Um eines jedoch klar zu sagen: Kriminalpolizeibeamte, Staats- und Amtsanwälte und Strafrichter können trotz allem persönlichen Engagement immer nur so erfolgreich sein, wie es organisatorische Rahmenbedingungen, Abstimmungen und Zusammenarbeit sowie überzeugende Strafverfolgungsstrategien zulassen.
Meine Damen und Herren, hier hilft keine Strafverfolgungsstatistik, die das Ergebnis nur abbildet. So muss uns als Politik die Analyse der Zahlen und Berichte aus dem Bereich der Kriminalpolizei beschäftigen, bei Einbruchskriminalität werde zunehmend nach dem Motto „Aktenzeichen, abheften, fertig“ verfahren. Das macht mich anlässlich der dargestellten erschreckend niedrigen Aufklärungsquoten besorgt.
Aber zugleich muss man den Blick auf die Justiz richten und sicherstellen, dass Einstellungen nach dem Opportunitätsprinzip als Ausnahme vom grundsätzlichen Verfolgungszwang nicht der Notausgang für völlig überlastete Staatsanwaltschaften werden dürfen.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf den nicht kompensierten Personalausfall zu sprechen kommen. Allein die ordentliche Gerichtsbarkeit und die Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen verzeichnen derzeit 1.265 planmäßige Beamte sowie 603 Arbeitnehmer, die sich in Elternzeit befinden, beurlaubt sind oder an den Bund etc. abgeordnet sind, davon fast 460 nach R1 bis R3 Besoldete. Das Justizministerium sieht nach seinen Ausführungen im Rechtsausschuss keine Notwendigkeit für einen angemessenen personellen Ausgleich. Und das Problem wird ja von Jahr zu Jahr zunehmen, etwa aufgrund spürbar sinkender Referendarzahlen, die bislang zu Entlastungen durch Aktenbearbeitung und Sitzungsvertretung geführt haben.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich kurz die Entwicklung der Jugendkriminalität ansprechen. Wenn es tatsächlich einen Trend beim Rückgang der Verurteilungen und Straftaten von Jugendlichen im Jahr 2011 gibt, dann ist das allein der Erfolg von Schwarz-Gelb in den Jahren 2005 bis 2010.
Fakt ist: Unter Rot-Grün ist seit 2010 kein einziges weiteres Haus des Jugendrechts in NRW entstanden. Warum planen Sie eigentlich ein solches in Paderborn und nicht in Düsseldorf, nach den Fallzahlen einem der Kriminalitätsschwerpunkte in Nordrhein-Westfalen? Für die landesweite Ausweitung des erfolgreichen Projekts „Staatsanwalt für den Ort“ brauchte Rot-Grün ganze zweieinhalb Jahre.
Die beiden Projekte „Das Haus des Jugendrechts in Köln“ und „Staatsanwalt für den Ort“, die von Schwarz-Gelb eingerichtet wurden, sind erfolgreiche Beispiele für eine bessere und engere Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft, Polizei und Jugendgerichtshilfe und für schnellere Verfahren und zeitnähere Sanktionen.
Meine Damen und Herren, festzustellen ist ferner ein bedenklicher Trend: Der Anteil der Jugendlichen, die wegen Gewalttaten mit sexuellem Hintergrund verurteilt werden, an den Gesamtverurteilungen steigt spürbar an, nämlich von 2001 bis 2011 um rund 8 %.
Von Ihnen, Herr Justizminister, erwartet die FDP mehr Einsatz im Stillen für die vielen Projekte im Land, statt sich mit populistischen bundespolitischen Themen im Medienlicht zu sonnen. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der jüngsten Sitzung des Rechtsausschusses haben wir die Frage diskutiert, ob auch wir Parlamentarier mit Überschriften für anzusetzende Tagesordnungspunkte nicht dazu beitragen, dass die Öffentlichkeit manches Mal eher missverständlich informiert wird.
Der Diskussion im Rechtsausschuss lag eine Anmeldung für einen Tagesordnungspunkt der CDUFraktion zugrunde mit folgender Überschrift: „Vielfach vorbestrafter Intensivtäter erhält erneut Bewährungsstrafe“. In der fachlichen Diskussion im Ausschuss stellte sich sodann heraus, dass es sich bei diesem Intensivtäter um einen Jugendlichen mit zwei kleineren Vorstrafen handelte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum nehme ich Bezug auf diese im Rechtsausschuss geführte Diskussion? Auch heute diskutieren wir im Rahmen einer Aktuellen Stunde über einen Antrag von CDU und FDP mit der von diesen Fraktionen gewählten Überschrift: „Rückgang strafrechtlicher Verurteilungen und Anstieg Verfahrenseinstellungen trotz besorgniserregender Kriminalitätsentwicklung in Nordrhein-Westfalen“. Der aufmerksame Zuhörer wird sich fragen, ob sich denn nun alle Bürgerinnen und Bürger NRWs sorgen müssen.
Aber genau hier liegt doch das Problem bzw. stellt sich die Frage nach unserer Verantwortung, der Verantwortung von Politik selbst. Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, wir sind dazu da, ob mit Überschriften oder auch pointierten Wortbeiträgen, Menschen anzusprechen. Das ist unsere Aufgabe als Parlamentarier. Das wird von uns erwartet. Was jedoch – jedenfalls nach Ansicht der SPDFraktion – nicht von uns erwartet wird, ist, durch reißerische Überschriften und gewollte Skandalisierungen solche Sorgen überhaupt erst entstehen zu lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist keine primäre Aufgabe für uns Parlamentarier. Unsere Aufgabe als Parlamentarier ist es, den Menschen in NRW offen, transparent und verständlich zu erklären, was warum wie in ihrem Bundesland vor sich geht.
Genau das hat auch der Justizminister getan, als er am 18. Januar dieses Jahres die Strafverfolgungsstatistik für das Jahr 2011 vorgestellt hat – eine Statistik, die auf 34 Seiten alle Informationen gibt, die man braucht, um sich intensiv mit dieser Materie zu befassen, und die es nicht verdient, in einigen wenigen Sätzen so zusammengefasst zu werden, wie Sie es in Ihrem Antrag getan haben, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP.
Den von Ihnen angesprochenen besorgniserregenden Anstieg der Kriminalität hat der Justizminister auf der entsprechenden Pressekonferenz klar damit erklärt, dass dies vor allem – nicht nur, aber vor allem – mit den Fällen der Beförderungserschleichung – umgangssprachlich für Nichtjuristen: mit dem sogenannten Schwarzfahren – einhergeht. Es ist nämlich festzustellen, dass die Zahl der Verurteilungen nach der einschlägigen Vorschrift des § 265a StGB von gut 12.700 im Jahre 2010 auf 16.500 im Jahre 2011 anstieg. Grund für diesen massiven Anstieg ist nach allgemeiner Ansicht insbesondere ein verändertes Anzeigeverfahren der zuständigen Verkehrsbetriebe und Verkehrsunternehmen.
Keinesfalls ist hierhin jedoch ein besorgniserregender Kriminalitätsanstieg zu sehen, vor dem die nordrhein-westfälische Bevölkerung zu warnen wäre,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der antragstellenden Fraktionen. Was Sie nämlich nicht ausführen, ist die Tatsache, dass bei den Jugendlichen – Herr Wedel hat das einmal kurz angesprochen – die Zahl der Verurteilten deutlich um 7,5 % gesunken ist.
Die vorgelegte Strafverfolgungsstatistik macht daher durchaus positive Entwicklungen im Bereich der Jugendkriminalität deutlich. Sie lässt einen Rückgang von Jugenddelikten und von Verurteilungen Jugendlicher erkennen. Nach Ansicht der SPD-Fraktion hilft eine konsequente Nutzung der Gestaltungsmöglichkeiten des Jugendstrafrechts, Kriminalität wirksam zu bekämpfen. Weiterhin weist die kriminalpolizeilich bedeutsame Deliktgruppe Gewaltkriminalität einen – zugegebenermaßen leichten – Rückgang auf. Auch bei den Gewalttaten mit sexualisiertem Hintergrund ist ein deutlicher Rückgang zu erkennen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind Aussagen aus der vorgelegten Strafverfolgungsstatistik, die wir ebenfalls in die Öffentlichkeit bringen müssen. Sie zeigen nämlich, dass sich etwas zum Positiven bewegt. Sie zeigen zudem, dass Kriminalitätsbekämpfung und Strafverfolgung in NRW einen hohen Stellenwert haben. Jedes Verfahren in diesem Bereich weniger bedeutet nämlich auch weniger Opfer.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, deshalb ist Ihre Argumentation falsch, aus der Tatsache, dass die Zahl der Verurteilten auf den zweitniedrigsten Stand seit 2003 zurückging, den Schluss zu ziehen, dass immer weniger Täter überführt werden; denn Sie lassen den Grundsatz, dass jede nicht begangene Straftat in einem Rechtsstaat doch das Maß aller Dinge sein soll, in Ihren Gedanken gar nicht zu. Das ist Ihr Fehler, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Opposition, das meinen wir, wenn wir Sie darauf ansprechen, gerade im Bereich der inneren Sicherheit und der Justiz politisch vorsichtig und weitsichtig zu agieren.
Lassen Sie mich als Rechtsanwalt, der in den letzten Jahren vermehrt als Strafverteidiger tätig war, eine persönliche Anmerkung machen. Herr Kollege Wedel, wenn Sie die informellen Verfahrensbeendigungen, also insbesondere diejenigen nach §§ 153, 153a StPO, 45 JGG, ansprechen und dies auch noch in den Kontext Ihres Antrags stellen, so ist doch darauf hinzuweisen, dass die Staatsanwaltschaft als Teil der Exekutive nach dem Legalitätsprinzip zunächst alle Anzeigen verfolgen muss und erst im Laufe der Ermittlungen entscheidet, ob sie das Verfahren einstellen muss oder kann. Hieraus abzuleiten, dass lieber eingestellt wird als ange
Ihre Äußerungen im Rahmen dieser Aktuellen Stunde lassen leider erkennen, dass Ihnen nicht daran gelegen ist, positive Ansätze zur Kriminalitätsbekämpfung zu begleiten. Vielmehr liegt Ihnen daran, dieses Thema zu nutzen, um das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu erschüttern. Dies geht jedoch vollkommen an der Realität in NRW vorbei, wie die vorgelegte Strafverfolgungsstatistik belegt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Kollegin Hanses das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Schon die Überschrift des Antrags von Schwarz-Gelb zu dieser Aktuellen Stunde lässt uns am Rechtsverständnis der Antragsteller zweifeln. „Rückgang strafrechtlicher Verurteilungen und Anstieg Verfahrenseinstellungen trotz besorgniserregender Kriminalitätsentwicklung in Nordrhein
Westfalen“ – darin sind ganz viele Fehler auf einmal enthalten. Das müssen wir jetzt erst einmal durchgehen.
Ich kann Ihnen da gerne grundsätzlich noch einmal etwas erklären. Beim Kollegen Wedel habe ich durchaus Hoffnung, beim Kollegen Kruse war ich gerade verzweifelt.
Als Pädagogin ist mir klar, dass Wiederholungen – Frau Ministerin Löhrmann ist auch hier – ein wichtiges Lernprinzip sind. Von daher: Wie wichtig Gewaltenteilung ist, können wir hier noch einmal auseinanderdividieren. Herr Minister Kutschaty, vielleicht könnten Sie der CDU-Fraktion auch einmal Rechtskundeunterricht anbieten. – Ich weiß, der Minister macht das sehr erfolgreich.
Sie machen hier einen absurden, schrägen und völlig unzulässigen Zusammenhang zwischen der Kriminalitätsstatistik und der Strafverfolgungsstatistik 2011 auf. Was gibt es mittwochs morgens Spannenderes? Ich freue mich, denn die Rechtspolitik bekommt vielleicht jetzt eine größere Aufmerksamkeit. Dann schauen wir gemeinsam in den Antrag hinein.
Wenn Sie in Ihrem Antrag behaupten, es sei bedenklich, dass die Zahl der Anklagen und Strafbefehle gesunken sei, dann ist das erstens falsch und
zweitens haben Sie das nicht zu bewerten. Sie bedauern Verfahrenseinstellungen. Das wiederum bedauere ich. Liebe CDU, liebe FDP, das steht Ihnen nicht zu, das steht uns nicht zu. Denn Richterinnen und Richter, die keinen Strafbefehl erteilen, und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, die Verfahren einstellen, entscheiden das unabhängig. Herr Wedel, nicht nur die Richterinnen und Richter, auch die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte entscheiden das unabhängig, sorgfältig, nach Prüfung im Einzelfall.
Eine Bewertung durch die Politik weisen wir entschieden zurück. Diese rechtsstaatliche Unabhängigkeit der Justiz ist ein hohes Gut, das wir zu respektieren und zu erhalten haben.
Das Parlament und die Regierung können aus unserer Sicht lediglich Folgen für die Rechtspolitik daraus ziehen. Und das haben wir gemacht. Der Justizminister hat am Freitag in seiner Vorstellung zwei Instrumente der Kriminalitätsstatistik dargelegt. Ich möchte hier ein Weiteres ergänzen. Er nannte die Häuser des Jugendrechts und die Staatsanwälte für den Ort. Ich möchte kurz auf den Haushalt eingehen, in dem wir den Jugendarrestvollzug pädagogisch weiter ausrichten.
Wir können hier festhalten, dass der Rückgang der Jugendkriminalität um 7,5 % bedeutet, dass es der niedrigste Wert seit 14 Jahren ist. Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung, Herr Kruse, nimmt die Jugendkriminalität ab. Es ist schon länger zu beobachten, dass das trotz der demografischen Entwicklung kein Selbstläufer ist. Dafür muss man etwas tun.
Um diese Entwicklung fortzusetzen, müssen wir die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Wir können es nämlich nicht hinnehmen, dass 5 bis 10 % aller jungen Tatverdächtigen 50 % der Straftaten ihrer Altersgruppe begehen. Und da, Herr Kruse, liegt der Unterschied. Uns sind die nämlich nicht egal. Wir werden weiter sinnvolle Instrumente ausbauen – ja, selbstverständlich –, die bereits Frau MüllerPiepenkötter eingeführt hat.
Die Staatsanwälte für den Ort und die Häuser des Jugendrechts wurden genannt. Dafür braucht man Ressourcen. Das müssen wir in die Fläche bringen, an verschiedene Orte, Herr Wedel. Selbstverständlich ist Paderborn auch ein wichtiger Ort. Auch da gibt es Jugendliche, die ein Recht auf eine Begleitung, eine Betreuung haben, damit eine Straftat ein einmaliges Ereignis im Leben junger Menschen bleibt und sich kriminelle Karrieren nicht manifestieren.
Es hat sich bewährt. In der Jugendhilfe nennt man es „sozialräumlichen Ansatz“, was Staatsanwälte für
den Ort leisten, nämlich die Zuständigkeit nicht nach Anfangsbuchstaben des Nachnamens zu wählen, sondern nach dem Wohnort. Dadurch entstehen kurze Wege, die Bündelung der Sachkompetenz. Das hat zu deutlich verkürzten Verfahren – um ca. 15 Tage – geführt.