Protokoll der Sitzung vom 15.12.2016

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu unserer heutigen, 132. Sitzung des Landtags NordrheinWestfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich acht Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Vor Eintritt in die Tagesordnung will ich darüber informieren, dass es zwei Anträge der Piratenfraktion zur Änderung der heutigen Tagesordnung gibt:

Zum einen hat die Fraktion der Piraten heute beantragt, ihren Antrag Drucksache 16/13681 „Abschiebestopp sofort: Afghanistan ist nicht sicher!“, den wir eigentlich einvernehmlich in das Januarplenum geschoben hatten, als zusätzlichen Tagesordnungspunkt in die Tagesordnung aufzunehmen.

Wir würden gleich nach einer entsprechenden Geschäftsordnungsdebatte, wenn sie gewünscht und eröffnet wird, darüber abstimmen, ob wir die Tagesordnung ändern. Sie alle wissen, dass hierzu laut § 20 unserer Geschäftsordnung die Entscheidung des Parlaments notwendig ist.

Des Weiteren hat die Fraktion der Piraten soeben beantragt, einen weiteren Punkt in Form einer Aktuellen Stunde in die Tagesordnung aufzunehmen. Wir kopieren gerade den Antrag. Deshalb kann ich Ihnen den genauen Titel der Aktuellen Stunde gar nicht nennen. Aber er beschäftigt sich mit demselben Sachverhalt wie der Antrag. Es wird auch nicht das Ersetzen der Aktuellen Stunde beantragt, sondern das Aufsetzen einer weiteren Aktuellen Stunde.

Auch für die Aktuellen Stunden kennen Sie die Modalitäten und unsere Regularien. Auf jeden Fall ist die Frist zur Beantragung weit überschritten. Maßgeblich ist § 95 unserer Geschäftsordnung. Da es sich ebenfalls um eine Änderung der heutigen Tagesordnung handeln würde, wird auch in diesem Fall das Parlament entscheiden, ob es die Tagesordnung ändern möchte.

Da der Antrag, den Antrag Drucksache 16/13681 aufzusetzen, zuerst eingegangen ist, werde ich die Geschäftsordnungsdebatte, wenn gewünscht, zuerst über diesen Punkt eröffnen. – Herr Kollege Olejak für die Piraten.

Vielen Dank für Ihre einleitenden Worte vorweg. – Einen wunderschönen guten Morgen! Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Vorweg

noch eines, es handelt sich um zwei inhaltlich verschiedene Themen. Das eine ist sozusagen eine Flüchtlingsdebatte; das andere ist eine parlamentarische Debatte zum Bereich „Politik von Parteien untereinander“, wie ich es mal nennen möchte.

In der Vorbereitungsphase dieser Plenarwoche in der vergangenen Woche – es wurde gerade schon kurz erläutert: alle Fristen sind weit überzogen – wurden versehentlich zwei Tagesordnungspunkte im Konsens miteinander verbunden, die inhaltlich in verschiedenen Fachbereichen und Ausschüssen angesiedelt sind. Es handelt sich dabei um das Zehnte Gesetz zur Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes und unseren Antrag „Abschiebestopp sofort: Afghanistan ist nicht sicher!“. Trotz aller Bemühungen ließ sich diese Verbindung nicht so einfach lösen, um diesen Tagesordnungspunkt noch gestern, am 14. Dezember 2016, hier zu behandeln. Es gab daher den Konsens, den Antrag in das kommende Plenum im Januar zu verschieben. So weit, so gut.

Wir beantragen nunmehr aus aktuellem Anlass – Presse gestern – die Änderung der Tagesordnung nach besagtem § 20 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Landtags NRW und die heutige Behandlung des Antrags „Abschiebestopp sofort: Afghanistan ist nicht sicher!“ – Drucksache 16/13681 – ergänzend zur Tagesordnung des Plenums mit folgender Begründung: In diesen Stunden verlassen die ersten Flugzeuge mit einer unbekannten Anzahl von Menschen, die abgeschoben werden, deutschen Boden in Richtung Afghanistan. Wir haben daher nicht mehr die Zeit, bis zu einer Behandlung des Antrags im Januar zu warten. Zudem wissen wir von Teilen anderer Fraktionen hier im Haus, dass auch sie die Abschiebung nach Afghanistan auf das Schärfste kritisieren. Wir erachten diese Debatte von daher als nötig und angebracht.

Ich bitte offen und ehrlich und über alle Fraktionen hinweg um Ihre Zustimmung. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Olejak. – Für die SPD-Fraktion hat sich Herr Kollege Herter gemeldet.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt viele gute Gründe, über die hier aufgeworfenen Fragestellungen zu diskutieren. Diejenigen, die Herr Olejak genannt hat, gehören aber nicht dazu. Sie gehören insbesondere deshalb nicht dazu, weil nicht irgendwer die verbundene Debatte beantragt hat, sondern die Piraten die verbundene Debatte beantragt haben, nicht irgendwer die Verschiebung ins Januarplenum beantragt hat, sondern die Piraten die Verschiebung ins Januarplenum beantragt haben.

Wenn Sie jetzt das dritte Mal die entsprechenden Vereinbarungen …

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Aus aktuellen Gründen! Ja, gestern Abend!)

Ja, ja. – … ändern wollen, dann ist die Generosität meiner Fraktion, ehrlich gesagt, erschöpft. Lassen Sie uns die Sache in aller Ruhe im Januar diskutieren. Ich denke, wir haben dann alle genug Erkenntnisse, um das in aller Verantwortung zu tun. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Herter. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Beer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich spreche mich gegen den Geschäftsordnungsantrag aus. Ich plädiere dafür, wie geplant im Januar miteinander zu sprechen, damit die Fakten und Erkenntnisse zusammengetragen werden können und wir dann auf dieser Ebene diskutieren.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Und Tatsachen geschaffen sind!)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Weitere Wortmeldungen in dieser Geschäftsordnungsdebatte liegen nicht vor. § 20 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Landtages NRW lautet:

„Der Landtag kann vor Eintritt in die Tagesordnung beschließen, diese zu ergänzen, die Reihenfolge zu ändern oder einzelne Tagesordnungspunkte abzusetzen. Ferner kann er beschließen, die Beratung gleichartiger oder verwandter Gegenstände zu verbinden.“

Ich lasse deshalb gemäß § 20 Abs. 2 darüber abstimmen, ob der Antrag der Piraten „Abschiebestopp sofort: Afghanistan ist nicht sicher!“ in die heutige Tagesordnung aufgenommen werden soll. Wer diesem Begehren seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Piratenfraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die CDU, die FDP, der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. Und Enthaltung beim fraktionslosen Abgeordneten Schulz. Damit ist durch das Parlament eindeutig geklärt worden, dass der Antrag Drucksache 16/13681 nicht auf die Tagesordnung aufgesetzt wird.

Wir kommen dann zum zweiten Teil der Geschäftsordnungsdebatte und damit zu dem Antrag der Piraten, in die heutige Tagesordnung eine zusätzliche Aktuelle Stunde aufzunehmen. Diese Aktuelle

Stunde trägt den Titel – weil ich glaube, dass nur die PGF den genauen Wortlaut vorliegen haben, lese ich ihn vor –: „Chaostage in der Landesregierung NRW“. Die Begründung lautet:

Das ist der genaue Wortlaut des Antrags inklusive der Begründung. Herr Kollege Olejak oder Herr Kollege Marsching, wollen Sie dazu noch etwas sagen – aber im Rahmen der Geschäftsordnungsdebatte?

Frau Präsidentin, zunächst die Entschuldigung an Sie für die Tippfehler im Antrag auf Durchführung einer Aktuellen Stunde. Das war nun wirklich der Aktualität geschuldet.

Und dann kommen wir zu dem Antrag: Der Landtag kann jederzeit vor Eintritt in die Tagesordnung einen weiteren Tagesordnungspunkt aufnehmen. Wenn sich der Landtag dafür entscheidet, gibt es nicht mehr die Beschränkung laut § 95 Abs. 3 und die Frist zur Einreichung dieses Antrags.

Wir glauben, dass es keinen besseren Moment gibt, die Tagesordnung nach § 20 Abs. 2 Geschäftsordnung zu ergänzen, als den, in dem die Landesregierung zeigt, dass völlig chaotische Zustände herrschen.

Das Parlament muss die Landesregierung kontrollieren. Jetzt ist der Moment, die Landesregierung zu kontrollieren und Fragen zu stellen. Diesem Antrag auf Ergänzung der Tagesordnung muss zugestimmt werden. – Danke.

(Beifall von den PIRATEN)

Danke schön, Herr Kollege Marsching. – Dann schauen wir jetzt einmal, da ich keine weiteren Wortmeldungen habe, ob das Parlament Ihre Auffassung teilt.

Herr Kollege Marsching hat für die Fraktion der Piraten auch wiederum gemäß § 20 Abs. 2 Geschäftsordnung beantragt, die Tagesordnung zu verändern, indem eine Aktuelle Stunde aufgerufen wird.

Wer möchte diesem Begehren zustimmen? – Das sind die Piraten. – Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die CDU und die FDP, der fraktionslose Abgeordnete Stüttgen. – Enthaltung bei Herrn Kollegen Schulze, ebenfalls fraktionslos. – Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist der Antrag der Fraktion der Piraten auf Änderung der Tagesordnung abgelehnt und haben wir die Geschäftsordnungsfragen vor Eintritt in die Tagesordnung geklärt.

Ich rufe auf:

1 Geplante Abkehr vom Doppelpass ist Gift für

die Integration in NRW

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/13744

Die Fraktion der SPD und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen haben mit Schreiben vom 12. Dezember dieses Jahres gemäß § 95 Abs. 1 Geschäftsordnung zu einer aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner vonseiten der SPD-Fraktion Herrn Kollegen Römer das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Forderung des CDU-Bundesparteitags nach einer Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft ist eine schwere Niederlage für die Bundeskanzlerin, und sie ist eine Sabotage der Integrationspolitik in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Jetzt heißt es in der Union wieder, der Wunsch nach einer doppelten Staatsangehörigkeit sei Ausdruck mangelnder Loyalität zu Deutschland. – Das ist kein Argument. Das ist eine Unterstellung, und sie ist falsch.

Gefühle der Verbundenheit und Loyalität sind keine abgezählten Güter, die man dem einen nur geben kann, indem man sie einem anderen wegnimmt. Das weiß jeder von uns, der enge und aufrichtige Gefühle der Zuneigung für seine Eltern und Großeltern, für seine Geschwister und Freunde empfindet.

Wer aus der Türkei stammt, kann aufrichtige Loyalität zu seiner neuen Heimat Deutschland empfinden und sich gleichzeitig noch immer seiner alten Heimat als Bürger oder Bürgerin verbunden fühlen. Das ist kein Widerspruch, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ja, gemischte Identitäten gehören zur Realität einer modernen Einwanderungsgesellschaft. Im Internet findet man den offenen Brief einer jungen Niederländerin. Sie lebt seit fast 20 Jahren in Hannover. Ihr Oberbürgermeister hatte sie eingeladen, auch deutsche Staatsbürgerin zu werden, also zukünftig mit einer doppelten Staatsbürgerschaft in Deutschland zu leben.

Die junge Niederländerin freute sich über die Einladung. Sie schrieb: