Schwarze-Peter-Spiel, was die Öffentlichkeit inzwischen langweilt: Vor sieben Jahren hat mal eine andere Regierung dieses und jenes falsch gemacht, und wir sind in der Aufholjagd.
Aber das neue Argument, das ich beim Deutschen Gewerkschaftsbund gelernt habe, heißt jetzt: Es gibt den Bedarf überhaupt nicht. Gäbe es den Bedarf bei uns in Nordrhein-Westfalen, gäbe es ja eine Klagewelle. Und da niemand klagt, gibt es auch den Bedarf nicht, und insofern haben wir eigentlich eine gute Deckung an Kita-Plätzen.
Daraufhin hat mir ein Kölner Anwalt, als er das gehört hat, der sich speziell um solche Verwaltungsgerichtsverfahren kümmert, geschrieben und geschildert, er führt seit 2013 300 solcher Prozesse. Und viele Eltern, schildert er, klagen nicht, weil sie die Angst haben, danach kriegen sie überhaupt keinen Platz mehr bei diesem Jugendamt. Deshalb machen sie es nicht.
Aber ich sage Ihnen nur eines dazu: Sie waren mal vor langer Zeit die Interessenvertreter von Leuten, …
Sie waren mal vor langer, langer Zeit die Interessenvertreter von Menschen, denen es nicht so gut ging. Sie waren mal die Interessenvertreter von Menschen, die nicht jeden Tag drei Anwälte an der Hand hatten, um ihr Recht durchzusetzen.
Aber wenn eine sozialdemokratische Ministerpräsidentin sagt: „Es gibt kein Problem im Land, weil die Leute nicht klagen“, ist das eine Bankrotterklärung des Willens zu sozialer Gerechtigkeit.
Jetzt kommt das Zweite: Sie sagen, 30 Stunden frei, das kostet ca. eine Milliarde. – Sie hören aber gar nicht mehr denen zu, die im Land Probleme haben. Im Oberbergischen Kreis haben Deutsches Rotes Kreuz und AWO Kitas – da haben wir zwölf Kitas –, die in den letzten Tagen sagen: Wir halten das nicht mehr durch, wir müssen aussteigen. – Das Bistum Essen hat 100 katholische Kitas von 290, die sagen: Wenn nicht schleunigst Geld ins System kommt, dann werden wir aus der Finanzierung aussteigen. – Die Folge wird sein, dass es am Ende wieder die Kommunen übernehmen müssen.
Als wir das Kinderbildungsgesetz 2008 mit der Unterschrift von sechs Wohlfahrtsverbänden, drei kommunalen Spitzenverbänden und zwei Kirchen gemacht haben, haben wir verabredet: So ist der Personalschlüssel 2008, aber das muss überprüft werden im Jahre 2011. – Im Gesetz steht: Diese Evaluierung muss stattfinden.
Sie haben den Leuten erst gesagt, Sie wollten ein neues Gesetz machen. Dann haben Sie gesagt: Das kriegen wir nicht mehr hin; jetzt machen wir Eckpunkte. – Aber Sie haben mit den Trägern, den Kirchen und den kommunalen Spitzenverbände bis zum heutigen Tag, 40 Tage vor der Wahl, nicht über diese Finanzierung gesprochen. Insofern sage ich: Das System steht vor dem Zusammenbruch.
Wir werden ab 14. Mai dort den ersten Schwerpunkt setzen und den Trägern, den Kirchen das Geld geben, das sie brauchen.
Nirgendwo – und das ist der Kontrast zu dem, was der charmante Kollege aus Würselen uns jeden Tag erzählt – in Deutschland hängt der soziale Aufstieg so von der Herkunft der Eltern ab wie in NordrheinWestfalen.
Ich will, dass wir wieder zu einem Aufsteigerland werden, wie wir das einmal waren, wo es den Kindern besser ging als den eigenen Eltern. Aber Ihre Politik, beispielsweise Unterrichtsausfall stillschweigend hinzunehmen,
Jetzt werden Sie sagen: Das stimmt alles nicht, geht alles nicht. – Dazu schreibt Anjo Horstmann, ein Sechstklässler aus der Realschule Dortmund-Asseln, ich glaube, an alle Kollegen im Land eine E-Mail und sagt: Das ärgert mich. Wochenlang fällt bei uns Mathe aus. – Ich hätte mich nie beklagt, dass Mathe ausfällt.
Aber dieser Junge empfindet das selbst als Problem für seine Bildungschancen. Er findet 347 Mitschüler, die einen Appell unterschreiben und sagen: Bitte, tut was gegen den Unterrichtsausfall! – Und die Landesregierung sagt: Gibt es nicht, 1,8 %,
es gibt kein echtes Problem. Das muss sich ändern. An jeder Schule muss das gemessen werden, damit man helfen kann!
Dann lädt mich – zum Thema Zuhören – die „NRZ“ auf eine Lesertour ein, rein zufällig. Sie treffen auf 90 Bürger; Sie wissen nicht, wer da ist. Das würde ich Ihnen auch einmal empfehlen, Frau Ministerpräsidentin: einfach mal auf so ein Schiff steigen, so eine Einladung annehmen, ungeplant, unkoordiniert, einfach mal nicht organisiert von der Staatskanzlei auf normale Menschen treffen. Sehr lehrreich!
(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Montag! Sie müssen mal Zeitung lesen! – Weitere Zu- rufe von der SPD)
ich würde Ihnen empfehlen, häufiger mit ganz normalen Menschen zu reden. Das ist eine ganz einfache Bitte.
Auf diesem Schiff war ein Mensch, der war Schulpflegschaftsvorsitzender einer Grundschule in Duisburg, und der schilderte mir die Situation an dieser Schule, wo die Lehrer nicht da sind, wo die Leiterstellen unbesetzt sind, wo Räumlichkeiten fehlen. Er sagt: Wir haben an die Landesregierung geschrieben, wir haben keine Antwort bekommen. – Inzwischen gibt es 78 Grundschulen in Duisburg, die sich zusammengetan haben. Und dann sagen Sie: Im Land ist alles toll, und die Bundeskanzlerin hat keine Ahnung.
Die Leute vor Ort haben Ahnung, wie es ihnen geht, und sie wollen Veränderung bei der Bildung in Nordrhein-Westfalen