Okay. – Wenn wir jetzt nicht konzentriert und klug handeln, drohen uns in den nächsten Jahren weitere massive Schäden in der Verkehrsinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen, die auch unseren Wirtschaftsstandort schwächen werden.
Wir brauchen verstärkte Investitionen. Wir brauchen hier auch weitere Unterstützung vom Bund. Die Benachteiligung von Nordrhein-Westfalen in zahlreichen Bereichen, die wir auch zahlenmäßig nachgewiesen haben – wenn vonseiten des Bundes Gelder
zur Verfügung gestellt werden, stehen uns nach dem Königsteiner Schlüssel 21 % zu; wir stellen aber fest, dass bei den zentralen Infrastrukturprojekten nur 3 bis 4 % nach Nordrhein-Westfalen fließen –, muss dringend beendet werden. Wir brauchen mehr Geld für Infrastruktur. Der Druck muss hier erhöht werden.
Egal, welche Regierung und welche Farbenlehre gerade am Start war, ist Nordrhein-Westfalen in den letzten zehn, 15 Jahren hier deutlich benachteiligt worden.
Wir von SPD und Grünen laden mit diesem Entschließungsantrag alle Fraktionen zur Diskussion und zur Mitarbeit ein. Teilweise gibt es im Verkehrsausschuss konstruktive Debatten und eine fraktionsübergreifende Zusammenarbeit. Sie ist in dieser Frage dringend notwendig, damit wir nicht aufs Abstellgleis geschoben werden und noch weitere Vorfälle wie den in Leverkusen zu beklagen haben. Wir dürfen in Nordrhein-Westfalen nicht abgehängt werden. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Debatte geht es zum einen um die Rheinbrücke in Leverkusen und deren Sperrung für Lkws über 3,5 t. Es geht natürlich auch um die Infrastrukturpolitik und deren Finanzierung in Gänze. Deshalb möchte ich in acht Punkten auf diese Thematik eingehen.
Erster Punkt: wirtschaftliche Bedeutung der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland und in NordrheinWestfalen. Meine Damen und Herren, die Verkehrsinfrastruktur ist das Herz des Industriestandortes Nordrhein-Westfalen. Wenn es dort zu erheblichen Engpässen kommt oder vielleicht sogar Engpässe geschlossen werden müssen, hat das für die Wirtschaft, die Arbeitsplätze und den Industriestandort dramatische Folgen.
Das betrifft die Brücken wie die Rheinbrücke in Leverkusen. Das betrifft Schleusen, die in NordrheinWestfalen in einem ganz schlechten Zustand sind; und wenn eine Schleuse dicht ist, kann ein Schiff auch nicht mehr umgelenkt werden. Das betrifft zahlreiche Schienenengpässe, die genauso saniert werden müssen.
Wir haben 10.000 Brücken in Nordrhein-Westfalen: 3.800 an Autobahnen, 2.500 an Bundesstraßen, 3.600 an Landesstraßen. Bei den Bundesfernstraßen hat man festgestellt, dass 400 Brücken in Nordrhein-Westfalen sanierungsbedürftig sind. Das ist
schon eine Hausnummer. 700 Brücken sind dort überprüfungsbedürftig, was auch immer am Ende dabei herauskommt. Zahlreiche Brücken sind schon jetzt nur eingeschränkt befahrbar.
Die Sperrung der Brücke, von der wir hier reden, ist doch schon vor Monaten und Jahren diskutiert worden. Diese Sperrung stand immer im Raum. Die Frage war doch nicht, ob die Brücke gesperrt wird, sondern die wirkliche Frage war:
Wann kommt es zu einer Sperrung? – Diese Frage müssten sich alle Beteiligten gestellt haben, auch in der Vergangenheit, und dementsprechend gehandelt haben.
Darüber hinaus warnen zahlreiche Experten vor einer Unterfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur im Bund und im Land, und zwar nicht nur in der Zukunft; sie blicken dabei auch auf die Vergangenheit.
Zweiter Punkt: die Bedeutung der Brücke bei der A1 in Leverkusen. 15.000 Lkws fahren dort am Tag entlang. Jetzt benötigt jeder Lkw im Durchschnitt einen Umweg von 25 km. Das macht eine Mehrfahrzeit von ungefähr einer halben bis ganzen Stunde aus. Im Monat sind das 300.000 zusätzliche Fahrstunden oder 7,5 Millionen zusätzlich gefahrene Kilometer.
Die Sperrung einer solchen Brücke ist für die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen und deren Verkehr ein Super-GAU. Man muss aufpassen, dass man so etwas in Zukunft vermeidet, und sich überlegen, wie man damit umgeht.
Dritter Punkt: das Krisenmanagement des Ministers. Am 30. November 2012 – auch an diesem Tag haben wir hier im Hohen Haus getagt – fand um 14 Uhr aufgrund der Schadenstufen ein Termin an der Rheinbrücke in Leverkusen statt. Es folgte die Sperrung für Lkws ab 3,5 t. Für 14 Uhr wurde also sehr eilig ein Fototermin einberufen. Wir sind von Minister Groschek ja – oft in der Presse, manchmal auch hier – flotte Sprüche gewohnt. Er redet von „Luxusgettos“, was auch immer das ist. Er spricht von „ÖPNV auf lau“. Würde ich sein Vokabular benutzen, könnte ich mit Blick auf diesen Fototermin sagen: Das war Schau statt Bau, Herr Minister.
In Ihrer Botschaft haben Sie den Versuch unternommen, von Ihrer Verantwortung, von der Verantwortung des Ministeriums, abzulenken. Dabei hat das Land doch vom Bund die Auftragsverwaltung für die Bundesfernstraßen übertragen bekommen. Es musste für die Ausschilderung von Umleitungsstrecken und für eine neue Verkehrsführung gesorgt werden. Alles hat Tage gedauert, meine Damen und Herren. Das war kein gutes Krisenmanagement. Das Krisenmanagement war eine Katastrophe.
Im Nachhinein stellt man sich natürlich die Frage, warum man sich nicht rechtzeitig mit einem Konzept beschäftigt hat, wenn man doch wusste, dass es gerade bei dieser Brücke zu irgendeinem Zeitpunkt zu einer Sperrung kommen musste, weil dort besondere Stahlkonstruktionen vorhanden sind, und warum man nicht in Vorlauf geht und alle Beteiligten rechtzeitig, bevor es zum Super-GAU kommt, fragt: Da droht uns Gefahr. Wie gehen wir mit dieser Gefahr um? Habt ihr Ideen, damit wir rechtzeitig reagieren können, wenn es zu diesem Super-GAU kommt?
Alles das hat man unterlassen. Alles das hätte man tun können. Dann wäre das Krisenmanagement weitaus besser gelaufen. Am 18. Dezember dieses Jahres folgt jetzt ein runder Tisch. Das ist zwar gut, aber einfach zu spät.
Vierter Punkt: Unterfinanzierung der Infrastruktur. Experten – ich habe es eben gesagt – reden von einer chronischen Unterfinanzierung bei Bund und Land. Schauen wir auf die Zahlen: 2011 hat Nordrhein-Westfalen vom Bund für den Bundesfernstraßenbau 1,047 Milliarden € bekommen, von 1998 bis 2009 im Durchschnitt 778 Millionen €, also deutlich weniger als im Jahre 2011. Und wer waren die Verkehrsminister von 1998 bis 2009, meine Damen und Herren? – Müntefering, Klimmt, Bodewig, Stolpe und Tiefensee!
Wegen des Handelns Ihrer eigenen Verkehrsminister in Berlin ist Ihre Forderung nach mehr Geld vom Bund absolut unseriös.
Schauen wir noch kurz auf die Landesstraßen! Auch dort gibt es einen erheblichen Sanierungsstau; man denke nur an die fast 4.000 Brücken. 2009 wurden von CDU und FDP 171 Millionen € zur Verfügung gestellt. Jetzt sind es nur noch 141 Millionen €, bereitgestellt von SPD und Grünen, also weit weniger. Vom Bund fordern Sie mehr, und selber tun Sie weniger. Auch das ist widersprüchlich und nicht in Ordnung.
Fünftens. Werden Lkw-Fahrer und Speditionen abgezockt oder nicht? Die Straße bringt im Jahr 53 Milliarden € an Steuereinnahmen. Im Jahre 2013 ist geplant, dass davon 10,7 Milliarden an alle Verkehrsträger zurückfließen. Da habe ich doch kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabeproblem. Seit Jahren werden da die falschen Prioritäten gesetzt; Herr Klocke hat eben recht gehabt.
Die Lkw-Maut wurde zum 1. Januar 2005 eingeführt, damals unter den Ministern Eichel und Stolpe – Finanzen und Verkehr –, und wenig später wurden diese beiden durch Steinbrück und Tiefensee abgelöst. Lieber Herr Minister Groschek, das ist also unter Ihrer Ägide entstanden. Damals hat man eine Kompensation für die Spediteure versprochen.
„Versprochen – gebrochen“, diese Kompensation hat nicht stattgefunden. Es wurde zwar mehr Geld für die Infrastruktur versprochen, das dringend benötigt wird, aber es war der damalige Finanzminister Peer Steinbrück, der den entsprechenden Titel des Verkehrshaushalts wieder um jeden Euro, der bei der Lkw-Maut hereinkam, reduziert hat. Das war unter dem Strich ein Nullsummenspiel. Die Spediteure haben bezahlt, und am Ende kam kein einziger Euro mehr für die Infrastruktur dabei heraus.
Genau das ist doch auch der Fehler in Ihrem Antrag. Sie schreiben dort, dass die neue Lkw-Maut auf weiteren Straßen zwingend für die Verkehrsinfrastruktur verwendet werden muss. Aber Sie sagen nicht, dass der Verkehrshaushalt nicht gleichzeitig reduziert werden darf. Ihr Antrag lässt das gleiche Spiel, das im Jahre 2005 unter Peer Steinbrück stattgefunden hat, wieder zu.
Genau das müssen wir aber doch verhindern. Sie hätten schreiben müssen, dass die Mittel im Bundeshaushalt nicht reduziert werden dürfen. Aber das haben Sie versäumt.
Minister Groschek hat eben schön erklärt: Was bedeutet Große Koalition? Ramsauer will die PkwMaut, Minister Groschek will die Lkw-Maut. Meine Damen und Herren, bewahren Sie uns vor einer Großen Koalition in Berlin!
(Beifall von der FDP und der CDU – Verein- zelt Beifall von der SPD – Dieter Hilser [SPD]: Wider besseres Wissen!)
Sechstens: die Daehre-Kommission und deren Begleiter. Die Daehre-Kommission hat den Investitionsstau sehr genau berechnet und warnt mit guten Argumenten vor einem Verkehrschaos in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen.
Sie will neue Finanzierungskonzepte vorstellen und insbesondere mit sehr viel Fingerspitzengefühl mit Finanzpolitikern reden, um neue Weg zu gehen. Deshalb kommt übrigens Herr Dr. Daehre selber im Februar in den nordrhein-westfälischen Landtag.
Und was machen die Kollegen von SPD und Grünen? – Sie können diese Entwicklung nicht in Ruhe abwarten, zeigen nicht das notwendige Fingerspitzengefühl, bringen schon heute einen Antrag ein,
Sie nehmen der Kommission doch die Möglichkeit, in den nächsten zwei Monaten weiter zu verhandeln, weil Sie jetzt schon eine Entscheidung verlangen. Das ist der falsche Weg. Der Antrag wird einfach viel zu früh gestellt. Es wäre klug gewesen, die heutige Diskussion in den Ausschuss, in das Gespräch mit Dr. Daehre im Februar mitzunehmen, um dann zu vernünftigen Entscheidungen zu kommen.