall von allen Fraktionen und der Regie- rungsbank)

Damit nicht ein weiterer Kollege ein ähnliches Schicksal erleidet, will ich darauf aufmerksam machen, dass hier vorne im Rund des Plenarsaals ein weißes Tuch liegt. Das hängt mit dem Starkregen zusammen, der gestern Abend über Teilen von Düsseldorf niedergegangen ist und auch den Landtag erwischt hat. Leider ist bei einem Fenster im Kuppelbereich eine Undichtigkeit aufgetreten. Wir haben Sorge, dass es noch nachtropft. Wenn man genau hinschaut, sieht man auch, dass dem so ist. Seien Sie also ein bisschen vorsichtig, wenn Sie in das Rund unseres Plenarsaals eintreten, insbesondere wenn Sie den Stenografinnen und Stenografen etwas überreichen möchten! Das Tuch liegt dort zu Ihrer Sicherheit, damit Sie nicht ausrutschen. Aber bitte rutschen Sie nicht auf dem Tuch aus!

Nach diesen eher lebenspraktischen Hinweisen zu Beginn möchte ich Sie gerne vor Eintritt in die Tagesordnung darauf aufmerksam machen – wahrscheinlich wissen Sie es alle schon –, dass die Fraktion der Piraten mit Schreiben vom gestrigen Tag beantragt hat, vor Eintritt in die Tagesordnung der heutigen Plenarsitzung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 unserer Geschäftsordnung zu beschließen, diese um einen weiteren Tagesordnungspunkt zu ergänzen.

Gegenstand des neuen Tagesordnungspunktes soll ein ebenfalls gestern eingebrachter Antrag der Frak

tion der Piraten sein; er trägt die Drucksachennummer 16/12948 und den Titel „Verunsicherung in NRW steigt, Landesregierung muss endlich Position zum Turbo-Abi beziehen“.

Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 unserer Geschäftsordnung kann der Landtag vor Eintritt in die Tagesordnung beschließen, diese zu ergänzen. Hierbei handelt es sich grundsätzlich um eine Entscheidung, die der Landtag mit Mehrheit trifft.

Vor diesem Hintergrund frage ich, ob es zu dem Antrag auf Ergänzung der Tagesordnung den Wunsch gibt, ihn mündlich zu begründen. – Herr Kollege Olejak.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger hier im Plenarsaal und zu Hause am Stream! Mit dem gestrigen Schreiben vom 15. September hat die Piratenfraktion hier im Landtag Nordrhein-Westfalen, wie bereits erwähnt, gemäß § 20 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Landtags Nordrhein-Westfalen vor Eintritt in die Tagesordnung um folgende Ergänzung gebeten:

Im Rahmen einer neuen Tagesordnung möge sich der Landtag Nordrhein-Westfalen auf der Grundlage unseres Antrags mit dem Titel „Verunsicherung in NRW steigt, Landesregierung muss endlich Position zum Turbo-Abi beziehen“ mit den Aussagen von Frau Ministerin Löhrmann gegenüber der Deutschen Presseagentur am Mittwoch, dem 14. September 2016, befassen. Die Menschen in Nordrhein-Westfalen sind gerade in Bezug auf die Zukunft des Bildungsweges an den Gymnasien sehr verunsichert.

Alle weiteren Tagesordnungspunkte würden sich dann entsprechend verschieben.

Was die Aktualität des Wunsches der Änderung der Tagesordnung betrifft: Dieses Thema war heute Morgen in der Presse bereits wieder präsent.

Von daher bitten wir, den Landtag als zuständiges Gremium nicht weiterhin zu übergehen, sondern es ihm zu ermöglichen, dieses Thema in seinen Reihen regulär zu diskutieren. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Olejak. – Gibt es weitere Wortmeldungen zur Geschäftsordnung? – Frau Kollegin Beer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Parteien werden in der Tat in nächster Zeit zu vielen wichtigen Themen Äußerungen tätigen; es finden Parteitage statt, es finden Positionierungen statt. Das ist die Debatte der Parteien. Hier haben wir im Augenblick keinen

Debattenbedarf. Das wird sich in parlamentarische Beratungsgänge einspeisen, wenn es von den Fraktionen kommt. Deswegen bitte ich, diesen Antrag abzulehnen.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von den PIRATEN: Es ist unglaublich!)

Danke schön, Frau Kollegin Beer. – Besteht weiterhin der Wunsch, zur Geschäftsordnung zu sprechen? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen dann zur Abstimmung. Wer sich dem Antrag der Piraten auf Änderung der Tagesordnung anschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Schwerd. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU und der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Demzufolge enthält sich die FDP-Fraktion.

Mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis ist der Antrag der Piraten auf Änderung der Tagesordnung abgelehnt. Wir bleiben also bei der bereits beschlossenen und Ihnen bekannten Tagesordnung, in deren Abarbeitung wir jetzt eintreten.

Ich rufe auf:

1 Die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstand

orts Nordrhein-Westfalen – Pleite für Nordrhein-Westfalen bei der Vergabe von Breitbandmitteln des Bundes und Kritik der NRWWirtschaft an Politik der Landesregierung

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/12903

Die Fraktion der CDU hat mit Schreiben vom 12. September dieses Jahres gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu dieser aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne diese Aussprache. Als erster Redner vonseiten der antragstellenden Fraktion hat Herr Kollege Wüst jetzt das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt ein Zitat von Bill Gates, das der eine oder andere sicher kennt. In seinem Buch von 1996 schreibt er:

„Wir überschätzen ständig die Veränderungen, die in den nächsten zwei Jahren geschehen und unterschätzen die Veränderungen der nächsten zehn Jahre.“

So weit kennen das Zitat viele. Der nächste Satz ist allerdings eher unbekannt: „Lass‘ dich nicht von Untätigkeit einlullen.“

Ein weiteres Zitat ist von der Ministerpräsidentin dieses Landes, am 10.09. in den Zeitungen NordrheinWestfalens verbreitet: „Ich verstehe die Diskussion nicht mehr“ – als Reaktion auf ein 57-seitiges Papier von „unternehmer nrw“. Dann wollen wir doch gerne die Gelegenheit dieser Aktuellen Stunde nutzen, das gemeinsame Verständnis zu vertiefen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Ministerpräsidentin sagt, insbesondere für Breitband seien die entscheidenden Maßnahmen eingeleitet. Das stand, wie gesagt, am 10. September in den Zeitungen. Wahrscheinlich haben die Gespräche am Tag zuvor oder noch ein wenig früher stattgefunden. Am Dienstag der gleichen Woche gab es in Berlin die Vergabe der Mittel aus der zweiten Ausschüttung zur Breitbandförderung. Irgendwann dazwischen hätte man in der Presseabteilung der Staatskanzlei aufwachen müssen, denn dann wäre dieser Satz der Ministerpräsidentin sicherlich nicht geraten worden.

In der zweiten Runde dieser Breitbandausschüttung wurden im Bund 904 Millionen € ausgeschüttet, 25 Millionen € davon für Nordrhein-Westfalen. Das sind satte 2,8 %. Ich erinnere an die erste Runde, in der 418 Millionen € ausgeschüttet wurden. Wir erhielten davon 30 Millionen € – immerhin 7 %.

Am gestrigen Tage habe ich an diesem Punkt genau hingehört. Der Minister für Finanzen dieses Landes hat wieder einmal das Spiel der großen Zahl betrieben und von einer Milliardensumme für die Digitalisierung gesprochen. Auf diese Zahl kann man kommen, wenn man alles zusammenfegt, wo man das Siegel Digitalisierung und Breitband draufpappt. Es sind dann zum Beispiel GRW-Mittel dabei, die auch für die digitale Infrastruktur sind. Es sind dann eben die 162 Millionen € des Landeshaushalts für das nächste Jahr dabei, mit denen man weitere Summen aus Berlin hebeln will. So kommt man am Ende auf 1 Milliarde €.

Nur, diese 162 Millionen € für den Breitbandausbau sind ein Hebel, der offensichtlich nicht mehr hebelt. Entweder ist er schon gebrochen oder er droht zu brechen, wenn wir einmal 2,8 % und einmal 7 % abholen können. So kommt es dazu, dass in dieser Runde in Berlin die Regionen Vorpommern-Greifswald, Nordwestmecklenburg und Rügen erfolgreich sind und unser Land nicht.

Was kann Mecklenburg-Vorpommern besser? Das ist eine berechtigte Frage. Nun, man wird dann hören: Ja, die sind teilweise so schlecht versorgt, dass sie vorrangig bedient werden. Sie sind noch schlechter versorgt, als viele Teile unseres Landes. – Ich bin

nicht sicher, ob jeder, der so spricht, das Land Nordrhein-Westfalen in seiner vollen Breite kennt und weiß, wie schlecht einige Teile versorgt sind.

Es wäre aber jedenfalls Wert gewesen, das im Detail im Wirtschaftsausschuss zu erörtern. Wir hatten um einen Bericht gebeten. Am Dienstag war die Ausschüttung in Berlin. Am Mittwoch war die Sitzung des Wirtschaftsausschusses. Am Dienstagabend kam die Vorlage. Ich habe gedacht: Mensch, das ist aber toll! Wirtschaftsministerium: extrem fleißig, flott dabei, die aktuellen Zahlen eingearbeitet. – Pustekuchen! Sie waren nicht drin.

Nach meiner Auffassung gibt es zwei Varianten: Entweder Sie servieren altbekannte Zahlen – dann können Sie sie auch pünktlich servieren. Oder Sie servieren die Zahlen à jour und pünktlich, dann muss aber auch etwas drinstehen.

Hier stand leider gar nichts drin. Es wäre nicht viel Arbeit gewesen über Nacht, denn aus NordrheinWestfalen haben wir ganze drei Förderbescheide bekommen.

Ich schaue sicherheitshalber mal nach, damit ich nicht die Präsidentin anspreche, wenn sie gar nicht da ist.

(Michael Hübner [SPD]: Immerhin ist sie heute da!)

Die Präsidentin hat bei einem Schulbesuch gesagt, wenn etwas nicht so schön läuft, dann soll man es auch so benennen. – Erstens ist der Umgang mit dem Parlament nicht so schön,

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU] und Lutz Lienenkämper [CDU])

wenn man in der Nacht vorher eine Vorlage bekommt, in der dann doch nichts steht. Zweitens ist es in der Sache nicht gut. Und deswegen sprechen wir heute darüber.

In der Vorlage steht auf Seite 4 ein bemerkenswerter Satz, vielleicht stand er schon sehr oft in Vorlagen und ist mir durch die Lappen gegangen. Ich will ihn gerne mal vorlesen: