Protokoll der Sitzung vom 07.04.2017

Zugleich hat man uns die sowieso jährlich zu erhebenden Zahlen von Straftaten in Verbindung mit der Videoüberwachung in der Düsseldorfer Altstadt vorenthalten, und zwar mit dem Hinweis, dass die Bekanntgabe der Zahlen der für 2018 vorgesehenen Evaluierung vorgreifen würde. Das passt irgendwie nicht zusammen.

Das ist nicht die Art von Transparenz, die wir Piraten wollen. Wir wollen Transparenz per Gesetz, verbindlich für alle Stellen und Einrichtungen, die öffentliche Aufgaben ausführen. Wir wollen ein einklagbares Recht für die Öffentlichkeit, Zugang zu Informationen, Akten und Daten der öffentlichen Hand zu erhalten.

Auch der viel gefeierte Open-Government-Pakt des Innenministers mit den Kommunen ist nicht viel mehr als eine Absichtserklärung auf freiwilliger Basis. Da hat man einen Kongress veranstaltet, da hat man Experten zu nichtöffentlichen Diskussionsrunden ins Ministerium eingeladen. Herr Minister Jäger, gibt es denn im Open-Data-Portal des Landes bis heute auch nur einen einzigen Datensatz, der von allen Kommunen eingestellt wurde? Können Sie einen nennen? – Also nein, da ist nichts. Das spricht dann auch Bände über die Qualität des Open-Government-Pakts.

([Josef Hovenjürgen [CDU]: Dafür trägt er keine Verantwortung! – Torsten Sommer [PIRATEN]: Man muss auch Angebote ma- chen, damit sie angenommen werden können. Dafür gibt es ein System!)

Weil uns all das nicht reicht, wollen wir ein Recht auf Open Data per Gesetz. Wir wollen, dass es ein verbindliches, notfalls einklagbares Recht auf Open Data gibt, auf die Bereitstellung von vorhandenen digitalen Daten der öffentlichen Hand im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes.

Nach den Bemerkungen meiner Vorredner ist mit einer Zustimmung für dieses Gesetz wohl nicht zu rechnen. Herr Kollege Hegemann, ich bedanke mich für Ihre Anmerkungen. Ich hatte fast den Eindruck:

Wenn wir hier weiter zusammengearbeitet hätten, hätten wir es vielleicht doch noch gemeinsam durchgebracht. Dazu wird es nun nicht mehr kommen, aber einen Hinweis möchte ich im Zusammenhang mit Open Government/Open Data noch geben: Besonders die Konrad-Adenauer-Stiftung ist da sehr weit vorne.

Da wir hier wohl nicht mehr zusammenarbeiten können, wird es noch weiterer Anläufe bedürfen. Ganz offensichtlich ist es für Transparenz in NordrheinWestfalen notwendig, dass die Piraten im Landtag vertreten sind. Die werden hier gebraucht.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, einige von Ihnen wissen, dass ich nicht mehr für den nächsten Landtag kandidiere. Ich möchte mich an dieser Stelle bedanken für die gute und bis auf ganz wenige Ausnahmen sehr faire Zusammenarbeit.

Ich bin sehr dankbar für die Erfahrungen, die ich hier in der Zeit als Abgeordneter sammeln konnte, und für die Möglichkeit, die eine oder andere Anregung eingebracht zu haben. Ich weiß, dass meine Nachfragen und Berichtsanforderungen manchmal genervt haben, vor allem das Ministerium, den Minister. Aber ich finde, das muss so sein. Ich kann nur sagen: Es war nie Selbstzweck. Eigentlich waren es noch viel zu wenige; es hätten durchaus noch mehr sein können.

(Heiterkeit)

In diesem Sinne vielen Dank und auf Wiedersehen – wann und wo auch immer.

(Allgemeiner Beifall)

Vielen Dank, Herr Kollege Herrmann. Auch Ihnen im Namen des Hohen Hauses alles Gute für die Zukunft! – Das Wort hat die Landesregierung in Person von Herrn Minister Jäger.

Herzlichen Dank, Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben diesen Antrag bereits in der letzten Plenarrunde diskutiert. Der Fachausschuss hat ein klares Votum getroffen. Es gibt keinen Anlass für die Landesregierung, dem Gesagten noch etwas hinzuzufügen.

Herr Herrmann, es ist in der Tat richtig, dass Sie Ihr Amt, Ihr Mandat mit großem Eifer und großer Energie ausgeführt und ausgefüllt haben. Entsprechend hoch war der energetische Aufwand meines Ministeriums, die Vielzahl Ihrer Kleinen Anfragen zu beantworten und entsprechende Stellungnahmen zu diversen Anträgen im Innenausschuss zu beantworten. Aber Sie können sicher sein, dass meine Mitarbeiterinnen und

Mitarbeiter das gerne getan haben, weil es immer darum ging, mit Respekt vor diesem Parlament den Abgeordneten so zu begegnen, dass möglichst umfangreich Fragen beantwortet und Stellungnahmen ausgearbeitet werden.

Herr Hegemann, Herr Hermann, ich wünsche Ihnen persönlich für Ihre Zukunft alles Gute.

(Allgemeiner Beifall)

Vielen Dank, Herr Minister. Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Innenausschuss empfiehlt in Drucksache 16/14692, den Gesetzentwurf Drucksache 16/14379 (Neudruck) abzulehnen. Wir stimmen somit über den Gesetzentwurf selbst ab und nicht über die Beschlussempfehlung. Ich darf also fragen, wer für den Gesetzentwurf der Piratenfraktion ist. – Das sind die Piratenfraktion und der fraktionslose Kollege Schulz. Wer stimmt dagegen? – Das sind CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und der fraktionslose Kollege Stüttgen. Enthält sich jemand der Stimme? – Das ist nicht der Fall. Damit stelle ich fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache 16/14339 – Neudruck – abgelehnt ist.

Ich rufe auf:

14 Nordrhein-Westfalen smartgerecht neu bauen.

Großstadt und Sonderwirtschaftszone Garzweiler

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/14659

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die antragstellende Piratenfraktion Herrn Kollegen Bayer das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Streamgäste! Erst wenn der letzte Braunkohlebagger das rheinische Revier verlassen hat, erst wenn die Folgekosten des Braunkohletagebaus mal ausgerechnet sind, werdet ihr merken, dass es nicht glücklich macht, 40 Jahre lang Wasser in ein Loch laufen zu lassen.

Ja, auch wenn Rot-Grün hier immer wieder für ein Braunkohleverstromungsschutzgebiet kämpft, anstatt über ein Braunkohleausstiegsgesetz nachzudenken, denken Sie alle natürlich darüber nach, was eigentlich nach der Braunkohle mit dem Rheinischen Revier passieren könnte, und zwar vor allem aus

wirtschaftlicher Sicht. Arbeitsplätze im Energiesektor und in der Logistikbranche werden da erträumt.

Wie einfallslos! Jede Region sieht ihre Zukunft in der Logistikbranche. Etwas Mutloseres und Aussichtsloseres kann ich mir eigentlich kaum vorstellen. Dieses Silicon-Valley-Feeling, das man gerne hätte, dieser Nährboden für große Kreativität, neue Ideen und Start-ups, die später zu Giganten werden – das entsteht niemals, indem man auf Nummer sicher geht, indem man kein Risiko eingeht und nichts wagt, was mit der Standardpolitik bricht.

Politiker sind keine Manager, und sie sollten auch keine Manager sein. Vor allem aber darf eine Bundeskanzlerin oder eine Ministerpräsidentin keine Verwalterin sein, die die Zukunft des Landes irgendwie im Best-Practice-Verfahren aushandelt. Vielmehr muss sie Utopien aufbauen. Denn ohne Utopien gibt es keine positive Zukunft, die als Ziel vor einem liegt oder die es zu erreichen gilt. Utopielosigkeit in der Politik führt zu Depressionen. Aus Mangel an Utopien und Perspektiven entstehen Resignation, Frust, Wut, Gewalt, Protektionismus, Abgrenzung und Krieg.

Politik heute will so allerhand Dystrophien stoppen – also den Klimawandel, die Finanzkrise, Terror, Hass, kaputte Brücken, bedrohliche Zuwanderung, wirtschaftlichen Abstieg. All das soll gestoppt werden. Wenn aber die schönste politische Vorstellung von der Zukunft die ist, dass alles nicht noch schlimmer wird, dann ist das eine politische Sackgasse. Dann überdeckt Zynismus den politischen Alltag, und jeder Schritt wird zur mühsamen Kraftanstrengung.

Dann herrscht Hoffnungslosigkeit. Wer ohne eine erstrebenswerte Zukunft lebt, lebt in Depression, egal wie gut die Alltagspolitik sein mag. Auch ein gutes Bildungsprogramm oder eine ordentliche Familienpolitik ersetzen keine Utopie. Dabei ist es völlig egal, was gerade wichtig wäre oder nicht: Utopien werden in der Politik dringend gebraucht; denn Utopien machen nicht nur Sinn, sondern sie bringen Sinn. Utopien sind das Lebenselixier jeder erfolgreichen politischen Epoche.

Idealstädte, wie in unserem Antrag beschrieben, sind erlebbare Manifestationen von Utopien. Deshalb ist es auch mit einem Stadtumbau oder einem SmartCity-Projekt nicht getan. Vergleichbare Musterstädte, die es gibt, sind durchgrünte und vor allem smartgerechte Städte, und sie alle würden locker auf eine Tagebaufläche passen.

Ich würde jetzt gerne noch die Chancen einer Stadtgründung debattieren, also Vor- und Nachteile bezüglich Energie,

(Dirk Wedel [FDP]: Ersparen Sie uns das!)

Verkehr, Zusammenleben, Durchmischung. Das Stadtklima ist ein hochinteressantes Feld dabei. Lassen Sie uns das mal später machen.

(Zuruf: Dazu wird es nicht mehr kommen!)

Die wichtigste Zeit für politische Utopien ist die Zeit zwischen den Wahlen und der ersten Plenarsitzung. In dieser Zeit, die jetzt vor uns liegt, entscheidet sich, ob die nächste Legislaturperiode einfallslos, mutlos und uninspiriert wird oder ob wir in NRW Spannendes erwarten können. Deshalb interessiere ich mich jetzt und hier für Ihre Utopie, gerne natürlich am konkreten Beispiel des Rheinischen Reviers dargestellt. Denn dazu gibt es, glaube ich, besonders viel zu erzählen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Danke, Herr Kollege Bayer. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege van den Berg.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was soll man auf meinen Vorredner entgegnen? Soll man auf dieses Bild eingehen, dass da eine Landschaft, eine Region nur geknechtet ist von der Braunkohle und dass die da alle im tiefen Sumpf und in Löchern dahinvegetieren und bis heute Braunkohle fressen? Oder soll man auf dieses Bild eingehen, das Sie von Zynismus und Utopien haben und der Manifestation einer solchen in der Politik von Nordrhein-Westfalen? Ich glaube, beides ist nicht ergiebig.

Lassen Sie mich daher zwei Hinweise geben. Der erste ist: Die Darstellung, die Sie hier gegeben haben, ist völliger Unfug.

(Beifall von der SPD)

Als ob sich diese Region nicht längst aufgemacht hätte, einen Strukturwandel zu beschreiten! Wir haben uns übrigens parteiübergreifend in die Innovationsregion Rheinisches Revier aufgemacht und ganz viele Projekte angestoßen. Vor zwei Wochen noch haben wir den Startschuss für das erste virtuelle Kraftwerk im Rheinischen Revier gegeben.

Herr Bayer, Sie hätten sich einmal damit beschäftigen müssen. Da wird die Energiekompetenz der Region versammelt, um auch unter den Bedingungen eines Flächenkraftwerks mit 100 % erneuerbaren Energien Vorreiter in der Region sein zu können.

(Beifall von der SPD)

Sie haben gestern einen Appell des Kollegen Reiner Priggen gehört, der hier dargestellt hat, wie weit wir schon mit der StreetScooter GmbH in Aachen sind und wie diese Region davon profitieren kann, dass wir die E-Mobilität in den Fokus rücken und daraus mehr machen. Auch das sind Projekte, die für das Rheinische Revier Relevanz haben und die wir nutzen können.

Sich vor dem Hintergrund Gedanken darüber zu machen, inwieweit sich dieser Raum weiter positioniert und sich nach der Zeit der Braunkohle aufstellt, ist nicht lächerlich, sondern das ist eine Angelegenheit, die wir ernsthaft betreiben müssen und bei der in der Tat auch Utopien gefragt sind.

Meine Damen und Herren, wir befinden uns in einer planerischen Umbruchsituation. Bis jetzt gab es immer Anschlusstagebaue. Nun ist es zum ersten Mal so, dass die Tagebaue auslaufen. Daher stellt sich die Frage: Was ist mit den rund 15.000 Beschäftigten in der Braunkohle, in der Energiewirtschaft? Wie geht es mit ihnen weiter? Was ist mit den 8.700 ha wandernden Gewerbegebietes, was in der Vergangenheit Tagebaue war, jetzt aber plötzlich wegfällt? Dort entstehen im Wesentlichen Restseen. Das ist nicht unbedeutend; das sind 7.600 ha Flächen, die der Region entzogen werden.

Gleichzeitig stellen wir fest, dass wir es mit einem riesigen Wachstumsraum zu tun haben. Die Stadt Köln wird bis zum Jahr 2040 – das sagen uns die Statistiker von IT.NRW – 200.000 Einwohner dazubekommen. Mein Heimatkreis, der Rhein-Erft-Kreis, wird in der gleichen Zeit ein Plus von 37.000 Einwohner verzeichnen. Insofern macht es doch Sinn, dass sich diese Region Gedanken darüber macht, wie man das Zusammenspiel zwischen Stadt und Land gestaltet.