Ich bin Herrn Rohwedder dankbar, dass er zumindest den Versuch unternommen hat, die Problemlagen zu beschreiben und einen strategischen Ansatz zu formulieren. Darüber kann man diskutieren. Bei Ihnen fällt es aber schwer, überhaupt zu argumentieren, weil Sie keine Orientierung haben und weil Ihnen der Kompass fehlt. Sie springen zwischen Problemen vor Ort sowie großen Linien, aber eine wirkliche Grundorientierung habe ich Ihren Reden nicht entnehmen können.
Deshalb gestatten Sie mir, an dieser Stelle zu kritisieren, dass Sie den Umweltbericht dazu nutzen, kurzfristig eine Bilanz über Politik der Landesregierung oder der Regierungsfraktionen zu machen. Das wird dem Bericht und dem Instrument in keiner Weise gerecht. Sie diskreditieren damit dieses Instrument.
Auch in der Zeit der Vorgängerregierung hat es einen Umweltbericht gegeben. Umweltberichte haben es an sich, dass sie einen langen Zeitraum beschreiben. Wir brauchen dieses Instrument, um uns zu orientieren: Wo stehen wir zurzeit? Wohin wollen wir in Zukunft? Wohin richten wir unseren Kompass aus?
Das ist kein Spiegel der jeweiligen Regierungspolitik; das kann es auch gar nicht sein. Denn Entwicklungen in den wichtigen Umweltmedien Boden, Wasser und Luft sowie beim Ressourcen- und Naturschutz sind auf lange Sicht zu sehen und zu beschreiben. Deshalb muss man das entsprechend einordnen.
Wie sieht unser Kompass aus? Er ist beim Natur- und Umweltschutz klar orientiert: Schützen und Schutz sowie Nutz und Nützen. Das sind die beiden Grundpfeiler. Unsere Schutzgüter für Mensch und Umwelt sind zu schützen: die Luft zum Atmen, das Wasser zum Trinken, der Boden, damit er noch lange und nachhaltig fruchtbar bleibt sowie natürlich die Artenvielfalt, die letztlich unsere Lebensgrundlage darstellt.
Zu Ende gehende Ressourcen zu schützen, um sie auch noch den nachfolgenden Generationen zu überlassen, ist Sinn und Zweck einer umfassenden Entwicklung von einer reinen Abfallpolitik zu einer umfassenden und standortorientieren Ressourcenwirtschaft.
Dazu gehört, auch den Nutzen und zu sehen, worin wirtschaftliche Chancen für unser Land enthalten sind. – In Wasserwirtschaft steckt auch Wirtschaft. In Abfallwirtschaft steckt Wirtschaft. In Landwirtschaft steckt Wirtschaft. In Forstwirtschaft steckt Wirtschaft. Deshalb sind wir für ehrgeizige Standards, die langfristige Investitionssicherheit garantieren. Deshalb wird die Auseinandersetzung um solche ambitionierten Standards in der Umweltpolitik geführt. Gleichzeitig wollen wir damit Anreize und Normen setzen, um mit den besten Technologien und Techniken unseren Standort zu stärken, natürlich die Umwelt zu schützen, aber gleichzeitig auch ein Angebot in einem wachsenden Markt zu unterbreiten. Das kam in Ihren Reden überhaupt nicht vor.
Umweltwirtschaft ist mittlerweile eine große Branche in Nordrhein-Westfalen. Über 240.000 Menschen arbeiten in der Umweltwirtschaft. Über diese Branche sagen alle Expertinnen und Experten, hier sei noch viel Luft nach oben. In zehn Jahren werden in diesem Bereich weltweit mehr Menschen beschäftigt sein als im Automobilbau und in der chemischen Industrie. Deshalb lohnt es sich, strategisch zu überlegen, an welcher Stelle es zukünftig Bedarf geben wird und wo Normen gesetzt werden müssen.
Es geht beispielsweise darum, künftig Mikroschadstoffe aus dem Gewässer herauszuhalten, um unser Trinkwasser zu schützen. Wir aus NordrheinWestfalen bieten mit unserer Politik die Grundlage dafür, dass es neue Technologien zur Abwasserreinigung gibt und zusätzliche Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen dadurch auf den Weg kommen.
Wir reden über Quecksilber in unseren Kraftwerken und Industrieanlagen und sagen, es gibt in unserer Umwelt zu viel Quecksilber. Wir in NordrheinWestfalen haben Technologien entwickelt, die weltweit zum Einsatz kommen können. Deshalb brauchen wir strengere Normen, um diese Technologien voranzubringen.
Sie verkennen den Grundansatz unserer Politik. Wir wollen Umweltpolitik als Mitmachpolitik organisieren. Entlang eines Kompasses „schützen und nützen“ geht es in der Tat um Strategieentwicklung. Die Biodiversitätsstrategie und der Masterplan „Umwelt und Gesundheit“ sind angesprochen worden. Gleiches gilt für den Masterplan „Wasser“.
Dieses Vorhaben braucht Zeit und wird mit den Menschen, den Initiativen, den gesellschaftlichen Gruppen und der Wirtschaft gemeinsam entwickelt. Langfristig soll es dort Orientierung bieten, wo sie keinen Kompass haben. Das bedeutet aber doch nicht, dass wir in der Tagespolitik nicht erfolgreich wären und nicht schon erfolgreich sind.
Von Ihnen kommt kein Wort zu unserem erfolgreichen Management der Hochwasserrahmenrichtlinie. Es kam von Ihnen kein Wort dazu, dass wir das erreicht haben, was Sie nur als Ziel formuliert haben, nämlich 80 Millionen € jährlich für die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie einzusetzen. Das ist die wichtigste Aufgabe. Das sind die Lebensadern unserer Artenvielfalt und Biodiversität.
Kein Wort kam von Ihnen dazu, dass wir es geschafft haben, endlich einen Zeitplan zum Trinkwasserschutz an der Ruhr auf den Weg zu bringen. Wir setzen damit eine Tagespolitik um, die an diesen langfristigen Zielen orientiert ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben noch viel vor. Wir haben einiges schon erreicht. Durch die gemeinsamen Anstrengungen mit anderen Bundesländern ist es uns gelungen, im Rahmen der Umsetzung der europäischen Agrarpolitik in Nordrhein-Westfalen gerade im Hinblick auf die Artenvielfalt in der Fläche einen wesentlichen Schritt nach vorne zu gehen. Hier werden die Entscheidungen darüber getroffen, ob Artenvielfalt zukünftig integriert in der Fläche stattfinden kann. Die Voraussetzungen dafür, um innerhalb der nächsten sieben Jahre zu Fortschritten zu kommen, sind vorhanden.
Wir haben aber noch viel zu tun. Ich hatte gestern ein Gespräch in Brüssel. Es werden neue Anforderungen der Luftreinhaltung auf uns zukommen. Die Kommission plant weitere Richtlinien. Wir sind in Nordrhein-Westfalen beim Thema Feinstaub gut unterwegs. Wir sind nicht gut in der Frage der Stickoxide und des Stickstoffs unterwegs. Wir können uns alleine die Hacken ablaufen. Wir brauchen auch entsprechende Rahmensetzungen auf Bundesebene und EU-Ebene. Dazu bitte ich Sie um Unterstützung. Das ist ein vor uns liegendes Thema.
Insgesamt bietet der Haushalt die Grundlagen und die Voraussetzungen für „Schützen und Nützen“. Wir werden an der Politik festhalten, einerseits kurzfristig die Tagespolitik zu erledigen – wir haben sehr viele Erfolge hierbei vorzuweisen –, andererseits aber auch mit den Menschen zusammen langfristige Strategien zu entwickeln, um unsere wichtigen Umweltgüter dauerhaft und nachhaltig zu sichern. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich wollte im zweiten Teil ursprünglich stärker über das Thema Naturschutz reden. Ich will aber ein paar Punkte aufgreifen, die Sie in der Debatte angesprochen haben.
Herr Kollege Markert, die Definition zum Thema Nachhaltigkeit aus dem Grundlagenbericht lautet: Eine dauerhafte Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.
Ich glaube, auf diese Definition können wir uns alle verständigen. Aber dann muss das bitte für den gesamten Bereich und damit auch für die Finanzen gelten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich teile nicht die pauschale Kritik am Umweltbericht, die teilweise auch in den Medien zu lesen war. Ich muss sagen, Herr Remmel, da haben Sie ein aus meiner Sicht durchaus fundiertes Werk vorgelegt, in dem Sie die Umweltsituation in Nordrhein-Westfalen beschreiben.
Die Reaktion in den Medien, die Kritik der Verbände – der NABU wurde eben zitiert – haben aber einen Grund: Sie haben eine Tonalität an den Tag gelegt, die die Erfolge der Umweltpolitik in NordrheinWestfalen negiert und schlechtredet. Dann müssen Sie sich nicht wundern, wenn die Erwartungen, die Sie geweckt haben, nicht erfüllt werden können, die Leute enttäuscht sind und Sie solche Kommentare bekommen wie vom WDR.
Was hat sich denn zum Beispiel verbessert? Nur aus Ihrem Bericht: Die Stickstoffkonzentration hat sich deutlich verbessert. Der Schwermetalleintrag auf ländlichen Flächen hat sich deutlich verringert.
Der Anteil der Naturschutzflächen in NordrheinWestfalen ist gewachsen. Der Laubbaumanteil in den Wäldern ist gewachsen. Der Säureeintrag im Wald ist weniger geworden. Das sind alles Dinge, die Sie nicht erwähnen.
Stattdessen lautet die Überschrift Ihrer Pressemitteilung: „Wir sind dabei, die Festplatte unserer Natur zu löschen.“ Wissen Sie eigentlich, was es heißt, eine Festplatte zu löschen?
Das ist hier ein total falsches Bild. Sie benutzen es aber immer wieder, weil Sie genau diesen Effekt erreichen wollen: Sie wollen den Leuten Angst machen. Sie wollen nicht auf die Erfolge hinweisen. Sie wollen eine Apokalypse beschreiben, die es überhaupt nicht gibt.
Ihr Bericht zur Umweltwirtschaft – wunderbar, zwei Seiten ausführlich zur Umweltwirtschaft! Nur: keine einzige Maßnahme! Den „Dialog Wirtschaft und Umwelt NRW“, den wir begonnen hatten, haben Sie eingestellt. Es gibt dazu überhaupt keinen Vorschlag. Sie beschreiben, wie toll und wichtig die Umweltwirtschaft ist, aber tun nichts. Daher ist es vollkommen falsch, wie Sie sich hierhin stellen.
Umweltpolitik, Naturschutzpolitik – ich will darauf noch kurz eingehen – macht man mit den Menschen zusammen. Sie müssen die Menschen begeistern; Sie müssen sie mitnehmen. Deshalb ist es ein Riesenfehler gewesen, dass Sie den von uns in den Jahren von 2005 bis 2010 erfolgreich durchgeführten Kooperationsansatz „Mensch, Natur, Heimat – Partnerschaften für natürliche Lebensvielfalt vor Ort“ eingestellt haben. Dadurch hatten wir seinerzeit hohe Akzeptanz für Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen.
Ich bin stolz, dass in meinem Wahlkreis der erste Fluss in Nordrhein-Westfalen liegt, der komplett durchgängig ist: die Dhünn. Da haben Sie Akzeptanz in der Bevölkerung. Aber wenn Sie ihr ständig nur als Verordnungsgeber, als Kontrolleur, als Büttel erscheinen, dann werden Sie die Menschen gegen sich aufbringen. Sie haben es ja leider oft genug getan.
Wir sind heute in der Naturschutzpolitik meiner Meinung nach weiter zurück als vor drei Jahren. Das ist Ausdruck einer falschen Naturschutzstrategie. Sie bringen die Menschen gegeneinander auf. Wir haben versucht, sie zusammenzuführen und ihnen auch die Erfolge zu zeigen. Die Menschen freuen
sich, wenn der Weißstorch wieder hier ist, wenn sich der Uhu wieder öfter zeigt, wenn wir hier Biber haben, wenn Greifvogelarten hier wieder heimisch sind. Das steht auch in Ihrem Umweltbericht, aber in der Pressemitteilung steht natürlich etwas anderes.
Hören Sie auf mit diesem Alarmismus. Reden Sie mit den Leuten realistisch. Versuchen Sie, sie zu gewinnen. Konzentrieren wir uns auf die Lebensräume und die Arten, für die Nordrhein-Westfalen national wie international eine besondere Verantwortung hat. Ich will sie nennen: Es sind die Buchenwälder, es sind die Erlenbruchwälder, es sind die Schwermetallrasen – auch das sind wichtige und wertvolle Biotope. Bei den Tieren sind beispielhaft der Rotmilan, der Steinkauz und der Lachs zu nennen.
Man muss die Menschen für den Naturschutz gewinnen und sie nicht gegeneinander aufbringen. Das ist unsere Strategie. Da unterscheiden wir uns deutlich von Ihnen.