Monika Düker
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Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! In der Sitzung des sogenannten GTAZ, des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums, am 2. November stellte man gemeinsam Folgendes fest – ich zitiere aus der Chronik, die auch veröffentlicht wurde –:
„Auf Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse kein konkreter Gefährdungssachverhalt erkennbar.“
Das war sechs Wochen vor der Tat. Die Menschen fragen sich zu Recht: Warum wurde noch am 2. November eine solche Fehleinschätzung vorgenommen? – Es war im Nachhinein ein fataler Fehler, Amri so zu unterschätzen. Genau der Frage gehen wir im Untersuchungsausschuss nach – auch alle meine Vorredner haben sie gestellt –: Warum konnte das passieren?
Herr Sieveke, um die Geschichtsklitterung, die Sie hier betreiben, nicht im Raum stehen zu lassen: Wir haben uns zum Einsetzungsbeschluss enthalten, weil die CDU-Fraktion es einfach abgelehnt hat – wo ist er? –,
die meisten unserer Änderungsanträge, die den Blickwinkel erweitern, in den Einsetzungsbeschluss aufzunehmen. Zum Beispiel haben Sie die Erwähnung des Landes Berlin in der Zuständigkeit – nur in
der Sachverhaltsdarstellung, noch nicht mal im Untersuchungsauftrag – abgelehnt. Außerdem enthielt Ihr Einsetzungsbeschluss massive Vorverurteilungen und Spekulationen. Daher die Enthaltung.
Das hat nichts damit zu tun – das haben wir im Ausschuss und im Plenum mehrfach deutlich gemacht –, dass ich für meine Fraktion sagen kann, dass wir uns sehr ernsthaft und sehr wohl konstruktiv an der Aufklärung beteiligen.
Zur Überschrift „Scheinheiligkeit“: Herr Sieveke, Sie machen uns hier den Vorwurf einer vorgezogenen Beweiswürdigung allein aus der Tatsache heraus, dass wir einen Zwischenbericht beschlossen haben, der heute vorgelegt wird. Ihre Rede, Herr Sieveke, war eine Aneinanderreihung von Schuldzuweisungen. Sie sind es, der hier permanent Schlussstriche zieht und sagt, wer schuld ist, und das auch noch während laufender Zeugenvernehmungen.
Hier bitte redlich bleiben.
Über die These, dass eine reine Zusammenfassung der Zeugenbefragung per se eine Wertung darstellt, kann man auf der ganz abstrakt-juristischen Ebene wahrscheinlich tagelang in juristischen Seminaren streiten. Aber wenn man das zu Ende denkt, diese Frage bejahen und sagen würde, ja, das ist per se schon einen Wertung, würde doch die Rechtsgrundlage für einen Zwischenbericht nach § 24 Abs. 5 Untersuchungsausschussgesetz faktisch ins Leere laufen. Politisch gesprochen hat sich Gesetzgeber doch etwas dabei gedacht. Dort heißt es:
„Der Landtag kann vom Untersuchungsausschuss jederzeit bei Vorliegen eines allgemeinen öffentlichen Interesses oder wenn ein Schlußbericht vor Ablauf der Wahlperiode nicht erstellt werden kann,“
jetzt kommt es –
„einen Zwischenbericht über den Stand der Untersuchungen verlangen.“
Der Gesetzgeber hat sich doch irgendetwas dabei gedacht. Er hat sicher nicht gewollt, dass ein solcher Zwischenbericht bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses – das haben wir doch nun einmal – aus einer Zeugen- und Terminliste, vielleicht noch einem Aktenverzeichnis und dem Einsetzungsbeschluss besteht. Das öffentliche Interesse besteht doch darin, auch inhaltlich über die Arbeit des PUA informiert zu werden. Das möchten wir ausdrücklich. Ja, das möchten wir in der letzten Sitzung dieser Legislaturperiode dieses Landtags tun. Genau das macht der Zwischenbericht jetzt. Genau das hat der Landtag beschlossen.
Herr Sieveke, nach Abschluss der Untersuchung werden natürlich auch alle Protokolle veröffentlicht. Wir werden das heute noch einmal in den Untersuchungsausschuss einbringen und ausdrücklich
durch einen Antrag bekräftigen. Sie wissen genauso gut wie alle anderen, die schon Untersuchungsausschussarbeit geleistet haben, dass solch eine Veröffentlichung immer nach Abschluss der Untersuchung erfolgt, weil dieser Vorlauf benötigt wird, um Persönlichkeitsrechte und Datenschutzaspekte zu würdigen. Selbstverständlich wird die Öffentlichkeit all diese Protokolle bekommen. Sie verschwinden eben nicht, wie Sie es darstellen, in irgendwelchen geheimen Stahlschränken des Landtages.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich nenne zwei Beispiele, an denen deutlich wird, dass der immer wieder in den Raum gestellte Vorwurf eben nicht zutrifft. Gleich spricht Herr Dr. Stamp und wird sagen: Tricksen, Täuschen, Vertuschen. – Mögliche Widersprüche und unterschiedliche Einschätzungen werden sehr wohl transparent dargestellt und dokumentiert, aber nicht – wie Sie es permanent tun, Herr Sieveke – abschließend bewertet.
Erstens. Der Generalbundesanwalt hat gesagt, es wurde keine förmliche Anfrage zur Freigabe von Informationen zur Durchsetzung einer Abschiebungsanordnung nach § 58a gestellt. Der vermeintliche Widerspruch liegt darin, dass der Zeuge Kretschmer – den Sie das im Übrigen gar nicht gefragt haben, aber das sei dahingestellt – danach gesagt hat, nach seinen Aktenkenntnissen habe sich die Siko sehr wohl entschieden, diese Freigabe zu beantragen. Das hat er sich nicht ausgedacht, sondern das weiß er aus Akten. Er geht davon aus, dass sie es auch gemacht hat.
Das steht erst einmal im Raum. Das haben wir dokumentiert. Diesen Fragen werden wir selbstverständlich weiter nachgehen.
Zweitens. Wo da die Wertung ist, frage ich Sie. Sie sind während der Zeugenbefragung hinausgegangen und haben gesagt: Dieses Gutachten ist diskreditiert, weil der Generalbundesanwalt das gesagt hat. Dieser hat recht und jener hat unrecht. Ich, Sieveke, ziehe einen Schlussstrich und fälle einen Schuldspruch. – Sie haben Vorfestlegungen gemacht, nicht wir.
Wir haben uns konstruktiv an der Zeugenbefragung beteiligt, statt draußen in den Kameras Schuldsprüche zu veröffentlichen.
Der aus meiner Sicht nächste Beleg dafür, warum wir sehr transparent auch widersprüchliche Rechtseinschätzungen dokumentiert haben, ist § 62 Sicherungshaft, besser bekannt als Abschiebungshaft. Auch hierzu haben wir zwei unterschiedliche Einschätzungen. Ich möchte hier nicht rechtlich in der
Tiefe würdigen, mit welchen Begründungen sie vorgetragen wurden. Dafür reicht die Zeit nicht. Aber nach intensiven Befragungen sagen das Landesinnenministerium und der Gutachter, dass Abschiebungshaft hier nicht hätte beantragt werden können, weil die Voraussetzungen schlicht und einfach nicht vorlagen.
Ich meine, eine Behörde darf das dann auch nicht tun. Herr Dr. Stamp meint ja, wir bräuchten solche Probierbehörden, wie der Zeuge Freier sie genannt hat. Ich möchte ausdrücklich nicht, dass Behörden, die ganz klar zu der Auffassung kommen, es gibt keine Rechtsgrundlage für einen Fall, es trotzdem einmal versuchen.
Nein, hier hat eine Behörde entschieden. Ich möchte keinen Rechtsstaat, der aus Probierbehörden besteht. Aber da haben wir vielleicht unterschiedliche Rechtsstaatsauffassungen, Herr Dr. Stamp.
Das Landesinnenministerium sagt: Wir sahen die Rechtsgrundlage nicht. Also gab es diesen Antrag auch nicht. – Der Bundesinnenminister sagt das Gegenteil. Ja, genau das steht auch in dem Bericht. Er sagt, man hätte eine Abschiebung beantragen können, weil man Amri hätte zurechnen können, dass er sich nicht selbst an seiner Abschiebung beteiligt. Deswegen entsteht aufgrund dieser Kausalität erst gar nicht diese Dreimonatsfrist. Der Bundesinnenminister bezieht sich ausdrücklich auf diesen Kausalitätsgrundsatz.
Ich möchte das nicht vertiefen. Zwei Rechtsauffassungen wurden genannt. Wir schreiben sie in den Bericht. Herr Dr. Stamp, wir sind nicht an der Stelle, jetzt zu sagen: Dieser hat recht und jener hat unrecht. – Herr Sieveke, ich finde es nicht in Ordnung, dass Sie hinausgehen und sagen: Okay, wir haben die eine Rechtsauffassung gehört. Abschiebungshaft hätte beantragt werden können. Punkt. Der Innenminister ist schuld. – Nein, an dieser Stelle sind wir nicht.
Deswegen wird noch einmal ausdrücklich an diesen zwei Beispielen belegt: Wir geben hier einen Zwischenbericht – nicht mehr und nicht weniger –, der transparent deutlich macht, an welcher Stelle der Untersuchung wir sind. Da gibt es Widersprüche. Da gibt es unterschiedliche Bewertungen. Diese dokumentieren wir hier, damit die Öffentlichkeit informiert wird; denn sie hat ein Recht darauf, über unsere Arbeit informiert zu werden.
Die Legislaturperiode endet für mich und für uns nicht am 14. Mai, sondern am 31. Mai. Bis dahin werden wir objektiv, transparent und konstruktiv den Auftrag weiterverfolgen, an der Aufarbeitung dieses Anschlags mitzuwirken. – Danke schön.
Danke für die Zulassung der Zwischenfrage, Herr Kollege Dr. Stamp. – Würden Sie bitte endlich einmal zur Kenntnis nehmen, dass sich unsere Ergänzungsanträge zum Einsetzungsbeschluss, hier auch das Land Berlin zu erwähnen, nicht auf den Untersuchungsauftrag bezogen haben, sondern allein auf die Sachverhaltsdarstellung? Und würden Sie mir zustimmen, dass in der Sachverhaltsdarstellung dieser Fall Amri sehr wohl einen Bezug zu NRW und zu Berlin hat – wie gesagt, in der Sachverhaltsdarstellung –, weil sich Amri nachweislich nach dem 18. August nur noch in Berlin aufgehalten hat?
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Versuchen wir es doch einmal, Herr Laschet, mit einem Faktencheck – vielleicht hilft das in dieser aufgeheizten Debatte weiter – und hinterfragen wir einmal Ihre skizzierte Rolle des Chefaufklärers.
Ich zitiere ausnahmsweise aus einem öffentlichen und nicht aus einem geheimen Dokument, und zwar aus dem Mitgliederblättchen der CDU NRW, Ausgabe 1/2017.
Das war, wie gesagt, Anfang des Jahres. Ich nehme an, das erscheint auch sehr früh im Jahr. Im Übrigen ist es überschrieben mit „Im Visier“. Unter „Im Visier“ erscheinen Ralf Jäger und Hannelore Kraft. Diese Wahlkampfrhetorik kann man auch hinterfragen. Das tue ich an dieser Stelle nicht.
Was machen Sie dort? Sie machen einen Faktencheck.
Fakt 1: Armin Laschet stellt im Januar fest: Zuständigkeiten im Fall Amri nur in NRW. – Falsch! Die Zuständigkeiten lagen auch im Land Berlin. Denn seit dem 18. August hat sich Amri in Berlin aufgehalten. Zwar war die Ausländerbehörde zuständig, aber klar war, die Sicherheitsbehörden wären in Berlin zuständig gewesen. Und wir haben auch noch Baden-Württemberg in der Kategorie Zuständigkeiten. Also, Fakt 1: falsch.
Fakt 2: Armin Laschet trifft im Fall Amri gegenüber seinen Mitgliedern die Feststellung, dass für Gefährder eine Abschiebungsanordnung erlassen werden kann. Punkt. – Nein, kann es nicht. Wir haben 226 Gefährder in NRW. Nein, es kann nicht für jeden Gefährder eine Abschiebungsanordnung erlassen werden. – Dann bringt er noch ein paar rechtliche Zusammenhänge durcheinander. Das will ich hier nicht tun. Ich heiße nicht Herr Wedel. Nein, diese Feststellung war zu diesem Zeitpunkt nicht zu treffen.
Fakt 3 laut Armin Laschet: Abschiebehaft hätte beantragt werden können, weil die tunesischen Behörden die Identität Amris bestätigt hätten.
Ja, Herr Laschet, wenn das so gewesen wäre, hätte das tatsächlich beantragt werden können. Es stimmt aber schlicht nicht, dass die tunesischen Behörden die Identität bestätigt haben; die haben sie erst nach dem Anschlag bestätigt. Es war INTERPOL, es waren nicht die tunesischen Behörden. Fakt 3: auch falsch.
Fakt 4: Sozialbetrug. Jetzt wird es ganz abenteuerlich. Armin Laschet schreibt seinen Mitgliedern: Der vom LKA beantragte Haftbefehl bei der Staatsanwaltschaft Duisburg wird abgelehnt. – Es ging ja um 160 €. Duisburg sagt: Nein, keine U-Haft möglich. – Jetzt sagt er, die weisungsgebundene Staatsanwaltschaft hätte über Jäger und dann über den Justizminister angewiesen werden können, hier U-Haft anzuordnen.
Herr Laschet, in welchem Rechtsstaat, frage ich Sie, möchten Sie leben? Dass aus dem Justizministerium direkt die Staatsanwaltschaften angewiesen werden, die U-Haft anzuordnen,
das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein.
Fakt ist für Sie zusammenfassend: Amri hätte festgesetzt werden können. – Nein, Herr Laschet, das sind keine Fragen, die Sie hier als Chefaufklärer stellen, das sind Vorfestlegungen. Und der Linie folgend war dann auch der Einsetzungsantrag einseitig auf NRW ausgerichtet.
Und es geht weiter: permanente Pressebegleitung der Ausschussarbeit, die nicht Fragen und Widersprüche – die es ja tatsächlich gibt – darstellt, sondern Vorfestlegungen trifft. So trifft Daniel Sieveke, Ihr Obmann im Ausschuss, nach der Vernehmung des Generalbundesanwalts und – jetzt wichtig! – vor der Vernehmung des Gutachters Kretschmer die Aussage, dass nach den Erkenntnissen, die er aus der Befragung des Generalbundesanwalts gewonnen habe, das Gutachten von Professor Kretschmer völlig diskreditiert ist.
Und es geht noch weiter: Als wir dann in der Befragung des Gutachters sind, stellt Herr Sieveke nicht etwa eine Frage, um diesen Widerspruch aufzudecken – nein, er hält sich zurück und gibt stattdessen während der Befragung diese Presseerklärung heraus.
Herr Laschet, ich vermag das nicht mit Ihrem Anspruch übereinzubringen, hier eine unabhängige, objektive Aufklärungsarbeit leisten zu wollen.
Und, Herr Stamp, Sie waren in der Sitzung tatsächlich nicht da, wo wir vier Stunden über diesen Zwischenbericht gesprochen haben, aber eine inhaltliche Zusammenfassung der bisherigen Arbeit des PUA, die gesetzlich auch vorgesehen ist – als Zwischenstand, wohlgemerkt, und noch mit der Feststellung, dass dies nicht das Ende ist; wir können und wir sollten auch einen weiteren Zwischenbericht machen –, hier einfach als – wie sagen Sie? – „rot-grüne Trickserei und Täuschung“ zu bezeichnen, ohne einen konkreten Antrag zu stellen, um
diesen Zwischenbericht zu ergänzen, stattdessen hier mit juristischen Spitzfindigkeiten zu taktieren – mit Verlaub, Herr Laschet, Herr Stamp, das ist nicht nur scheinheilig, das ist Heuchelei in Reinkultur. Wir hatten Sie ja aufgefordert und gefragt: Wo fehlt Ihnen denn etwas? – Wenn Sie etwas vorgelegt hätten, hätten wir das auch angenommen.
Was ich jenseits dieses Krawalls, der Nebelkerzen und dieser Obstruktion, die Sie hier betreiben, am allerschlimmsten finde, ist, dass es tatsächlich – ich bin Obfrau für die Grünen in diesem Ausschuss, und ich kann Ihnen sagen, es gibt sie tatsächlich – eine ernsthafte Aufklärungsarbeit in diesem Ausschuss gibt, an der wir uns alle beteiligen – alle.
Widersprüche gibt es, ja, zum Thema „§ 58a Aufenthaltsgesetz“, zum Thema „Abschiebehaft/U-Haft“; die sind doch alle in dem Zwischenbericht dokumentiert, und die müssen auch weiterbearbeitet werden. Es entwickeln sich sogar schon Ansätze nach vorne. Auch das hat die Untersuchungsausschussarbeit schon gebracht, dass darüber nachgedacht wird: Wie kann man denn diese Sammelverfahren zukünftig besser organisieren? Was ist mit Schwerpunktstaatsanwaltschaften? Wie findet eine neue Kategorisierung und Priorisierung für Gefährder statt?
All das findet ja statt! Und das regt mich am meisten auf, dass Sie diese Arbeit diskreditieren durch Ihren Krawall und Ihre parteitaktischen Manöver, die Sie hier betreiben!
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Ich kann sagen: Wir werden uns weiter an der Sachaufklärung beteiligen, jenseits Ihrer Taktiererei. Dabei bleiben wir. – Danke schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir ging es genauso wie dem Kollegen Bialas. Als ich den Antrag las und noch einmal in die Antwort auf die Kleine Anfrage schauen wollte, habe ich das zuerst gar nicht gefunden. Sie haben sich wohl selber nicht mehr daran erinnert, Herr Rickfelder, welche Drucksachennummer es war. Aber ich habe sie nach gründlicher Recherche dann doch bei uns im System gefunden, habe mir das durchgelesen und dann mit Ihrem Antrag verglichen.
In der Tat, es ist so: Es liegen 27.712 nicht abschließend bearbeitete Anträge zur Spurensicherung vor.
„Bei dem weit überwiegenden Anteil dieser Spuren handelt es sich um DNA-Spuren.“
In Ihrem Antrag steht dahinter ein Punkt. In der Antwort auf die Kleine Anfrage steht dahinter aber ein Komma. Das Komma haben Sie hier wohl geflissentlich übersehen, um es vorsichtig zu sagen. Denn nach dem Komma geht es weiter:
„… bei denen Gründe für eine vorrangige Untersuchung nicht bestehen und Vorprüfungen in den Kreispolizeibehörden zur Spurenqualität bzw. Tatrelevanz nicht in allen Fällen umfassend erfolgt sind.“
Das, sagen wir einmal vorsichtig, ist die halbe Wahrheit; die andere Hälfte hat man einfach weggelassen.
Die andere halbe Wahrheit, die Sie weggelassen haben, betrifft Ihren Vergleich mit 2011. Da sind es gleich zwei Dinge: 2011 ist nicht nur der Anteil der unbearbeiteten Spuren wesentlich höher gewesen – das lassen Sie geflissentlich weg –, sondern auch insgesamt sind sehr viel weniger Anträge eingegangen als jetzt.
Man kann sich die Wahrheit auch so reduziert herunterdeklinieren, dass dann nachher komplett falsche
Schlüsse gezogen werden. Ich sage einmal: Die andere Hälfte gehört auch zu einer redlichen Politik, Herr Rickfelder.
Sie verschweigen in Ihrem Antrag auch, wie es in der Antwort auf die Kleine Anfrage ausgeführt wird, dass man angesichts dieser Lage nicht einfach sagt: „Es ist alles in Ordnung“, sondern dass die Landesregierung reagiert und ein sogenanntes DNA
Priorisierungskonzept eingeführt hat. Auch diese Erläuterungen lassen Sie weg. Hier wurde schon gehandelt. Im Rahmen des Priorisierungskonzepts wird ein Prüfkriterium für die Kreispolizeibehörden entworfen, von denen dann noch einmal geprüft wird, ob die Spuren überhaupt weitergeleitet werden oder nicht.
Ich will gerade den Gedanken weiterführen. – Vielleicht am Ende, Herr Rickfelder.
Meine letzte Anmerkung zu Ihrem Antrag: Sie lassen ebenfalls die Analyse weg. Welchen Erfolg haben eigentlich unsere DNA-Analysen? Das Landeskriminalamt sagt ausweislich eines Artikels in der „WeLT“ vom 11. Januar 2017 – ich zitiere hier aus der Presseberichterstattung –:
„Bei der Untersuchung von DNA-Spuren sind die Kriminaltechniker in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr so erfolgreich gewesen wie noch nie. Mit 6548 Treffern sei ein neuer Rekord seit Einführung der DNA-Analysedatei 1998 erzielt worden, sagte ein Sprecher des Landeskriminalamts (LKA).
Das entsprach einer Steigerung von 37 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der bisherige Rekord war 2013 mit 6020 Treffern erzielt worden.“
Auch kann man nicht einfach sagen: Lassen wir mal die Hälfte weg, dann sieht das alles schon ganz anders aus. – Nicht nur die Zahlen gehören in einen solchen Antrag, sondern auch die Antwort auf die Frage: Warum machen wir das eigentlich, und welche Ergebnisse erzielen wir durch diese Arbeit? Die Ergebnisse lassen sich, wie gesagt, sehen. Die Treffer sind erheblich gesteigert worden, und es sind auch Maßnahmen eingeleitet worden, um den Rückstau und die Antragsflut zu kanalisieren, zu priorisieren. Insofern ist es euphemistisch ausgedrückt unredlich, so zu arbeiten. Aber ich bleibe einmal freundlich dabei. – Sie hatten noch eine Frage.
2011? Ja, kann gut sein; da haben Sie recht. Aber der Rest war eigentlich auch genug, Herr Rickfelder, um den Vorwurf der Unredlichkeit aufrechtzuerhalten.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich empfehle in der Causa Wendt allen Beteiligten doch etwas mehr selbstkritische Reflexion. Die habe ich heute nicht bei allen festgestellt, mahne sie aber an. Denn die Causa Wendt wirft ja ein Licht auf eine jahrelange, unter
Umständen jahrzehntelange Klüngelpraxis zwischen dem Staat auf der einen Seite und den Gewerkschaften auf der anderen Seite, die sowohl die verfassungsrechtlich gebotene Unabhängigkeit der Gewerkschaften in ein schlechtes Licht rückt als auch das Vertrauen in staatliches Handeln schwächt.
Vor dem Hintergrund kann ich es überhaupt nicht nachvollziehen, dass die Bundesleitung der DPolG am 9. März 2017 noch eine Presserklärung herausgegeben hat, in der steht – ich zitiere –:
„Er“
also Rainer Wendt –
„wird deshalb auch weiterhin seine Stimme für die Beschäftigten in der Polizei erheben und deren berechtigte Forderungen formulieren.“
Ich frage die Mitglieder der Deutschen Polizeigewerkschaft: Wollen Sie wirklich von diesem Mann weiter vertreten werden? Wie glaubwürdig ist das noch, von einem Rainer Wendt vertreten zu werden?
Die DPolG muss sich fragen lassen, ob sie mit dieser Praxis, die Herr Wendt jahrelang initiiert hat, ihrem Anspruch, unabhängig arbeiten zu können, wirklich noch gerecht wird.
Alle Beteiligten hier sollten sich vielleicht auch einmal an die eigene Nase fassen. Deswegen finde ich das Instrument eines weisungsfreien Verwaltungsermittlungsverfahrens, das jetzt initiiert wurde, genau richtig. „Weisungsfrei“ heißt, den Sachverhalt ohne jeglichen Anschein irgendeiner politischen Steuerung aufzuklären. Es ist das eine, den Deal zu initiieren. Das andere ist, das Ganze zu dulden. Deswegen gehört die gesamte Zeitleiste auf den Prüfstand, so wie es der Minister formuliert hat: Wer? Wann? Wo? Warum?
Damit komme ich zu dem nächsten Zitat, das mich verwundert hat. Im WDR sagt Herr Wolf am 16. März 2017:
„Zwischen Herrn Wendt, der im Übrigen bis 2012 Hauptpersonalratsmitglied war, und mir hat es keine Absprachen zu einer Freistellung gegeben.“
Nun ja! Die Absprachen zu der Freistellung waren das eine. Das andere ist – das wissen alle, die dem Parlament schon länger angehören –: Herr Wendt hatte in Duisburg große Probleme. Er wurde nach Mönchengladbach versetzt. Einfach so? Wurden da keine Absprachen getroffen? Und da kam auch nicht das Parteibuch zum Tragen? Komischerweise hat Herr Wendt dasselbe Parteibuch wie der damalige Polizeipräsident in Mönchengladbach. Das war ein ganz normaler Versetzungsvorgang. – War es das?
Dann kam die Versetzung – er war ja dann schon komplett freigestellt – auf eine faktische Leerstelle ins LZPD inklusive einer Beförderung. Es geht ja nicht nur um die Freistellungsfrage, sondern es geht auch um Versetzungsvorgänge. Stellen und Beförderungen
mussten organisiert werden. Das alles sind Vorgänge, die über die reine Freistellungsfrage hinausgehen. Und Herr Wendt war ja schon jahrelang nicht mehr da.
Da gab es keine Absprache mit dem damaligen Innenministerium, Herr Lürbke? – Diese Frage gehört doch genauso gestellt, Herr Biesenbach, wie die Fragen, die Sie zu Recht gestellt haben.
War das ein ganz normales Versetzungsverfahren: „Hier haben wir einen verdienten Polizeibeamten aus einer Kreispolizeibehörde, der in eine Landesoberbehörde versetzt wird“, wobei klar ist, dass er dort niemals arbeiten wird und auch schon in der alten Kreispolizeibehörde nicht gearbeitet hat? Wer macht denn solche Deals? Das läuft über die Personalabteilungen von zwei Behörden. Ist das business as usual?
Ich habe an den ganzen Abläufen sehr große Zweifel. Da gibt es viele Fragezeichen, ob es hier nicht auch – wie gesagt, das wird das Verfahren zeigen – politische Absprachen jenseits von Recht und Gesetz gab oder innerhalb eines Rechtsrahmens, die aber politisch gesteuert wurden – wie auch immer.
Das gilt es aufzuklären und nach vorne aus der Causa Wendt zu lernen. Es ist schon gesagt worden, dass eine Praxis Wendt künftig verhindert werden muss. Dafür braucht es klare Absprachen. Pauschale Freistellungen darf es nicht mehr geben.
Gewerkschaftsarbeit ist eine gesellschaftspolitisch wichtige Arbeit. Auch wir stellen uns einer Rechtsgrundlage nicht in den Weg, in der wir hier anlassbezogene Tatbestände definieren, für die es dann auch Freistellungen gibt.
Aus dem, was in der Causa Wendt aus dem Ruder gelaufen ist, gilt es aber, nach vorne zu lernen. Deswegen ist das Thema für mich mit der heutigen Debatte nicht beendet. Was da aus dem Ruder gelaufen ist und welche Verantwortlichkeiten da im Spiel sind, muss aufgeklärt werden. Deswegen ist es richtig, dass hier ein unabhängiges, weisungsfreies Verfahren gewählt wurde. – Schönen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sicher lässt sich auch weiter trefflich darüber streiten, ob dieser Parlamentarische Untersuchungsausschuss zum Fall Amri mit der Einsetzung im Februar von der Zeit her, die wir noch haben, tatsächlich im Sinne einer umfassenden Aufklärung hier zielführend ist. Die Debatte möchte ich hier heute auch im Grundsatz nicht wiederholen. Wir haben die Beschlüsse so gefasst. Aber eines sollte doch allen klar sein, nämlich dass es einen Abschlussbericht, der tatsächlich alle Aspekte würdigen kann, und zwar so würdigen kann, wie es auch der Sache angemessen ist, in dieser kurzen Zeit sehr wahrscheinlich nicht geben kann.
Wir Grüne haben hier eine klare Haltung, und die haben wir in den ersten Ausschüssen noch einmal sehr deutlich gemacht. Unser Ziel ist es, alles dafür zu tun, die verbleibende kurze Zeit intensiv zu nutzen. Wir sind es dem öffentlichen Interesse und auch den Opfern schuldig, dass wir hier diese Zeit möglichst optimal nutzen.
Das heißt:
Erstens. Wir haben für unsere Fraktion alle vom Vorsitzenden festgelegten Termine akzeptiert. Das sind eine ganze Menge Termine.
Zweitens. Wir haben in der ersten Sitzung bereits auch mit den Kollegen der SPD Beweisanträge auf den Tisch gelegt. Wir haben den Anträgen der Opposition zu den Beweisanträgen in allem zugestimmt. Wir sind im Übrigen auch für zusätzliche Terminvorschläge, auch in den Osterferien, weiter offen.
Drittens. Das liegt hier heute auf dem Tisch. Wir möchten auch im Sinne einer umfassenden Aufklärung von der Möglichkeit, die uns das Untersuchungsausschussgesetz bietet – § 54 Abs. 5 – Gebrauch machen, das heißt einen Zwischenbericht noch in dieser Legislaturperiode vorzulegen, mit dem sich dann das Plenum beschäftigen kann. Die Voraussetzungen dafür sind erfüllt, es gibt ein allgemeines öffentliches Interesse oder – so heißt es ja im Gesetz – wenn der Schlussbericht vor Ablauf der Wahlperiode nicht erstellt werden kann. Das heißt, es macht Sinn, einen solchen Zwischenbericht hier vorzulegen.
Viertens. Wenn es darüber hinaus noch bis zur Wahl den Bedarf für weitere Berichte gibt, sind wir natürlich auch dafür offen.
Ich denke, dass wir das auch können. Wir haben bis zum 31. März jetzt sechs Sitzungstage, die wir gut füllen können mit den Zeugen und den Zeuginnen, um dann die Grundlage für einen Zwischenbericht zu schaffen.
Das ist unsere Haltung dazu. Das heißt, lassen Sie uns hier die gemeinsame Arbeit ernst nehmen, die wir hier machen, und noch in der letzten Sitzung dieser Legislaturperiode diesem Landtag, der diesen PUA auch eingesetzt hat, noch einen Zwischenbericht vorlegen, welche Erkenntnisse wir bis zu diesem Zeitpunkt gewinnen konnten. – Herzlichen Dank
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Herr Golland, es ist richtig, dass Sie heute einmal mehr die Gefahrenlage im Essener Einkaufszentrum instrumentalisieren, um zum wiederholten Male Ihre Schublade mit den ewig
bestehenden Vorschlägen zu leeren. Diese Vorschläge haben erstens überhaupt gar nichts mit diesem Anlass zu tun und stellen zweitens aus unserer Sicht sicherheitspolitische Symbolpolitik dar.
Lieber Herr Golland, eine seriöse, wirksame Sicherheitspolitik ist mehr, als nur fünf Stichworte in der Schublade zu haben, die alle vier Wochen wieder in der Vorlage auftauchen und die man dann in Form von ein paar Bulletpoints in solch einen Antrag schreibt.
Seriöse Sicherheitspolitik ist schon ein bisschen mehr. Ich werde Ihnen noch einmal anhand Ihrer Vorschläge erläutern, dass das wirklich nicht tauglich ist.
Erstens: Telefonüberwachung im Bereich der Gefahrenabwehr. Das Verfassungsrecht setzt hier einen sehr engen Rahmen. Dazu gibt es – das wissen Sie auch; vielleicht wissen Sie es auch nicht – eine sehr enge Rechtsprechung. Sie ist so eng, dass wir uns bei einer präventiven TKÜ eigentlich auch schon im Bereich der Strafprozessordnung befinden und daher letztlich dieser Bereich so eng ist, dass es kaum Anwendungsfälle dafür gibt. Ich mache es kurz, denn in der Redezeit ist das nicht ausführlich darzustellen.
Zweitens: Videoüberwachung stärken. Sie reden von Videobeobachtung, aber zu Fahndungs- und Ermittlungszwecken. Das hat nun mit Gefahrenabwehr im Polizeirecht überhaupt nichts zu tun. Wir haben mit § 15 a eine Regelung über einen sinnvollen Einsatz von Videobeobachtung zur konkreten Gefahrenabwehr und nicht zur Strafverfolgung. Dies liegt in der Zuständigkeit des Bundes. Es besteht damit eine abschließende, gute Regelung, die auch funktioniert.
Drittens: Schleierfahndung. Lieber Thommy Stotko, leider hatte ich mir auch das Zitat „Und täglich grüßt das Murmeltier“ aufgeschrieben. Was anderes kann einem dazu aber auch nicht einfallen, denn es kommt zum wiederholten Male. Wir haben im Ausschuss dazu eine Anhörung durchgeführt, in der ganz klar herausgestellt wurde, dass mit unserer Struktur „MOTIV – Mobile Täter im Visier“ – das kennen Sie auch – für anlassbezogene Schwerpunktkontrollen eine Rechtsgrundlage besteht. Das LKA koordiniert das.
Was Sie über diese anlassbezogenen Schwerpunktkontrollen hinaus mit „Schleierfahndung“ eigentlich meinen und wo konkret der Bedarf ist, haben Sie auch heute wieder nicht ausgeführt. Das können Sie auch gar nicht ausführen; denn für den wirkungsvollen und zielgerichteten Ressourceneinsatz haben wir bereits eine Rechtsgrundlage.
Die Stärkung des Verfassungsschutzes und die Aufnahme des Lauschangriffs in das Verfassungsschutzgesetz – das auch schon ein uralter Hut. Warum ist das denn 2013 aus dem Gesetz gestrichen worden? – Weil es keine Anwendungsfälle gibt. Warum aber sollen wir etwas in das Gesetz aufnehmen, wofür es schlicht keine Anwendungsfälle gibt?
Warum gibt es denn keine Anwendungsfälle? – Zum Thema „Lauschangriff“ gibt es eine Verfassungsrechtsprechung, die zu Recht sehr hohe Hürden für eine akustische Wohnraumüberwachung schafft. Diese Hürden sind aber so hoch, dass wir, was die bevorstehende Gefahr angeht, dann eigentlich schon im Bereich der polizeilichen Gefahrenabwehr bzw. bei der Strafverfolgung sind. Gerade im Terrorismusbereich kennen wir die vorbereitenden Maßnahmen von terroristischen Aktivitäten sehr weit im Vorfeld. Da ist man dann ganz schnell im Bereich des Polizeirechts bzw. der Strafverfolgung.
Auch das sind Blasen – Vorschläge, die völlig ins Leere laufen. Sie sollten endlich damit aufhören, solche verstaubten Anträge zu stellen und reine Symbolpolitik zu betreiben. Herr Golland, ich sage es noch einmal, auch wenn wir am Ende der Legislaturperiode sind: Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Ich kann zwar nicht sagen: „Kehren Sie zu einer seriösen Sicherheitspolitik zurück“,
denn da waren Sie ja noch nie, aber ich kann ja hoffen, dass Sie irgendwann vielleicht mal hinfinden.
Das würde der Debatte hier echt guttun.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Menschen in Deutschland fragen sich zu Recht, wie es zu dem schrecklichen Attentat am 19. Dezember in Berlin
kommen konnte, war der Attentäter seit Langem doch im Fokus der Sicherheitsbehörden, hatte Kontakt zur salafistischen Szene, wurde wegen mehrerer Straftaten gegen ihn ermittelt bzw. wurde es versucht, gegen ihn zu ermitteln, ohne Erfolg.
Nach sieben Sitzungen des GTAZ, des Gemeinsamen Terrorabwehrzentrums, in Berlin, bei dem Anis Amri Thema war, bilanziert man gemeinsam. Es ist wichtig, festzustellen, wer das war. – Das war das Landeskriminalamt und das Landesamt für Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen, das Bundeskriminalamt, der Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, der Generalbundesanwalt, die Bundespolizei, das Landeskriminalamt und der Landesverfassungsschutz des Landes Berlin. Gemeinsam bilanziert man – und nicht nur, Herr Laschet, der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, sondern gemeinsam – auf Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse: kein konkreter Gefährdungssachverhalt erkennbar. Eine fatale Fehleinschätzung, genau sechs Wochen vor dem Attentat.
Nicht nur die Opposition hat hier Fragen. Selbstverständlich haben wir die auch. Die liegen auf der Hand.
Erstens. Was war denn der Grund für die falsche Einschätzung der Gefährlichkeit? Konnte man das auch mit damaligem Wissen schon anders einschätzen, oder sagt man das nur aus heutiger Sicht?
Zweitens. Warum konnte man ihn nicht inhaftieren oder/und ununterbrochen überwachen und beobachten? Lag es vielleicht schlicht am fehlenden Personal? Gab es hier Fehleinschätzungen? Fehlten Rechtsgrundlagen? Wer hat die Entscheidung getroffen?
Drittens – auch da verlassen die Fragen das Land NRW –: Wurde hier eng genug zusammengearbeitet? Gab es Zuständigkeitslücken? Hier geht es vor allen Dingen um die Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei –
aber nicht nur auf Länderebene, Herr Laschet, sondern auch mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz.
Welche Rolle hat das gespielt? Wie arbeitete man mit den Landesverfassungsschutzämtern von Berlin und NRW zusammen?
Selbstverständlich haben wir – auch wir als regierungstragende Fraktionen – alle diese Fragen zum Thema von drei Innenausschusssitzungen gemacht, von denen im Übrigen keine weniger als vier Stunden dauerte. Wir stehen auch weiter für Aufklärung.
Herr Kollege Stamp, deswegen finde ich es eine infame Unterstellung, angesichts dieser Sitzungen aus dem, was wir dort betrieben haben, schlicht eine Verweigerungsfront für Aufklärung zu machen.
Das ist eine Skandalisierungs-Rhetorik. Mit einer solchen Skandalisierungs-Rhetorik ist die FDP auch im postfaktischen Zeitalter angekommen.
Ja; denn es ist schlicht falsch. Ich frage Sie: In welcher Veranstaltung haben Sie hier gesessen? Wo wurden denn da Antworten verweigert?
Was gerade auch nicht zur objektiven Aufklärung aller vorgelegten Fragen, die auch wir haben, beiträgt, ist die Einsetzung eines PUAs in der Form, wie Sie ihn sich vorstellen, Herr Laschet, Herr Stamp und Frau Brand.
Das ist doch Wahlkampfstrategie. Es ist auch durchschaubar, dass es Wahlkampfstrategie ist. Sie wollen die Regierung attackieren. Geschenkt! Das ist auch genau Ihr Job. Das sollen Sie auch tun. Aber mit diesem Instrument des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses – und das wird hier offensichtlich – betreiben Sie Missbrauch. Denn mit diesem Instrument werden Sie zwar versuchen, die Regierung zu treffen. Vielleicht schaffen Sie das auch. Aber Sie werden hier nichts Wirkliches zur Aufklärung beitragen können.
Ich sage Ihnen auch, warum. Warum haben Sie denn den Sonderermittler abgelehnt, den die Ministerpräsidentin Ihnen angeboten hat? Relativ kurz nach dem Anschlag gab es eine Einladung der Ministerpräsidentin, einen Sonderermittler einzusetzen. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, die Fragen mit zu definieren. Ich gehe einmal davon aus, dass die Ministerpräsidentin für personelle Vorschläge offen gewesen wäre.
Man hätte sich auch darüber verständigen können, welche Fragen man dort stellt. Sie sind ja noch nicht einmal hingegangen und haben hier versucht, sich an einer Aufklärung in dieser Form zu beteiligen.
So viel übrigens zum Thema „Verweigerungsfront“, Herr Stamp!
Auch hier straft das Handeln der Regierung Ihre These Lügen.
Zweitens. Sie formulieren in Ihrem Antrag – das haben wir ja mit unseren Ergänzungen dann auch deutlich gemacht – ausschließlich einen NRW-Bezug.
Es ist uns ja noch nicht einmal gelungen, auf Seite 2 bei der Sachverhaltsdarstellung – nicht beim Untersuchungsauftrag, sondern bei Sachverhaltsdarstellung – eine Ergänzung zu erreichen. Dort steht lapidar:
„In diesem Zusammenhang ist Nordrhein-Westfalen in das Zentrum der bundesweiten Debatte … gerückt.“
Wir haben vorgeschlagen, zu schreiben:
„In diesem Zusammenhang ist Nordrhein-Westfalen neben Berlin in das Zentrum der bundesweiten Debatte … gerückt.“
Nein, Berlin durfte da nicht stehen. Herr Laschet, es ist doch durchschaubar, dass es Ihnen, wenn Sie solche Ergänzungsvorschläge ablehnen, nicht um das Gesamtbild geht, sondern nur darum, den Fokus auf NRW zu legen. Und das ist einfach nicht sachgerecht.
Im Übrigen wird in Berlin – das ist ja klar – nicht über einen PUA geredet. Das hier ist doch Aufklärung nach Parteibuch. Ich halte das auch für sehr durchschaubar.
Drittens. Sie arbeiten im Antrag permanent mit Vorfestlegungen. So schreiben Sie hier zum Beispiel:
„Bei einer Zusammenführung der Ermittlungsverfahren zu einem Sammelverfahren wäre es auf dieser Entscheidungsgrundlage unter Umständen möglich gewesen, …“
„Seit Bekanntwerden der Täterschaft Amris wurden in der Öffentlichkeit mehrere Möglichkeiten erörtert, …“
Das sind Spekulationen. Das sind Vorfestlegungen. Das sind Standpunkte, Empfindungen, Meinungen, die man aber wohlsortiert, nämlich nur in einem ganz engen Ausschnitt, wiederum nur da, wo NRW und der Minister betroffen sind, hier mal so in den Raum stellt.
In einem seriösen Einsetzungsbeschluss hat so etwas nichts zu suchen. Dort formuliert man konkrete Fragen, die sich aus dem Sachverhalt ergeben.
Am Schluss des Antrags entlarven Sie sich selbst. Sie stellen dar, dass Sie selber nicht mehr daran glauben, dass in nicht einmal 100 Tagen so ein PUA hier tatsächlich eine seriöse Aufklärung liefern wird. Das sagen Sie ja selber.
Herr Laschet, waren Sie eigentlich schon einmal in einem Parlamentarischen Untersuchungsaus
schuss? Das, was Sie hier gerade skizziert haben, wie man das alles in 90 Tagen ratzfatz erledigt kriegt, halte ich für nicht seriös. Selbst wenn wir am Freitag – wofür selbstverständlich auch wir zur Verfügung stehen – hier Beweisbeschlüsse fassen, müssen Akten angefordert, gelesen und ausgewertet werden, auf dieser Grundlage Zeugen geladen und vernommen werden und deren Aussagen dann ausgewertet werden. Dies ist schlicht nicht möglich, wenn man den Gesamtzusammenhang hier wirklich seriös aufarbeiten will.
Wir haben dazu Änderungsvorschläge gemacht. Sie haben sie schlicht abgelehnt.
Sie haben sich noch nicht einmal Mühe gegeben, den Anschein zu erwecken, es ginge Ihnen hier um objektive Aufklärung und um die Sache.
Wir wollen alles dafür tun, dass, wenn es Fehler gegeben hat, diese benannt werden und vor allem die richtigen Schlüsse daraus gezogen werden. Das ist eine Arbeit, die nicht auf den Wahltermin hin ausgerichtet sein kann, sondern darüber hinausgehen muss.
Dabei hilft nicht das – das sage ich der Opposition auch ganz klar –, was heute und übrigens auch im Innenausschuss in jeder Sitzung passiert, nämlich Ignoranz von Fakten, Überbietungswettbewerb bei Vorwürfen und Vorfestlegungen.
Hier wurde ja sogar einmal der Vorwurf, mit Amri hätte man Russisch Roulette gespielt, in den Raum gestellt. Herr Stamp, das war im Übrigen eine Ihrer schlimmsten Äußerungen, die durch nichts belegbar oder sogar widerlegbar sind.
Es erfolgen Diffamierungen von leitenden Beamten aus den Ministerien – bis hin zu den Verschwörungstheorien. Heute gipfelte es in der Unterstellung, dass sie in den Ministerien jetzt alle die Schredder anwerfen. Man geht einfach einmal davon aus, dass da die Schredder schon angeworfen worden sind.
Ich halte diese diffamierenden Unterstellungen und diese Verschwörungstheorien am Ende für einen Schlag ins Gesicht der Opfer dieses Anschlags.
Denn alles das trägt nicht zu einer seriösen Aufarbeitung – unabhängig, objektiv, nicht nach Parteibuch
und nicht abhängig von einem Wahltermin – bei. Wir werden uns weiter daran beteiligen bzw. dafür sorgen, dass es nicht in dieser Form passiert. – Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde bei der Großen Anfrage gern mit einer Zusatzfrage beginnen. Herr Minister, vielleicht können Sie die Zusatzfrage aufnehmen und hier heute auch beantworten.
Die Zusatzfrage von mir lautet: Wie viele Personalstunden waren für die Beantwortung dieser Großen Anfrage notwendig?
Denn, Herr Kruse, man sollte im Sinne einer effizienten Polizei diese Personalstunden ins Verhältnis setzen zum Erkenntnisgewinn und zum Mehrwert, den die Antwort mit dieser Datensammlung für unsere parlamentarische Arbeit, für die Arbeit der Legislative bietet.
Die Ziele sind richtig. Die berechtigten Fragen, die Sie stellen, sind aber Steuerungsfragen: Welche Instrumente oder welche Veränderung brauchen wir bei der Steuerung des Ressourceneinsatzes in der Polizei? Müssen wir vielleicht etwas verändern? Im Bereich der Aufgabenkritik: Kann man Aufgaben verlagern oder wegfallen lassen? Steuerungsfragen sind zwar berechtigte Fragen. Ich habe aber erhebliche Zweifel, ob wir mit dieser Datensammlung bei diesen relevanten Fragen, die Sie stellen, für die Polizei tatsächlich weiterkommen.
Ich habe ja noch gar nicht angefangen.
Ja, bitte.
Nein, es ist eine berechtigte Frage, die ich gerade gestellt habe. Sie bezieht sich auf die Verhältnismäßigkeit, nicht auf die grundsätzliche Berechtigung. Es ist ein hohes Gut, dass Parlamentarier Fragen stellen dürfen. Wir kontrollieren auch die Regierung. Wir haben eine Aufgabe, und da muss man auch Fragen stellen können, selbstverständlich.
Ich habe nicht das Fragestellungsrecht hier infrage gestellt, sondern ich habe die Frage nach der Verhältnismäßigkeit des Erkenntnisgewinns zum Aufwand gestellt. Und diese Frage wird man hier stellen dürfen. Insofern stelle ich eine Zusatzfrage, die vielleicht beantwortet werden kann.
Es waren immerhin, Herr Haardt, das Innenministerium, das LZPD, das LAFB, das LKA und 47 Kreispolizeibehörden mit einem nicht unerheblichen Aufwand an der Beantwortung dieser Fragen beteiligt. Das darf man, aber dann darf man nachher das Ergebnis hier auch als unverhältnismäßig bewerten. Die Freiheit habe ich dann auch. – Jetzt die nächste Frage.
Zum Thema Aufgabenkritik, Herr Kruse, wäre ich am Ende meiner Rede noch gekommen. Ich habe hier erst einmal infrage gestellt, ob wir bei diesen relevanten Fragen der Aufgabenkritik und der Steuerung tatsächlich mit dieser Großen Anfrage weiterkommen. Das glaube ich eben nicht. Ich möchte Ihnen in meiner Rede begründen, warum ich das nicht glaube.
Herr Kollege Marquardt hat gerade ein paar Fragen vorgelesen. Welche Instrumente stehen den Behörden denn zur Verfügung, um diese Fragen beantworten zu können? Da haben wir als Instrumente das Vorgangsbearbeitungssystem IGVP, das Einsatzbearbeitungssystem eCEBIUS und das Führungsinformationssystem FISPOL. Diese schönen Abkürzungen sind ja bei der Polizei sehr angesagt. Meine Redezeit würde nicht reichen, wenn ich diese Abkürzungen jetzt alle ausführen würde.
Also, wir haben hier bestimmte Steuerungselemente. Aber zu Recht, Herr Kruse, weist hier das Ministerium nicht nur in der Beantwortung der Großen Anfrage, sondern auch schon bei den Kleinen Anfragen, die vorgeschaltet waren, darauf hin, dass es nicht böse Absicht ist, aber das IGVP eben nicht tauglich ist für eine Erfassung auch qualitativer Belastungskriterien, sondern eben eine rein quantitative Erfassung
von Vorgängen vornimmt. Wenn wir noch einmal zurück zur Ausgangsfrage gehen, die ich – wie gesagt – total berechtigt finde, bekommen wir mit solchen Datenerfassungssystemen eben keine Antwort auf diese Frage, weil es hier eher in Richtung Quantität als in Richtung Qualität geht.
Nehmen wir jetzt einmal die Erkenntnis aus dem Einsatzbearbeitungssystem und dem Führungsinformationssystem. Ja, da kann man jetzt eine einsatzorientierte Auswertung vornehmen und feststellen, wie groß die Einsatzbelastung pro Stelle ist. Selbst wenn wir die qualitativen Belastungsfaktoren nicht dazunehmen, gibt es tatsächlich eine Erkenntnis hier. Ich stimme Ihnen zu, eine Erkenntnis haben wir,
und zwar, dass die Arbeitsbelastung steigt. Aber dafür brauchen wir wirklich nicht diese Große Anfrage. Wir wissen selbstverständlich auch so, dass wir in bestimmten Bereichen eine steigende Arbeitsbelastung auch für die Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten haben. Ich glaube, für diese These braucht man diese 41 Fragen nicht.
Aber die Frage ist: Was machen wir jetzt damit? Da komme ich zum Thema Aufgabenkritik, Herr Kruse. Sie kennen selbst all die Vorschläge der Kommission im Bereich Aufgabenkritik. Diese Vorschläge sind wir auch alle einmal durchgegangen.
Jetzt kommen Sie und sagen: Wenn wir bei der Polizei unter Umständen Aufgaben wegnehmen, belasten wir auf der anderen Seite die Justiz.
Oder nehmen wir einmal – das ist jetzt sehr vermintes Gelände – den Sporterlass. Brauchen wir Freistellungen für Sport? Ich stelle diese unanständige Frage einfach mal, weiß aber sofort, dass niemand hier im Raum, wahrscheinlich bei Ihnen auch nicht, sagt: Das nehmen wir einmal der Polizei weg, um hier Ressourcen zu schaffen und vielleicht ein paar Personalstunden mehr freischaufeln zu können.
Also, eine Aufgabenkritik brauchen wir auch hier, aber nicht eine Diskussion über diese Datensammlung, sondern die Dinge liegen auf dem Tisch. Das hat uns der Kommissionsbericht auf den Tisch gelegt.
Lassen Sie uns darüber einmal offen und ehrlich diskutieren und schauen, ob wir zu einer Einigung kommen. Wir sind bei der Großen Anfrage und bei der Bewertung. Hier kommen wir an der Stelle überhaupt nicht weiter.
Eines vermisse ich nach wie vor. Wenn wir zu der Erkenntnis kommen, dass Belastungskriterien hier tatsächlich so sind, dass sie die Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten mehr belasten, dann ver
stehe ich, Herr Kruse, Ihre Weigerungshaltung überhaupt nicht, sich auch einmal dem Thema Strukturreformen zu stellen.
Denn eines ist sicher, und das ist meine persönliche Überzeugung: Das geht einerseits nur mit Mehreinstellungen, die wir wirklich gemacht haben, 2.000 Neueinstellungen jedes Jahr. Der Personalkörper steigt sukzessive. Nachdem Sie den Personalkörper abgebaut haben, haben wir ihn wieder aufgebaut.
Aber weil es eben auch eine Arbeitsbelastung im qualitativen Bereich gibt, die hiermit nicht erfasst ist, meine ich, dass wir uns andererseits auch den Fragen der Strukturreform widmen müssen. Aber das blenden Sie komplett aus. Spannend wäre, wenn Sie hieraus auch die richtigen Schlüsse ziehen würden. Das sehe ich jedoch nicht. – Danke schön.
Danke schön, Herr Lürbke, für die Möglichkeit der Zwischenfrage. – Sie haben gerade so lapidar mit einem Halbsatz gesagt, dass im ländlichen Raum der Rotstift angesetzt wird. Das suggeriert ja, dass im Innenministerium einer sitzt, der da irgendwelche Stellen streicht. Ihnen ist schon klar, dass die Stellenverteilung nach der BKV, der Belastungsbezogenen Kräfteverteilung, erfolgt. Meine Frage ist: Können Sie mir jetzt erläutern, wo genau sich im System der BKV der Rotstift verbirgt und nach welchen Kriterien er eingesetzt wird? Dann wären wir, was Ihre Aussage angeht, vielleicht schlauer.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zum Thema der Aktuellen Stunde komme, möchte ich die
Gelegenheit nutzen – da es auch mehrfach angesprochen wurde –, einige Sätze zu meinem gestrigen Rücktritt als flüchtlingspolitischer Sprecherin meiner Fraktion zu sagen.
Ehrlich gesagt überrascht mich dieses große Echo; denn am Ende war es eine ganz persönliche Entscheidung. Herr Stamp, klar sei es Ihnen zugestanden, dass Sie daraus ein bisschen politischen Profit schlagen wollen.
Seit 16 Jahren gehöre ich jetzt dem Landtag an, und davor war ich zehn Jahre lang kommunalpolitisch aktiv. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das sind solche Momente, in denen sich auch nach ganz vielen Jahren Berufspolitikertum das Gewissen meldet und sagt: Stopp! Hier ist eine rote Linie überschritten, wo du persönlich nicht mehr mitgehen kannst. – Nicht mehr und nicht weniger war das.
Warum habe ich das gemacht? Die bisherige Praxis in Nordrhein-Westfalen haben wir Grünen immer mitgetragen. Diese sah für Afghanistan keinen generellen Abschiebestopp vor, und deswegen hätten wir Ihren Antrag auch sehr wahrscheinlich abgelehnt, Kollegen von den Piraten. Stattdessen wurde in Einzelfällen – etwa bei schweren Gefährdern oder Straftätern mit terroristischem Hintergrund, die wirklich eine Gefährdung für Land und Leute darstellen – geschaut, dass es möglich sein muss, diese abzuschieben, aber eben nach individueller Einzelfallprüfung. Das waren auch sehr, sehr wenige Fälle. Wir hatten in diesem Jahr 2016 drei und im letzten Jahr gar keinen.
Von dieser Praxis wurde aus meiner Sicht mit dem Sammelcharter abgewichen. Worum ging es da gestern? – Ich glaube, es ging dem Bundesinnenminister darum, ein Exempel zu statuieren, ohne Rücksicht – und das ist der Vorwurf, den ich ihm mache – auf die Menschen, die er in eine ungewisse Zukunft führt. Nach wie vor ist die Menschenrechtslage in Afghanistan nicht so, dass ich es für verantwortbar behalte, dorthin Sammelabschiebungen vorzunehmen.
Das war der Grund dafür, dass ich gesagt habe: Hier ist meine persönliche rote Linie, und ich möchte nicht, dass Nordrhein-Westfalen sich an dieser Politik beteiligt. Das ist meine Bewertung, bei der ich auch bleibe, und ich hielt es damit für unvereinbar, weiterhin als flüchtlingspolitische Sprecherin meiner Fraktion diese Politik mitzutragen.
Jetzt komme ich zum Thema. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Stamp hat es eben auch aus seinen eigenen Erinnerungen angeführt, und ich kann das ergänzen: 1999 stand ich selber am Wahlkampf
stand in Düsseldorf. Wir hatten Kommunalwahlkampf, und neben uns war der CDU-Stand. Es war genauso, wie Sie es gerade geschildert haben:
Die Kampagne von Roland Koch lief, und alle gingen zum CDU-Stand und sagten: Wo kann ich hier gegen Ausländer unterschreiben? Wo kann ich hier gegen Türken unterschreiben? – Und die Wahlkämpfer am Stand der CDU sagten nicht: Moment mal, liebe Bürgerinnen und Bürger. Darum geht es nicht. Wir haben eine andere Auffassung zum Doppelpass, und die möchte ich Ihnen gerne erläutern. – Nein! Die Wahlkämpfer von der CDU hielten diesen Leuten die Unterschriftenliste unter die Nase und sagten: Hier können Sie sofort unterschreiben! – Das war die Lage im Jahr 1999. Daraufhin kam es zu diesem Kompromiss mit der Optionspflicht, wie dargestellt.
Dann hatten wir 2005 einen Integrationsminister Laschet. Ich habe mir noch mal seine Zitate rausgesucht. Er hat vor zehn Jahren in einem Interview mit der „taz“ gesagt:
„Viele Kulturen heißt auf Lateinisch: multikulti. Hier leben über drei Millionen Muslime, die bleiben auch auf Dauer hier.“
Auf die Frage: „Unionspolitiker sagen trotzdem immer noch, Deutschland sei kein Einwanderungsland“, antwortet Armin Laschet 2006:
„Diese These war schon immer falsch. Das war eine Lebenslüge. Wenn in ein Land mehrere hunderttausend Menschen jedes Jahr ziehen, ist das natürlich ein Einwanderungsland. Ich glaube, diese Erkenntnis setzt sich auch in der Union durch.“
Das sagte Armin Laschet vor zehn Jahren. Ich glaube, da hat er sich hinsichtlich seiner eigenen Partei gründlich geirrt.
Inzwischen wird – ich habe die Zahlen noch mal nachgeguckt – mehr als die Hälfte der Einbürgerungen unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit durchgeführt. Der Doppelpass ist also nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Was sind das für Länder? – Iran, Syrien, Afghanistan, Algerien, Marokko und Tunesien. Das sind alles Länder, in denen die Aufgabe der bisherigen Staatsbürgerschaft laut Gesetz nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Dann wird ein Doppelpass ausgestellt.
Also sind wir doch mal ganz ehrlich, worüber wir heute reden: Wir reden darüber, dass man den türkischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern diesen Doppelpass nicht geben will. Nur darum geht es. Auch da unterliegt die CDU einer erneuten Lebenslüge. Auch mich haben die Demonstrationen von hier geborenen türkischstämmigen Menschen, die für die
Erdoğan-Politik auf die Straße gehen, ziemlich fassungslos und besorgt gemacht. Bei diesen Demonstrationen merken wir, dass wir es nicht verstehen, warum diese Menschen für eine Politik, die mit unseren Grundwerte nichts zu tun hat, auf die Straße gehen. Wir fragen uns: Was ist da schief gelaufen?
Herr Kuper, selbstverständlich müssen wir uns alle diese Frage stellen. Aber die Antwort darauf kann doch nicht sein, dass wir jetzt wieder die Optionspflicht machen. Das hat mit der Doppelpassdebatte nichts zu tun – im Gegenteil.
Ich glaube im Gegenteil, dass wir die Probleme, die wir hier in der Community haben, nicht mit dieser Antwort lösen können. Das ist eine erneute Lebenslüge, und nach 20 Jahren machen Sie dieselben Fehler noch mal! Das finde ich traurig und schade; denn ich glaube, wir waren auch mit der CDU in diesem Landtag mal weiter. – Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fangen wir wieder einmal mit der Lebenslüge an, die ja heute auch schon bei der Debatte über die Einwanderung Thema war. Ja, die CDU hat durch Armin Laschet propagiert, dass sie damit aufhören will. Ich werbe in Richtung CDU noch einmal ausdrücklich dafür, dass wir auch beim Thema „Einwanderungsgesetz“ da etwas weiterkommen; denn es ist dringend notwendig, dass wir hier mit ein paar Lebenslügen aufräumen.