Mein sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist wieder die Chance vertan worden, dass der Minister einmal erklärt, dass in seinem Geschäftsbereich eklatante Fehler gemacht worden sind.
Meine Damen und Herren, es wird sich wieder versteckt hinter der Formulierung „mit dem Wissen von damals“, es wird sich wieder versteckt hinter dem Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum. Wer hat denn die Federführung gehabt? – Ich habe es vorhin gesagt: Nordrhein-Westfalen hatte die Federführung. Es ist doch völlig klar, wenn da viele Menschen beieinandersitzen, dass da jemand vorträgt. Und das wird nicht der aus Bremen gewesen sein, auch nicht der aus dem Saarland und auch nicht der aus Niedersachsen, sondern es wird jemand aus NordrheinWestfalen gewesen sein. Deswegen haben Sie natürlich eine Verantwortung für die Einschätzung von Anis Amri und können sich hier nicht den schlanken Fuß machen.
Im Übrigen ist ja auch bemerkenswert, wie Sie mit den Dingen umgehen. Vorher haben Sie gesagt: Jede Frage ist erlaubt. – Die von Herrn Biesenbach dann offenbar nicht.
An dem Mittwoch nach der Tat, am 21. Dezember, haben Sie gesagt, es sei tragisch, dass „heute die Papiere eingetroffen sind“.
Das haben Sie gesagt. Tun Sie daher nicht so, als seien wir hier die Ahnungslosen. Vielmehr haben sie das hier so intoniert, und deswegen halten wir das an der Stelle entsprechend fest.
Sie haben hier eben wieder die Teflonpfanne bemüht und gesagt, es sei alles egal, was in diesem Rechtsgutachten stünde, das sei ja nur auf die Schnelle gemacht.
Nein, es ist nicht auf die Schnelle gemacht, sondern der Gutachter … – Ja, Frau Ministerpräsidentin, schön, dass Sie jetzt auch einmal in das Gutachten schauen.
(Beifall von der FDP – Dietmar Bell [SPD]: Witzfigur! – Weitere Zurufe von der SPD – Mi- nisterpräsidentin Hannelore Kraft: Unver- schämtheit!)
Der Gutachter hat sich lediglich auf einige Tatbestände konzentriert und hat darüber hinaus nicht noch weitere geprüft, deren Prüfung möglich gewesen wäre. Aber er hat anhand dieser bereits nachgewiesen, dass Amri hätte inhaftiert werden können.
Und wozu Sie noch kein Wort verloren haben, das ist das Thema „Untersuchungshaft“. Natürlich wäre die Untersuchungshaft möglich gewesen, als er in Ravensburg war. Die Staatsanwaltschaft in Duisburg ist vom LKA in der Verantwortung von Herrn Jäger nicht informiert worden, wo er sich aufgehalten hat. Das sind die Fakten. Die Kolleginnen und Kollegen von „Westpol“ haben es doch aufgedeckt, meine Damen und Herren!
„Westpol“ hat es doch aufgedeckt. Es ist skandalös, dass Sie immer noch nicht bereit sind, diese Fehler einzugestehen.
Aber ich sage Ihnen eins: Ich gehöre zu denjenigen, die noch Kommunalpolitik machen. Ich habe am Montag an einer Stadtratssitzung und gestern an einer Sitzung der Bezirksvertretung teilgenommen. Und Ihre Kommunalpolitiker schämen sich mittlerweile für diese Haltung. Die schämen sich!
Mir persönlich könnte es ja egal sein, wie die Basis der Sozialdemokratie das empfindet. Aber wenn man einmal die Kommentierungen …
Sie müssen jetzt nicht dazwischenrufen, Frau Kraft. Sie werden am 14. Mai für diese arrogante Haltung die Quittung bekommen.
Aber das Fatale ist, meine Damen und Herren: Wenn wir uns die Debatten im Netz anschauen, geht es eben nicht mehr nur darum, dass es ein sozialdemokratischer Innenminister ist.
Es wird Pars pro Toto für die demokratischen Parteien wahrgenommen. Deswegen ist diese mangelhafte Eingeständnisfähigkeit, diese mangelnde Verantwortung für eigene Fehler auch unverantwortlich für die parlamentarische Demokratie in diesem Haus. – Danke schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die letzten zwei Sätze in dem Wortbeitrag des Kollegen Dr. Stamp haben relativ schonungslos offengelegt, worum es Teilen der Opposition hier geht. Sie betreiben Wahlkampf und keine Aufklärung.
(Beifall von der SPD – Michele Marsching [PIRATEN]: Gerade die letzten zwei Sätze nicht! – Dr. Joachim Stamp [FDP]: Wenn es uns um Wahlkampf ginge, hätten wir doch In- teresse daran, dass er bleibt! – Zurufe von der FDP und der CDU)
Lieber Kollege Dr. Stamp, Sie waren nicht so häufig wie andere Kolleginnen und Kollegen des Innenausschusses draußen, um Interviews zu geben. Sie müssten sich eigentlich erinnern können: Wenn es darum geht, hier Dinge vorzuwerfen, dann würde ich an Ihrer Stelle in einer fairen Diskussion die Argumente, die Sie heute zum wiederholten Male gehört haben, in mein Argumentationsschema einfügen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer meint, dass § 58a und § 62 des Aufenthaltsgesetzes die Möglichkeit der Inhaftierung des als Gefährder eingestuften Amri gegeben hätten, liegt nach wie vor falsch.
Ich möchte das jetzt nicht noch einmal in aller Ausführlichkeit sagen. Herr Schnieder als zuständiger Abteilungsleiter im MIK hat es in der Innenausschusssitzung fünfmal …
Ich darf an der Stelle noch einmal den Zusammenhang in Erinnerung rufen. Es gab die Behauptung, über § 58a hätte man inhaftieren können, und es gab die wiederlegte Behauptung, es hätte eine Reihe von Entscheidungen gegeben. Das waren keine Fakten, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das waren alternative Fakten; denn bei aller Suche nach entsprechenden Entscheidungen haben Sie nur auf einen einzigen Fall hinweisen können, und das war keine Entscheidung, sondern ein Vergleich vor einem nicht zuständigen Gericht. So weit zur Faktentreue in der Frage des § 58a!
Kommen wir zu § 62. Das ist eine ganz interessante Norm. In dieser Vorschrift ist festgelegt, dass man neben Haftgründen von Amts wegen zu prüfen hat, ob es Hafthindernisse gibt. Dieses Hafthindernis ist nach aller Rechtsprechung und nach allem, was ein Gericht zu prüfen hat, mit der Tatsache der alsbaldigen Abschiebung von ausreisepflichtigen Menschen verbunden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in dem Augenblick, in dem Sie einem Richter das nicht vorlegen können, passiert Folgendes: Es wird keine Haft angeordnet. – Das ist allgemein bekannt. Das sollten alle Juristinnen und Juristen in Ihrer Fraktion eigentlich wissen, wenn sie sich dazu äußern. Man kann nicht Fachmann für alles sein. Aber wer eine Meinung hat, sollte sich vorher über die Fakten informieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Darüber hinaus gibt es einen Beleg, den sich auch die CDU vorhalten lassen muss. Die Dinge sind geprüft. Sie sind zum Beispiel vom BMI und vom Bundesminister der Justiz geprüft. Sie machen genau auf die Lücke aufmerksam, Gefährder mit Hilfe des Aufenthaltsrechts zu inhaftieren. In unserem Entschließungsantrag lassen wir dem konsequent die Botschaft aus Nordrhein-Westfalen folgen: Ja, wir halten das für richtig; die Dreimonatsfrist muss für Menschen, die als besonders gefährlich erkannt sind, aufgehoben werden.
Nur, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte verkürzen Sie das nicht so, als ob Gefahren nur von Menschen ausgingen, die keine deutschen Staatsangehörigen
sind. Darauf ist auch schon hingewiesen worden. Damit verkürzen Sie das Problem in unzulässiger Art und Weise.