Protokoll der Sitzung vom 07.04.2017

Wir brauchen attraktive Angebote für Pendlerrinnen und Pendler und für Reisende.

(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der FDP)

Und auch deshalb setzen wir uns für ein Ticket ein, mit dem Menschen für 2 € pro Tag durch ganz NRW fahren können; denn dann lassen Menschen für eine Fahrt von Kleve nach Siegburg, von Aachen nach Düsseldorf, von Gütersloh nach Hamm und von Dortmund nach Siegen auch immer öfter ihr Auto stehen und nutzen Bus und Bahn.

(Zuruf von Stefan Fricke [PIRATEN])

Die Leute wollen auch im ländlichen Raum mit öffentlichen Verkehrsmitteln überall hinkommen, und die Leute wollen durch ihre Fortbewegung etwas fürs Klima tun. Das geht mit dem vernünftigen Ausbau mutiger neuer Verkehrskonzepte, aber nicht mit den Konzepten der 60er-, 70er- und 80er-Jahre. Das geht nur mit grünen Ideen für nachhaltige Verkehrspolitik.

(Beifall von den GRÜNEN – Karlheinz Busen [FDP]: Riesenbeifall!)

Sehr geehrte Damen und Herren, für all diese Veränderungen braucht es Mut – Mut, um Neues durchzusetzen, Mut, um gute Konzepte umzusetzen, Mut,

um unsere Welt zukunftsgerecht zu gestalten. Wir haben diesen Mut, wir stellen uns dem Wandel. Und wir wollen frische Luft, Lebensqualität und eine abgasfreie Zukunft. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Brems. – Und nun spricht für die Piratenfraktion Herr Rohwedder.

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN) : Vielen

Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer draußen im Stream! Frau Brems hat eben vor allem zur Verkehrswende eine ganze Menge Richtiges gesagt. Aber ich frage mich – die Grünen sind hier seit 2000 an drei Regierungen beteiligt gewesen – warum Sie nicht auch nur ein kleines bisschen davon umgesetzt haben?

(Beifall von den PIRATEN)

Ich verstehe es einfach nicht. Es ist halt Wahlkampf.

Ja, die Welt ist zu Gast in Nordrhein-Westfalen, zu Gast bei Freunden: Die Weltklimakonferenz COP 23 2017 findet im Herbst in Bonn statt – ein Großereignis, zu dem rund 20.000 Menschen aus aller Welt erwartet werden. Nachdem bei der letzten COP in Paris wider Erwarten Fortschritte zumindest bei der Wunsch- und Zielvorstellung erreicht wurden, gibt es in Bonn eine echte Arbeitskonferenz – Herr Hovenjürgen erwähnte das schon. Details zur Anwendung des Pariser Abkommens von 2015 müssen weiter ausformuliert werden. Dies gilt als Vorbereitung für die nächste COP ein Jahr später in Polen, bei der ein Regelbuch verabschiedet werden soll.

Politik und Zivilgesellschaft werden sich also in Bonn treffen und sich zu Klimaschutzinitiativen und -projekten austauschen. Und tatsächlich müssen wir mit der Treibhausgasminderung, der Klimafolgenanpassung und der Dekarbonisierung vorankommen.

Oxfam veranstaltete in Deutschland eine Tour mit Klimazeugen – das hat Frau Brems vorhin auch erwähnt. Sie waren auch hier in Nordrhein-Westfalen und auf Einladung der Grünen hier im Landtag, zu Gast bei Freunden. Aber nur Grüne und Piraten interessierten sich für die persönlichen Berichte über die Folgen des Klimawandels im Tschad und in der Umgebung, in Niger, und auf den Philippinen. Die anderen Freunde in diesem Landtag glänzten durch Abwesenheit. Nicht einen Vertreter konnten SPD, CDU und FDP schicken – keinen MdL aus den Ausschüssen für Energie oder für Umwelt, keinen aus dem Unterausschuss Klimaschutzplan und auch keinen Mitarbeiter.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Sehr schön, das war auch eine Ansage! Das, was Sie jetzt hier zu sagen haben, Herr Brockes und Herr Kollege Höne, das hätten Sie dort auf dieser Veranstaltung sagen können.

Gestern veröffentlichte das Dänische Meteorologische Institut eine Auswertung der Temperaturmessungen über längere Zeit nördlich von 80° Nord, in der Arktis also. Da ist es seit einem halben Jahr ununterbrochen wärmer als normal. Das gesamte Eisvolumen ist so niedrig wie nie zuvor. Der gesamte Masseverlust des grönländischen Inlandeises ist schon lange auf Rekordhoch, sowohl durch Abschmelzen der Oberfläche wie auch durch beschleunigtes Kalben der Großgletscher. In der Antarktis ist die Gesamteisbedeckung auf See rekordniedrig, und vom Schelfeis brechen immer größere Stücke ab.

Tropische Wirbelstürme werden immer stärker. Der Klimazeuge Melvin Purzuelo berichtete – Frau Brems erwähnte es schon – von dem stärksten bisher auf den Philippinen beobachteten Orkan Haiyan und von der Suche nach Verwandten, bei der er 70 Leichen barg. Inzwischen trat ein noch stärkerer tropischer Orkan im östlichen Pazifik auf. Kalifornien und die Levante erlebten in den letzten Jahren Tausend-Jahres-Dürren. Bürgerkriege um Wasser, Hungeraufstände und Massenmigrationen haben bereits begonnen.

In Peru und Kolumbien macht sich ein völlig neues Phänomen eines Küsten-El Niño bemerkbar. Als ich im Sommer 2015 in Peru war und die Stadt Trinidad de Huancayo – in der örtlichen Sprache „Wankayuq“ – besuchte, erfuhr ich, dass deren 400.000 Einwohner bald als Binnenflüchtlinge umgesiedelt werden müssen; denn der Gletscher, der sie mit Wasser versorgt, ist in spätestens 20 Jahren verschwunden.

Bei uns macht sich der Klimawandel noch nicht so dramatisch bemerkbar. Einzelereignisse mit Hunderten oder Tausenden Toten haben wir in Deutschland und in Mitteleuropa noch nicht erlebt. Das ist vielleicht auch ein Grund dafür, dass Deutschland und Nordrhein-Westfalen im Klimaschutz immer weiter zurückfallen und schon ankündigen, dass sie ihre ohnehin nicht besonders ambitionierten Klimaschutzziele nicht erreichen werden.

Auf Bundesebene wird die Energiewende seit Jahren sabotiert: Aus einer geplanten Klimaschutzabgabe für alte Braunkohlemöhren wurden Subventionen in Höhe von 1,6 Milliarden €; der Zertifikathandel wird nicht vernünftig reformiert und Fracking ist im Gegensatz zu dem, was die Sprecherin der Grünen hier eben behauptete, nicht komplett verboten. – Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen.

Und wie sieht es im Bundesland aus? Der Hambacher Forst wird weiter gerodet. Gestern gab es dort im Wald wieder einen Polizeieinsatz. Die Aktivisten planen ab Sonntag ein Camp vor Ort, und da musste

die Polizei kurz vorher natürlich noch einmal eine kleine Demonstration oder Provokation durchführen. Ich glaube, die setzen da ein bisschen auf Eskalation, und ich weiß nicht, ob das mit der heutigen Unterrichtung der Landesregierung in Zusammenhang steht. Das Timing ist jedenfalls ganz hervorragend.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Dann will man hier im Land mit aller Macht den illegalen Schwarzbau Datteln 4 legalisieren. Auch die Grünen im Regionalrat Münsterland stimmten für ein Zielabweichungsverfahren im alten Landesentwicklungsplan. Da waren sich mal wieder alle einig.

Alle großen gesetzgeberischen Reformprojekte hier im Lande, die zu einem sinnvollen Strukturwandel bei der Energiewende und Dekarbonisierung hätten beitragen können, wurden kastriert. Klimaschutzgesetz – stattdessen ein rechtlich unverbindlicher Klimaschutzplan –, Naturschutzgesetz, Landesentwicklungsplan – alles gefleddert, um bloß nicht weiterzukommen! Das ist ein Elend! Schwarz-Geld hätte es kaum schlechter machen können.

(Beifall von den PIRATEN)

Bei den Erneuerbaren haben wir globale Erfolge zu verzeichnen. In Deutschland haben wir im Jahr 2015 in der Solarindustrie 50.000 Arbeitsplätze verloren. Skandinavien ist der europäische Vorreiter, obwohl Solarenergie dort kaum nutzbar ist. Deinvestition ist ein Thema, das ganz aktuell eine große Rolle spielt: Kopenhagen deinvestiert, Münster deinvestiert auf kommunaler Ebene, der norwegische Pensionsfonds deinvestiert. – Sie alle ziehen ihr Geld alle aus der fossilen Energie ab, da sie wissen, dass es sich auf lange Sicht um Pleiteprojekte handelt.

Portugal ist in Südwesteuropa mit seinen großen Windkraftwerken ein Vorreiterland in der Energiewende. Portugal lässt sich von der Troika nicht so kaputtmachen, tyrannisieren und kaputtsparen wie Griechenland und Spanien. Die Portugiesen machen eine andere Politik und setzen konsequent auf die Energiewende. Und denen geht es wirtschaftlich deutlich besser als den Griechen und den Spaniern, die unter der Knute der Troika leiden.

(Beifall von den PIRATEN)

China hat zwei Jahre hintereinander mehr Kohlekraftwerke außer Betrieb genommen als in ganz Großbritannien in Betrieb sind.

(Karlheinz Busen [FDP]: Die haben neue Atomkraftwerke gebaut!)

Kein Land investiert so viel und baut so viele erneuerbare Energien auf wie China. Das sind die Länder, in denen der Strukturwandel stattfindet.

(Dietmar Brockes [FDP]: Wieviel investieren die denn?)

Das sind die Länder, die Sieger im Wettlauf um die beste Lösung sein werden, wenn wir uns hier nicht endlich auf die Hinterbeine stellen und unsere Hausaufgaben machen.

(Dietmar Brockes [FDP]: Wieviel investieren die denn?)

Zur Verkehrswende: Frau Brems hat bisher als Einzige etwas ausführlicher dazu ausgeführt. Die Verkehrswende ist wirklich notwendig und spielt eine wichtige Rolle; denn die Art und Weise, wie wir unseren Verkehr im Moment organisieren, ist nicht nur klimaschädlich, sondern sie hat auch noch andere schädliche Folgen. Ich spreche hier von Stickoxiden und Feinstäuben.

Essen wurde in der Regierungserklärung ja als „Grüne Hauptstadt“ vorgeführt. Das ist ein Witz. Gestern titelten die Zeitungen hier im Land: Der Verkehr vergiftet unsere Kinder. Und da soll Essen die „Grüne Hauptstadt“ sein?

Sie sagen, Sie hätten Chancen zu bieten. – Diese Chancen sind ziemlich luftig, und die globale Entwicklung der Erneuerbaren zeigt, dass Klimaschutzforschung und -entwicklung woanders stattfinden. Die Bilanz der drei rot-grünen Landesregierungen seit 2000 ist erbärmlich.

Was haben denn die anderen Oppositionsparteien zu sagen? Ich will zunächst auf Herrn Hovenjürgen eingehen. Er hat hier gerade verkündet: Die CDU steht für Klimaschutz. – Er hat allerdings nicht gesagt, dass er um jeden Preis newPark bauen und Datteln 4 legalisieren und betreiben will.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Habe ich gesagt!)

So sieht Ihr Klimaschutz nämlich aus. Sie haben gesagt, Sie bekennen sich zu einem 2-Grad-Ziel. Aber, Herr Hovenjürgen, dieses 2-Grad-Ziel, das ist kein Minimalziel; es bedeutet nicht, dass wir mindestens 2 Grad Klimaerwärmung erreichen wollen, sondern es ist ein Maximalziel. – Ist Ihnen das klar?

(Beifall von den PIRATEN)

Und ist Ihnen auch klar, dass in Paris sogar ein Maximalziel von 1,5 Grad anstatt der 2 Grad als wünschenswert genannt wurde? Sie schießen hier gegen einen ohnehin unzureichenden Klimaschutzplan; aber Sie stehen zu Klimaschutz. Sie argumentieren mit dem Ausstoß größerer und wenig entwickelter Staaten, und Sie benutzen das schlechte Beispiel als Vorbild. Das ist immer wieder dieselbe Art und Weise, wie CDU und FDP hier Politik machen wollen. Sie nehmen ein schlechtes Beispiel und stellen das als Vorbild dar: Solange die anderen sich schlecht verhalten, können wir uns nicht besser verhalten. Wir können nicht das Best-Practice-Beispiel sein, nein.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Wir müssen uns am Wettlauf der Schäbigkeiten beteiligen, damit alles nur immer schlechter wird und nichts besser werden kann. – Das ist Ihre Politik. Das ist die Perspektive, die Sie bieten.

Zukunftsfähige Arbeitsplätze in Deutschland werden durch die CDU-Politik in Berlin vernichtet. In der deutschen Solarindustrie sind 50.000 Arbeitsplätze allein im Jahr 2015 über den Jordan gegangen. Stattdessen wird hier hochsubventionierte Braunkohle propagiert. – Im Gegensatz zu Ihrer Behauptung, die sei subventionsfrei, haben wir im letzten Jahr 1,6 Milliarden € bekommen für drei uralte Braunkohlemöhren, die als Reserve vorgehalten werden, die aber kein Mensch braucht. Großartig!

Das nennen Sie subventionslos? – Das ist ja großartig.