Protokoll der Sitzung vom 25.09.2013

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie setzen auf den Versuch, die Einnahmesituation des Landes Nordrhein-Westfalen zu verbessern. Sie bekämpfen dafür die Steuerhinterziehung und die Steuerflucht. Es ist im Prinzip aller Ehren wert, gegen Steuerhinterziehung zu arbeiten, wenngleich ich Ihnen sagen muss, dass ich mir gewünscht hätte, dass die Landesregierung ihre Energie und ihr Engagement gegen Steuerbetrug in gleicher Weise beim Sozialbetrug zeigen würde. Sie haben viel zu lange ein Mitglied Ihrer Landesregierung gedeckt, Frau Kraft,

(Widerspruch von den GRÜNEN)

und deshalb auch Zweifel an der moralischen Motivation in dieser Frage aufgeworfen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Nun zu den Steuererhöhungen. Die mittelfristige Finanzplanung dieses Landes basiert auf der Annahme und der Forderung, es möge in Deutschland breitflächige Steuererhöhungen geben. Wenn ich es richtig sehe, Herr Finanzminister, haben Sie bereits in diesem Landeshaushaltsentwurf 300 Millionen € globale Mehreinnahmen eingeplant, weil Sie auf Steuererhöhungen im Bund setzen. Die gesamte

mittelfristige Finanzplanung und Ihr Ziel, die Schuldenbremse des Grundgesetzes zum Ende des Jahrzehnts einzuhalten, basieren auf der Forderung, dass der Bund zu einer deutlich höheren Einnahmebasis kommt; das ist auch gerade in der Rede von Herrn Römer zum Ausdruck gebracht worden.

Man kann nur sagen, Frau Ministerpräsidentin: Möglicherweise geht diese Finanzspekulation auf, wenn ich lese, dass der Bundesfinanzminister jetzt schon Denkmodelle anstellt, wiederum die Mehrwertsteuer zu erhöhen, wie das die letzte Große Koalition gemacht hat. Er denkt darüber nach, die ermäßigten Mehrwertsteuersätze zu erhöhen, also auch jene auf Grundnahrungsmittel. Das sind 23 Milliarden €.

Die Bundestagswahl ist noch keine zwei Tage vorbei, die FDP ist gerade ausgeschieden, schon denken auch die Kollegen von CDU und CSU wieder darüber nach, an welcher Steuerschraube gedreht werden kann. Wiederum kommt die Mehrwertsteuer ins Blickfeld – eine Steuer, die nicht vor allen Dingen die Millionäre träfe, sondern die Millionen in unserem Land.

Meine herzliche Bitte an diejenigen, die jetzt in Berlin Verantwortung tragen: Sehen Sie ab von solchen Plänen. Sie wären nicht nur finanzpolitisch unwirksam, sondern in hohem Maße auch unfair.

(Beifall von der FDP)

Stattdessen erforderlich ist eine Prüfung der Ausgabenseite auch dieses Landeshaushalts NordrheinWestfalen. Die rot-grüne Koalition hat dazu ein Effizienzteam eingesetzt, das sehr hochrangig besetzt ist. Wir erwarten immer wieder neue Ergebnisse.

Im Haushalt 2013 haben Sie immerhin strukturelle Ausgaben in Höhe von 152 Millionen € identifiziert. Zusätzliche Ergebnisse des Effizienzteams in diesem Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2014 sind aber nicht zu finden.

Haben sie nicht mehr getagt? Haben sie die Aufgabe nicht hinreichend ernst genommen? Oder handelt es sich möglicherweise auch um ein taktisches Manöver, um nach der Bundestagswahl im Lichte Ihres Ergebnisses zu bewerten, ob nicht vielleicht die Sparbemühungen gänzlich eingestellt werden können, weil ein Geldsegen aus Berlin kommt?

Wir halten es unverändert für erforderlich, dass auch die strukturelle Ausgabenseite des Landes Nordrhein-Westfalen auf den Prüfstand gestellt wird.

(Beifall von der FDP)

Dazu gehört auch der – wie ihn Kollege Römer bezeichnet – „dicke Brocken der Personalausgaben“. Den können Sie nicht nur nicht aus dem Blick verlieren, Herr Römer, sondern er steht mitten im Zentrum. Jede Anstrengung, den Haushalt in den Griff

zu bekommen, wird, ohne den Personalaushalt in den Blick zu nehmen, keinen Erfolg haben.

Kollege Römer, Sie haben hier und heute etwas Bemerkenswertes gesagt. Wenn ich es richtig wahrgenommen habe – Sie mögen mich mit Literaturstellen korrigieren –, haben Sie erstmals laut und vernehmlich in der Öffentlichkeit gesagt, dass Personalabbau in der Landesverwaltung zunächst nur für die Laufzeit des jetzt gültigen Tarifvertrags ausgeschlossen ist. Das hatte ich bisher in dieser Akzentuierung vor der Wahl nicht gehört, Herr Römer. Sie und die Ministerpräsidentin mögen das vielleicht bei späterer Gelegenheit am heutigen Tage richtig einordnen: War das lediglich mein Versäumnis? Habe ich in meinem jugendlichen Alter möglicherweise nicht mehr alles so präsent? Oder wird diese Formulierung erst jetzt, nach der Bundestagswahl mit dieser Prominenz im Landtag von NordrheinWestfalen vorgetragen?

(Beifall von der FDP)

Ich bin an der Stelle ganz offen und nehme in der Frage jede Korrektur an. Aber ich habe den Eindruck, dass sich in Ihrem Duktus in dem Zusammenhang etwas verändert hat.

In der Sache, meine sehr verehrten Damen und Herren, bin ich nicht sicher, Kollege Römer, ob dieses Dogma – wie immer die Laufzeit aussieht – Personalabbau auszuschließen und dafür den Tarifabschluss gestaffelt auf die Landesbeamtinnen und -beamten zu übertragen, tatsächlich im Sinne der Beschäftigten ist. Sie geben hier ja immer vor, dass Sie mit diesem Beitrag zum Beschäftigungserhalt im öffentlichen Bereich in Wahrheit die Interessen der Landesbeamtinnen und -beamten verträten.

Ich stelle mir die Frage, ob die Ministerpräsidentin und ihr Finanzminister bei offenen Gesprächen mit Beschäftigten dieses Landes tatsächlich eine solche Rückmeldung erfahren würden.

Im Saarland hat es nämlich andere Ergebnisse gegeben: Dort wird der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst auch nicht eins zu eins, aber immerhin gestaffelt auf alle Landesbeamten übertragen. Die Landesregierung dort hat sich nach intensiven Gesprächen mit den Vertreterinnen und Vertretern der Beschäftigten darauf verständigt, dass es nur fair und ein Gebot der Leistungsgerechtigkeit ist, alle Tarifgruppen am Aufschwung und zumindest teilweise am Tarifabschluss zu beteiligen, keine Minusrunde bei Studienräten zu verordnen, die noch nicht einmal einen Inflationsausgleich erhalten.

Im Gegenzug haben sich die Beschäftigten selbst bereiterklärt, aktiv bei einem für nordrhein

westfälische Verhältnisse deutlichen und außerordentlich spürbaren Personalabbau durch Effizienzgewinn in der Landesverwaltung mitzuwirken.

Warum haben Sie solche Gespräche nicht geführt? Möglicherweise wären die Ergebnisse ganz anders ausgefallen, als Sie selbst vorgeben. Nur wenn man Gespräche mit den Beschäftigten führt und solche Vorschläge auf den Tisch kommen, kann man tatsächlich zu einer soliden Politik gelangen, die im Interesse der Beschäftigten liegt und von ihnen mitgetragen wird.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, mit Blick auf die kommunalen Finanzen hat Kollege Laumann bereits über die Zwangsabgabe gesprochen. Meine Fraktion hat in der vergangenen Legislaturperiode den Stärkungspakt Stadtfinanzen mitgetragen. Selbstverständlich gibt es in Nordrhein-Westfalen Städte und Gemeinden, die in der Vergeblichkeitsfalle gefangen sind, also trotz intensiver Bemühungen um einen Haushaltsausgleich aufgrund von Fehlern in der Vergangenheit oder sozialen und strukturellen Problemen keine Perspektive haben, wieder auf stabile Füße zu kommen. Wir haben unsere Unterstützung signalisiert, dass sich das Land NordrheinWestfalen kommunal engagiert.

Aber schon seinerzeit haben wir die von Ihnen jetzt geplante und umzusetzende Zwangsabgabe abgelehnt. Dafür gab es zwei Gründe:

Zum einen ist diese Zwangsabgabe ökonomisch nicht wirksam. Es ist doch auch bei Ihren sozialdemokratischen und grünen Fraktionen in den Kommunen bereits deutlicher Widerstand zu erkennen. Diese Abgabe ist deshalb ökonomisch nicht wirksam, weil wir es teilweise mit Kommunen zu tun haben, die diese Abundanzumlage – übersetzt man das, bedeutet das übrigens „Überflussabgabe“; wer schon eine gute Einnahmebasis hat, lebt damit schon im Überfluss, wenn man dieser Terminologie folgt – nur erbringen können, indem sie höhere Schulden aufnehmen. Es gibt dort ja keinen Geldspeicher, aus dem einfach in diesen Topf abgebucht wird, sondern auch Kommunen in Haushaltssicherung und teilweise sogar im Nothaushalt werden zu dieser Zwangsmaßnahme verpflichtet. Damit werden die Bedürftigen von morgen bereits heute programmiert.

Wir wissen aus einer Perspektive der ökonomischen Vernunft heraus: Man kann die kranken Kommunen nicht dadurch gesund machen, dass man die verbliebenen gesunden Kommunen krank macht. Deshalb empfehlen wir Ihnen dringend, darauf zu verzichten.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Zum anderen, meine Damen und Herren, ist das, was die rot-grüne Koalition jetzt plant, auch aus dem Gerechtigkeitsverständnis heraus nicht sinnvoll. Man nehme zum Beispiel die Landeshauptstadt Düsseldorf, in der unser Parlament seinen Sitz hat. Düsseldorf hat im vergangenen Jahrzehnt erhebliche Anstrengungen unternommen. Das kann man

aus einer ideologischen Perspektive heraus alles kritisieren. Aber diese Landeshauptstadt Düsseldorf hat Ende des vorletzten Jahrzehnts, in den Jahren 1999/2000, kommunales Eigentum privatisiert.

(Martin Börschel [SPD]: Die Bürger waren dagegen!)

Heute würden die Bürger das anders sehen, Herr Börschel.

(Martin Börschel [SPD]: Das behaupten Sie!)

Ich habe dafür einen Beleg. Sie kommen aus Köln, wo die genau gegenteilige Politik gemacht wurde. Heute kann man sehen: Zehn Jahre in Düsseldorf eine liberal-konservative Mehrheit mit dem Ergebnis, dass die Stadt, jetzt schuldenfrei, aus ihren Überschüssen den Kindergartenbeitrag erlassen kann, ohne dafür Schulden aufzunehmen.

In Köln leisten Sie sich eine peinliche Posse nach der anderen – angefangen von Kürzungen im Sozialbereich bis zu der Peinlichkeit bei der Besetzung der Opernintendanz, obwohl Sie andererseits auf einer Ebene mit Metropolen wie Berlin, Hamburg, Frankfurt und München stehen wollen. Dieser Vergleich zeigt das doch.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von Martin Börschel [SPD])

Ich will ja auf etwas anderes hinaus, Herr Börschel. Lassen Sie mich doch weiter ausführen. Sie können diesen Punkt gleich noch ansprechen. Sie merken doch, dass ich auf die Frage der Anreizwirkung hinauswill.

Düsseldorf ist eine Kommune, die hier gehandelt hat. Man kann jede einzelne Maßnahme auch in Zweifel ziehen, wie Sie das gerade getan haben. Geschenkt! Jedenfalls hat es in Düsseldorf eine entschlossene Politik gegeben. Deren Ergebnis ist: Die Kommune ist schuldenfrei, wirtschaftlich stark und hat jetzt auch Möglichkeiten, in kulturelle und soziale Aufgaben zu investieren – was Sie ebenfalls wollen. Die Düsseldorfer verstehen unter vorsorgender Sozialpolitik und Kulturpolitik aber, dass man erst einmal das erwirtschaftet, was danach verteilt werden soll, während Sie erst verteilen und sich danach vielleicht sorgen, woher das Geld kommt.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die Düsseldorfer haben es anders gemacht und müssen jetzt in einem erheblichen Umfang in den Zwangsabgabetopf einzahlen.

Aus diesem Topf erhält das hochdefizitäre Essen zweistellige Millionenbeträge, um sich an einem Stadtwerke-Konzern zu beteiligen, der auch Auslandsgeschäft macht – teilweise fragwürdig, wenn man den Medienberichten Glauben schenken darf –, und um dem Viertligafußballklub ein neues Stadion zu finanzieren.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Was macht die FDP denn da?)

Herr Börschel, jetzt bin ich wieder bei Ihnen. Die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ hat eine Onlineumfrage unter den Essenern, die von diesem Zwangsabgabetopf eigentlich profitieren, durchgeführt. Wissen Sie, was das Überraschende ist? – Eine beachtlich große Zahl der Essenerinnen und Essener selbst empfindet es als ungerecht, dass andere sich über Jahre anstrengen müssen, während sie jetzt automatisch aus einem solchen Topf Geld bekommen, womit die eigenen Anstrengungen auch reduziert werden. Das sagen die Menschen Ihnen. Das ist deren Gefühl zum Thema „Leistungsgerechtigkeit“.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen, meine Herren, ich will an dieser Stelle nicht weiter auf die strukturellen Fragen der Ausgabenseite des Haushalts eingehen, sondern noch zwei andere Punkte ansprechen.

Zum einen möchte ich eine Erinnerung aus dem Sommer mit Ihnen teilen. Ich konnte mich nämlich mit großer Freude über die Urlaubsbeschäftigung unseres Finanzministers informieren – auch mit einem beeindruckenden Foto. Darauf sah man, wie er in der Toskana einen groben Klotz bearbeitet hat. Da habe ich gedacht: Mensch, der kann es ja! Er kann mit gezielten und präzisen Schlägen das Überflüssige aus einem Block entfernen, damit danach die wahre Form in Erscheinung tritt.