Protokoll der Sitzung vom 26.01.2017

Bereits als die erste Version des Gesetzes in den Landtag eingebracht wurde, war es nicht gut gemacht. Das kann auch gar nicht bestritten werden, denn kurz darauf wurde eine Evaluierung notwendig. Und jetzt reden wir über die Novellierung des Gesetzes – und das alles in der gleichen Legislaturperiode. Aber selbst diese Novellierung wird durch einen weiteren Änderungsantrag der rot-grünen Fraktion geändert. Sie sehen, die Landesregierung und die Kollegen von Rot-Grün eiern bei diesem wichtigen Thema der fairen und nachhaltigen Beschaffung herum.

Auf das wirkliche Wichtige wurde noch von keinem der Redner eingegangen. So sieht das hier vorgesehene Gesetz Maßnahmen gegen Verstöße gegen die sogenannten ILO-Kernarbeitsnormen, also zum Beispiel gegen Kinderarbeit, vor, aber nur in einer festen Liste von Ländern.

Experten haben aber in der Anhörung ganz klar gesagt: Es gibt dokumentierte Fälle von Verstößen gegen Mindeststandards der fairen Arbeit in Osteuropa, in Ländern, die nicht auf dieser Liste auftauchen. Und dagegen ist dieses Gesetz wirkungslos. Deswegen sagen wir Piraten: Soziale Ausbeutung muss bekämpft werden, egal wo sie auftritt. Die besagte Liste von Ländern muss erweiterbar sein und muss geändert werden.

Zweiter Punkt: Herr Hübner, Sie loben das TVgG über den Klee. Aber was sagen eigentlich Ihre Gewerkschaften dazu? Was sagen beispielsweise die Gewerkschaften dazu, dass Ihr novellierter Gesetzentwurf still und leise die freigestellten Verkehre von der Tariftreue ausnehmen will? Das betrifft insbesondere den Transport von Schülerinnen und Schülern und behinderten Personen, für den nach Expertenaussagen die Busfahrer zum Teil unter 5 € die Stunde bekommen. Faire Arbeit sieht anders aus. Das sagt der DGB, und dem schließen wir Piraten uns an.

Das führt mich zum Änderungsantrag. Sie wollen auf das Instrument des vergabespezifischen Mindestlohns verzichten. Das ist wirklich bemerkenswert, denn andere sozialdemokratisch geführte Bundesländer wie beispielsweise Schleswig-Holstein und Brandenburg gehen da einen anderen Weg – und das aus gutem Grund.

Sie senken also den vergabespezifischen Mindestlohn auf 8,84 €, also den bundesweiten Mindestlohn. Wir sagen: Bei der öffentlichen Beschaffung müssen faire Löhne bezahlt werden, die auskömmlich sind und die ein vernünftige Rentenniveau sichern. Und die Politik muss der Vorreiter sein. Das ist aber unter 10 € nicht zu machen. Anstatt die Löhne zu senken, müssten Sie also den Vergabemindestlohn erhöhen.

Außerdem werden Privatisierungen an Attraktivität gewinnen, wenn eine Ausschreibung an private Firmen Entgelte von nur 8,84 € vorsieht, während die niedrigsten öffentlichen Tariflöhne bei über 10 € liegen. Mit diesem Gesetz werden also öffentliche Leistungen mit Lohndumping ausgelagert. Das wollen Sie vielleicht. Aber wir Piraten wollen das nicht.

(Beifall von den PIRATEN)

Meine Damen und Herren, dieses Tariftreue- und Vergabegesetz ist nicht fair und auch nicht sozial. Wir werden es daher ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Nun spricht für die Landesregierung Herr Minister Duin.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kenne die Pläne der CDU und der FDP für die verbleibenden Plenarwochen nicht. Deswegen bin ich nicht ganz sicher, ob es das letzte Mal sein wird, dass wir in dieser Legislaturperiode über das Tariftreue- und Vergabegesetz sprechen.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Das kommt auf Ihre Rede an! – Zuruf von Ralph Bombis [FDP])

Herr Bombis, wir werden sehen. Auf jeden Fall kann ich mich an viele der Debatten hier oder im Ausschuss oder in anderen Zusammenhängen erinnern. Ich kann mich aber vor allen Dingen auch an das Potenzial, das die Opposition dort gesehen hat, gut erinnern und daran, was mir zum Beispiel bei den vielen Besuchen in Kreishandwerkerschaften begegnet ist.

Am Anfang war es so, dass Sie es tatsächlich vermocht haben, einen ganz normalen Handwerksmeister komplett zu verunsichern. So hat mir beispielsweise bei einem Besuch in der Kreishandwerkerschaft in Essen ein Malermeister gegenübergestanden und hat gesagt: Ihr habt ja jetzt ein Gesetz gemacht. Jetzt kriege ich keinen öffentlichen Auftrag mehr, weil ich nicht nachweisen kann, dass die Borsten an meinem Pinsel ohne Kinderarbeit zustande gekommen sind. – Mit solchen Beispielen war man damals, vor vier, fünf Jahren, konfrontiert.

Ich glaube, es ist gelungen, außerhalb der Debatten, die hier parlamentarisch mit aller Verve geführt werden, bei den Betrieben, die dieses Tariftreue- und Vergabegesetz anwenden, für sehr viel mehr Klarheit und auch für sehr viel mehr Entspanntheit zu sorgen.

Es ist für mich sehr wichtig, dass wir als Land, als öffentlicher Auftraggeber deutlich machen: Wenn wir einkaufen, wenn wir etwas bestellen, dann geht es fair zu. Dann geht das ökologisch zu, dann geht das korrekt zu. Und das führen wir nicht nur im Munde – hier wird ja immer wieder betont, man sei sich in der Zielstellung völlig einig –, sondern das bekommt auch einen entsprechenden Rechtsrahmen.

Es geht – davon bin ich zutiefst überzeugt – nicht ohne Regeln. Es nützt nämlich niemandem etwas, wenn man sich allgemein für Ziele einsetzt, sondern dann muss man das auch in politisches und am Ende auch in gesetzliches Handeln umsetzen. Und das tut diese Regierung, tun die sie tragenden Fraktionen mit diesem Tariftreue- und Vergabegesetz, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es geht im Übrigen um fairen Wettbewerb für öffentliche Aufträge. Es geht nicht zuletzt auch um den Schutz der anständigen Betriebe in unserem Land vor Dumping-Konkurrenz. Wir wollen gerade nicht, dass Steuergeld dafür ausgegeben wird, dass Dumping-Konkurrenz die Schule streicht oder die Schule renoviert und solche Aufträge bekommt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es ist der Schutz der anständigen Betriebe in unserem Land.

Und wenn Sie – Herr Bombis war es, glaube ich – von ideologischer Symbolpolitik reden: Das Einzige, was hier ideologische Symbolpolitik ist, sind Ihre im

mer wiederkehrenden Anträge auf komplette Abschaffung von vernünftigen Vergaberegeln. Das ist das Einzige.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- ruf von Ralph Bombis [FDP])

Stattdessen haben wir – nicht aus der Hüfte geschossen, sondern auf der Grundlage einer ordentlichen Evaluierung – in vielen, unzähligen Gesprächen mit der Wirtschaft, mit den Vergabestellen auf der öffentlichen Seite darum gerungen, das ursprüngliche Gesetz deutlich zu verbessern.

Wir haben nicht nur den Umfang der gesetzlichen Regelungen um ein Drittel reduziert, sondern wir haben klare strukturelle Verbesserungen vorgenommen: Mit dem Bestbieterprinzip, mit der Anhebung des Schwellenwertes haben wir den bürokratischen Aufwand erheblich – Prof. Wittberg hat die Ersparnisse auf über 28 Millionen € beziffert – gesenkt. Mit dem Siegelsystem wird der Aufwand ebenso noch einmal deutlich geringer für die Unternehmen. Dasselbe gilt auch für die Rechtsverordnung.

Unser Ziel, ökologische, soziale Kriterien beizubehalten, gleichzeitig aber die Handhabung des Gesetzes für die Anwender deutlich zu vereinfachen, ist erfüllt.

Im Übrigen, wenn wir jetzt schon in diesen Modus hineinkommen, sehr geehrter Herr Bombis, regiert die FDP ja nicht so häufig,

(Ralph Bombis [FDP]: Im Moment nicht!)

aber sie regiert, zum Beispiel in Rheinland-Pfalz. Dort gibt es mit FDP-Beteiligung – die Koalitionsverhandlungen sind noch nicht so lange her – ein Tariftreuegesetz. Der Mindestlohn, bei dem wir hier mit Pragmatismus und Vernunft gesagt haben, dass wir da nicht noch einen eigenen machen, sondern ihn an den Bundesmindestlohn angleichen, liegt in Rheinland-Pfalz sogar höher.

(Ralph Bombis [FDP]: Wer hat ihn denn einge- führt?)

Also, die Glaubwürdigkeit der FDP – mal so, mal so – darf man durchaus infrage stellen, wenn die FDP in Rheinland-Pfalz ein solches Gesetz mit prägt

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

und hier so tut, als wenn das alles ganz schlimm wäre.

(Ralph Bombis [FDP]: Das ist unredlich!)

Ich bin sicher, die öffentliche Hand muss ihrer Vorbildfunktion gerecht werden, und das tun wir mit diesem renovierten Tariftreue- und Vergabegesetz. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Duin. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Damit kommen wir zu den Abstimmungen.

Erstens stimmen wir über den Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/12265 ab. Der Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk empfiehlt in der Drucksache 16/14037, den Gesetzentwurf Drucksache 16/12265 in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses anzunehmen. Wer stimmt dieser Beschlussempfehlung zu? – SPD und Grüne und Herr Stüttgen, fraktionslos, stimmen zu. Wer stimmt dagegen? – Piratenfraktion, CDU und FDP stimmen dagegen. Gibt es Enthaltungen? – Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist die Beschlussempfehlung Drucksache 16/14037 angenommen und der Gesetzentwurf Drucksache 16/12265 in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses in zweiter Lesung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen verabschiedet.

Zweitens stimmen wir über den Gesetzentwurf der Fraktion der CDU Drucksache 16/13531 – Neudruck – ab. Der Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk empfehlt in Drucksache 16/14038, den Gesetzentwurf abzulehnen. Wir stimmen also über den Gesetzentwurf selbst und nicht über die Beschlussempfehlung ab. Wer stimmt dem Gesetzentwurf zu? – Die CDU und die FDP. So war es angekündigt. Wer stimmt dagegen? – SPD und Grüne stimmen dagegen sowie die Piraten und Herr Stüttgen, fraktionslos. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Mehrheit eindeutig und der Gesetzentwurf Drucksache 16/13531 der CDU-Fraktion in zweiter Lesung abgelehnt.

Ich rufe auf:

3 Landesregierung muss der Einstufung von

Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsländer im Bundesrat endlich zustimmen!

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/13945

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und

der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/14089

In Verbindung mit:

Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsländer einstufen

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/13946 – Neudruck

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDUFraktion Herrn Kollegen Kuper das Wort.