Protokoll der Sitzung vom 18.12.2013

Im Namen der Kolleginnen und Kollegen wünsche ich Ihnen von Herzen alles Gute, vor allen Dingen Erfolg bei Ihrer neuen Aufgabe in Berlin und Freude bei dem, was Sie tun; denn nur dann wird Ihnen das auch gelingen. Sie sind in der Tat kein klassischer Beamtentyp.

(Allgemeine Heiterkeit)

Deshalb bin ich sicher, Sie werden das Beste daraus machen, was man machen kann. Wir wünschen Ihnen alles Gute und Gottes Segen!

(Allgemeiner Beifall)

Bevor ich Norbert Römer für die Fraktion der SPD das Wort erteile, bitte ich die Kolleginnen und Kollegen, noch einmal zu überprüfen, ob sämtliche Handyklingeltöne, Benachrichtigungstöne, Sounds, die man an allen elektronischen Geräten einstellen kann, die Sie hier im Plenarsaal haben, wirklich stumm geschaltet sind. Das wäre sehr angebracht. – Herr Kollege Römer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Laumann, das war spontane Wertschätzung – Ihnen gegenüber und in weiten Teilen dem, was Sie hier ausgedrückt haben, aber nicht in allen; darauf komme ich nachher noch mal zurück.

(Heiterkeit von der CDU)

Selbstverständlich wünschen wir Ihnen – das ist keine Frage – gutes Gelingen bei der verantwortungsvollen Aufgabe in Berlin. Ich füge hinzu: Ich habe gemerkt, dass Sie doch ein bisschen erleichtert nach Berlin gehen, weil Ihnen die Koalition – das war nach Ihrer Rede zu merken – etwas besser gefällt als das, was vorher in Berlin war. – Alle guten Wünsche für Sie!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie haben es gemerkt: An vielen Stellen Ihrer Rede hat es Beifall gegeben, sowohl von unserem Koalitionspartner, Bündnis 90/Die Grünen, als auch von uns.

Ich will einen Satz aufnehmen, den Sie herausgestellt haben. Sie haben gesagt: „Wir haben ein tolles Land, und wir haben tolle Menschen“ und das Ganze mit Ihrem eigenen Werdegang, mit Ihrem Le

bensmittelpunkt im Münsterland verbunden. Ich lebe seit 66 Jahren in Nordrhein-Westfalen, mitten im Ruhrgebiet, immer. Ich habe dieses Land und die Menschen im Ruhrgebiet als Gewerkschaftssekretär, im Übrigen als gelernter Verwaltungsbeamter und gelernter Journalist in einer Weise kennen- und schätzengelernt, die mich beeindruckt hat. Wir haben viele Strukturveränderungen hinter uns bringen müssen.

Es gab eine Faustformel, die der kürzlich verstorbene Vorsitzende der ehemaligen Industriegewerkschaft Bergbau und Energie, Adolf Schmidt, geprägt hat: Kein Bergmann fällt ins Bergfreie. – Diese Faustformel war dazu geeignet, dass sich die Menschen, die von Zechenstilllegungen betroffen waren – wir hatten in den 60er-Jahren mehr als 400.000 Bergleute in Nordrhein-Westfalen –, darauf eingelassen haben, das hinzunehmen, weil Sie die Sicherheit hatten – Herr Kollege Laumann, Sie haben darauf hingewiesen, wie wichtig das für das Zusammenleben ist – und eine Perspektive für die Kinder.

„Keiner fällt ins Bergfreie“ hat auch die Politik in Nordrhein-Westfalen vor allen Dingen in der langen Verantwortungszeit von Johannes Rau geprägt. Sie war Ausdruck einer Sozialpartnerschaft, die in der Auseinandersetzung im Arbeitsalltag zwischen denen, die auf der Arbeitgeberseite Verantwortung tragen, und denen, die in den Gewerkschaften Verantwortung haben, die ja sein muss, ihren besonderen Ausdruck gefunden hat.

Ich komme aus der alten IG Bergbau und Energie, einer Mitbestimmungsgewerkschaft, Stichwort

„Montanmitbestimmung“. Mitbestimmung war für uns immer gleichzeitig die Voraussetzung, mit Verantwortung zu tragen. – Deshalb, Herr Kollege Laumann, stelle ich mich auch öffentlich vor diejenigen Menschen, die über die vielen Jahre hinweg im Ruhrbergbau, im Ruhrgebiet selbst vieles erlitten haben. Wir beide wissen: Man kann über den Sinn und Zweck von Subventionen streiten, aber die Landwirte und die Bergleute sind der sichtbare Ausdruck dafür, dass Subventionen eben nicht den Charakter verderben.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Ich bitte Sie, zusammen mit mir den Menschen zu sagen: Wir lassen nicht zu, dass ihr so herabgesetzt werdet.

Ja, wir werden in Nordrhein-Westfalen – das ist keine Frage, der Haushalt ist ein Ausdruck dafür – den Weg der Haushaltskonsolidierung konsequent weiter fortsetzen, die Schuldenbremse ernst nehmen. Aber ich nehme auch das ernst, was Sie in dem Zusammenhang gesagt haben: nicht sparen um des Sparens willen. – Wir brauchen beides, wie in jedem funktionierenden Unternehmen, ob im Großen oder im Kleinen. Wir müssen auch Zukunftsinvestitionen in den Blick nehmen und die dafür notwendigen Mit

tel freischaufeln. Das machen wir in diesem Haushalt: 1 Milliarde € Senkung der Nettoneuverschuldung, gleichzeitig 1 Milliarde € mehr in Zukunftsinvestitionen, noch einmal 110 Millionen € im Bereich der frühkindlichen Bildung.

Gestern gab es hier im Landtag eine eindrucksvolle Veranstaltung. Der Plenarsaal war rappelvoll, weil diejenigen, die sich als Erzieherinnen, als Trägerinnen und Träger um die frühkindliche Bildung bemühen, wissen wollten, wie es in dem Bereich weitergeht, Herr Kollege Laschet, den Sie uns nicht ganz so gut bestellt hinterlassen haben.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Sie sind mit uns einig, dass wir angesichts knapper Haushaltsmittel dennoch die notwendigen Zukunftsinvestitionen in noch mehr Qualität in diesen Bereich hineinbringen müssen. Wir würden herzlich gerne mehr machen, das lässt aber die Haushaltskonsolidierung, die wir auch brauchen, nicht zu. In diesem Haushalt stehen Ausgaben in Höhe von 466 Millionen € für Schule und Weiterbildung sowie 519 Millionen € – mehr als 2013 – für Innovationen, Wissenschaft und Forschung. – Herr Kollege Laumann, das ist, glaube ich, eine sehr vernünftige, sozial ausgewogene und auf die Zukunft gerichtete Haushaltspolitik.

Ich würde mich freuen, wenn die CDU-Fraktion nach Ihrer Rede endlich auch einmal dem vernünftigen Haushalt zustimmen würde. Das wäre doch einmal etwas.

(Beifall von der SPD – Heiterkeit von der CDU – Beifall von Christian Lindner [FDP])

Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass es wichtig ist, dass unsere Wirtschaft weiterhin wachsen kann, unsere Unternehmen und Betriebe in Nordrhein-Westfalen wettbewerbsfähig bleiben

können. Weil das so ist, sollten Sie doch bitte das ernst nehmen, was wir unter dem Motto, das mit der Ministerpräsidentin direkt verbunden ist – „Kein Kind zurücklassen!“ –, an wichtigen Investitionen in die Zukunft vornehmen.

Immer noch sind zu viele Kinder ohne Schulabschluss, wenn sie die Schule verlassen. Auch in Nordrhein-Westfalen sind es noch mehr als 10.000. Immer noch sind 20 % eines jeden Jahrgangs ohne Schul- und/oder Berufsabschluss. Das sind viel zu viele.

Deshalb sind die Investitionen, von denen ich vorhin gesprochen habe, auch darauf ausgerichtet, nicht nur den Kindern und Jugendlichen eine vernünftige Perspektive für das Leben zu geben, sondern sie stärken auch unsere Wirtschaft, weil wir damit dem drohenden Fachkräftemangel entgegenwirken.

Auch deshalb sollten Sie, Herr Kollege Laumann, Ihren Kolleginnen und Kollegen der CDU anraten, diesem Haushalt zuzustimmen, weil er auf Zukunft geschnitten ist, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Mit fast 20 Milliarden € stärken wir die Kommunen. Kommunalpolitik zu stärken bedeutet doch, genau dort anzusetzen, wo es für das Zusammenleben der Menschen ganz wichtig ist, wo die Menschen auf direkte Weise erfahren, ob ein Staat – Sie haben vom „starken Staat“ gesprochen, den wir brauchen – wirklich in der Lage ist, die dafür notwendigen Aufgaben zu erfüllen. 20 Milliarden € für die Kommunen!

Ich weiß: Das reicht immer noch nicht, um eine finanzielle Stabilität unserer Kommunen herbeizuführen. Auch deshalb ist das, was verabredet worden ist, Herr Kollege Laumann, und an deren Umsetzung Sie jetzt in Berlin mitwirken können, eine ganz entscheidende Grundlage. Ja, ich will es hier einräumen: Ich war äußerst skeptisch, ob es überhaupt gelingen konnte, einen Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD in einer Weise zu verabreden, der auch in meiner Partei zustimmungsfähig sein würde. Ich war wirklich skeptisch.

Das Ergebnis haben wir gesehen. Ich will nicht das „Handelsblatt“ bemühen, um zu erklären, warum es in meiner Partei eine so große Zustimmung gegeben hat. Aber das „Handelsblatt“ hat zu Recht geschrieben: CDU und SPD haben eine sozialdemokratische Koalition geschlossen.

(Christian Lindner [FDP]: Richtig!)

Wer in den Koalitionsvertrag hineinschaut, sieht, dass dort viel SPD-Politik drinsteckt.

(Christian Lindner [FDP]: So ist das!)

Diejenigen, die für uns verhandelt haben, haben gute Arbeit geleistet, vor allen Dingen Sigmar Gabriel und Hannelore Kraft vorneweg. Chapeau, Frau Ministerpräsidentin, das war eine Glanzleistung! Wir haben in unserer Partei lange darüber geredet und diskutiert, ob das funktionieren kann. Es gab alleine in Nordrhein-Westfalen 300 Veranstaltungen, meine Damen und Herren, bevor die SPD ihren Mitgliederentscheid auszählen konnte. Es gab eine hohe Beteiligung: 78 % unserer Mitglieder haben sich beteiligt. 76 % haben – nach langen und auch kontroversen Diskussionen – zugestimmt.

Bei der großen Regionalkonferenz in Kamen waren es 900 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, in Leverkusen 600. Ich hätte mir gewünscht, in der CDU hätte es auch eine Diskussion gegeben, Herr Kollege Laschet. Aber bei Ihrer Regionalkonferenz waren 60 oder 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer? – Zwei Enthaltungen beim kleinen Parteitag!

Ich gebe es gerne zu, dass wir es uns sehr schwer gemacht haben, und bleibe dabei: Wir haben Respekt vor denjenigen, die nicht zustimmen konnten und die nicht zugestimmt haben, weil auch so sichtbar wird, dass diese 150 Jahre alte SPD nach wie vor eine lebendige, diskussionsfreudige Volkspartei ist.

Herr Kollege Laumann, vorhin haben Sie die Sozialisten genannt. Ich nenne Ihnen dazu heute, am 100. Geburtstag von Willy Brandt, ein Zitat: Auf deutschem Boden sammeln sich die Sozialisten in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Auf deutschem Boden sammeln sich die Sozialisten in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands!

(Beifall von der SPD)

Das ist der Schlusssatz in dem Godesberger Programm, meine Damen und Herren.

Ja, es wird darauf ankommen, dass wir vernünftige Investitionen in die Zukunft legen. Es lohnt ein Blick in diesen Haushalt. Ich habe bereits einige Zahlen genannt, es sind noch andere im Haushalt vorhanden, die das ebenfalls sehr gut verdeutlichen.

Herr Kollege Laumann, Sie haben erneut auf die Energiewende hingewiesen und das Beispiel der Zusammenführung von Wirtschaft und Energiepolitik in einem Haus in Berlin zum Anlass genommen zu sagen, das müssten wir hier auch einmal machen. Ich füge hinzu: Ihre Erfahrung resultiert ja aus dieser zerrütteten Ehe von Schwarz-Gelb in Berlin, aus dem Durcheinander zwischen Herrn Brüderle und Herr Röttgen sowie später zwischen Herrn Altmaier und Herrn Rösler, das dort hinterlassen worden ist. Es gab keinen einzigen Versuch, die Energiewende tatsächlich politisch zu gestalten.

Nur, hier in Nordrhein-Westfalen, zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen gibt es eine völlig andere Zusammenarbeit.

(Heiterkeit von der CDU)

Sie brauchen keine Sorge zu haben, wir arbeiten weiter vernünftig, verantwortungsbewusst und zielorientiert zusammen. Das bleibt auch so.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das bleibt auch so, wenn in Berlin CDU/CSU und SPD zusammenarbeiten und wenn es in Hessen – wie es sich abzeichnet – eine schwarz-grüne Koalition gibt. Im Übrigen ist das politische Bild in Deutschland durch die Bildung dieser beiden Koalitionen noch bunter geworden: ganz rot in Hamburg, ganz schwarz in Bayern, fünfmal rot-grün, einmal grün-rot, einmal schwarz-grün – in Hessen – und noch einmal schwarz-gelb in Sachsen – einmal sind Sie von der FDP noch dran –, einmal Rot-Rot in Brandenburg und fünfmal Schwarz-Rot.

Das macht doch deutlich, wie bunt das Bild inzwischen ist, wie koalitionsfähig die Parteien untereinander sind.