Protokoll der Sitzung vom 06.04.2017

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Pacta sunt servanda“, in diesem Sinne haben wir vor einigen Monaten das gemeinsam beschlossen, was mit den entsprechenden Mehrheiten zu beschließen war. Ich freue mich sehr, lieber Herr Körfges, dass wir das, was in diesen Teilen enthalten war, am Ende zu 100 % umsetzen.

Es ist nicht gelungen, darüber hinaus Einigung zu erzielen. Es gibt wohl wenige, die das so bedauern wie ich, weil es insgesamt noch ein weiteres und besseres Ergebnis hätte geben können. Dazu gehörte auch das Thema „Wahlalter 16“. Da sind Fakten ausgetauscht worden, und es ist völlig klar, dass man da unterschiedlicher Meinung sein kann. Man kann das politisch wollen. Es gibt aber auch – das ist dargestellt worden – Argumente dagegen.

Das schlechteste Argument ist natürlich, der FDP vorzuwerfen, dass sie an dieser Stelle an irgendeinem Punkte auch schon mal für das Wahlalter 16 war, lieber Herr Körfges.

(Hans-Willi Körfges [SPD] telefoniert.)

Sehr geehrter Herr Körfges! Aber – er hört mir zu! – es gäbe wahrscheinlich auch unzählige Fälle aus meinem 17-jährigen Leben hier im Parlament, bei denen ich festgestellt habe, dass die SPD in NordrheinWestfalen etwas ganz anderes beschlossen hat als in anderen Bundesländern und im Übrigen ihre Auffassung auch nicht immer stringent über 16 Bundesländer durchhält.

(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Das heißt, das ist kein Argument für uns.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Wir hätten bis zum Schluss, lieber Herr Körfges, gerne das Gesamtpaket verabschiedet. Damit hätten Sie auch Ihr Anliegen verwirklichen können.

(Beifall von Werner Jostmeier [CDU])

Das ist uns leider nicht gelungen. Es wären – ich darf das nur noch mal sagen – im Gesamtpaket spannende Fragen enthalten gewesen, die wir heute noch mal abarbeiten, wie etwa die Individualverfassungsbeschwerde, wie die Schuldenbremse, wie auch die Absenkung der Quoren. All das im Paket wäre sicherlich vernünftigerweise zu regeln gewesen. So ist es schade, dass es nicht zu der Einigung kommt und an dieser Stelle auch nicht zur Einigung bei diesem Thema. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Wolf. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Düngel.

Herr Präsident, Hallo! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche mal, die Meinungen von CDU und FDP irgendwie zusammenzufassen: Alte weiße Männer – verzeihen Sie mir bitte, Herr Jostmeier und auch Herr Dr. Wolf – erklären uns gerade, warum junge Menschen nicht wählen gehen.

(Beifall von den PIRATEN)

Das finde ich schade, und das finde ich ausgrenzend. Ich finde das ausgrenzend für junge Menschen. Wir wollen genau das Gegenteil erreichen. Wir wollen junge Menschen an Politik teilhaben lassen, wir wollen junge Menschen in die Politik bringen. Und dazu – das muss ich auch ganz klar sagen – reicht es nicht, wenn wir heute einfach sagen würden: Wir nehmen das Wahlalter raus, oder wir senken auf ein Wahlalter 16 ab. Damit ist es ja nicht getan. Das haben wir in der ersten Debatte zu diesem Thema auch schon erwähnt. Dazu gehören weitere Schritte, die gemacht werden müssen. Wir brauchen eine stärkere, eine verbesserte politische Bildung in dem Bereich usw. usf.

Und das, lieber Walter Kern, ist das, worauf sich der Kinder- und Jugendrat bezogen hat. Sie sagen ganz einfach: Natürlich fehlt auf der einen Seite politische Bildung. Aber dahinter können wir uns doch nicht verstecken.

(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)

Wir können doch nicht sagen: Da fehlt irgendwie was, und deswegen geben wir denen nicht das Recht, die heute schon wählen können. Das, lieber Walter Kern, ist an der Stelle tatsächlich inkonsequent.

Herr Düngel, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Haardt?

Ja, selbstverständlich gerne.

Das ist freundlich. – Bitte schön, Herr Haardt.

Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich habe mit Erstaunen den Eingang Ihrer Rede gehört. Halten Sie altersdiskriminierende Äußerungen für ein gebotenes Stilmittel in der Politik?

(Beifall von der CDU – Zurufe von den PIRATEN)

Ich sage es mal so, Herr Kollege Haardt: großartige Frage, die Sie mir da stellen. Ne, genau, die finde ich schlimm. Altersdiskriminierung ist schlimm. Und Sie betreiben hier Altersdiskriminierung. Sie wollen nämlich nicht, dass junge Menschen wählen gehen dürfen.

(Beifall von den PIRATEN und der SPD)

Um es rund zu machen, dass alte weiße Männer … Ich habe das bereits gerade in dem Beitrag gesagt Lieber Kollege Jostmeier, lieber Herr Dr. Wolf, ich bitte das ausdrücklich nicht persönlich zu werten. Das sollte nur darstellen, welche Problematik hier an der Stelle tatsächlich gerade vorliegt.

Herr Jostmeier, dann kommen wieder Begründungen: Geschäftsfähigkeit, Strafmündigkeit, akti

ves/passives Wahlrecht. Da wird immer alles schön in einen Topf geschmissen, einmal kräftig durchgerührt, und am Ende kommt raus: Ja, die CDU ist gegen Wahlalter 16. – Das macht nur keinen Sinn, ist auch nicht irgendwie argumentativ belegt. Demokratie bedeutet eine gleichberechtigte Mitbestimmung für alle. Und das tun Sie nicht.

Sie haben weder in der Verfassungskommission noch in der ersten Lesung zu diesem Gesetzentwurf oder heute irgendein stichhaltiges Argument vorgelegt, warum das Wahlalter 16 schlecht ist – kein einziges.

(Beifall von den PIRATEN)

Herr Kollege, es gibt eine Zwischenfrage von Herrn Jostmeier. Würden Sie die zulassen?

Ja, selbstverständlich, gerne.

Bitte schön, Herr Jostmeier.

Dafür vielen Dank, Herr Düngel. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass der Kollege Dr. Wolf, weißhaarig, dass ich, Jahrgang 1950, ebenfalls weißhaarig, wie Sie das da genannt haben – ob ich das persönlich nehmen muss, weiß ich nicht, ich nehme das mal kollegial, leger, wie Sie es vielleicht gemeint haben – …

Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich sehr viele Jahre in der Jugendarbeit tätig war und bin und dass ich mir unter anderem auch als Vater von vier Söhnen durchaus erlauben kann, zu bewerten, ob man ein Argument bei der Frage, Wahlalter 16 ja oder nein, als sachgerecht oder als nicht sachgerecht vortragen darf? Das hat mit meiner Haarfarbe nichts zu tun. Ich darf um Nachsicht bitten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ja, das beantworte ich Ihnen gerne. Vielen Dank für die Frage, Herr Kollege Jostmeier.

Zunächst: Ich habe nicht die Haarfarbe oder gar das Alter in Verbindung gebracht mit der fehlenden Argumentation. Sie haben einfach keine Argumentation gegen das Wahlalter 16. Das ist doch nicht mein Problem. Das ist doch Ihr Problem. Das ist Ihr Parteiproblem. Sie haben zwar eine Position gegen das Wahlalter 16, Argumente gleichwohl haben Sie dafür nicht.

(Beifall von den PIRATEN)

Der andere Punkt ist: Ich habe großen Respekt vor jeglichem Engagement. Wer auch immer in Vereinen, in Jugendverbänden oder sonst was macht, das finde ich großartig. Dafür möchte ich Ihnen sehr herzlich danken und bitte Sie auch, das fortzusetzen. Aber sprechen Sie doch weiter mit den Kindern und Jugendlichen, wie die das Thema tatsächlich sehen. Vielleicht nehmen Sie auch mal jemanden mit in so eine Diskussionsrunde mit, der eine andere Position vertritt.

Meine Erfahrung ist die von Podiumsdiskussionen, von Gesprächen mit Jugendlichen, auch mit Kolleginnen und Kollegen, die die Wahlalterabsenkung eben schlecht finden: Am Ende sind wir meistens bei einer sehr progressiven Herangehensweise, dass dann am Ende alle an einem Tisch sitzen und sagen: Ein Wahlalter 16 oder vielleicht sogar 14 ist eigentlich eine ganz gute Sache.

Der letzte Hinweis: Ich kenne Ihre Kinder persönlich nicht, Herr Jostmeier. Vielleicht können wir uns ja mal an einen Tisch zusammensetzen. Mich würde die Meinung Ihrer Kinder sehr interessieren. Die Möglichkeit hatte ich bislang nicht.

Dann wird immer gesagt – ich habe es vorhin schon ausgeführt –, politische Bildung muss natürlich gestärkt werden. Gar keine Frage. Dann wird immer gesagt: Jugendliche sind ja nicht reif zum Wählen. – Ich will mal eines sagen: Die Jugendlichen, die jungen Menschen sind nicht diejenigen, die Nazis in die Parlamente wählen. Da scheint das Begreifen von Politik manchmal viel ausgeweiteter zu sein als bei vielen Menschen, die über 18 Jahre alt sind.

Dann wird immer auf dem Alter 16 herumgeritten. Ich habe das in meiner ersten Rede schon gesagt. Der durchschnittliche Erstwähler, wenn wir das Wahlalter auf 16 Jahre herabsenken, wird dann 18,5 Jahre alt sein. Es ist nicht so, dass dann plötzlich nur noch 16Jährige wählen, die das erste Mal an die Wahlurne treten dürfen. Das Durchschnittsalter würde von 20,5 auf 18,5 gesenkt werden. Herr Körfges hat es passend gesagt: Mehr Demokratie wagen, ohne eigentlich was zu wagen. – Denn es ist gar kein Risiko, das

wir hier eingehen. Da passiert überhaupt nichts. Ganz im Gegenteil: Wir eröffnen großartige Möglichkeiten für junge Menschen, sich wirklich an Politik zu beteiligen.

Und wir sehen das doch immer wieder. Wir haben hier im Landtag das hervorragende Konzept eines Jugendlandtags, nur ist der Jugendlandtag weiß Gott kein Instrument wirklicher politischer Beteiligung. Nichtsdestotrotz: Beim Jugendlandtag sind es immer drei großartige Tage. Ich habe in den letzten Jahren immer versucht, sehr viel Zeit mit den Jugendlichen meiner bzw. unserer Fraktion zu verbringen. Die politischen Diskussionen, die da geführt werden, waren häufig deutlich besser, als ich sie teilweise hier in den Ausschüssen erlebt habe,

(Beifall von den PIRATEN)

weil da viel sachorientierter, viel objektiver diskutiert wird, und am Ende wird eine Entscheidung getroffen. Wenn Sie sich diesen Jugendlandtag einmal anschauen, dann stellen Sie fest: Da entscheiden samstags in der Plenarsitzung FDP-Vertreter mit Grünen, mit Piraten, und sie finden dann noch bei einem Teil der SPD Jugendliche bzw. junge Menschen, die zu einer Mehrheit beitragen, um letztendlich ein Thema zu verabschieden. – Das ist Politik, wie ich sie mir vorstelle, das ist sachorientierte, objektive Politik. Das ist Politik, wie wir Piraten uns das vorstellen.

(Zuruf von der CDU)

Deswegen haben wir uns heute explizit dafür eingesetzt, dass wir namentlich abstimmen. Ich möchte Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, die Gelegenheit geben, die wenigen Stimmen beizutragen, die dieser wichtige Verfassungsgesetzentwurf noch braucht. Das dürften zwölf, 13 Stimmen sein, die aus Ihren Reihen noch benötigt werden. Geben Sie sich selber einen Ruck, stimmen Sie für diesen Gesetzentwurf! Machen Sie einfach das, was viele von Ihnen draußen bei Podiumsdiskussionen mit jungen Menschen sagen. – Vielen Dank.