Protokoll der Sitzung vom 26.01.2017

Wir haben gute fachliche und tiefschürfende Diskussionen geführt. Das zeichnet eine Enquetekommission aus. Das Wesen einer Enquetekommission ist letztlich das Konsensuale. Die Gemeinsamkeiten stehen im Vordergrund. Das war auch diesmal so. Allerdings gibt es auch ein paar Themen, bei denen wir nicht immer einer Meinung waren; auch das gehört dazu. Wir haben unsere Sondervoten eingebracht; sie sind im Bericht vernünftig dargestellt.

Ich möchte den heutigen Tag nutzen, um einige Themen anzusprechen, die uns als CDU-Fraktion besonders bewegen. Zum einen oder anderen Thema wurde schon etwas von meinen Vorrednern gesagt. Ich möchte es trotzdem nicht versäumen, über den Nahverkehr in unseren Städten zu sprechen.

Wir haben dort in den letzten Jahren beobachten können, dass viel gute Arbeit geleistet worden ist. Eine Menge ist verbessert worden. Man bemüht sich um ein gutes, hochwertiges, leistungsfähiges Angebot. Dennoch gibt es im städtischen Nahverkehr Sorgenkinder, nämlich die U-Bahnen, die Straßenbahnen und die Stadtbahnen.

Dort findet sich eine beklagenswerte Situation. Die Fahrzeuge sind in die Jahre gekommen; die Strecken, die Tunnel und die Stationen ebenso. Es geht um Sicherheit. Es geht um Brandschutz. Wir sprechen von einem Sanierungsstau in Höhe von – wenn man dem VDV folgt – etwa 3 Milliarden €. Allein Duisburg hat einen Sanierungsstau von 550 Millionen €. Dort muss dringend etwas passieren.

Wenn es an dieser Stelle gestattet ist, möchte ich gerne eine politische Bemerkung machen. Man fragt sich, welcher Teufel die regierungstragenden Fraktionen 2012/2013 geritten hat, die Mittel für Stadtbahnen zu kürzen. Bis zum heutigen Tag wurden dem System 150 Millionen € entzogen. Das hätte nicht sein dürfen!

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Wir brauchen in unseren Großstädten leistungsfähigen, sicheren, barrierefreien und attraktiven Nahverkehr. Auch das muss gesagt werden: Moderne Straßenbahnen, Haltestellen und Stationen sind nicht nur Selbstzweck, sondern sie sind auch eine Visitenkarte für eine Großstadt. Daher sind wir der Meinung: Es ist fünf vor zwölf – wir brauchen sehr bald ein knackiges Programm für die nachholende Sanierung unserer Stadtbahnen.

Doch nicht nur in der Stadt, sondern auch im ländlichen Raum sind Aufgaben zu bewältigen. Während wir in den städtischen Räumen im ÖPNV hauptsächlich über die Bewältigung von Pendlerströmen und Pendlermassen sprechen, geht es im ländlichen Raum, in der Region, eher um die Sicherstellung eines Grundangebotes. Der demografische Wandel spielt uns da nicht in die Karten.

In vielen ländlichen Regionen – nicht in allen, muss man sagen – stellen wir einen Bevölkerungsschrumpfung und einen Schülerrückgang fest. In vielen Städten hingegen – auch nicht in allen – haben wir ein enormes Wachstum zu verzeichnen. Das verschärft die Probleme umso mehr.

Diese ungleiche Entwicklung hat schwerwiegende Folgen. Die Mietpreisexplosion in vielen Großstädten bereitet uns wirklich Sorge bereitet, und sie stellt

auch aus sozialer Sicht ein großes Problem dar. Auf dem Land besteht ebenso ein soziales Problem, nämlich dass wir in manchen Dörfern kaum noch eine Infrastrukturen aufrechterhalten können – seien es Kindergärten, Schulen oder Einzelhandelsangebote. Die Entwicklung schreit förmlich danach, einen attraktiveren Nahverkehr zwischen den Boomstädten und dem ländlichen Raum zu schaffen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Auf dem Lande ist im ÖPNV in den letzten Jahren viel erreicht worden. Ich möchte meine Rede heute auch dazu nutzen, um den Tausenden Beschäftigten zu danken – den Fahrern, den Zugbegleitern, den Sicherheitsleuten, den ehrenamtlichen Busfahrern –, die tagtäglich für unsere Mobilität auf der Straße sind. Herzlichen Dank.

(Beifall von allen Fraktion)

Ich selber habe als Busfahrer gearbeitet und weiß, dass der Respekt der Fahrgäste gerade in den Großstädten oft zu wünschen übrig lässt. Seinen Frust am Busfahrer auszulassen, ist für manchen Fahrgast offenbar ganz normal. Ich sage ganz ausdrücklich: Ja, der Kunde ist König, aber er sollte sich auch wie ein Kaiser benehmen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich möchte auch dem Werkstattpersonal, den Verwaltungen, den kreativen Köpfen im Nahverkehr, den Verbünden, den Unternehmen, den Unternehmern, den Aufsichtsräten und den Fahrgastbeiräten danken. Sie alle helfen mit, dass wir einen guten Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen vorhalten können.

Wie gesagt, es ist schon viel passiert, in den StadtUmland-Beziehungen kann aber noch vieles besser werden. In erster Linie schauen wir uns dort den SPNV, den Schienennahverkehr, an. Auch im Jahr 2017 sind Verspätungen, verpasste Umstiege und Zugausfälle noch immer an der Tagesordnung. Das muss sehr viel besser werden.

Die CDU ist für eine konsequente Verknüpfung der Verkehrsträger: von Bus, Stadtbahnen, Nahverkehrsbahnen und von Fernverkehr. Dazu braucht es eine bessere Reserve in den Fahrplänen, aber auch in den Fuhrparks. Außerdem braucht es mehr Puffer bei den Fahrzeiten und einen bedarfsgerechten Ausbau von Engpässen im Netz. Bestes Beispiel ist die Bahnstrecke Münster–Lünen, die dringend zweigleisig ausgebaut werden muss,

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

um den RRX dann auch wirklich bis in den westfälisch-lippischen Raum hineinführen zu können.

Benötigt werden auch andere Regelungen für den Verspätungsfall. Die Frage, welcher Zug im Ver

spätungsfall warten muss und welcher Zug überholen darf, ist nicht zufriedenstellend geregelt. Das darf nicht automatisch immer nur der Fernverkehr sein; auch ein Nahverkehrszug kann sinnvollweise mal Vorfahrt bekommen. Das muss anders geregelt werden.

(Beifall von der CDU)

Ein wichtiger Begriff in diesem Zusammenhang ist der sogenannte Deutschland-Takt; das ist eine bundesweite Initiative, die sich im Grunde am Schweizer Modell orientiert. Dort hat man Busse und Bahnen insgesamt deutlich besser vernetzt. Daran können wir uns auch in Nordrhein-Westfalen ein Vorbild nehmen.

Im ländlichen Raum geht es um die Schaffung und vor allem um die Aufrechterhaltung eines Grundangebots. Es gibt Landesteile, in denen wir keinen Schienenverkehr haben, weil es keine Schieneninfrastruktur gibt. Dort erfüllt schon heute der Schnellbus – in manchen Fällen auch der Regionalbus – eine echte Schienenfunktion. Der Schnellbus ist sozusagen die Regionalbahn auf Gummirädern. Deswegen ist es auch wichtig, den Schnellbus zuverlässig, und zwar unabhängig von der Haushaltslage des Aufgabenträgers, zu finanzieren. Wir sind deshalb absolut der Meinung, dass der Schnellbus durch Landesmittel – und zwar durch Regionalisierungsmittel, also durch die Schienenverkehrsmittel – finanziert werden muss.

Die derzeitige Regelung, auch im neuen ÖPNVGesetz, die eine Option vorsieht, den Schnellbus mit Schienenverkehrsmitteln zu finanzieren, reicht nicht. Wir brauchen für den Schnellbus vielmehr eine zweckgebundene Finanzierung aus Schienenverkehrsmitteln.

Wichtig ist auch, dass die Bürgerbusvereine besser ausgestattet werden. Für jeden Bürgerbusverein werden 1.000 € extra benötigt. Das fordern wir schon seit drei Jahren, doch noch immer ist nichts passiert. Das ist schade. Die Bürgerbusvereine sind wirklich enttäuscht von der Landespolitik.

(Beifall von der CDU – Jochen Ott [SPD]: Das stimmt doch gar nicht! – Minister Michael Gro- schek: Nein, das Gegenteil ist der Fall!)

Ein wichtiger Beitrag zur Stärkung der Infrastruktur in den kleinen Orten können Mobilstationen sein, wo eine Zusammenführung der letzten Einzelhandelsversorgungsangebote erfolgt sowie der Poststationen, des Bankautomaten, der Tankstelle und der Haltestelle. Dort kann man neue Dorfzentren entstehen lassen. Das sollten wir fördern.

Ein kleines Zwischenfazit. Die CDU will einen leistungsfähigen Stadtverkehr und ein attraktives Grundangebot auf dem Land. Dazu benötigen wir eine optimale Verknüpfung aller Verkehrsträger, vom Fahrrad über den Pkw bis hin zu Bus und Bahn sowie zum

Fernverkehr und auch zum Fernbus. Das muss systematisch angegangen werden. Das beste Mittel gegen explodierende Mieten sind der beschleunigte Neubau von Wohnungen sowie ein attraktiver Nahverkehr ins Umland.

Es geht hier also um Angebotsqualität, es geht aber auch um das Thema Barrierefreiheit, und zwar im körperlichen Sinne. Im Nahverkehr muss da noch viel getan werden. Noch immer gibt es zahlreiche Haltestellen, die keinen ebenerdigen Einstieg möglich machen. Ebenso wichtig ist die Beseitigung von Hemmnissen beim Fahrscheinkauf. Für die Fahrgäste muss es so einfach wie möglich sein, einen Fahrschein zu erwerben.

Derzeit gibt es drei Verbundräume im Land: Westfalen-Lippe, das Ruhrgebiet und das Rheinland. Diese Dreiteilung im Tarifwesen ist sinnvoll. In den drei unterschiedlichen Landesteilen kann man auf unterschiedliche Bedürfnisse und auf unterschiedliche regionale Besonderheiten eingehen. Das Entscheidende ist, dass der Fahrgast die Grenzen dieser Verbundräume überschreiten kann, ohne Probleme zu bekommen. Was wir nicht brauchen, ist daher ein großer NRW-weiter Landestarif, sondern vielmehr eine NRW-weite Benutzeroberfläche, womit es an jedem Ort des Landes möglich ist, ganz einfach einen Fahrschein zu erwerben.

Soweit ich weiß, gibt es niemanden, der mit dem Nahverkehr von Bad Salzuflen bis nach Aachen fahren würde, aber es gibt Tausende von Menschen, die vom Ruhrgebiet ins Münsterland pendeln, von Aachen nach Düsseldorf, von Bielefeld nach Hamm usw.

(Jochen Ott [SPD]: Das hat Herr Löcker doch eben erklärt!)

Entscheidend ist, dass für solche Fälle der einfache Übertritt der Tarifgrenzen möglich wird und der Fahrgast komfortabel reisen kann.

Der letzte Themenbereich ist die Finanzierung. Jeder weiß – wir sind uns in der Enquetekommission darin sehr einig gewesen –, dass guter ÖPNV Geld kostet. Dazu benötigen wir die Fahrgeldeinnahmen, aber wir benötigen auch die öffentliche Hand, die dann einspringt, wenn irgendwelche Linien nicht kostendeckend arbeiten können.

ÖPNV ist Daseinsvorsorge. Wir sind froh und dankbar, dass der Bund die Regionalisierungsmittel für den Schienenverkehr deutlich aufgestockt hat und so die Verhandlungsfehler aus der Ära Rau weitestgehend ausgebügelt werden können.

Eine klare Absage erteilen wir als CDU neueren Finanzierungsinstrumenten wie dem kostenlosen Nahverkehr für jedermann, Vermietertickets, Arbeitgeberzwangsabgaben, Anliegerzwangsabgaben und dergleichen. Das sind sozialistische Träumereien,

die die Mieten in die Höhe treiben und Arbeitsplätze teuer machen.

(Beifall von der CDU – Minister Michael Gro- schek: Oh! – Jochen Ott [SPD]: Was hat das denn mit Sozialismus zu tun?)

Dem Land geht es wohl noch nicht schlecht genug. Eine ÖPNV-Zwangsabgabe auf Wohnungen und Arbeitsplätze ist zutiefst unsozial und wird von der CDU abgelehnt.

Wir brauchen in der Stadt eine vernünftige, leistungsfähige Versorgung mit Nahverkehr und für das Land die Sicherstellung mit einem Grundangebot von Nahverkehr. Außerdem benötigen wir eine vernünftige Verknüpfung und Zuverlässigkeit zwischen den Verkehrsträgern sowie einen kinderleichten Fahrscheinkauf.

Wir wollen einen angemessenen Preis für eine gute Leistung. Wir als CDU wollen keinen ÖPNV für lau, sondern modernen, leistungsfähigen, pünktlichen, vernetzten und rundum attraktiven Nahverkehr mit modernen Bussen, komfortablen Bahnen und barrierefreien Stationen, mit einem verständlichen Fahrscheinsystem und mit Respekt und Anerkennung für die Arbeit von Fahr- und Begleitpersonal.

Zum guten Schluss möchte ich eine Empfehlung an alle Fraktionen hier im Hause richten: ÖPNV, Bus und Bahn, darf kein ideologisches Spielfeld werden.

Wir müssen weiterhin für pragmatische Lösungen, für gute Infrastruktur und für ein gutes Angebot kämpfen. Und wir müssen dafür sorgen, dass alle Verkehrsträger zusammenspielen können. Die CDU ist für gute Politik für Bus, Bahn und Fahrrad.

(Jochen Ott [SPD]: Bravo!)

Sie ist aber auch für eine gute Politik für die Menschen, die auf den Pkw angewiesen sind. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Rehbaum. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Beu.