Protokoll der Sitzung vom 14.12.2012

Wir müssen fragen, was in den letzten Jahren ab 2010 im Verkehrsministerium stattgefunden hat. Ihr Vorgänger – daran kann ich mich noch gut erinnern – war immer froh, wenn er nachmittags frühzeitig wieder in Belgien war. Da ist es auch schöner, so hat er zumindest gedacht.

Und der heutige Verkehrsminister macht immer noch den Generalsekretär. Ich erwarte von einem Verkehrsminister, dass er Minister, aber kein Generalsekretär ist. Generalsekretäre werden für Attacke gebraucht. Aber bei einem Minister ist solides Arbeiten gefragt.

(Jochen Ott [SPD]: Darin kennen Sie sich ja aus, Herr Schemmer!)

Beim Thema „Solides Arbeiten“ erinnere ich an die unterschwelligen Attacken – wie eben zwischendurch – gegen den Bund, hin und wieder auch einmal gegen den Oberbürgermeister dieser Stadt, in der wir uns befinden.

(Jochen Ott [SPD]: Der hat’s verdient!)

Aussage des Generalsekretärs: Keine Unterstützung vom Bund für den Eisernen Rhein! – Dabei

haben Sie die Gespräche mit den Niederländern und den Belgiern überhaupt nicht geführt.

Der Generalsekretär: Keine Unterstützung vom Bund für die Betuwe-Linie! – Aber wir wissen doch, dass die Planung dafür schwer im Verzug ist und die damalige rot-grüne Landesregierung von 1995 bis 2005 nichts gemacht hat. Sie hat nicht genug Geld für den Fernstraßenbau zur Verfügung gestellt. Und wieder wird auf den Bund geschimpft. Für das Infrastrukturprogramm II sind ganz frisch 750 Millionen € beschlossen worden, 470 Millionen € davon für den Fernstraßenbau, 87 Millionen € davon für Nordrhein-Westfalen. Das entspricht fast dem Königsteiner Schlüssel.

Oder: Kein Geld vom Bund für studentisches Wohnen. – Dabei bekommen Sie jährlich von Bund 100 Millionen € für die Wohnraumförderung.

Sie finden ein Superprogramm aus dem Jahre 2009 von uns vor, das Sie zwischendurch haben einschlummern lassen. Das ist doch das Problem!

(Jochen Ott [SPD]: Riesig!)

Oder eine andere Aussage des Ministers: Die Stadt Düsseldorf schafft Reichengettos, statt den sozialen Wohnraum zu fördern.

(Dietmar Bell [SPD]: Was hat das denn mit den Rheinbrücken zu tun? – Jochen Ott [SPD]: Das war die Wahrheit zu Düsseldorf!)

Das hat etwas damit zu tun, wie inkompetent dieses Haus regiert wird. Damit hat das schlicht und einfach zu tun.

Zum Bewilligungsbeschluss: Zum 30. November hat diese Landesregierung von den 850 Millionen € für den Wohnungsbau gerade einmal 360 Millionen € ausgegeben. Das ist, ob Schwarz-Gelb oder RotGrün regiert hat, das schlechteste Ergebnis der letzten 30 Jahre. Nein, es ist sogar noch schlechter: Das ist noch nicht einmal die Hälfte des schlechtesten Ergebnisses der letzten 30 Jahre.

(Beifall von der CDU)

Das ist ein Rekord, wie es ihn noch nie gegeben hat.

(Jochen Ott [SPD]: Bar jeder Sachkenntnis! Unerträglich!)

Private Firmen mit einem derartigen Betriebsergebnis müssten zum Insolvenzgericht. Man fragt sich: Ist es Aufgabe von Frau Kraft – vielleicht ist sie heute unterwegs; ich weiß es nicht –, oder ist das die Aufgabe des Generalsekretärs? Diese Fragen sind zu beantworten. Einen auf Generalsekretär machen reicht nun einmal nicht.

Wenn Sie Minister statt Generalsekretär wären, würden Sie uns zum Beispiel auch einmal die Begründungen für Ihre Streichlisten im Bereich des Bundesfernstraßenbaus und Landesstraßenbaus

nennen und zur Verfügung stellen. Aber das machen Sie nicht.

Eben wurde es so schön erklärt: Unter Ihrem Staatssekretär Becker – immer noch von der rotgrünen Vorgängerregierung – wurde nicht nur die Streichliste erarbeitet, sondern es gab einen Vergabestopp für alle Ingenieurbüros. Das war doch das Problem. Von Ihrem Hause durfte nichts mehr vergeben werden, insbesondere auch dann nicht, wenn es um abgängige Brücken ging.

Sie sprachen eben die Personalreduktion der letzten Jahre an. Ja, es ist Personal reduziert worden. Es ist auch schon unter den Ministern Wittke und Lienenkämper Personal reduziert worden. Ich sage Ihnen aber auch: Es gibt einen natürlichen Abgang, und wenn Neueinstellungen zu erfolgen haben, werden, seitdem Rot-Grün regiert, Verwaltungsmitarbeiter, Juristen – also beamtete Bedenkenträger – und Ökologen eingestellt statt Statiker, um die Brücken in Ordnung zu bringen.

Dazu kann ich nur sagen: Wir müssen daran arbeiten, die A1 zukunftsfest achtspurig neu zu gestalten.

Im Entschließungsantrag von Rot-Grün ist eine Ansammlung von Selbstverständlichkeiten aufgeführt, und es wird die Verantwortung an den Bund weitergegeben. Von daher muss man dazu gar nichts weiter sagen. – Schönen Dank.

(Beifall von der CDU – Achim Tüttenberg [SPD]: Nicht einmal Gemeinderatsniveau!)

Vielen Dank, Herr Kollege Schemmer. – Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Breuer das Wort. Herr Kollege Breuer, bitte.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Laumann, wer solche Verkehrsexperten wie Herrn Schemmer in den eigenen Reihen hat, braucht keine Laien mehr.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Denn selbst Laien müssen doch erkennen, dass der ehemalige Generalsekretär der SPD, der heutige Minister Groschek, das Handling des Fiaskos an der Rheinbrücke generalstabsmäßig gehandelt hat. Sehr gut! Ein großes Kompliment an Herrn Minister!

(Beifall von der SPD)

Sie würden ja fast noch den Verdacht äußern wollen, dass Herr Groschek selbst Hand angelegt hat, damit er dieses Thema heute auf die Tagesordnung bringen kann. Sie sind weit von der Realität entfernt, meine Damen und Herren. Wir sind Herrn Minister dankbar dafür, dass er uns heute über die Geschehnisse unterrichtet und es zum Thema im Plenum des Landtags macht, wie es um die Verkehrs

infrastruktur in Nordrhein-Westfalen im Bereich der Bundesfernstraßen bestellt ist.

Wir wollen noch einmal auf den Anlass zurückblicken, Herr Schemmer, nämlich auf die Tatsache, dass die Rheinbrücke als lebenswichtige Verkehrsader an der A1 dem Verfall ausgesetzt ist, wie es auch für andere Brücken gilt. Die Brücken bröseln, und Deutschland droht der Verkehrsinfarkt.

Wir haben in den vergangenen zwei Wochen hautnah erleben müssen, wie sehr die Wirtschaft, die Bürgerinnen und Bürger auf eine intakte Verkehrsinfrastruktur angewiesen sind. Die Auswirkungen der Sperrung der A1 und der Rheinbrücke für Lkws ab 3,5 t sind gravierend. Die Lkws müssen weite Umwege fahren. Dadurch entstehen Umfahrungsverkehre, die zur Überlastung anderer Autobahnen führen, zu Staus, mehr Abgasbelastungen der Bürgerinnen und Bürger. Nachteilige Auswirkungen auf die Logistikunternehmen treten ebenfalls ein.

Man muss auch einmal berücksichtigen, welche Kosten dort im Verhältnis zu den Belastungen entstehen, die die Unternehmen tragen, wenn es um die Lkw-Maut geht. Darauf komme ich gleich zurück.

Das zurzeit einzig Erfreuliche ist, dass wir feststellen können: Die Experten von Straßen.NRW haben die Straßen und Brücken in Nordrhein-Westfalens gut im Blick. Ihnen ist es zu verdanken, dass die Schäden dort frühzeitig entdeckt wurden und unverzüglich die erforderlichen Schritte eingeleitet werden konnten. Die Sicherheit der Straßen in NordrheinWestfalen scheint also gewährleistet zu sein. Ich füge hinzu: noch gewährleistet zu sein.

Erfreulich ist auch, dass die Rheinbrücke dem Anschein nach repariert werden kann, die Instandsetzungsarbeiten in Kürze beginnen und der Verkehr für Lkws in drei Monaten wieder freigegeben werden kann.

Wir hoffen, dass das bis zu dem Zeitpunkt Bestand hat – der kommen muss –, zu dem ein Ersatzneubau erfolgt. Es ist sicherlich zu begrüßen, dass sich der Bund an den Planungskosten beteiligt und 950.000 € bereitstellt. Man fühlt sich zwangsläufig an die Werbung von Franz Beckenbauer erinnert, der gesagt hat: „Ja, is‘ denn heut‘ scho‘ Weihnachten?“, oder muss zur Kenntnis nehmen, dass man den Wahltagen im nächsten Jahr näher rückt, meine Damen und Herren.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Wir müssen aber auch ein paar Fragen beantworten – Herr Groschek hat dazu schon einiges ausgeführt –: War das alles, oder ist das nur ein Einzelfall? Dazu können wir sicherlich sagen: Nein. Was kommt noch auf uns zu? Müssen wir bald weitere Großbrücken sperren lassen? Müssen diese saniert werden? Vor allen Dingen: Wer soll das bezahlen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Landesbetrieb Straßen.NRW geht heute davon aus, dass etwa 400 Brücken an Autobahnen und Fernstraßen saniert oder ersetzt werden müssen. Herr Groschek hat auf die erforderlichen Nachrechnungen hingewiesen, aber auch darauf, dass Landesstraßen sowie Landes- und kommunale Brücken betroffen sind.

Statische Überprüfungen zur aktuellen Tragfähigkeit haben schon jetzt dazu geführt, dass einige Brücken, wie es heißt, abgelastet werden. Das bedeutet: 30 Brückenbauwerke auf Bundesautobahnen in Nordrhein-Westfalen sind für den Schwerlastverkehr ab 44 t schon heute nur eingeschränkt befahrbar. Schwerlasttransporte können dort nur unter verschärften Auflagen entlangfahren.

All das ist Realität und kein Wunder, denn die Güterverkehrsleistungen, die über unsere Straßen gehen, die die Straßen belasten, die sie zu ertragen haben, haben sich seit der Wiedervereinigung fast verdoppelt und betrugen im letzten Jahr

435 Milliarden Tonnenkilometer. Die Anzahl der Schwerlasttransporte hat ebenfalls zugenommen.

Was ist zu tun, meine Damen und Herren? – Die Koalitionsfraktionen haben Ihnen heute eine Entschließung zur Unterrichtung der Landesregierung vorgelegt. Mit der Entschließung fordern wir, zuallererst ein Sonderarbeitsprogramm zur statischen Prüfung und zur Sanierung der Brückenbauwerke an Bundesfernstraßen auf den Weg zu bringen. Wir fordern auch Sie auf, Herr Schemmer, in Ihren Reihen aktiv zu werden, um dies zu unterstützen. Das Land Nordrhein-Westfalen bleibt in seiner Verantwortung für die Planung und für das Baustellenmanagement. Der Minister hat Ausführungen dazu gemacht, dass man dieser Verpflichtung auch nachkommt.

Entscheidend ist und bleibt, dass der Bund als Baulastträger der Bundesfernstraßen und Brücken die erforderlichen Finanzmittel in auskömmlicher Höhe bereitstellt. Davon kann heute nach wie vor keine Rede sein. Allein die Kosten für die eben skizzierten Sanierungen von Neubauten und der Brücken auf Bundesfernstraßen betragen etwa 3,5 Milliarden €. Wir wissen, dass der Bedarf insgesamt bei etwa 7 Milliarden € liegt.

Wir müssen dringend darüber diskutieren: Wie kann man die Straßeninfrastruktur stärker verursachergerecht finanzieren? Wir sind der Überzeugung, dass die Lkw-Verkehre stärker in die Pflicht genommen werden müssen als bisher; denn schließlich ist die Belastung der Straßen durch einen schweren Lkw von 40 t etwa 40.000-mal größer als durch ein Pkw. Schwere Lastkraftwagen verursachen mithin in besonderem Maße Kosten für den Bau, den Erhalt und den Betrieb der Straßen. Mit einer Ausweitung der Lkw-Maut für Fahrzeuge über 7,5 t auf allen Straßen der Bundesrepublik könnte dem schon bald Rechnung getragen werden. Mit der Ausweitung der

Maut auf alle Straßen des Landes, aber auch der Kommunen würde zugleich das Problem der Mautausweichverkehre gemindert. Möglicherweise liegt darin auch ein Schlüssel, wie die kommunalen Straßen zukünftig besser finanziert werden können. Dazu besteht Diskussionsbedarf.

Für uns ist es jedenfalls zwingend, dass zusätzliche Einnahmen aus dem Mautsystem tatsächlich

zweckgerichtet für die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur verwendet werden. Darauf legen wir großen Wert.