Protokoll der Sitzung vom 16.03.2017

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Freimuth. – Für die Piraten spricht jetzt Herr Kollege Kern.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Zunächst möchte ich mich auch dem Dank meiner Vorredner anschließen und mich insbesondere beim Vorsitzenden und bei den Obleuten dafür bedanken, dass sie unsere zahlreichen Beweis- und Änderungsanträge über sich haben ergehen lassen, auch wenn sie sie in der Mehrzahl abgelehnt und nur einen Teil angenommen haben,

(Stefan Zimkeit [SPD]: Stimmt nicht! Die Mehr- zahl haben wir angenommen!)

und auch dafür, dass sie unsere Sondervoten letztlich akzeptiert haben – wobei ich da der Ansicht bin, dass sie den Umfang nicht sprengen, sondern sich in dem Rahmen halten, der einer Oppositionsfraktion gut zu Gesicht steht.

Zur Sache: Die Erwartungen an diesen Untersuchungsausschuss waren hoch. Was wollten die Landtagsfraktionen bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses nicht alles aufklären! Doch leider kam es anders: Um sich nicht den wirklich brisanten Themen widmen zu müssen, hatten die anderen Fraktionen offenbar das Ziel ausgerufen, quasi die Gesamthistorie der WestLB zu erforschen. Man verlor sich leider im Klein-Klein und beleuchtete vor allem die Vorgänge genauestens, an denen politische Personen beteiligt waren, die längst nicht mehr im politischen Geschäft sind.

Da bot man einem Ex-Kanzler, einem diplomierten Selbstdarsteller, im Ausschuss als Zeuge eine Bühne, damit er in aller Ausführlichkeit über seine Hochzeitsreise sowie seine Erinnerungslücken zum Thema referieren und sich damit über den Untersuchungsausschuss und seine Aufklärungsbemühungen lustig machen konnte. Ein Bärendienst für den Parlamentarismus in diesem Land!

Die Vorgänge aus jüngerer Vergangenheit hingegen, an denen Personen beteiligt gewesen sein könnten, die heute noch aktiv sind, und vor allem die Geschäfte, die die letzten Sargnägel für die WestLB bildeten, wurden nicht beleuchtet – insbesondere nicht das Phoenix-Portfolio.

Auch kein Thema waren die Zinsswap-Geschäfte der WestLB, die sich äußerst negativ auf einige Kommunen in NRW und deren Haushalte auswirkten. Auch kein Thema waren die Zinsmanipulationen an Libor und Euribor, an denen die WestLB beteiligt war und die Milliardenschäden verursachten. Ebenfalls kein Thema waren die Spekulationen mit Vorzugsaktien von BMW und VW.

Stattdessen beschäftigte man sich lieber mit den Themen „Gefälligkeitsreisen“ oder „Offshore-Aktivitäten“, die für den Untergang der WestLB allerdings eher von untergeordneter Bedeutung waren.

Wenn man sich die hochbrisanten Themenfelder anschaut, die der Ausschuss nicht behandelt hat, muss man wohl eher von einem Unterlassungs- als von einem Untersuchungsausschuss sprechen.

(Heiterkeit von Lukas Lamla [PIRATEN])

Doch nun zum Untersuchungsgegenstand selbst. Die WestLB hatte zu viele Neider und Feinde und zu wenige Freunde. Auf europäischer Ebene hatte sie eine neoliberale Europäische Kommission gegen sich, die die Anstaltslast beseitigen wollte. Im Bund bot sich ein ähnliches Bild. Und auch auf Landesebene hatte man keine Verbündeten, sondern nur Konkurrenten. Dabei hätte es einer gemeinsamen

Anstrengung der Länder bedurft, um gegen die Abschaffung des Landesbankenmodells zu opponieren.

Gut aufgearbeitet hat der Ausschuss das Thema der Einbringung der Wohnungsbauförderungsanstalt in die WestLB. Um den Anforderungen des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen hinsichtlich der Eigenkapitalbasis der Bank zu genügen, hatte man sich am Anfang der 90er-Jahre zu dieser Sacheinlage anstelle von echtem Eigenkapital entschlossen – eine folgenreiche Fehlentscheidung, wie sich herausstellen sollte. Denn damit begann eine jahrelange Auseinandersetzung mit der EU-Kommission über die Einstufung dieser Sacheinlage als europarechtswidrige Beihilfe. Diese hat das Land NRW und die WestLB im Wesentlichen verloren – juristisch, aber vor allem auch politisch.

Gerade als die Auseinandersetzung um die Wfa ausgestanden war, erfolgte im Jahr 2008 die nächste fatale Fehlentscheidung der WestLB und der damaligen Landesregierung: die Auslagerung von toxischen Wertpapieren im Nominalwert von 23 Milliarden € in das eben schon erwähnte Phoenix-Portfolio. Diese Papiere sind letztlich in der vielzitierten Ersten Abwicklungsanstalt gelandet, der Bad Bank der WestLB. Aber es waren nicht nur diese Wertpapiere im Nominalwert von 23 Milliarden €, sondern am Ende waren es Schrottpapiere von über 200 Milliarden €, für die der Steuerzahler haften sollte. Diese erneute Staatsgarantie löste dann das nächste und letztlich vernichtende Beihilfeverfahren der EUKommission gegen die WestLB aus. Aber all das war leider nicht Gegenstand der Untersuchungen.

Statt sich also mit dem Hauptverdächtigen für den Untergang der WestLB zu beschäftigen, jagte man lieber einem Phantom hinterher, einem Steuerbetrugsnetzwerk im Ausland bei einer Bank, die selbst quasi kein Privatkundengeschäft unterhielt – ein ziemlich abstruser Ermittlungsansatz. Weil man diesem Phantom nachjagen wollte, blieb angeblich keine Zeit mehr für die Untersuchung der Vorgänge rund um das Phoenix-Portfolio. Eine Untersuchung haben die anderen Fraktionen mit juristischen Scheinargumenten verhindert. Der Ausschuss einschließlich des Vorsitzenden ließ sich vom Justiziar der Portigon quasi einschüchtern,

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das ist eine unglaubli- che Frechheit! Sie waren doch gar nicht da- bei!)

weil bei einer Herausgabe von Unterlagen an den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss angeblich Schadensersatzprozesse gegen die New Yorker Tochter der WestLB verloren gehen könnten und damit Forderungen von 180 Millionen € auf das Land zukämen. Aber schon damals war absehbar, dass diese Prozesse scheitern würden. Tatsächlich wurden die Schadensersatzklagen gegenüber der WestLB-Tochter allesamt abgewiesen.

Zufälligerweise – jetzt wird es interessant – kam die Nachricht von der Portigon darüber, dass die Klage in New York rechtskräftig abgewiesen wurde und nun eine Befassung durch den Ausschuss ohne finanzielles Risiko für das Land möglich sei, just in dem Moment, als der Ausschuss beschlossen hatte, die Beweisaufnahme zu schließen. Was für ein grandioser Zufall!

(Stefan Zimkeit [SPD]: Verschwörungstheore- tiker!)

Unser Resümee! Das Scheitern der WestLB hat viele Väter: einen vor Arroganz strotzenden Vorstandsvorsitzenden Neuber,

(Stefan Zimkeit [SPD]: Kennen Sie den per- sönlich?)

Aufsichtsräte, die in den entscheidenden Sitzungen nicht die nötigen Nachfragen stellten, sondern alles abnickten, was vom Vorstand vorgelegt wurde, und die Eigentümerstruktur. Auch das wurde schon angesprochen: Die WestLB hatte mit dem Land NRW und zwei Sparkassenverbänden Eigentümer, die nicht in der Lage waren, ihre gegensätzlichen Interessen für einen vernünftigen Kompromiss zurückzustellen.

Viele Lösungsmöglichkeiten wurden nämlich verbaut, weil die Sparkassen, die am Ende die Mehrheitsgesellschafter waren, keinen Verkauf wollten. Sie wollten aber auch nicht, dass es in NRW eine vertikale Fusion der WestLB mit einer Sparkasse gibt. Das wäre wiederum nur zusätzliche, unliebsame Konkurrenz gewesen, die man nicht wollte. Erfolgreiche Beispiele aus anderen Ländern sind etwa die LBBW und die NordLB. Aber so war die WestLB zum Untergang verurteilt. Wer sich für die Details interessiert, den darf ich auf unsere zahlreichen Sondervoten verweisen.

Den FDP-Antrag werden wir ablehnen. Sie hatten vier Jahre Zeit, Ihre Überlegungen in Form von Beweisanträgen und Sondervoten in den Ausschuss einzubringen. Das haben Sie leider unterlassen. Darüber kann Ihr Entschließungsantrag auch nicht hinwegtäuschen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Jetzt hat noch einmal Frau Kollegin Scharrenbach für die CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Kern, Sie machen sich die Wahrheit so, wie Sie sie gern hätten in Bezug auf die Punkte, die wir verhandelt haben und die wir nicht verhandelt haben.

Fünf der 16 Themenkomplexe, die dieser Landtag beauftragt hat, wurden im Ausschuss nicht verhandelt. Das haben alle Obleute der Fraktionen deutlich angesagt. Warum wurden sie nicht besprochen? Wir haben zum einen immer noch laufende Gerichtsverfahren.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Das habe ich ge- sagt! – Gegenruf von der SPD: Sie haben Ver- schwörungstheorien genannt!)

Sie haben das vorgehalten. Sie haben gesagt, dieser Ausschuss habe sich nicht mit Euribor und Libor beschäftigt. – Nein, wir haben uns deswegen nicht damit beschäftigt, weil es anhängige Gerichtsverfahren gibt.

(Beifall von der CDU und Stefan Zimkeit [SPD])

Das war bei den kommunalen Zinsswaps damals nicht anders.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Da sind auch viele Kommunalpolitiker aktiv!)

Bei der Frage der Fehlspekulationen mit Vorzugsaktien von Metro und BMW waren ebenfalls Gerichtsverfahren anhängig.

Dann kommen wir einmal zum Phoenix-Portfolio, Herr Kern. Der Ausschuss – jedenfalls in der Reihenfolge SPD, CDU, Grüne, FDP – hat sich sehr gewissenhaft mit der Frage beschäftigt: Holen wir die Phoenix-Unterlagen und führen eine Vernehmung zum PhoenixAuftrag durch? Oder welche Interessen des Landes haben wir dagegen abzuwägen, was mögliche Schadensersatzansprüche anbetrifft? Das haben die Fraktionen verantwortlich für sich behandelt und damals verantwortlich auch mit dem damaligen Sprecher der Piraten, Herrn Schulz, vereinbart – auch die Reihenfolge einvernehmlich vereinbart. Nur, damit Sie das einfach auch einmal zur Kenntnis nehmen, dass das schlichtweg so gelaufen ist.

Wenn Sie sagen, der Ausschuss habe sich mit Nichtigkeiten wie Offshore und Gefälligkeitsreisen beschäftigt – was halten Sie dann eigentlich von dem Auftrag, den dieses Parlament dem Ausschuss erteilt hat? Das ist ein Kontrollauftrag, den der Landtag dem Ausschuss erteilt hat, und zwar auch über Gefälligkeitsreisen und auch über Offshore-Gesellschaften. Das wurde sogar nachträglich beauftragt. Das ist ein Kontrollauftrag des Parlaments, was Sie hier als Phantom- und Scheindebatten bezeichnen. Vielleicht sollten Sie einmal für sich Ihr Verhalten zu Kontrollaufträgen dieses Hohen Hauses bewerten.

(Beifall von der CDU, den GRÜNEN und Ste- fan Zimkeit [SPD])

Gestatten Sie mir abschließend noch einen Punkt. Sie haben ja auf Ihre zahlreichen Sondervoten abgehoben. Wir haben uns in den Sitzungen auch mit Ihren Sondervoten beschäftigt und haben durchaus wolkig und blumig in aller Freundlichkeit formuliert,

dass wir nicht ganz wüssten, warum und wie denn das eine oder andere Sondervotum der Piraten zustande gekommen sei. Es gibt Sondervoten, die völlig aus der bisherigen Berichterstattung des Ausschusses herausstechen. Es gibt Sondervoten, die überhaupt keine Zitate mehr enthalten und vom Inhalt her der WestLB bescheinigen, alles richtig gemacht zu haben.

(Robert Stein [CDU]: Hört, hört!)

Vielleicht sollten Sie sich einmal die Frage stellen, woher die Motivation in Ihrer Fraktion kommt, die WestLB in einen bestimmten Duktus zu rücken, was Fragestellungen insbesondere im Zusammenhang mit dem Leasinggeschäft betreffen. Gerade im Zusammenhang mit den Darstellungen, die Sie da gewählt haben, gibt es doch Journalisten, die sich ernsthaft fragen: Wie kann das denn sein? Die Piraten sind die Einzigen, die sagen: Beim Leasinggeschäft hat die WestLB aber alles richtig gemacht! – Vielleicht sollten Sie diese Frage einmal für sich klären.

Wenn Sie diese Voten – und das sage ich jetzt öffentlich – damals als Abgeordneter geschrieben hätten, hätte ich den Vorsitzenden gefragt, ob Herr Kern in diesen Fragen befangen sei. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Scharrenbach. – Sie möchten noch einmal reden? – Sie haben noch 24 Sekunden Redezeit.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das ist doch schon mal was!)

So sieht’s aus, ja. – Frau Kollegin Scharrenbach, ich finde es leicht anmaßend, wie Sie mich hier mit irgendwelchen Andeutungen angehen, ohne das konkret zu benennen. Aber sei’s drum.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Anmaßend war Ihr Vor- trag! Die ganze Zeit mitgearbeitet und dann sowas!)

Ich finde es nur interessant, dass Sie sich hier ans Redepult stellen und bedauern, wie das gelaufen ist, mich aber, wenn ich das dann aus meiner Sicht darstelle, hier wie am Spieß verurteilen und in irgendeine Ecke stellen wollen. Das kann ich nicht nachvollziehen. Wir haben da offensichtlich unterschiedliche Ansichten; daran kann ich nichts ändern.

Die Redezeit.