Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/2276 – Neudruck
In wenigen Sekunden eröffne ich die Beratung und erteile als erstem Redner der drei antragstellenden Fraktionen Herrn Kollegen Schultheis das Wort. – Es ist, glaube ich, ruhig genug; Sie können schon beginnen.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin, ich bin in der Lage, etwas lauter zu sprechen, sodass man die Geräuschkulisse damit durchaus in den Griff bekommt.
Wir haben einen Antrag eingebracht – das sind SPD, Bündnis 90/Die Grünen und auch die Fraktion der Piraten, die sich diesem Antrag angeschlossen hat, was ich sehr begrüße, Herr Dr. Paul – zu einem Bereich der Gesetzgebung, der in die Zuständigkeit der Bundesebene fällt.
Wir fordern jedoch unsere Landesregierung auf, eine Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen, um eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes durchzusetzen. Dies soll im Kontext der großen Linie der NRW-Landespolitik stehen, nämlich gute Arbeit zu ermöglichen und gerade für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Rahmenbedingungen für gute Arbeit zu erreichen.
Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ist sozusagen ein Restbestand des ehemaligen Hochschulrahmengesetzes, das die Befristung von Arbeitsverträgen bei Beschäftigungsverhältnissen im Bereich der Wissenschaft vorsieht, ausgenommen die Professorinnen und Professoren.
Wir haben diesen Antrag gestellt, weil an unseren Hochschulen immer mehr Beschäftigungsverhältnisse einer Befristung unterliegen, die nicht mit dem ursprünglichen Ziel „Befristung zur Qualifikation“ übereinstimmt. Mittlerweile gibt es bei 83 % der Beschäftigungsverhältnisse Befristungen; so lautet die aktuelle Zahl. Von diesen Verträgen sind 53 % bis zu einem Jahr befristet, 36 % auf ein bis zwei Jahre; 11 % sind länger befristet, ab zwei Jahren.
Das macht deutlich: Die Befristung, um beispielsweise eine Promotion zu erreichen, wird sicherlich mehr als ein Jahr betragen. Das halten wir für unverantwortbar. Das sind prekäre Beschäftigungsverhältnisse, die junge Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler aufnehmen müssen.
Insofern muss ich sagen, dass die im FDP-Entschließungsantrag dargestellte Ausgangslage sich so neutral verhält, dass diesem Tatbestand nicht Rechnung getragen wird. Im Antrag der FDP heißt es auf Seite 1 – ich möchte das mit Genehmigung der Präsidentin zitieren –:
„Das WissZeitVG enthält Sonderbefristungsregelungen, die sich wegen des Bezugs zu einem selbstständigen Weiterqualifizierungsziel – in der Regel die Promotion – nicht ohne weiteres auf andere ‚klassische‘ Arbeitsverhältnisse übertragen lassen.“
Das stimmt zwar, aber das wollen wir auch nicht, Frau Kollegin Freimuth. Wir sind uns sehr wohl bewusst, dass es eine Befristung geben muss. Aber die muss einen Zeitrahmen umfassen, der zumutbar ist und auch mit dem vereinbar ist, was an Qualifikation verlangt wird.
Bei dem Aufgabenkatalog, den Sie schildern, sieht das wiederum besser aus. Das passt in manchen Punkten mit unserem Antrag überein.
Aber wir wollen auf keinen Fall einen Tarifvertrag für die wissenschaftlichen Beschäftigten hier heute mit beschließen, weil dieses Thema auch unter denjenigen, die betroffen wären, sehr unterschiedlich beurteilt wird.
Uns geht es um die Aufhebung der Tarifsperre und bei Masterstudiengängen um die Anrechnung auf die zulässige Höchstbefristungsdauer. Bei Befristungen in der Promotionsphase brauchen wir eine Betreuungsvereinbarung. Dem stimmen Sie ja auch zu. Wir wollen, dass in der Regel 24 Monate die Zeit ist, die hier vertraglich vereinbart wird. Wir wollen auch, dass die Laufzeiten bei den Drittmittelprojekten mit den Laufzeiten der Drittmittelprojekte selbst übereinstimmen, aber auf jeden Fall – bei solchen Drittmittelprojekten, die länger angelegt sind – 24 Monate betragen.
Wir wollen natürlich, dass es eine Möglichkeit gibt, diese Regelungen, was die Beschränkung der Befristungen angeht, auch für das nichtwissenschaftliche Personal und für nichtkünstlerisches Personal anzuwenden.
Ich sage noch einmal: Frau Kollegin Freimuth, Sie können gerne unserem Antrag zustimmen. Denn im Forderungsteil sind auch wesentliche Punkte enthalten, die Sie in Ihrem Entschließungsantrag vorsehen.
Vielen Dank, Herr Kollege Schultheis. – Die nächste Rednerin ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Dr. Seidl.
Ich will die Fraktionen darauf hinweisen, dass die Redereihenfolge sich geringfügig dadurch ändert, dass wir drei Antragsteller haben. Nach Frau Dr. Seidl bekommt dann die Piratenfraktion mit Herrn Dr. Paul das Wort. – Frau Dr. Seidl, bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die prekären Beschäftigungsverhältnisse von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an den Hochschulen sind ein bundesweites Thema. Das ist nicht nur relevant für NordrheinWestfalen. Spätestens seit der im September 2011 im Bundestag vorgestellten Evaluation der HIS GmbH zum sogenannten Wissenschaftszeitvertragsgesetz wissen wir, dass sich die positiven Erwartungen der damaligen Bundesregierung nicht erfüllt haben.
Ziel war es ja, nachhaltige Personalentwicklung zu befördern und zu einem ausgewogenen Verhältnis von befristeten und unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu kommen.
Aber die Wirklichkeit sieht derzeit anders aus. 83 % der hauptberuflichen wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben eine befristete Stelle, und zwar bundesweit, darunter ein hoher Anteil von Nachwuchswissenschaftlerinnen in der zweiten Qualifikationsphase, also gerade in einer Lebensphase, in der das Bedürfnis nach verlässlichen Berufsperspektiven steigt.
Besonders beunruhigend ist, dass 53 % der Arbeitsverträge eine Laufzeit von unter einem Jahr aufweisen. Das ist unangemessen und auch inakzeptabel. Denn wenn Aufgaben in Forschung und Lehre in immer größerem Umfang von befristet Beschäftigten ausgeübt werden, gefährdet das die Leistungsfähigkeit des Wissenschaftssystems. Hinzu kommt, dass Wissenschaft als Beruf ohne verlässliche Perspektiven auch zunehmend unattraktiver wird.
Wir sprechen hier keineswegs von einer kleinen Gruppe von Berufseinsteigern. Die Rede ist vielmehr von der Mehrheit und dem Kernbestand der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die an
Die derzeitige Vertragspraxis hin zu immer kürzeren Zeitverträgen bedeutet für die Betroffenen, auf Jahre hinaus unter hochgradig prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten und leben zu müssen. Sie erschwert auch die Lebens- und Familienplanung und schadet der Attraktivität wissenschaftlicher Berufslaufbahnen erheblich.
Der Trend, an den Hochschulen möglichst viel Personal zu möglichst kostengünstigen Bedingungen einzustellen, kommt natürlich nicht von ungefähr. Wenn die Aufgaben in Forschung und Lehre wachsen, aber gleichzeitig auch immer mehr öffentliche Drittmittel über die Kofinanzierungspflicht der Länder die Sicherung der Studierendenzahlen und der Forschungsleistung abfedern sollen, dann geht das natürlich auch zulasten der Grundfinanzierung der Hochschulen.
Die Mittel aus dem Hochschulpakt erreichen zwar die Hochschulen unmittelbar, die Mittel pro Studienanfängerin entsprechen aber keineswegs den realen Kosten eines Studienplatzes. Die Drittmittel für die Forschung, insbesondere der Pakt für Forschung und Innovation, binden zusätzliche Mittel aus der Grundfinanzierung für die sogenannten Overheadkosten. Dies führt wiederum dazu, dass die Lücken mit kostengünstigen Nachwuchskräften und prekären Verträgen gestopft werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen deshalb, dass die Personalstrukturen an unseren Hochschulen wieder in ein vernünftiges Gleichgewicht gebracht werden. Es ist richtig, dass es weiterhin flexible Personalbedarfe in Wissenschaft und Forschung geben muss. Da gebe ich der FDP auch in ihrem Antrag Recht. Dies darf aber nicht zulasten der berechtigten Interessen der Beschäftigten gehen und zu immer kürzeren Arbeitsverhältnissen führen.
Vor diesem Hintergrund fordern wir – der Kollege Schultheis hat es schon gesagt – in unserem Antrag die Landesregierung auf, eine Bundesratsinitiative zu starten, um die verschiedenen Interessen im Wissenschaftssystem sachgemäß und flexibler auszutarieren, als dies bei dem derzeitigen Gesetz mit seinen starren Vorgaben möglich ist. Dazu gehören die Aufhebung der Tarifsperre und die Einführung von Mindestlaufzeiten für auf der Grundlage des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes abge
Als zusätzliche Voraussetzung für eine Befristung in der Promotionsphase ist eine ergänzende Betreuungsvereinbarung vorgesehen. Diese soll das Qualifizierungsziel der Beschäftigung bezogen auf die Promotion festlegen. Darüber hinaus soll die Anrechnungspraxis von studienbegleitenden Arbeitszeiten und die Anrechnung von Elternzeit, Betreu
Erstens. Wenn Sie es ernst gemeint hätten, wären Sie vielleicht früher mit uns in die Diskussion eingestiegen.
Zweitens leistet Ihr Antrag keinen wesentlichen Beitrag zum eigentlichen Kern des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, nämlich den Kurzbefristungen von Arbeitsverträgen im Wissenschaftsbereich.
Insgesamt bleiben Sie mit all Ihren Forderungen beliebig unpräzise. Vor dem Hintergrund können wir den parlamentarischen Einschub nicht berücksichtigen und ernst nehmen.
Schluss. – Wir halten die von uns angestrebte Gesetzesänderung für überaus wichtig und würden uns freuen, wenn Sie die vorgelegten Änderungen für ein reformiertes Wissenschaftszeitvertragsgesetz im
im Sinne der Qualität der wissenschaftlichen Arbeit an unseren Hochschulen mittragen und die vorgeschlagene Bundesratsinitiative unterstützen würden. – Herzlichen Dank.