Protokoll der Sitzung vom 26.01.2017

Die Ministerin hat vorhin gesagt, sie hätte übers Wochenende das Leitbild für eine zukunftsfähige Hochschul- und Forschungslandschaft der CDU Deutschlands gelesen. Ich habe das ebenfalls gemacht, Herr Dr. Berger. Sie hätten das besser auch getan. Darin steht zum Beispiel in Bezug auf die Gleichstellung – mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich jetzt; das stammt nicht von mir, sondern ist ein Zitat der CDU –:

„Die Vergabe öffentlicher Drittmittel soll – wie bei Vergabepraxis der DFG üblich – an die Einhaltung des so genannten Kaskadenmodells geknüpft werden: Danach ergeben sich die Ziele für den Frauenanteil einer jeden wissenschaftlichen Karrierestufe durch den Anteil der Frauen auf der direkt darunter liegenden Qualifizierungsstufe.“

Sehr geehrter Herr Dr. Berger, während Sie hier noch über weibliche Empfindungen oder Ähnliches fabulieren, ist Ihre Bundestagsfraktion in der Situation, dass sie das NRW-Modell aufnimmt und sogar über die Forderungen in Nordrhein-Westfalen hinausgeht. So geht Zukunftsfähigkeit – nicht mit dem, was Sie hier vortragen.

(Beifall von der SPD und Dr. Ruth Seidl [GRÜNE])

Ich wette mit Ihnen, dass auch der im letzten Jahr beschlossene Landeshochschulentwicklungsplan – er ist von Ihnen hier noch einmal als Element planerischer Diktatur bezeichnet worden –,

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Exakt!)

der im Dialog mit den Hochschulen entstanden ist, letztlich die Blaupause für viele Bundesländer werden wird, wenn es um Governance und gemeinsame Verständigung auf Ziele geht. Das ist ein Vorbildprojekt, das hier in Nordrhein-Westfalen auf den Weg gebracht worden ist. Es macht uns stolz, dass wir in den letzten Jahren hochschulpolitisch Impulsgeber für diese Republik geworden sind.

(Beifall von der SPD und Dr. Ruth Seidl [GRÜNE])

Die Ministerin hat hier auch über die Frage von Forschung in NRW gesprochen. Sie argumentieren immer wieder, wir würden in die Hochschulfreiheit eingreifen. Was für ein Blödsinn, was für ein dummes Zeug wird hier immer wieder vorgetragen!

Ich fand es erhellend – ich will das so deutlich sagen; ich sehe das offensichtlich im Gegensatz zu Ihnen so, Herr Dr. Berger –, dass Sie sogar in Ihrem nordrhein-westfälischen Landesprogramm, im Grundsatzprogramm der CDU Nordrhein-Westfalen, im Sommer 2015 geschrieben haben – gucken Sie nicht so erstaunt; das steht da drin; ich zitiere jetzt –:

„Umweltverschmutzung, Rohstoff- und Energieressourcenknappheit oder der drohende Kollaps bei der Mobilität sind nur einige Beispiele, die neue Anstrengungen im Wissenschafts- und Forschungsbereich notwendig machen.“

Die Europäische Union, die Bundesregierung und wir nennen das die Suche nach den Lösungen für die großen gesellschaftlichen Herausforderungen. Sie diskreditieren es als ideologische Vorgabe für Hochschulen.

Kommen Sie endlich in der Realität an, wo Ihre Landespartei offensichtlich schon längst gelandet ist. Schalten Sie endlich die Selbstradikalisierung aus und den Verstand ein, Herr Dr. Berger! Das würde Ihnen wirklich helfen.

(Beifall von der SPD)

Aber unterstellen wir einmal, Herr Laschet und Herr Dr. Berger hätten recht, und wir hätten das Wissenschaftssystem in Nordrhein-Westfalen tatsächlich aufgrund ideologischer Verblendetheit zugrunde gerichtet. Das tragen Sie hier ja immer vor. Glauben Sie wirklich, dass Sie mit dieser Attitüde auch nur ansatzweise reüssieren können? Zum Beispiel in Bezug auf den Hochschulstandort Aachen, wo Herr Laschet sich eigentlich auskennen müsste, kann ich Ihnen sagen:

Wir haben alleine in diesen Hochschulstandort im Zeitraum von 2010 bis 2017 insgesamt 1,6 Milliarden € in entsprechende Infrastruktur investiert oder werden diese bis 2020 investieren, 876 Millionen € für die RWTH, 51 Millionen € für die Fachhochschule Aachen, 584 Millionen € fürs Universitätsklinikum und 125 Millionen € für die Studierendenwerke.

Die Zahl der Studierenden hat sich von 41.000 auf 58.000 erhöht, die Entwicklung des Personals in der RWTH im Zeitraum von 2011 bis 2015 von 8.185 auf 9.335, eine prozentuale Steigerung des Anteils der Professoren von 12,6 % auf 16,3 % aller Beschäftigten.

Die Drittmittel bei der RWTH sind im Zeitraum von 2010 bis 2017 von 226 Millionen auf 336 Millionen € gestiegen. Die außeruniversitäre Forschung in Aachen ist von uns in diesem Zeitraum mit nahezu 500 Millionen € bedacht worden. Sehen so die geknebelten, gefesselten Wissenschaftsstandorte in Nordrhein-Westfalen aus, Herr Dr. Berger? Sehen die so aus?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Warum, Herr Dr. Berger, reden Sie die Standorte schlecht? Warum reden Sie letztlich schlecht, was wir hier entsprechend unterstützen und nach vorne bringen? Ich sage Ihnen, wie gute Hochschulpolitik geht. Da sitzt mein Kollege Karl Schultheis, der seit über 30 Jahren Kärrnerarbeit für den Standort Aachen und für die Wissenschaftslandschaft in Nordrhein-Westfalen macht. Der weiß, wenn er durch Aachen geht, welche Projekte mit ihm verbunden sind. Mit Ihnen ist das Schlechtreden der Hochschullandschaft Nordrhein-Westfalen verbunden! Das ist der dramatische Unterschied zwischen Ihrer und unserer Politik.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Nun werden Sie sagen: Exzellenzinitiative. Wenn wir uns mal auf einen Parameter verständigen würden, an dem wir festmachen könnten, woran man misst, ob Hochschulen erfolgreich sind oder nicht, dann schlage ich vor: Wir machen es bei der Drittmitteleinwerbung. Das ist doch mal ein Parameter, auf den man sich verständigen müsste, um Erfolg von Hochschulen zu messen.

Ich bin gestern ins Internet gegangen und habe einfach per Zufallsprinzip vier Hochschulen rausgegriffen, um zu schauen, wo wir denn da knebeln und fesseln und restriktiv sind. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn: eine Steigerung von 125 Millionen auf 153 Millionen € im Zeitraum von 2010 bis 2015; Universität Bielefeld: eine Steigerung von 51 Millionen auf 61 Millionen € im identischen Zeitraum; Westfälische Wilhelms-Universität zu Münster: eine Steigerung von 78,9 Millionen auf 94 Millionen € im Zeitraum von 2010 bis 2013; Universität Duisburg

Essen: von 91,8 Millionen auf 115,8 Millionen € im gleichen Zeitraum.

Wollen Sie bei diesen Steigerungsraten in der Drittmitteleinwerbung ernsthaft behaupten: Wir knebeln und fesseln die Leistungsfähigkeit der Hochschulen? Machen Sie sich nicht lächerlich! Legen Sie endlich Beweise für Ihre frechen Behauptungen dar!

(Beifall von der SPD)

Werden Sie endlich konkret an Kennziffern, Herr Dr. Berger! Nicht frech behauptet ist wahr, sondern wir sind in einer Situation, letztlich mit Fakten arbeiten zu müssen. Aber dass diese Frage, wie stark faktenorientiert Sie sind, problematisch ist, hat natürlich auch etwas mit der Frage Kompetenz und Wissen über die Hochschullandschaft zu tun.

(Beifall von der SPD)

Sie haben das Care-Institut benannt, das tun Sie immer gerne.

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Ja!)

Ich zeige Ihnen mal einen Ausschnitt aus den „Westfälischen Nachrichten“ von Samstag, 14.01.2017. Überschrift: „Schöler überrascht Laschet: Er ist noch in Münster“. – Ihr Spitzenkandidat, der angeblich immer so gut Bescheid weiß über das, was in Nordrhein-Westfalen ist, wusste noch nicht einmal, dass es ein entsprechendes Max-Planck-Institut in Münster gibt, wo Prof. Schöler die Geschäftsführung hat. Er wusste das noch nicht einmal!

(Beifall von der SPD)

Sie lassen Menschen über Wissenschaftspolitik reden, die von nichts eine Ahnung haben. Sie sagen: disruptiv. Disruptiv war das Ende der akademischen Karriere von Herrn Laschet in dieser Legislatur! Das war disruptiv. Dass man sich dann vielleicht nicht die Mühe macht, sich mit den Fakten zu beschäftigen, das kann ich verstehen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Aushilfsschrei- hals!)

Aber von Ihnen würde ich mehr Mühe erwarten als das, was Sie hier an den Tag legen

Das Gleiche gilt an dieser Stelle doch auch für eines der zentralen Themen, die die Menschen, vor allem die Studierenden, die Eltern, aber auch diejenigen interessiert, die in der Perspektive in Nordrhein-Westfalen studieren wollen. Wie hält es denn die CDU mit den Studiengebühren in diesem Land? Ja, es ist die gleiche Situation wie 2012: Kurz vor der Wahl ein Schwenk in dieser zentralen wissenschaftspolitischen Frage für die Menschen, um die es geht. Damals, Norbert Röttgen, Sie erinnern sich: „Die Zeit“: „Die CDU entsorgt die Studiengebühren“ – Überschrift.

(Der Redner hält eine Zeitung hoch.)

Er sagte damals, er werde den Beschluss der rotgrünen Landesregierung, die Studiengebühren abzuschaffen, nicht rückabwickeln, sollte er an die Macht kommen, und ein ständiges Hin und Her sei den Wählern nicht zuzumuten.

Heutzutage entsorgt Herr Laschet nicht die Studiengebühren, sondern die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit der CDU in wissenschaftspolitischen Fragen. So sieht die Avantgarde aus, die Herr Laschet anstrebt. Er ist ein völliger Solitär bundesweit in der Union, um andockfähig an die FDP zu werden. Wenn die mehr als 760.000 Studierenden wissen wollen, wofür die Union steht, dann definitiv noch nicht einmal für ein konkretes Konzept.

In seinem Interview in der „Rheinischen Post“ vom 15. Dezember 2016 fabuliert Herr Laschet:

„In der alten Form sind Studiengebühren kein Thema. Aber ich halte es für ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit, mindestens über Modelle nachzudenken, wie wir diejenigen finanziell an der akademischen Ausbildung beteiligen, die später nachweislich mehr verdienen. Dass Pfleger für ihre Ausbildung zahlen und Ärzte nicht, ist schräg.“

Nun ist das ein „typischer Laschet“ – ich will das so deutlich sagen –, dass er nicht weiß, dass Krankenpfleger und -pflegerinnen eine Ausbildungsvergütung erhalten. Damit schürt er eine Neiddebatte, die von den wirklichen Problemen in der Pflege ablenken sollen. Schlimmer ist, dass diese sehr offene Formulierung alles offen lässt.

Äußern Sie sich doch einmal, Herr Dr. Berger! Meinen Sie das englische oder das amerikanische Modell, oder meinen Sie das Modell, dass die FDP favoritisiert? Ich finde, die Studierenden, die Eltern, aber auch Schülerinnen und Schüler, die überlegen zu studieren, haben einen Anspruch darauf zu wissen, was Sie planen. Das gilt in gleichem Maße für die Hochschulen.

Sie haben die Maßnahme in Zusammenhang mit möglichen Fragen zur Haushaltskonsolidierung gebracht. Das legt den Schluss nahe, dass die Mittel nicht den Hochschulen zur Verfügung gestellt werden sollen. Ich glaube, dass Sie das bis zum heutigen Tag nicht einmal durchdacht haben. Deswegen: Mit uns wird es keine Studiengebühren jeglicher Art geben. Wir sind da klar und bieten kein Hin und Herr, das den Wählern nicht zuzumuten ist.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Bundespräsident Johannes Rau hat in einer seiner großen bildungspolitischen Reden am 14. Juli 2000 gesagt – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –:

„… wir brauchen das Rad nicht neu zu erfinden. Es gibt auch keinen Grund zum Schwarzsehen.

An Ideen ist kein Mangel. Vieles wird auch schon getan. Aber die Herausforderungen bleiben groß.

Es gilt, aus der Fülle von guten Vorschlägen … das Beste zu suchen und konsequent zu verwirklichen. …

Leitlinie muss dabei bleiben:

Es geht um jeden einzelnen Menschen, um seine Chancen und um die Entwicklung seiner Persönlichkeit, es geht um die Gesellschaft, die nicht auseinanderfallen darf in Bildungsbesitzer und Bildungsverlierer, und es geht darum, die großartigen Möglichkeiten zu nutzen, die uns die Gegenwart bereitstellt.“