Die Fraktion der FDP hat mit Schreiben vom 13. Mai 2013 gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema der heutigen Aktuellen Stunde hat zwei Dimensionen.
Zum einen geht es um die verkehrspolitische Frage eines allgemeinen Tempolimits auf Autobahnen: Sind 120 km/h ein geeignetes Mittel zur Erhöhung der Verkehrssicherheit oder ein wirksamer Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz?
Zum anderen fragen sich die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen nach dem Chaos in der SPD in der vergangenen Woche:
Wer steuert denn die SPD, lieber Herr Ott? Und in welche Richtung wird die SPD gesteuert? Oder sitzen vielleicht sogar die Grünen in der Verkehrspolitik am Steuer der SPD? Auch in NordrheinWestfalen hatte man manchmal diesen Eindruck.
Meine Damen und Herren, auf sensiblen, unfallgefährdeten Autobahnabschnitten besteht bereits heute ein Tempolimit. Knapp die Hälfte des deutschen Autobahnnetzes ist dauerhaft oder temporär geschwindigkeitsbeschränkt. Insbesondere haben sich dynamische/elektronische Verkehrssicherheits- und Leitsysteme bewährt, die auf Witterung und erhöhten Verkehr reagieren. Ein starres Tempolimit ist dagegen nicht geeignet, die Verkehrssicherheit in Deutschland, in Nordrhein-Westfalen zu erhöhen.
Die Autobahnen sind die mit Abstand sichersten Straßen in Deutschland. Die deutschen Autobahnen sind die mit Abstand sichersten in der Welt. Nur 2 % der Unfälle mit Personenschaden in Deutschland haben ihre Ursache in einer unangepassten Geschwindigkeit auf Autobahnen. Nur 2 %! Die meisten Unfälle ereignen sich auf Autobahnen bei Fahrgeschwindigkeiten unterhalb von 120 km/h.
Ein Zusammenhang zwischen allgemeinem Tempolimit und dem Sicherheitsniveau auf Autobahnen lässt sich auch im internationalen Vergleich nicht feststellen.
Zahlreiche Länder mit Geschwindigkeitsbeschränkungen schneiden schlechter ab als Deutschland, zum Beispiel Belgien, Dänemark, Österreich und die USA. Ich könnte noch weitere Länder aufzählen.
Im Bundesland Hessen wurde im Jahre 2010 nach einer Überprüfung der Geschwindigkeitsbeschränkungen auf den dortigen Autobahnen auf der Hälfte der untersuchten Abschnitte das Tempolimit aufgehoben. Danach hat sich die Unfallstatistik sogar verbessert. Der Verkehrssicherheit ist am besten gedient, wenn wir nur dort Vorschriften machen, wo es notwendig ist, und Schilder nur dort aufstellen, wo der Autofahrer und die Autofahrerin sie akzeptieren.
Aber auch unter Umwelt- und Klimaschutzgesichtspunkten lässt sich ein allgemeines Tempolimit nicht begründen, meine Damen und Herren. Dies hat sogar der frühere Umweltminister Sigmar Gabriel erkannt. Er hat die Wirkung von Geschwindigkeitsbegrenzungen, um den Klimaschutz voranzubringen, für sehr, sehr begrenzt gehalten.
Deshalb müssen wir den Verkehrsfluss durch dynamische Verkehrsleitsysteme und den bedarfsgerechten Ausbau der Verkehrsinfrastruktur verbessern. Aber hier – das ist uns allen bekannt – stehen bedauerlicherweise die Grünen auf der Bremse.
Fazit zu diesem ersten Bereich: Es gibt keine sachliche Argumentation für die Einführung eines allgemeinen Tempolimits auf deutschen Autobahnen.
Zweiter Punkt, meine Damen und Herren: Kommen wir zum Chaos in der SPD. In der vergangenen Woche hat die SPD eine Debatte über die Einführung eines allgemeinen Tempolimits auf Autobahnen losgetreten.
Auslöser war nicht irgendein Hinterbänkler, Herr Kollege Ott, sondern immerhin der Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel. Er sagte in einem Interview mit der „Rheinischen Post“: „Tempo 120 auf der Autobahn halte ich für sinnvoll.“
Wer daraufhin meinte – wir haben das als FDP zunächst auch vermutet –, die SPD habe einen abgestimmten Vorstoß unternommen, sah sich allerdings getäuscht. Kanzlerkandidat Peer Steinbrück erklärte: Ich bin gegen ein Tempolimit von 120, weil ich eine Reaktivierung einer solchen Debatte nicht für sinnvoll halte. – Was ist denn das für eine Aussage? Ist er gegen dieses Tempolimit oder nur gegen eine Debatte zum Tempolimit vor der Bundestagswahl?
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte: „Tempolimits sind kein Selbstzweck. Auf Autobahnen sehe ich … keine Notwendigkeit für ein generelles Tempolimit.“ Da hat er ganz einfach recht.
„Wir müssen erst einmal unsere Brücken und Straßen reparieren, damit sie überhaupt befahrbar sind. Über Tempolimits denke ich nach,“
Welche Haltung vertritt die SPD denn nun zum Tempolimit auf Autobahnen? Will man das Thema nur aus dem Bundestagswahlkampf heraushalten? Heute kein Tempolimit, aber vielleicht später? Welche Bedeutung hat denn der Parteitagsbeschluss aus dem Jahre 2007, der selbst von SPDVerkehrsministern auf Bundesebene anschließend nicht umgesetzt wurde? Damals hatte sich der Parteitag sehr knapp für Tempo 130 ausgesprochen.
Meine Damen und Herren, dieser Streit – wir erleben ihn ja auch in vielen anderen Politikfeldern – zeigt vor allem die Orientierungslosigkeit der Sozialdemokraten in Deutschland.
Besteht diese Orientierungslosigkeit auch bei der SPD in Nordrhein-Westfalen? Oder sind die Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen bereit – Herr Ott steht ja gleich hier am Mikrofon –, den Bürgerinnen und Bürgern klar zu sagen, wofür sie stehen? Also fragen wir doch hier und heute: Wie ist die Position der NRW-SPD zum Tempolimit auf Autobahnen? Stehen Sie da näher beim Parteivorsitzenden oder stehen Sie da näher beim Spitzenkandidaten?
Zudem ist natürlich interessant: Wie steht denn die rot-grüne Landesregierung in Gänze zur Einführung der allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung auf deutschen Autobahnen? Auch das interessiert dieses Hohe Haus.
Eine sachliche Argumentation für die Einführung eines allgemeinen Tempolimits auf deutschen Autobahnen gibt es nicht.
Herr Minister Groschek, Nordrhein-Westfalen kann von seinem Verkehrsminister in einer solchen Frage eine klare Position erwarten. Nutzen Sie diese Gelegenheit und sprechen Sie sich hier und heute klipp und klar gegen Tempo 120 und ein allgemeines Tempolimit auf deutschen Autobahnen aus! – Herzlichen Dank.