Protokoll der Sitzung vom 26.09.2013

Mir ist in dieser Debatte wichtig, auch noch die Seite zu beleuchten, dass wir insgesamt die Steigerung der Verkehrssicherheit im Auge behalten müssen. Das lässt sich nicht alleine durch ein technisches System herbeiführen, sondern auch das menschliche Verhalten muss dabei im Mittelpunkt unserer Bemühungen stehen. Dadurch, sich hinterher alleine auf den Hilferuf zu konzentrieren, werden Unfälle eben nicht verhindert.

Schauen wir uns zwei Zahlen an, die ich bemerkenswert finde: Ein Drittel der Unfälle wird durch überhöhte Geschwindigkeit herbeigeführt und ein weiteres Drittel durch Alkoholkonsum. Hier stellt sich durchaus die Frage, wie wir es schaffen, dauerhaft die Einhaltung von Tempolimits zu kontrollieren. Genauso geht es um Prävention. Ich glaube, diese Themen sollten in diesem Zusammenhang mitdiskutiert werden, weil es hier einfach einen Sinnzusammenhang gibt.

Wenn wir uns jetzt aber das eCall-System selbst anschauen, dann sehen wir, dass es hier offene Fragen gibt. Sie wurden in den Stellungnahmen des Bundesrates ebenso wie in dem Beratungsgang im Europäischen Parlament schon benannt. Diese Stellungnahmen wurden angesprochen und sind durchaus lesenswert.

Es geht dort um die mögliche Erstellung von Bewegungsprofilen, es geht darum, wie diese Daten durch Sicherheitsbehörden ausgenutzt werden

könnten, es geht um die Rekonstruktion von gefahrenen Strecken, es geht um die Frage, wie kontrol

liert wird, dass das schlafende System auch wirklich schläft, und schließlich geht es natürlich auch – das ist eben auch schon angesprochen worden – um den Zugriff durch Dritte; insbesondere Versicherungen werden hier ja immer wieder genannt.

Das alles sind Fragen, auf die der Bundesrat, wie gesagt, in seinen Stellungnahmen eingeht.

Aus allen Stellungnahmen, die wir bisher zu dieser Thematik erhalten haben, wird klar, dass dieses eCall-System, wenn es ein solches geben wird, höchsten Datenschutzstandards genügen und sie sicherstellen muss. Dazu gilt es dann, die entsprechenden Maßnahmen im Beratungsgang zur Verordnung zu diskutieren. Denn wenn man ein solches System einführen will, dann kann man das nur, indem man – das ist natürlich das klassische Datenschutzinstrumentarium – rechtliche, technische und organisatorische Maßnahmen vorschaltet, mit denen Vorkehrungen im Sinne des Datenschutzes getroffen werden.

Darüber hinaus müssen aber auch andere technische Fragen – auch das wurde von einigen Vorrednern angesprochen – beantwortet werden, bei denen es zum Beispiel um die Ausstattung der Leitstellen, um den Realisierungszeitraum und natürlich auch um die technische Infrastruktur und die Systemsicherheit geht. All diese Fragestellung müssen geklärt werden.

Ich glaube, wenn wir diese Diskussion bzw. Debatte breit aufstellen, dann wird sie sehr interessant werden. Ich habe in der ersten Befassung hier im Plenum bereits wahrgenommen, dass es durchaus ein fraktionsübergreifendes Interesse gibt, dieses Thema von den verschiedenen Seiten her stärker zu beleuchten. In diesem Sinne blicke ich der Debatte im Ausschuss mit sehr großem Interesse entgegen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Bolte. – Für die Piratenfraktion spricht der Kollege Kern.

Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Die Kollegen Rehbaum und Schlömer sind hinsichtlich der Vorzüge dieses eCall-Systems sehr ins Detail gegangen. Lassen Sie mich ein etwas größeres Bild zeichnen und einen etwas weiteren Bogen spannen, um Ihnen darzulegen, warum wir Piraten dieses Projekt eher kritisch begleiten. Hier sind wir grundsätzlich auf einer Linie mit der FDP, wenn ich den Antrag richtig verstanden habe.

Die Liste von EU-Vorhaben, welche die Überwachungsinfrastruktur in Europa ausbauen und dabei

persönliche Freiheiten massiv einschränken, ist lang. Es geht von der Überwachung aller Reisenden durch Smart Borders bis zur Forcierung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs mit SEPA, und nun soll die verpflichtende Einführung eines Notrufsystems namens eCall erfolgen. Dabei werden die Vorhaben meist mit durchaus begrüßenswerten Absichten verkauft. Der wahre Grund für die Vorstöße der Kommission ist aber oftmals schlicht und ergreifend das Fortschreiben des Irrwegs der europäischen Zentralisierungs- und Überwachungspolitik.

(Beifall von den PIRATEN)

Eben dieses Vorgehen des europäischen Gesetzgebers lässt aber die Menschen in Europa zurück und ihren Glauben an die Sinnhaftigkeit des europäischen Projekts erlöschen.

Mit dem im Antrag behandelten Verordnungsvorschlag liegt wieder einmal so ein Fall vor. Die Kommission schreibt, sie wolle mit der verpflichtenden Einführung eines eCall-Systems eine Reduzierung der Zahl der Verkehrstoten und -verletzten und der Folgekosten erreichen. Dagegen kann grundsätzlich niemand etwas haben.

Gleichzeitig werden im Entwurf datenschutzrechtliche Regelungen vollkommen vernachlässigt. Das hat der Kollege Wolf schon angesprochen, und auch die anderen sind auch darauf eingegangen. Übrig bleibt die potenzielle Totalüberwachung aller Kfz-Fahrer in Europa im Namen der Verkehrssicherheit. Somit könnten zum Beispiel Versicherungsunternehmen auf Basis detaillierter Risikoprofile höhere Prämien durchsetzen.

Wir begrüßen, dass die FDP in ihrem Antrag auf diese eklatanten Datenschutzmängel hinweist.

Doch der durchaus ehrbare FDP-Vorstoß ist zu ungenau und uns nicht weitgehend genug. Wir brauchen konkrete datenschutzrechtliche Forderungen, um unser Gewicht in Brüssel geltend zu machen.

So bedarf es unter anderem der expliziten Verankerung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Kraftfahrer im Verordnungstext. Ein eCallSystem muss man deaktivieren können – das hat Herr Wolf schon richtig angemerkt –, und darüber hinaus muss der Zugriff von außen ausgeschlossen werden. Zudem muss die Hoheit über die gesammelten Daten bei den Fahrern selbst liegen. Insbesondere gilt es, auszuschließen, dass externe Anbieter, zum Beispiel von Zusatzdiensten, ohne ausdrückliche Zustimmung der Fahrer Zugriff auf die Daten erlangen können.

Wir wissen, dass sich viele Fahrer nicht in die Tiefen der AGBs und Bedienungsanleitungen des eCall-Systems verlieren werden. Daher brauchen wir eine kurze Speicherfrist der erhobenen Daten „per default“, also voreingestellt. Danach sind alle erhobenen Datensätze zu löschen.

(Beifall von den PIRATEN)

Alle diese Punkte fordern wir in unserem Änderungsantrag, über den wir im Ausschuss gerne mit Ihnen beraten wollen.

Wir Piraten bleiben dabei: Den konstanten Ausbau der europäischen Überwachungsinfrastruktur bekämpfen wir entschieden. Der Grundsatz des Vorrangs des Datenschutzes und des Schutzes der Privatsphäre ist für uns politische Maßgabe.

Zumindest hat dieser Verordnungsvorschlag für ein Notrufsystem bei mir ein Notsignal ausgelöst. Ich bin in punkto Bürgerrechte alarmiert, denke aber, dass wir auf einem guten Weg sind, und hoffe, dass wir im Ausschuss gemeinsam etwas erreichen können. Wir Piraten stehen für die Beratung bereit und hoffen, dass wir uns einigen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kern. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Groschek.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Auf der Homepage des Bundesverkehrsministeriums steht:

„Die Bundesregierung unterstützt die europaweite Einführung des elektronischen Notrufs, den so genannten eCall, der Rettungseinsätze in Zukunft beschleunigen soll.“

Die Landesregierung unterstützt ihn auch.

Ich glaube, dass der eCall so etwas werden kann wie eine moderne 110 oder 112. Ich finde, bei allen datenschutzrechtlichen Bedenken, die angemessen erörtert wurden und weiter zu erörtern sind, sollten wir nicht nur den Aspekt des Überwachens und Bedrohens, sondern auch des Geschütztseins und des Gerettetwerdens betonen. Das ist die große Errungenschaft, die mit diesem System verbunden ist, jedenfalls in den Augen der allermeisten europäischen Bürgerinnen und Bürger – so jedenfalls meine, unsere Wahrnehmung. Da unterscheidet sich unsere Wahrnehmung von den Meinungen der Menschen in Europa doch deutlich von der Ihrigen.

Ich glaube auch, dass die Fahrzeugidentifikationsnummer als Teil eines schlafenden Systems so lange nicht Ausdruck eines überwachungsstaatlichen Imponiergehabes ist, solange gewährleistet ist, dass der eCall wirklich erst dann ausgelöst wird, wenn es zu einem Crash gekommen ist und eben keine schleichende Überwachungsmöglichkeit besteht.

Der Landesbeauftragte für Datenschutz und die fachkundigen Vertreter des Innenministeriums sind bei einer gemeinsamen Erörterung zu dem Schluss gekommen, dass datenschutzrechtliche Bedenken zurzeit nicht erkennbar und darstellbar sind. Des

halb sind wir als Landesregierung auf die weiteren Erörterungen gespannt.

Wir geben all denen recht, die sagen: Es muss bezüglich des schnelleren Auffindens des Unfallortes und der besseren, auch hydraulischen Bergemöglichkeit eine begrenzte Verpflichtung geben, denn vom Fahrzeugtyp hängt oft das entsprechende hydraulische Werkzeug ab, das die Rettungskräfte mitführen müssen. Alles andere ist auch aus Sicht der Landesregierung privater Luxus, Komfortzone, die der Staat nicht zu regeln, vorzuschreiben und erst recht nicht zu finanzieren hat. Deshalb bin ich sicher: Es ist eine große konsensuale Lösung möglich. Das sollte ein positiver Ausblick sein.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Groschek. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind am Schluss der Beratung.

Wir stimmen ab. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/4028 einschließlich des Änderungsantrags Drucksache 16/4110 an den Ausschuss für Europa und Eine Welt. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Ist jemand gegen diese Überweisungsempfehlung, oder möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung so angenommen.

Wir treten ein in:

14 Duale Ausbildung stärken – Meisterbrief nicht

weiter entwerten!

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/4010

Ich eröffne die Beratung. Für die antragstellende Fraktion spricht der Kollege Spiecker.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben unseren Antrag mit „Duale Ausbildung stärken – Meisterbrief nicht weiter entwerten!“ überschrieben. Worum geht es?

Die Europäische Kommission will, dass weitere Handwerksberufe, insbesondere solche des Bauhandwerkes, aus der Anlage A der Handwerksordnung in die Anlage B überführt werden. Zur Erläuterung: In der Anlage A sind – vereinfach gesagt – all diejenigen Handwerksberufe aufgeführt, für deren selbstständige Ausübung grundsätzlich der Erwerb des Meisterbriefes oder ein ähnlicher Qualifikationsnachweis notwendig ist. Handwerksberufe nach

Anlage B können auch ohne Qualifikationsnachweis ausgeübt werden.

Bereits 2004 hat die damalige rot-grüne Bundesregierung mit einer Novelle der Handwerksordnung eine Reihe von Handwerksberufen aus der Anlage A in Anlage B überführt – mit weitreichenden Konsequenzen für die Entwicklung des Handwerks in Nordrhein-Westfalen. Bekanntestes Beispiel sind sicherlich die Fliesenlegerbetriebe. Existierten 2003, also vor der Novelle der Handwerksordnung, in Nordrhein-Westfalen lediglich 2.407 Fliesenlegerbetriebe, waren es 2011 bereits 14.059 Betriebe. Das ist ein Anstieg um 584 %.

Viele dieser Betriebe sind Ein-Mann-Betriebe, die als Subunternehmer auf Baustellen arbeiten und so gerade über die Runden kommen. Es ist deshalb nicht zu erwarten, dass diese Betriebe überhaupt sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsver

hältnisse schaffen können. Im Gegenteil! Der Anstieg ist darauf zurückzuführen, dass viele Betriebe ihre Mitarbeiter ausgelagert haben und heute als Subunternehmer beschäftigen. Tarif- und Mindestlöhne werden so elegant umgangen. Das ist gerade der Unterschied zu meistergeführten Handwerksbetrieben, die es als ihre Pflicht ansehen, ihren Mitarbeitern wenigstens Tariflöhne zu bezahlen. Meistens liegen diese Gehälter allerdings deutlich über dem Tarif.