Ich sage Ihnen auch, warum. Warum haben Sie denn den Sonderermittler abgelehnt, den die Ministerpräsidentin Ihnen angeboten hat? Relativ kurz nach dem Anschlag gab es eine Einladung der Ministerpräsidentin, einen Sonderermittler einzusetzen. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, die Fragen mit zu definieren. Ich gehe einmal davon aus, dass die Ministerpräsidentin für personelle Vorschläge offen gewesen wäre.
Man hätte sich auch darüber verständigen können, welche Fragen man dort stellt. Sie sind ja noch nicht einmal hingegangen und haben hier versucht, sich an einer Aufklärung in dieser Form zu beteiligen.
Zweitens. Sie formulieren in Ihrem Antrag – das haben wir ja mit unseren Ergänzungen dann auch deutlich gemacht – ausschließlich einen NRW-Bezug.
Es ist uns ja noch nicht einmal gelungen, auf Seite 2 bei der Sachverhaltsdarstellung – nicht beim Untersuchungsauftrag, sondern bei Sachverhaltsdarstellung – eine Ergänzung zu erreichen. Dort steht lapidar:
„In diesem Zusammenhang ist Nordrhein-Westfalen neben Berlin in das Zentrum der bundesweiten Debatte … gerückt.“
Nein, Berlin durfte da nicht stehen. Herr Laschet, es ist doch durchschaubar, dass es Ihnen, wenn Sie solche Ergänzungsvorschläge ablehnen, nicht um das Gesamtbild geht, sondern nur darum, den Fokus auf NRW zu legen. Und das ist einfach nicht sachgerecht.
Im Übrigen wird in Berlin – das ist ja klar – nicht über einen PUA geredet. Das hier ist doch Aufklärung nach Parteibuch. Ich halte das auch für sehr durchschaubar.
„Bei einer Zusammenführung der Ermittlungsverfahren zu einem Sammelverfahren wäre es auf dieser Entscheidungsgrundlage unter Umständen möglich gewesen, …“
„Seit Bekanntwerden der Täterschaft Amris wurden in der Öffentlichkeit mehrere Möglichkeiten erörtert, …“
Das sind Spekulationen. Das sind Vorfestlegungen. Das sind Standpunkte, Empfindungen, Meinungen, die man aber wohlsortiert, nämlich nur in einem ganz engen Ausschnitt, wiederum nur da, wo NRW und der Minister betroffen sind, hier mal so in den Raum stellt.
In einem seriösen Einsetzungsbeschluss hat so etwas nichts zu suchen. Dort formuliert man konkrete Fragen, die sich aus dem Sachverhalt ergeben.
Am Schluss des Antrags entlarven Sie sich selbst. Sie stellen dar, dass Sie selber nicht mehr daran glauben, dass in nicht einmal 100 Tagen so ein PUA hier tatsächlich eine seriöse Aufklärung liefern wird. Das sagen Sie ja selber.
schuss? Das, was Sie hier gerade skizziert haben, wie man das alles in 90 Tagen ratzfatz erledigt kriegt, halte ich für nicht seriös. Selbst wenn wir am Freitag – wofür selbstverständlich auch wir zur Verfügung stehen – hier Beweisbeschlüsse fassen, müssen Akten angefordert, gelesen und ausgewertet werden, auf dieser Grundlage Zeugen geladen und vernommen werden und deren Aussagen dann ausgewertet werden. Dies ist schlicht nicht möglich, wenn man den Gesamtzusammenhang hier wirklich seriös aufarbeiten will.
Sie haben sich noch nicht einmal Mühe gegeben, den Anschein zu erwecken, es ginge Ihnen hier um objektive Aufklärung und um die Sache.
Wir wollen alles dafür tun, dass, wenn es Fehler gegeben hat, diese benannt werden und vor allem die richtigen Schlüsse daraus gezogen werden. Das ist eine Arbeit, die nicht auf den Wahltermin hin ausgerichtet sein kann, sondern darüber hinausgehen muss.
Dabei hilft nicht das – das sage ich der Opposition auch ganz klar –, was heute und übrigens auch im Innenausschuss in jeder Sitzung passiert, nämlich Ignoranz von Fakten, Überbietungswettbewerb bei Vorwürfen und Vorfestlegungen.
Hier wurde ja sogar einmal der Vorwurf, mit Amri hätte man Russisch Roulette gespielt, in den Raum gestellt. Herr Stamp, das war im Übrigen eine Ihrer schlimmsten Äußerungen, die durch nichts belegbar oder sogar widerlegbar sind.
Es erfolgen Diffamierungen von leitenden Beamten aus den Ministerien – bis hin zu den Verschwörungstheorien. Heute gipfelte es in der Unterstellung, dass sie in den Ministerien jetzt alle die Schredder anwerfen. Man geht einfach einmal davon aus, dass da die Schredder schon angeworfen worden sind.
Ich halte diese diffamierenden Unterstellungen und diese Verschwörungstheorien am Ende für einen Schlag ins Gesicht der Opfer dieses Anschlags.
Denn alles das trägt nicht zu einer seriösen Aufarbeitung – unabhängig, objektiv, nicht nach Parteibuch
und nicht abhängig von einem Wahltermin – bei. Wir werden uns weiter daran beteiligen bzw. dafür sorgen, dass es nicht in dieser Form passiert. – Danke schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und am Stream! Im Fall des Terroristen Anis Amri sind im Vorfeld zahlreiche Fehler gemacht worden. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Da helfen auch peinliche Schuldzuweisungen an andere nicht, Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen. Wer aus Fehlern nicht lernt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen. Das mag bei manchen Fehlern akzeptabel sein, im Fall eines terroristischen Anschlages ist es das nicht.
Die Einstufung von Anis Amri als nicht ganz so gefährlich war so ein Fehler. Wir müssen aufklären, wie es dazu kam. Wir müssen zum Beispiel aufklären, warum es nirgendwo ein vollständiges Lagebild gab. Wir müssen aufklären, warum wichtige Informationen nicht geflossen sind, zum Beispiel über seinen Aufenthaltsort, über diverse Straftaten, über die eindeutigen Aussagen, die er gegenüber der V-Person auf der gemeinsamen Fahrt nach Berlin gemacht hat. Die Kommunikation zwischen den beteiligten Behörden hat nicht funktioniert. Wir müssen untersuchen, wieso. Das muss geändert werden.
Wir müssen aufklären, warum die bestehenden Gesetze nicht angewendet worden sind, warum es zum Beispiel keine Meldeauflagen gab. Das Innenministerium sagt, von Meldeauflagen hätte man abgesehen, weil er dann möglicherweise abgetaucht wäre – was natürlich eine völlig widersinnige Schlussfolgerung ist, wenn man ihn nicht flächendeckend überwacht, er also sowieso ständig von der Bildfläche verschwindet.
Wenn man von einer möglichen Gefahr weiß, dann muss man doch entweder unmittelbar einschreiten oder sie wenigstens ständig im Auge behalten. Sollte es dafür zu wenig Personal gegeben haben, dann sollte man das doch bitte auch ändern.
Wir müssen aufklären, warum man noch nicht einmal versucht hat, vor Gericht eine Abschiebungsanordnung zu erwirken. Die Tatsache, dass man damit vor einen Richter zu treten hat und gute Gründe vortragen muss, kann doch kein Argument sein, das zu unterlassen.
Das Innenministerium spricht vom Hafthindernis, dass die Passersatzpapiere von den tunesischen Behörden erst nach zu langer Zeit eingetroffen wären.
Das erklärt aber nicht, warum man nicht wenigstens dann Abschiebehaft beantragte, als die Erteilung der Papiere wesentlich näher gerückt war, nachdem eine offizielle Bestätigung über seine Staatsbürgerschaft vorlag. Auch dieser Ablauf muss überprüft werden.
Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen war federführend im Fall Anis Amri. Es war verantwortlich für die Koordinierung und Initiierung von Maßnahmen des Ausländerrechtes und des Strafrechtes. So hatten es die beteiligten Ämter von Bund und Ländern beschlossen. Folgerichtig müssen wir an dieser Stelle mit der Untersuchung ansetzen. Es ist Augenwischerei, wenn Innenminister Jäger, wenn die Fraktionen von SPD und Grünen die Verantwortung dafür auf Behörden anderer Länder oder des Bundes abschieben wollen.
Die hier zahlreich begangenen Fehler korrigiert man nicht auf die Schnelle mit neuen Gesetzen, härteren Strafen oder esoterischer Sicherheitstechnik. Dem muss man schon auf den Grund gehen. Und man wird seine politische Verantwortung für diese Fehler auch nicht los, wenn man am lautesten nach Überwachungstechnik und Gesetzesverschärfungen ruft.
Die politische Verantwortung für dieses Desaster trägt der Innenminister. Dafür sollte er seinen Hut nehmen. – Vielen herzlichen Dank.