Protokoll der Sitzung vom 26.04.2013

Wir haben es mit einer Situation zu tun, in der die Sachbearbeiter in den Fachkommissariaten an manchen Tagen gar nicht mit der Aufnahme neuer Delikte hinterherkommen, geschweige denn diese auch noch adäquat weiterbearbeiten können.

Als Lösung schlagen Sie beispielsweise vor, Beamte, die aus gesundheitlichen Gründen für den Außendienst temporär ungeeignet sind, für derartige Fahndungsarbeiten einzusetzen. Dabei besteht allerdings folgendes Problem: Die Beamten aus dem Außendienst kommen natürlich zum größten Teil aus dem Wach- und Wechseldienst und den dortigen Dienstgruppen. Was ist mit denen? Deren Arbeit dort erledigt sich auch nicht von selbst.

Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen, dass für die Außendienstkranken auch in den eigenen Dienstgruppen mehr als genug Arbeit vorhanden ist. Ziehen Sie die dort ab, müssen diese Arbeiten von außendienstfähigen Beamten übernommen werden. Dann haben Sie eventuell ein noch größeres Problem. Vielleicht können Sie mir im Ausschuss noch im Detail erläutern, wie Sie das meinen.

Aber – wie gesagt – im Grunde ist es ein guter Vorschlag, diese Plattformen zu beobachten. Wir müssen uns also Gedanken darüber machen, wo das Personal dafür herkommen soll.

Neben der Forderung nach mehr Personal für die Polizei, die auch wir stellen, gibt es selbstverständ

lich noch weitere Möglichkeiten. Zunächst einmal ist es wichtig, den Krankenstand, der tatsächlich besorgniserregend hoch ist, in den Griff zu bekommen.

Unsere Große Anfrage zielt genau in diese Richtung. Es geht um Ursachenforschung: Warum sind die alle so krank? Diese Große Anfrage ist bis heute nicht vollständig beantwortet. Die Ergebnisse einer angeblich eingesetzten Arbeitsgruppe, die laut Aussage des Ministeriums bis Ende April vorliegen sollten, liegen noch nicht vor. Aber der April geht ja noch ein paar Tage. Vielleicht kommt da noch was.

Auch was die Aufgabenreduzierung angeht, müssen wir uns Gedanken machen. Ich verstehe zum Beispiel nicht, warum wir unsere Hundertschaften immer häufiger an andere Länder verleihen, während dort immer mehr Personal abgebaut wird.

Und dann übernehmen wir für diese Länder auch noch einen Großteil der Kosten dieser Einsätze. Mir ist nicht klar, warum wir unser Personal für einen Appel und ein Ei verkaufen, während wir hier selber knapsen. Warum berechnen wir diese Einsätze nicht voll, sodass es sich für die anderen Länder nur noch bei tatsächlichen Einsatzspitzen lohnt, unsere Hundertschaften, unsere Kräfte abzurufen?

Auch was manche Deliktsfelder angeht, werden wir uns zukünftig Gedanken machen müssen. Ich hebe beispielhaft ein Anliegen der Piratenpartei hervor. Welchen Sinn macht es heute noch – obwohl immer mehr auch von namhaften Experten und selbst in den Reihen der Polizei gesagt wird, der Weg sei falsch –, die eindeutig gescheiterte Repressionspolitik im Bereich der Betäubungsmittel fortzusetzen? Dieser Bereich ist ungemein personalintensiv und bringt – das ist das Fatale – eben nicht nur die Polizei, sondern insbesondere auch die Justiz – Staatsanwaltschaften und Gerichte – an personelle Grenzen. Das Personal könnte man woanders, zum Beispiel bei der Ermittlung gegen Wohnungseinbrüche, sinnvoller einsetzen. Von der Beleg- und Personalsituation in den Gefängnissen fange ich an dieser Stelle gar nicht erst zu sprechen an. Sie ist dadurch ebenfalls sehr stark strapaziert.

Aber – damit komme ich zum Schluss – ich lasse mir Ihre Ideen im Ausschuss gerne noch mal im Detail erläutern. Vielleicht ergeben sich da ja neue Erkenntnisse oder neue Zahlen, die ich noch nicht kannte. Ich freue mich auf die Diskussion. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Jäger das Wort.

Herzlichen Dank, Herr Präsident. – In den 47 Kreis

polizeibehörden Nordrhein-Westfalens gibt es jeweils ein Kommissariat für Prävention. Dort werden unter anderem Bürgerinnen und Bürger beraten, wie sie sich am besten vor Einbrüchen schützen können. Weil diese Beratung nicht nur bei ihnen zu Hause erfolgt, gibt es in den Polizeibehörden auch Räumlichkeiten, in denen Fenster und Türen ausgestellt sind. Die Kolleginnen und Kollegen der Polizei haben mir bei meinen Besuchen gelegentlich gezeigt, wie man mit einem handelsüblichen großen Schraubenzieher ein Fenster mit einfachen Beschlägen öffnet. Ich bin in der Lage, ein solches Fenster in drei Sekunden aufzumachen.

Herr Abgeordneter Dr. Orth, wenn ich jetzt Ihrer Logik folge, bin ich nicht nur für 54.000 Einbrüche in diesem Land persönlich verantwortlich; ich habe sogar das Potenzial, sie selbst durchzuführen.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD)

Bei allem Amüsement über Ihren Antrag und Ihre Reden, Herr Golland und Herr Dr. Orth – amüsieren kann man sich insbesondere über die Naivität und die Unkenntnis, mit denen Sie sich diesem kriminellen Phänomen nähern –, ist es für mich als Innenminister schon ärgerlich, wie Sie argumentieren.

(Gregor Golland [CDU]: Sie machen es sich zu einfach!)

Offensichtlich haben Sie ein Problem mit der Polizei, Herr Dr. Orth.

(Dr. Robert Orth [FDP]: Nein!)

Doch. Noch vor wenigen Wochen haben Sie die Polizei in Nordrhein-Westfalen bezichtigt, bei der Rockerkriminalität wegzuschauen. Vorgestern haben Sie den Polizeipräsidentinnen und Polizeipräsidenten in diesem Land vorgeworfen, Parteigänger zu sein. Heute diskreditieren Sie die Kolleginnen und Kollegen bei der Polizei, die sich mit großem Eifer und großem Sachverstand der Einbruchskriminalität stellen, und werfen ihnen vor, sie würden ineffektiv und unmotiviert arbeiten.

(Dr. Robert Orth [FDP]: Sie geben ihnen nur nicht die richtigen Werkzeuge!)

Herr Dr. Orth, das Problem, das Sie mit der Polizei haben, beruht darauf, dass Sie in Person mit dafür verantwortlich sind, dass fünf Jahre lang in diesem Land bei der Polizei zu wenig eingestellt worden ist. Das ist die Ursache. Fünf Jahre lang!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wie der Kollege dargelegt hat, könnten wir heute 2.100 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte mehr auf der Straße haben, wenn Sie nicht bei der Polizei gespart hätten. Das ist die Tatsache.

(Beifall von der SPD)

Heute haben wir mit dem Phänomen zu tun, dass die Einbruchskriminalität sich bundesweit massiv verändert, weil die Täter, die Täterstrukturen und

die Tatbegehungen sich verändern, dass bundesweit die Einbruchszahlen nach oben gehen und dass bundesweit die Aufklärungszahlen sinken; zu dem Grund werde ich gleich noch etwas sagen. Ich finde es schlichtweg ungehörig, diese Problematik als Wahlkampfthema auf dem Rücken der Kolleginnen und Kollegen bei der Polizei austragen zu wollen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das ist unterste Schublade, Herr Dr. Orth.

Tatsache ist: Die Veränderung der Einbruchskriminalität ist – das ist bei den Vorrednern schon angeklungen – auch dadurch verursacht, dass wir es mit einer anderen Tätergruppe zu tun haben, nämlich mit organisierten Banden insbesondere aus Südosteuropa, die vor allem in Städten und Wohngebieten, die nahe an Autobahnen liegen, sodass Fluchtwege vorhanden sind, Einbrüche begehen und anders als früher ihre Beute nicht im Secondhandladen um die Ecke verkaufen, sondern sie häufig in ihre Herkunftsländer mitnehmen, weshalb der Rückschluss zwischen Beute und Täter schwierig wird.

Wir haben reagiert. Alleine 4,5 Millionen € haben wir zusätzlich für das Landeskriminalamt zur Verfügung gestellt, um die DNA-Analyse zu beschleunigen, damit wir nach Einbrüchen sehr schnell feststellen können, ob es sich möglicherweise um einen Täter handelt, dem auch andere Einbrüche zuzuordnen sind. Wir bilden überregionale Datenverbünde, weil diese Tätergruppen ebenfalls überregional arbeiten. Das machen wir im Verbund mit den Polizeibehörden. Das machen wir in der Schwerpunktsetzung im Kompetenzzentrum des Landeskriminalamts. Das machen wir inzwischen auch bundesländer- und staatenübergreifend.

Ich glaube, dass wir hier gut aufgestellt sind – auch im Vergleich mit anderen Bundesländern, was man daran erkennen kann, dass der Zuwachs bei uns geringer ist als in anderen Bundesländern. Das ist aber bei Weitem kein Grund, sich zurückzulehnen – ganz im Gegenteil. Da gebe ich Ihnen ausnahmsweise einmal recht, Herr Dr. Orth.

Ein Einbruch ist materiell in der Regel gar kein so großer Schaden, weil viele Menschen in diesem Land versichert sind. Bei ihnen trägt die Hausratversicherung den materiellen Schaden. Der emotionale Schaden ist viel größer. Das Eindringen in die Privatsphäre, den Schutzraum Wohnung zu verlieren, in der eigenen Wohnung Angst haben zu müssen, das ist für viele Menschen in der Tat ein traumatisches Erlebnis.

Neben dem von Ihnen gewählten Titel „Beute zurück“ – wobei ich das für eine gewisse Naivität halte; eigentlich wollen wir nicht die Beute zurück, sondern den Einbruch verhindern – ist noch viel wichtiger, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie wir uns um die Opfer dieser Einbrüche kümmern und wel

che Hilfestrukturen wir haben. Es gibt Menschen, die einen solchen Einbruch gut verarbeiten. Dazu mögen Sie und ich zählen. In unserer Gesellschaft gibt es aber auch Menschen, für die ein Einbruch ein so einschneidendes, traumatisches Erlebnis ist, dass ihnen über Jahre geholfen werden muss. Darüber sollten wir in der Tat etwas intensiver diskutieren.

(Beifall von der SPD und Reiner Priggen [GRÜNE])

Als ich die von Herrn Kollegen Golland und Herrn Dr. Orth geführte Debatte verfolgt habe, ist mir folgendes Zitat von Heinz Erhard eingefallen: „Manche Menschen wollen immer glänzen, obwohl sie keinen Schimmer haben!“ Ich finde, dem muss man nichts hinzufügen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN – Gregor Golland [CDU]: Tun Sie etwas dagegen!)

Danke sehr, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit sind wir am Schluss der Beratung angelangt.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/2621 an den Innenausschuss – federführend –, an den Rechtsausschuss sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Die abschließende Beratung und Abstimmung sollen im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen möchte, den darf ich um sein Handzeichen bitten. – Regt

sich Widerspruch? – Möchten sich Kolleginnen und Kollegen enthalten? – Das ist nicht der Fall. Damit ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende unserer heutigen Sitzung. Wie sich sicherlich herumgesprochen hat, werden wir die ursprüngliche Terminplanung für die nächste Plenarsitzung verändern, weil die Fraktionen von CDU, FDP und Piraten eine Sondersitzung des Plenums zum Thema „Opel“ beantragt haben.

Deshalb berufe ich die nächste Sitzung ein für Dienstag, den 30. April 2013. Voraussichtlich wird diese Sondersitzung am frühen Nachmittag stattfinden. Die Präsidentin wird Ihnen zügig den genauen Zeitpunkt mitteilen.

Bis wir uns spätestens am Dienstag nächster Woche wiedersehen, wünsche ich Ihnen noch einen angenehmen und erfolgreichen Freitag sowie ein schönes Wochenende.

Die Sitzung ist geschlossen.