Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie alle ganz herzlich willkommen zu unserer heutigen Plenarsitzung. Es handelt sich um die 34. Sitzung in der laufenden Legislaturperiode.

Mein Gruß gilt wie immer unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich sechs Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Ohne weitere Vorbemerkungen oder Hinweise können wir nunmehr in die Beratung der heutigen Tagesordnung eintreten.

Ich rufe auf:

1 Unterstützungsmaßnahmen der Landesregie

rung zur Hochwasserhilfe – Nordrhein

Westfalen zeigt sich solidarisch

Unterrichtung durch die Landesregierung

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/3330 – Neudruck

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 16/3331

Ich will Ihnen gerne noch mitteilen, dass der Chef der Staatskanzlei mir mit Schreiben vom 17. Juni dieses Jahres mitgeteilt hat, dass die Landesregierung beabsichtigt, zu dem genannten Thema zu unterrichten.

Die Unterrichtung erfolgt durch die Frau Ministerpräsidentin, der ich hiermit gerne das Wort erteile. – Gleichzeitig möchte ich darauf hinweisen, dass der Geräuschpegel für den Beginn einer Sitzung sehr hoch ist. – Vielen Dank.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Das Hochwasser der letzten Wochen hat im Osten und im Süden Deutschlands ganze Landstriche unter Wasser gesetzt. Tausende Menschen mussten ihr Zuhause verlassen. Es hat sie teilweise schlimmer getroffen als beim sogenannten Jahrhunderthochwasser 2002. Viele müssen neu anfangen, sind verzweifelt und sind mit den

Nerven am Ende. Das Hochwasser hat gezeigt, welche Auswirkungen uns alle treffen können.

Aber das Hochwasser hat noch etwas anderes bewirkt, nämlich eine Welle der Solidarität und der Hilfsbereitschaft in ganz Deutschland. Die hat mich und uns tief beeindruckt, mit Dankbarkeit und mit Stolz erfüllt. Auch das gehört zu einer solchen Debatte.

(Allgemeiner Beifall)

Wie oft wurde geredet und geschrieben von einer Gesellschaft der Individualisten, wo sich jeder nur selbst der Nächste ist. Das, was wir in den letzten Wochen erlebt haben und immer noch erleben, ist exakt das Gegenteil. Die Betroffenen in den Hochwassergebieten brauchten und brauchen unsere Hilfe. Sie haben sie bekommen, in vielfacher Form aus der ganzen Gesellschaft, aus allen Teilen Deutschlands, auch aus Nordrhein-Westfalen.

Nordrhein-Westfalen war stets ein solidarisches Land und wird auch stets ein solidarisches Land bleiben.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN, der FDP und den PIRATEN)

Ja, wir helfen, wo wir gebraucht werden. Tausende Helferinnen und Helfer aus unserem Land sind in diesen Wochen in den Hochwassergebieten unermüdlich im Einsatz und arbeiten oft bis zur Erschöpfung. Feuerwehren helfen dabei, Deiche zu stabilisieren. Wasserrettungszüge der DLRG retteten Eingeschlossene. Das Technische Hilfswerk ist vor Ort. Andere Hilfsorganisationen kümmern sich um die Bürgerinnen und Bürger, die vor dem Wasser fliehen mussten. Das Deutsche Rote Kreuz zum Beispiel ist dabei, die Johanniter, die Malteser, der Arbeiter-Samariter-Bund, der Bund der Deutschen Katholischen Jugend und viele weitere Organisationen, aber auch unsere Polizistinnen und Polizisten und unsere Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. Ihnen gilt heute unser Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Gut war es aber auch, zu sehen, dass ganz viele Menschen, die keiner Hilfsorganisation angehörten, sich freiwillig gemeldet haben. Sie wollten und sie wollen mithelfen, auch beim Aufräumen. Viele Millionen wurden bereits gespendet, damit die oft existenziellen Folgen des Hochwassers zumindest gemildert werden können.

Interessant war dabei zu erkennen, dass auch die Netzwerke wie Twitter und Facebook einen wertvollen Beitrag leisten konnten, dass die Organisation vor Ort oft unbürokratisch erfolgen konnte. Auch darüber freuen wir uns heute.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

All das zeigt, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir sind eben kein Volk von

Individualisten. Wir stehen in der Not zusammen. Das macht unsere Gesellschaft stark. Das macht sie reich. Und das ist großartig.

Für diese gelebte Solidarität sage ich – ich denke, im Namen dieses gesamten Hauses – allen danke, die daran beteiligt waren. Ich werde diesen Dank auch in einem Brief an die Helferinnen und Helfer zum Ausdruck bringen.

(Allgemeiner Beifall)

Nach den sintflutartigen Unwettern im Einzugsgebiet von Donau und Elbe wurden wir erstmals am Sonntag, dem 2. Juni, um Hilfe gebeten. Wir haben auf alle diese Ersuchen sofort und umfassend reagiert und unsere Hilfe mit Personal und Einsatzmaterial angeboten. Nicht alle von uns angebotenen Hilfen wurden auch tatsächlich von den betroffenen Ländern in Anspruch genommen. Im Ergebnis konzentrierte sich die nordrhein-westfälische Hilfe deshalb auf Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Sachsen.

Insgesamt waren, wenn man die Ablösekräfte berücksichtigt, rund 10.000 Männer und Frauen aus allen Regionen des Landes in die Hilfsaktionen eingebunden. In der Spitze waren in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen bis zu 4.300 haupt- und ehrenamtliche Hilfskräfte des Feuerwehr- und Katastrophenschutzes aus NRW vor Ort.

Dazu gehörten – ich nenne das bewusst detailliert – in Sachsen drei Hundertschaften der Polizei, die in Dresden im Einsatz waren. Nach Niedersachsen wurden zwei Bereitschaften der Feuerwehr aus dem Bezirk Arnsberg entsandt. In Sachsen-Anhalt waren im Einsatz: die beiden kompletten Feuerwehrabteilungen der Bezirke Detmold und Düsseldorf, sechs Bereitschaften der Feuerwehrabteilung der Bezirke Münster und Köln, es gab eine Führungsunterstützung für den Raum Magdeburg, fünf Betreuungsbereitschaften, zehn Wasserrettungszüge von DLRG und DRK, und sechs Hochleistungspumpensysteme wurden mit dem erforderlichen Material und Personal auf die Reise geschickt. Zur Verstärkung der Deiche und zur Errichtung von Flutsperren hat Nordrhein-Westfalen überdies rund 1,3 Millionen Sandsäcke zur Verfügung gestellt.

Man sieht, meine Damen und Herren, was alles notwendig wurde und immer noch notwendig ist. Einen Ausnahmezustand wie jetzt hatten wir auch im Jahr 2002. Wir erinnern uns. Damals haben wir von einem Jahrhunderthochwasser gesprochen. Jetzt haben wir gelernt, dass das nicht ganz zutreffend ist – nur elf Jahre später. Dieses Mal ist es sogar noch schlimmer gekommen.

Aus dem Hochwassereinsatz 2002 hatten wir gelernt. Solche umfangreichen Hilfseinsätze müssen professionell koordiniert werden, damit die Hilfe schnell und wirksam greift. Übersicht, Koordination und Planung sind genauso wichtig wie das individuelle Engagement Tausender Helferinnen und Helfer

aus unterschiedlichsten Organisationen und aus vielen Regionen.

Aus den Erfahrungen von 2002 sind bundesweit Konsequenzen mit einer Neubewertung des Katastrophenschutzes gezogen worden. Dazu gehört auch die zentrale Koordination der Einsätze. Das Land, das Hilfe braucht, meldet konkret, welche Hilfe gebraucht wird. Die Innenminister der Länder koordinieren, welche Einsatzkräfte aus welchem Land angefordert werden. Dafür gibt es das gemeinsame Melde- und Lagezentrum des Bundes und der Länder.

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich all denen danken, die im Hintergrund in diesem Lagezentrum in den Rettungszentralen die Einsätze koordiniert haben. Sie stehen nicht immer im Rampenlicht, aber sie haben eine ganz wichtige Aufgabe in solchen Situationen. Vielen Dank dafür, dass sie sie so wunderbar erfüllen!

(Allgemeiner Beifall)

Diese Mitarbeiter koordinieren im Lagezentrum und in den Rettungszentralen. Sie sorgen aber auch dafür, dass die Hilfe dorthin kommt, wo sie am dringendsten gebraucht wird. Sie sorgen nicht zuletzt dafür, dass die Helferinnen und Helfer auch Unterkunft und Verpflegung bekommen.

Diese notwendige zentrale Koordination kann allerdings auch dazu führen, dass Menschen, die spontan helfen wollen, nicht helfen können. Deshalb müssen wir auch an dieser Stelle noch lernen und gemeinsam beraten, wie in Zukunft diese spontanen Hilfsangebote noch besser in die Gesamtkoordination aufgenommen werden können.

Denn ich möchte nicht, dass bei künftigen Einsätzen hilfsbereite Bürgerinnen und Bürger dieselbe Erfahrung machen müssen wie die 29 Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr in Erwitte, die in ihrer Hilfsbereitschaft zunächst gebremst wurden. Das ist bedauerlich. Da ist in Zukunft eine andere Sensibilität notwendig. Aber, wie schon gesagt, auch daraus lernen wir wieder. Es ist letztlich erfreulich, dass die Feuerwehr Erwitte dann doch noch zum Einsatz in ihrer sächsischen Partnerstadt gekommen ist. Auch ihnen von dieser Stelle aus herzlichen Dank!

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, zwar geht die Flut zurück; wir reden heute aber noch nicht über eine bereits bewältigte Katastrophe. Auch wenn sich die Lage insgesamt deutlich entspannt hat, ist sie vielerorts noch sehr ernst. Ich hatte gestern die Gelegenheit, auf dem Flug von und nach Berlin einen Blick auf diese Gebiete zu werfen. Man sieht, wie groß der Schaden ist; noch immer stehen Häuser unter Wasser, noch immer können Deiche brechen.

Die unmittelbare konkrete Hilfe war und ist das Allerwichtigste. Aber klar ist auch: Angesichts der enormen Schäden reicht das allein nicht aus. Die

Aufräum- und Säuberungsarbeiten werden noch Wochen und Monate andauern. Häuser sind unbewohnbar; viele kleine und mittlere Unternehmen sind in ihrer Existenz bedroht. Wir dürfen und wir werden die Betroffenen jetzt nicht mit ihren Schäden und in ihrer Not alleine lassen. Auch das ist eine klare Botschaft von diesem Tag.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN, der FDP und den PIRATEN)

Die Infrastruktur ist großflächig zerstört und muss wiederhergestellt werden. Noch immer ist die Stromversorgung nicht überall wieder gewährleistet. Noch immer sind Straßen- und Bahnverbindungen unterbrochen. Die Bahn spricht von Schäden in einem hohen dreistelligen Millionenbetrag. Selbstverständlich geht es bei alledem auch um die Frage, wie wir die Menschen künftig vor ähnlichen Fluten besser schützen können.

Meine Damen und Herren, wir haben diese Unterrichtung des Landtages auch deshalb angemeldet, weil wir Sie so frühzeitig wie möglich über die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern zur Fluthilfe informieren wollten. Denn neben der Soforthilfe, über die ich eben gesprochen habe, wird ja auch eine erhebliche langfristige finanzielle Unterstützung notwendig. Bei der Anmeldung der Unterrichtung war dabei durchaus offen, ob wir über ein Ergebnis oder über einen Zwischenstand der Verhandlungen oder gar über ein Scheitern würden sprechen können bzw. müssen.

In mehreren harten Verhandlungsrunden ist es uns erfreulicherweise gelungen, eine Einigung zu erzielen, die weder dem Bund noch den Ländern leichtgefallen ist. Aber es ist eine Einigung im Sinne der von den Fluten Betroffenen. Deshalb bin ich zufrieden, dass diese Einigung erzielt werden konnte. Der Weg für die Wiederaufnahme der Hilfen und den Wiederaufbau in den Hochwassergebieten ist damit frei. Darüber freue ich mich.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN, der FDP und den PIRATEN)

Zu den Details: Wir stellen, wie bereits auf der Ministerpräsidentenkonferenz mit der Kanzlerin vereinbart, gemeinsam – Bund und Länder – bis zu 8 Milliarden € für die Beseitigung der Flutfolgen zur Verfügung. Das ist ein starkes Zeichen der Solidarität, das den Betroffenen vor Ort Hoffnung gibt. Es wird schnell geholfen, und es wird umfassend geholfen.