Protokoll der Sitzung vom 21.03.2013

Für die zweite antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich nun Frau Kollegin Paul das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Paralympics 2012 in London waren ein absolutes mediales und sportliches Spektakel. 2,7 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer jubelten zwei Wochen den 4.200 Paralympionikinnen und Paralympioniken zu. Die Athletinnen und Athleten äußerten dabei in unzähligen Interviews, wie wichtig ihnen ihr Sport ist und wie dankbar sie für die enorme Aufmerksamkeit und die Unterstützung sind, die ihnen während der Spiele zuteilwurden.

Lassen Sie uns eines festhalten, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Die enormen Leistungen, die Sportlerinnen und Sportler mit Handicap erbringen, verdienen unseren Respekt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Lassen Sie uns aber auch festhalten: Nur weil die Spiele vorbei sind, darf die Unterstützung und die Ermutigung für Menschen mit Behinderung, Sport zu treiben, nicht nachlassen.

Vier Jahre ist es bereits her, dass Deutschland die UN-Konvention zu den Rechten von Menschen mit

Behinderung ratifiziert hat. In Art. 30 wird ihnen ausdrücklich die gleichberechtigte Teilhabe an sportlichen Aktivitäten auf allen Ebenen zugesprochen – ob in gemischten Teams mit Menschen mit und ohne Behinderung, wo sie gemeinsam trainieren und spielen, oder auch in Teams mit Menschen, die durch ihre Behinderung ähnliche Herausforderungen zu bewältigen haben.

Fest steht, auch NRW muss und wird geeignete Maßnahmen ergreifen, damit alle Menschen an Sport und Bewegung teilhaben können.

(Beifall von Manuela Grochowiak-Schmieding [GRÜNE])

Ganz in diesem Sinne hat das Sportministerium bereits im letzten Oktober eine Tagung zur Inklusion im Sport in Köln durchgeführt. In seiner Eröffnungsrede betonte Staatssekretär Neuendorf, dass trotz der hervorragenden Arbeit des nordrhein

westfälischen Behinderten-Sportverbandes nach

wie vor der Anteil von Menschen mit Behinderung im aktiven Sport im Vergleich zu den aktiven Sportlerinnen und Sportler ohne Behinderung viel zu gering ist. Das möchten wir ändern. Dazu diente diese Tagung. Dazu dient nun auch dieser Antrag.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bewegung ist für die persönliche Entwicklung und Gesundheit jedes einzelnen und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt wichtig. Werte und Normen der Gesellschaft, gegenseitiger Respekt, Toleranz, Empathie und Gemeinschaftsgefühl werden bei gemeinsamen sportlichen Aktivitäten geschult.

Schon unsere Kleinsten erlernen, was in diesem Haus vielleicht noch ein bisschen zu kurz gekommen ist, mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Begabungen umzugehen und sich gegenseitig zu respektieren.

Darum möchte ich noch einmal ganz klar sagen: Der Sport ist ein zentraler Bestandteil auf dem Weg hin zu einer inklusiven Gesellschaft. Ein wichtiger Baustein – mein Kollege hat es gerade schon gesagt –, um dieses großes Ziel zu erreichen, ist die Infrastruktur. Denn Infrastruktur schafft Realität und ist zentrale Voraussetzung.

Wir wollen die Richtlinien für den Sportstättenbau überprüfen und sie für ein inklusives Sportland NRW fit machen. Dabei müssen wir neben den eigentlichen Sportstätten in jedem Fall auch auf den Sanitärbereich und die Zufahrtswege achten, damit die Sportlerinnen und Sportler auch auf den Platz kommen und damit sie nach dem Sporttreiben auch eine heiße Dusche genießen können. Nicht zuletzt bei diesem Wetter ist das eine wichtige Angelegenheit.

Der Rückbau von barrierefreien Sportstätten bei der Modernisierung oder gar ein nicht barrierefreier Neubau von Sportstätten darf nicht durch Landesgelder unterstützt werden. Wir wollen aktiv für das

gemeinsame Sporttreiben von Menschen mit und ohne Behinderung werben. Der Wille zum gemeinsamen Sporttreiben ist bei vielen Vereinen und ihren Aktiven groß. Allein fehlt ihnen oftmals die nötige Information, um sich auch tatsächlich auf den Weg zu machen.

Gemeinsam mit den Bünden und den Verbänden wollen wir den Vereinen die nötige Unterstützung an die Hand geben, um ihre Vereine inklusiv weiterzuentwickeln. Wir setzen dabei ausdrücklich nicht nur auf gemeinsame Angebote im Breitensport. Auch für Leistungssportlerinnen und Leistungssportler sind gemeinsame Trainingseinheiten und auch das gemeinsame Spiel eine Bereicherung. Dies gilt es ebenso zu fördern. In diesem Sinne muss auch das Leistungssportprogramm 2020 angelegt werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Herausforderungen auf den Weg hin zu einer inklusiven Gesellschaft sind vielfältig. Sie zu lösen, ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Doch die Größe der Herausforderung steht dem Gewinn für eine vielfältige Gesellschaft in nichts nach. In diesem Sinne, liebe Kolleginnen und Kollegen: gut Sport!

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die CDU-Fraktion erteile ich nun der Frau Abgeordneten Milz das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, in den Beschreibungen, wie viel Sport bedeutet, sind wir uns alle einig. Wir sind uns sicher auch alle darin einig, dass es für Menschen mit Behinderungen noch sehr viel zu tun gibt, damit in den Sportvereinslandschaften auch entsprechende Angebote vorrätig sind.

Die Zielvorgabe muss es sein, dass tatsächlich jedes Kind, egal ob es behindert ist oder nicht, Angebote und Zugang zu aktiven Mitgliedschaften finden kann. Dass das alles keine Normalität ist, das brauche ich denjenigen unter uns nicht zu erzählen, die sich in der Szene aufhalten.

Bei der Überschrift Ihres Antrags heißt es auch „Inklusion“. Aber die Schwerpunkte im Inhalt nachher, im Anschluss an die allgemeine Einführung, liegen, so finde ich, deutlich auf medizinischen Sichtweisen, das heißt auf Behinderten- und Reha-Sport. Dorthin fließt das Geld, was es sowieso schon gibt.

Behinderte sollen auch über Behinderten

Sportprogramme informiert werden, finden aber in vielen Landesteilen überhaupt kein Angebot außer Herz-Sport-Gruppen, Reha-Gruppen, Sportgruppen nach Krebs und all diese Dinge. Dabei sehnen sich gerade Kinder mit Down-Syndrom zum Beispiel nach Fußball spielen. Kinder im Rollstuhl wollen

sich im Wasser bewegen. Viele junge Leute mit allen möglichen Behinderungen lieben es zu tanzen. Und das ist der Punkt: Sie sind nicht krank. Sie wollen keinen Reha-Sport.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Haben Sie den An- trag auch gelesen?)

Sie können sich melden, wenn Sie mich was fragen wollen, ja, gerne.

Gerade diesem Ziel entspricht das Vereinsentwicklungsprojekt, das beim Landessportbund am vergangenen Wochenende angelaufen ist. Da haben sich elf interessierte Vereine getroffen, die sich auf den Weg dorthin machen wollen bzw. in Teilen auch schon damit begonnen haben. Sie haben Grundsätze formuliert, sie haben über die Inklusion in den verschiedenen Abteilungen ihres Angebotes gesprochen und Erfahrungen ausgetauscht.

Ich finde – das kam, glaube ich, bei Frau Paul vorhin deutlicher heraus als bei dem Kollegen von der SPD –, dass wir sehr stark auf die Motivation der Vereine setzen müssen. Bei den Punkten 1 und 2 Ihres Antrages vermisse ich das aber. Ich frage mich: Was heißt denn eigentlich „Zugänglichkeit stärker gewichten“? Solche Punkte können wir allerdings im Ausschuss noch diskutieren.

Da nützt es dann auch nichts, wenn im Aktionsplan der Landesregierung steht, dass sie sich „im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel an entsprechenden Aktivitäten durch die Förderung von Projekten und Maßnahmen beteiligen“ will. Wir alle wissen ja, dass diese Haushaltsmittel nicht da sind. Das ist natürlich schade.

Im Antrag wird darauf hingewiesen, dass die positiven Aspekte des Sports auch und insbesondere für Menschen mit psychischer Behinderung oder kognitiven Einschränkungen wichtig sind. Das stimmt. Sie verweisen dann auf die besondere Strategie, derer es bedarf. Ja – dann steht dort aber nicht, ob Sie überhaupt eine Strategie haben. Jedenfalls habe ich das nicht erkennen können. Im Antrag wurden die Ausführungen dazu vielleicht einfach nur vergessen. Das ist auch wieder schade.

Ein solches Wortgeklimper – um noch einmal zum Aktionsplan zurückzukommen – findet sich an vielen Stellen. Sie haben erkannt, dass sich manche Menschen – das sagte Frau Paul auch – mit Behinderungen sehr leistungsstark entwickeln wollen und können. Man braucht dazu entsprechende Ressourcen. Ja, auch das ist richtig. Papier ist geduldig. Was das für Ressourcen sind, ist ebenfalls nicht aufgelistet. Das ist auch wieder schade.

Wenn man Inklusion im Sport wirklich will, dann darf man eben nicht nur über bestehende Angebote oder Barrierefreiheit informieren, sondern muss gezielt die Vereine informieren und unterstützen, sich zu entwickeln.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das sollte aus den Vereinen heraus selber kommen. Denn auch Vereine haben längst erkannt, dass sie zukunftsfähig sein müssen – gerade in Konkurrenz mit den Ganztags- und Halbtagsangeboten – und dass sie überlegen müssen, wie der Sport im Verein hier eine Ergänzungsmöglichkeit sein kann.

Die Vereine wissen, dass sie im Wettbewerb stehen. Sie wollen sich bewegen. Sie benötigen aber auch Kooperation und Vernetzung. Da muss man einmal schauen, ob nicht beispielsweise die Inklusionshelfer aus den familienbetreuenden Maßnahmen mit aufgenommen werden können, die über einen ungeheuren Wissensschatz verfügen.

Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Motivation der Übungsleiter. Ich bin selber Übungsleiterin und unterrichte solche Gruppen. Die Fortbildungsangebote fehlen zum großen Teil noch. Wir müssen darüber nachdenken, wie man hier vorgehen kann und wie man den Bereich der Inklusion in die Ausbildungskataloge derjenigen implementiert, die künftig eine Übungsleiterausbildung machen wollen, damit dieses Thema nicht ewig nachgeschult werden muss. Ich glaube, dass bei den Übungsleitern durchaus eine Aufbruchstimmung herrscht und dass man sie sehr gut für dieses Thema gewinnen kann.

Ich kann nicht in fünf Minuten alle Aspekte auflisten. Wir haben im Ausschuss noch genügend Gelegenheit zur Diskussion. Ich möchte aber noch einige Stichworte nennen. Hierzu gehören: „Anpassung der Regelwerke“, „Reduzierung der Taktikanforderungen“, außerdem die vereinfachte Darstellung der Regeln in Print- und Onlineversion. Ich war schon in Essen im Franz Sales Haus und habe mir das Ganze angeschaut. Es ist wunderbar, und ich finde es absolut phantastisch, wie es dort bereits gemacht wird.

Wie ich hörte, wird jetzt auch im Fußball schon darüber nachgedacht, ob man nicht einen regulären Wettkampfbetrieb mit inklusiven Gruppen aufziehen kann, egal ob in Turnierform oder im Ligabetrieb.

Das alles finde ich prima. Ich freue mich darauf, wenn wir dazu kommen können, die Motivation der Vereine, der Übungsleiter und letztlich die der Menschen zu nutzen, damit wir uns gemeinsam weiter auf den Weg machen können. – Danke.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Milz. – Nächster Redner ist für die FDP-Fraktion Herr Abgeordneter Lürbke.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist an der Zeit, es ist gut, und es ist richtig, dass wir uns heute auch im Bereich Sport um die Umsetzung der UN

Konvention und damit über die Rechte von Menschen mit Behinderungen unterhalten.

Die UN-Behindertenrechtskonvention hat einen Prozess angestoßen, den wir als Parlament aktiv begleiten müssen. Wir stehen in besonderer Verantwortung, die Inklusion in die Lebenswirklichkeit der Menschen und damit in unsere Gesellschaft zu tragen.

Bei allen Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten, die dieser Prozess auch mit sich bringen mag, ist für die FDP klar, dass wir in allen Bereichen, auch im Sport – sei es im Breitensport, im Schulsport oder im Spitzensport – das Ziel der inklusiven Gesellschaft nicht aus den Augen verlieren dürfen.

(Beifall von der FDP)