Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksacke 16/2280 an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk – federführend –, an den Ausschuss für Kommunalpolitik und an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Wer stimmt der Überweisung zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag einstimmig so überwiesen.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Mobilitätsakteure! Niemand hier möchte Zugangssperren gegen Schwarzfahrer errichten. Davon gehe ich aus. Das würde auch allem widersprechen, was wir sonst so fordern, schon unseren Bemühungen, vollständige Barrierefreiheit zu erreichen, wie es das Personenbeförderungsgesetz bis 2022 bundesweit fordert. Die barrierefreie Umgestaltung der Bus- und Bahnhaltestellen wäre mit zusätzlichen Barrieren gegen Schwarzfahrer kaum erreichbar.
Es geht jedoch beim barrierefreien Zugang zu Mobilität nicht nur um bauliche Maßnahmen, an vielen Stellen gibt es Zugangshürden. Auch hohe Einzelticketpreise oder eine niedrige Taktfrequenz sind Zugangshürden. Im Regen auf den Bus warten zu müssen, ist eine Zugangshürde. Und viermal umsteigen zu müssen, ist auch eine Zugangshürde. Es gibt viele Dinge, die Zugangshürden sind und den ÖPNV unattraktiv machen. Auch vermeintliche Kleinigkeiten können entscheidende Eintrittshürden zur Nutzung des ÖPNV sein. Auch im Sinne verbesserter Lebensqualität in den Städten sollte es die Auf
gabe aller Akteure sein, den ÖPNV attraktiver zu gestalten und Zugangshürden abzubauen. Ziel muss es sein, mehr Verkehrsteilnehmer für den ÖPNV zu gewinnen.
Die Grundhaltung, die hinter noch so vagen Plänen steht, Schwarzfahrer durch Zugangssperren abzuhalten, die auch alle anderen Nutzer beeinträchtigen, geht in die komplett entgegengesetzte Richtung. Darum ist unser Antrag wichtig – nicht, weil wir befürchten, dass der VRR nun unmittelbar damit beginnt, Bahnsteigkarten einzuführen, wir möchten hingegen, dass Verkehrsverbünde und Verkehrsunternehmen das Ziel eines attraktiveren ÖPNV ohne Zugangshürden verinnerlichen können,
dass sie ein eigenes Interesse an einer grundsätzlichen Erhöhung der Fahrgastzahlen im ÖPNV entwickeln können. Denn – seien wir ehrlich – dies ist derzeit nicht gegeben. Eine Erhöhung der Fahrgastzahlen ohne oder mit negativem wirtschaftlichem Nutzen für das Unternehmen ist für Verkehrsbetriebe ungefähr so attraktiv, wie eine Stunde im Schneeregen auf den Bus zu warten. Und damit die Fahrgäste nicht im Regen stehen gelassen werden, muss es das Land Nordrhein-Westfalen für die Verkehrsunternehmen attraktiver machen, den ÖPNV attraktiver zu machen, und zwar nicht nur für AboKunden, sondern auch für neue Nutzer des ÖPNV.
Wir haben bereits und werden noch oft darüber diskutieren, wie man eine Steigerung der Attraktivität des ÖPNV bewirken und dessen Akzeptanz und Nutzung durch die Gesellschaft ausweiten kann. So schlägt die Zukunftskommission ÖPNV der Landesregierung auch in ihrem Zwischenbericht Maßnahmen zur Verbesserung von Raumbedienung und Angebotsgestaltung vor. Ja, auch Herr Husmann ist dort neben vielen weiteren Vertretern der Akteure Mitglied, und zwar in den entscheidenden Arbeitsgruppen Zielsystem und Finanzierung.
In dem Zielsystem werden Umweltziele und Mobilitätsziele der Bezahlbarkeit gegenübergestellt. Mal abgesehen davon, dass hier Ziele fehlen, nämlich die der gesamtgesellschaftlichen Bezahlbarkeit von Verkehr und die der Steigerung der Lebensqualität abseits von Mobilitätsbedürfnissen – nicht alles lässt sich unter „Umweltziele“ packen. Abgesehen davon fällt auf, dass die Bezahlbarkeit öffentliche und private Haushalte berücksichtigt, jedoch nicht die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Verkehrsunternehmen, obwohl es natürlich die ganze Zeit darum geht. Der Einfluss dieser Komponente auf die Mobilitätsziele ist enorm.
Wir erfahren in dem Zwischenbericht auch, dass Fahrgeldeinnahmen im Regelfall 35 bis 50 % der anfallenden Betriebskosten abdecken und als Baustein der ÖPNV-Finanzierung unverzichtbar wären. Ein Nulltarif der ÖPNV-Nutzung sei abzulehnen. Warum? – Weil dieser Nulltarif zu erheblichen Fehl
steuerungen und zu einer finanziellen Schwächung des ÖPNV führen würde. Also, eigentlich sind die Fahrgeldeinnahmen dazu da, Fehlsteuerungen zu vermeiden, dafür zu sorgen, dass Verkehrsunternehmen eigenverantwortlich das Angebot so verbessern, dass der ÖPNV fahrgastzahlenmäßig expandieren kann. Funktioniert allerdings nicht! Stattdessen wird darüber nachgedacht, wie man Schwarzfahrer abhält, Gängelung aller Nutzer in Kauf genommen.
Fahrgeldeinnahmen können also in der Praxis die ihnen zugedachte Steuerungsfunktion nicht übernehmen. Die Anzahl verkaufter Einzeltickets massiv zu erhöhen, macht für kein Verkehrsunternehmen wirtschaftlich Sinn. Höhere Fahrgastzahlen erhöhen die Kosten, ob nun mit oder ohne den Anteil an Fahrgeldeinnahmen. Fahrgeldeinnahmen sind irrelevant! Wir brauchen von den Fahrgeldeinnahmen unabhängige Anreizsysteme.
Deshalb haben wir in dem Antrag vor allem unsere zweite Forderung gestellt. Ich bitte, diese vor allem zu beachten. Im Übrigen wäre auch das Leistungsschutzrecht eine Barriere. Darüber sollten Sie bis morgen noch einmal nachdenken. – Vielen Dank.
Danke schön, Herr Bayer. – Nun spricht für die SPD-Fraktion zum ersten Mal Herr Kollege Löcker. Er hält heute seine Jungfernrede. Wir freuen uns darüber und wünschen ihm dafür Glück. Glück auf! Bitte schön.
Herzlichen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht um Barrierefreiheit im ÖPNV. Googelt man unter dem Stichwort Inklusion, hat man es dieser Tage eher mit seitenweisen Abhandlungen über schulische Inklusion zu tun. Es fällt auf, dass das Thema „inklusive Gesellschaft“ auch im Internet oft nur auf die Frage der schulischen Inklusion verkürzt wird.
Abseits dieser wichtigen Debatte über die schulische Inklusion, ihre Anforderungen und Auswirkungen in Städten und Schulen muss es uns aber auch gelingen, nicht minder wichtige Fragen in diesem Zusammenhang in den Mittelpunkt einer politischen Debatte zu stellen. Damit sind wir auch bei dem Thema des heutigen Abends.
Wäre es der Anspruch des Antrags der Piraten gewesen, dieses Thema heute Abend zu diskutieren, wäre es in Ordnung gewesen. Wir sind heute Abend aber wieder einmal eines Besseren belehrt worden. Sie wollten nur das Thema „ticketloser Nahverkehr“ unter einem anderen Label noch einmal in den Mittelpunkt der Debatte stellen. Ihr Versuch, diese Debatte in der Form weiterzuführen, ist aufgefallen, meine Damen und Herren.
Wir wollen uns gerne mit der Debatte über einen barrierefreien ÖPNV beschäftigen. Ich habe noch einmal nachgeschaut, was der Bundestag zum 1. Januar 2013 in Kraft gesetzt hat. Wir wollen einen mobilitätsgeförderten ÖPNV. Wir wollen die Menschen im Sinne der UN-Menschenrechtskonvention täglich daran teilhaben lassen und es ihnen ermöglichen, den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen. Kurz und knapp: Mobil zu sein, ist ein Grundrecht. Dies gilt es auch im ÖPNV zu sichern.
Damit wären wir bei der Frage, ob das schon der Fall ist. Es ist legitim, das zu fragen. Vieles ist im Nahverkehr schon richtig, manches ist befriedigend, einiges ist ausreichend, man kann aber auch sagen, einiges ist noch mangelhaft.
Wir haben einen klaren Rechtsrahmen, meine Damen und Herren. Das deutsche Recht für den ÖPNV wurde an den geltenden EU-Rechtsrahmen, über den bereits geredet wurde, angepasst. Auch die Fernbuslinien wurden entsprechend liberalisiert. Auf diesen Kompromiss, der auch Regelungen zur Barrierefreiheit enthält, haben sich die Fraktionen im Bundestag bereits geeinigt, meine Damen und Herren. So viel zum Thema.
Die Barrierefreiheit im ÖPNV soll von den Kreisen, kreisfreien Städten und Zweckverbänden, wie es die Gesetzesnovelle vorsieht, verbindlich in die entsprechenden Nahverkehrspläne aufgenommen
werden. Wie vorgetragen wurde, soll sie auch bis 2022 umgesetzt werden. Hiermit ist für den entsprechenden Rechtsrahmen gesorgt. Das gilt auch für die Busunternehmen. Das heißt, die Grundlage für eine realistische Ausgestaltung im ÖPNV ist damit gegeben.
Es ist auch vorgesehen, dass sich die kommunalen Behindertenbeauftragten und -beiräte sowie die Verbände der behinderten Menschen vor Ort an der Aufstellung dieser Nahverkehrspläne über mehrere Jahre beteiligen sollen und müssen. Damit ist gesichert, dass ihre Kompetenz eingebracht werden kann. Wünschenswert wäre es in diesem Zusammenhang, dass Behindertenbeauftragte und -beiräte einen entsprechenden Leitfaden an die Hand bekämen, damit sie diese Dinge vernünftigerweise erledigen können.
Eine weitere Neuerung ist die Liberalisierung des Fernbusverkehrs. Zukünftig dürfen Fernbuslinien untereinander und mit dem Eisenbahnverkehr konkurrieren. Das wissen wir bereits.
Damit das neue Angebot auch für mobilitätseingeschränkte Menschen nutzbar ist, um die es in diesem Zusammenhang gehen muss, sollten angemessene Übergangsfristen vorgesehen sein. Bis 2019 sollen auch die Fernbuslinien so ausgestattet sein, dass Menschen mit Behinderung sie nutzen können. Das ist ein großer Schritt voran im ÖPNV, damit er auch für Menschen mit Behinderung attraktiver ist.
Ein barrierefreier Nahverkehr ist für Menschen mit Behinderung, aber auch für ältere Menschen unverzichtbar, um Mobilität überhaupt zu ermöglichen.
Mit der Änderung des Personenbeförderungsgesetzes kommen wir der Umsetzung dieser UNBehindertenrechtskonvention ein Stück näher, wie ich meine. Die Bundesländer und die Verbände haben hier gute Arbeit geleistet. Die Gesetzesänderung ist ein großer Erfolg für einen barrierefreien Nahverkehr.
Insofern hilft allerdings die Idee von Zugangssperren auf U-Bahnhöfen nicht wirklich weiter. So viel muss man heute sagen. Es ist kein guter Vorschlag, sollte aber auch keinen Anlass für einen Entschließungsantrag sein. Dieser Vorschlag ist einfach Mumpitz, sonst nichts. Er hilft uns in der Sache überhaupt nicht weiter.
Wir sollten die Städte und Gemeinden dabei unterstützen, ihren gesetzlichen Auftrag zu erfüllen. Bei der Umsetzung dieser Barrierefreiheit dürfen die Verbünde, deren Unternehmen und die sie tragenden Kommunen finanziell nicht überfordert werden. Es ist wichtig, das zu betonen, und muss noch einmal klar gesagt werden. Daher sagen wir: Fortschritt ja, aber schrittweise und mit Augenmaß, meine Damen und Herren. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Wie es gute Sitte ist in unserem Hause, darf ich Ihnen im Namen des gesamten Parlaments sehr herzlich zu Ihrer Jungfernrede gratulieren.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben doch alle das Ziel eines barrierefreien Nahverkehrs. Bei einem ÖPNV als Daseinsvorsorge ist barrierefreier Zugang eine zwingende Bedingung. Das ist mittlerweile in alle Bereiche der Regelung eingeflossen. Das ist gerade umfassend dargelegt worden und eigentlich auch schon seit über 20 Jahren bekannt.
Ich habe es selber in meiner Tätigkeit zig Niederflurbusse beschafft. Das ist mittlerweile Standard. Die Barrierefreiheit in den Stationen ist inzwischen sehr weit fortgeschritten, wenn auch sicherlich noch nicht genug.
Leider ist beim kürzlich erlassenen ÖPNV-Gesetz eine gegenläufige Entwicklung beschlossen worden, nämlich eine Kürzung um 30 Millionen € für ortsfeste Anlagen. Das ist sicherlich kein Rückenwind für die Erneuerung der Stationen. Wir haben dazu auch erlebt, dass die Piraten das ÖPNVGesetz nicht abgelehnt, sondern sich der Stimme enthalten haben. Es wäre vielleicht sauber gewesen, wenn Sie das Gesetz abgelehnt hätten.
Der Nahverkehr muss attraktiv sein. Ganz klar. Die Fahrgastzahlen zeigen, dass er attraktiv ist. Jedes Jahr haben wir Steigerungen. Gäste aus der ganzen Welt pilgern nach Deutschland und sehen sich das Nahverkehrssystem an, das hier ausgesprochen gut ist. Das heißt, es ist hier nicht alles so schlimm, wie es immer dargestellt wird. Nichtsdestotrotz muss das Ziel weiterhin bleiben, den Modal Split zu verbessern.
Das Ganze muss aber auch bezahlbar, es muss finanzierbar sein. Der Kostendeckungsgrad ist in den letzten zehn Jahren um 16 % verbessert worden. Das gesamte System Nahverkehr ist ein Balanceakt. Wir haben die Themen Qualität, Fahrplanangebot, Fahrpreise und Fahrgastzahlen. Das alles sind kommunizierende Röhren.
Verantwortung für die Fahrpreise haben nicht wir hier, sondern die Verkehrsunternehmen und Verkehrsverbünde. Die loten in jeder Tarifstufe aus, was machbar ist. Damit haben wir doch gute Erfahrungen gemacht. Sind die Tariferhöhungen zu hoch, gehen Fahrgäste verloren. Sind sie zu niedrig, kommen mehr Fahrgäste, aber der Kämmerer oder die Kommune müssen nachschießen und müssen an anderer Stelle das Geld wieder hereinholen, oder das Angebot muss gekürzt werden.
Wer verhandelt diese Fahrpreise? Das sind in der Regel die Aufsichtsräte, zumeist Vertreter der Kommunalparlamente, die in die Aufsichtsräte entsandt werden. Dort wird wirklich gerungen um vernünftige Tarifsteigerungen, aber auch die Verantwortung für Wirtschaftlichkeit, Bezahlbarkeit und für den Modal Split, also für mehr Fahrgäste, wird wahrgenommen. Das ist demokratisch und transparent und eine gute Praxis und sollte meines Erachtens so bleiben.