Protokoll der Sitzung vom 04.07.2012

3 Bekenntnis zur Jugendbeteiligung mit Leben

füllen – Verantwortung des Landes wahrnehmen

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/44

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Herrn Kollegen Hafke das Wort.

(Unruhe – Glocke)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn wir am Ende eines arbeitsreichen Plenarjahres sind, darf ich Sie bitten, den Raum leiser sprechend oder am besten schweigend zu verlassen, damit sich der

Redner Gehör verschaffen kann. – Herr Kollege Hafke, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der eine oder andere wird vielleicht gerade das Gefühl eines Déjà-vu haben. Das Gefühl täuscht nicht. Bereits zu Beginn der letzten Legislaturperiode haben wir als eine der ersten Initiativen den Antrag zur Jugendbeteiligung eingebracht. Nun bringen wir ihn erneut als eine der ersten Initiativen ein. Das zeigt erstens: Das Thema ist uns nach wie vor wichtig. Es zeigt zweitens aber auch: Es ist in den letzten zwei Jahren nicht viel passiert.

Insbesondere für die neuen Kolleginnen und Kollegen möchte ich noch einmal das bisherige Beratungsverfahren in Erinnerung rufen. Wir haben den Antrag, den wir explizit in der Hoffnung auf eine gemeinsame Lösung eingereicht haben, debattiert. Dabei sind leider sehr viele Dinge vermischt worden. Das war von den Zweiflern unter uns geschickt gemacht, weil man damit die vermeintlichen Hürden für eine Realisierung immer höher gelegt hat. Dabei kommt unser Antrag mit sehr reduzierten und damit konkreten Forderungen daher. Das könnte man, wenn man will, sehr schnell realisieren.

Wir haben dann eine Anhörung durchgeführt, die uns in unseren Forderungen bestärkt hat. Insbesondere die Idee einer Unterstützungsstelle hat einhellig Zustimmung erfahren.

Deshalb haben die Kollegen von den Grünen die Idee mittlerweile abgeschrieben und als eigene Forderung übernommen. Erst nach zwei Jahren ist es SPD und Grünen gelungen, den gewünschten gemeinsamen Antrag mit uns auf den Weg zu bringen. Mit der Neuwahl ist dieser Antrag hinfällig. Da sich die Dinge nicht bewegt haben, möchten wir nun das ganze Vorhaben wieder neu beleben. Wir haben zwei Jahre verloren. Das müsste ein Ansporn sein, um jetzt endlich zu handeln.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, wir brauchen eine Unterstützungsstelle. Wir freuen uns sehr, wenn andere von uns lernen. Insofern ist es ein Anfang, wenn die Grünen diese Forderung übernehmen. Wir freuen uns auch, dass das im Koalitionsvertrag steht. Damit endet dann aber auch die Freude; denn was dort im Koalitionsvertrag steht, ist noch nicht einmal eine Absichtserklärung. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten:

„Eine Servicestelle Jugendbeteiligung kann helfen, Initiativen zu unterstützen, die das Ziel der Ausweitung und Verbesserung der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen auf kommunaler Ebene haben.“

Mal abgesehen davon, dass hier allein die kommunale Ebene und nicht das Land angesprochen ist:

Warum schreiben Sie nicht, dass Sie eine Servicestelle einrichten wollen, wenn eine solche helfen kann? – Wir haben hierzu pragmatische Lösungen aufgezeigt, die man ohne zusätzliche Kosten realisieren könnte. Ich erwarte eine klare Ansage darüber, ob Sie das, was Sie für richtig halten, im Ergebnis auch umsetzen möchten.

Zum Thema Neutralität: Wir haben immer dafür plädiert, die Unterstützungsstelle nicht beim Ministerium anzugliedern. Dies nicht deshalb, weil wir nicht die Ministerin stellen, sondern weil wir die Perspektive haben, dass der Kinder- und Jugendrat Nordrhein-Westfalen wirklich in der Landespolitik mitspricht. Das wird er mal im Einklang mit dem Ministerium, mal mit der Mehrheit hier im Haus und manchmal eben auch nicht machen. Wir brauchen deshalb eine neutrale Instanz, die die Jugendlichen unterstützt.

Ich sehe die Entwicklung momentan durchaus etwas kritisch. Das Ministerium bemüht sich zwar um den Kinder- und Jugendrat in Nordrhein-Westfalen. Jetzt haben die jungen Leute sehr hochwertige tolle Werbematerialien in Landesfarben bekommen. Das gönne ich dem Jugendrat auch. Aber mit Beteiligung an sich hat das relativ wenig zu tun. Ich möchte davor warnen, dass der Kinder- und Jugendrat zu stark unter die Fittiche des Ministeriums genommen wird. Das hat mit Beteiligung nichts zu tun. Wir dürfen keine Alibibeteiligung unterstützen.

(Beifall von der FDP)

Ich möchte Sie deshalb bitten, ehrlich mit den jungen Menschen zu sein. Es gibt also auch Déjà-vus bei den Wünschen. Lassen Sie uns mutig sein und endlich umsetzen, was wir umsetzen können. Wir haben zwei Jahre verloren. Es ist höchste Zeit, dass sich das Landesparlament für die selbstvertretenen Belange von Kindern und Jugendlichen öffnet. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Danke schön, Herr Hafke. – Für die SPD spricht Herr Kollege Jörg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Marcel Hafke, ich finde, die zwei Jahre waren nicht ganz umsonst. Wir haben doch einige Erkenntnislagen in unseren Gesprächen und in der Anhörung erweitern können. Es war sehr konstruktiv. Gerade wenn man es gut machen will, erfordert Parlamentarismus auch schon einmal Zeit. Natürlich habe ich ein Déjà-vu, weil ich vor zwei Jahren angeboten habe, zusammenzuarbeiten und zu versuchen, gemeinsam im Parlament eine Lösung zu finden. Wir waren wirklich auf einem guten Weg. Letztendlich haben wir einen Antrag erreicht.

Jetzt sind in der Tat zwei Jahre ins Land gegangen und wir haben eine neue Situation. Die CDU wird sich wahrscheinlich nicht einbringen, um eine vernünftige Lösung zu finden. Das hat sie bisher nicht gemacht – warum sollte sie es jetzt machen? Aber wir haben ja jetzt ein paar Seeräuber, die hier mit einer großen Welle gestrandet sind. Ich finde, diese sollten wir ins Gespräch einbeziehen. Es kann ganz belebend sein, über die von uns entwickelten Diskussionsstränge hinaus ein paar Impulse zu bekommen.

Ich finde es nach wie vor sehr richtig, dass sich die FDP von ihrer alten Politik aus den Zeiten, als sie der Landesregierung angehörte, löst. Damals wurden demokratische Rechte für Jugendliche eher abgebaut; Stichwort: Zweidrittelparität. Es weht ein neuer Wind. Ich hoffe, dass mit Christian Lindner eine Kurskorrektur zur Frage des Wahlalters stattfinden wird. Wir müssen als Parlament gemeinsam dafür eintreten, dass Jugendliche in der Tat mitwählen und mitbestimmen dürfen. Ab 16 Jahren ist dies genau der richtige Weg, um Jugendliche an die Demokratie heranzuführen.

Ich muss meine Redezeit gar nicht ausschöpfen. Wir sind sehr froh, dass wir diesen Weg bisher gemeinsam gegangen sind. Wir möchten ihn gemeinsam mit der FDP und jetzt auch mit den Piraten weitergehen. Diesbezüglich sollten wir in Konsolidierungsgespräche eintreten. Die CDU hat sich disqualifiziert, aber das ist nicht unser Problem. Sie sind herzlich eingeladen, dazuzukommen, falls Ihnen danach ist, mit uns zusammen konstruktiv zu arbeiten.

Ich freue mich auf die Beratungen in den Ausschüssen. Lieber Marcel Hafke, ich persönlich glaube, dass wir nicht wieder zwei Jahre brauchen, weil wir in den zwei Jahren schon einiges aufgearbeitet haben. Ich hoffe, dass wir zu einem guten Ergebnis kommen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Herr Jörg. – Für die CDU-Fraktion spricht Walter Kern.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Mehr Jugendbeteiligung zu erreichen, ist ein richtiger und zeitgemäßer Weg. Für parlamentarische Arbeit bei Jugendlichen Bewusstsein zu schaffen und das Verständnis für unsere Demokratie zu fördern, ist eine tägliche Herausforderung und liegt in unserem gemeinsamen Interesse.

Den § 6 des Kinder- und Jugendförderungsgesetzes zu praktizieren und Kinder und Jugendliche zu beteiligen, wenn es um Planungen, Entscheidungen und Maßnahmen geht, ist die konkrete Aufgaben

stellung. Deshalb begrüßen wir diesen Antrag der FDP.

Allerdings sollten wir das Thema komplexer sehen. Demokratie zu fördern – ob kommunal oder auf Landesebene – ist keineswegs nur durch Jugendparlamente und Partizipationsmodelle möglich, sondern insbesondere auch durch die konsequente Stärkung der wichtigen nonformalen Bildung.

Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in der Jugendarbeit ist ein wesentlicher Schlüssel zur Demokratieförderung, da Jugendliche in diesem Bereich früh in Verantwortung für mehrheitliche Entscheidungen kommen, die sie dann auch gemeinsam tragen müssen. Das gilt bei der Jugendfeuerwehr genauso wie bei den Nachwuchsgruppen der Umweltverbände. Hier wird Persönlichkeit entwickelt und Demokratiebewusstsein gefördert. Hier wird Verantwortung für den Nächsten geschult und übernommen. In diesem vorpolitischen Raum werden die Leistungsträger und Demokraten von morgen geprägt.

Die Chancen, mehr Demokratieverständnis und Mitverantwortung bei Kindern und Jugendlichen zu fördern, liegt nicht nur in parlamentarischen Lösungen, sondern auch in der sorgfältigen Entwicklung des niederschwelligen Zugangs zu Partizipationsmodellen in Kindergärten, Schulen und in der Freizeit.

Meine lieben Zuhörerinnen und Zuhörer, Kinder und Jugendliche müssen spüren und wissen, dass ihre Anliegen ernst genommen werden und dass unsere Demokratie nur funktionieren kann, wenn Verantwortung und Entscheidungen im engen Zusammenhang stehen und ihre Mitwirkung willkommen und erforderlich ist.

Meine Damen und Herren, Kinder- und Jugendbeteiligung ist kein Selbstzweck. Sie ist eine Bereicherung für unsere Gesellschaft und erfordert eine umfassende Unterstützung auf allen politischen Handlungsebenen. Sie sichert unsere demokratischen Strukturen von morgen. Deshalb ist das Ziel des Antrags auch richtig, womit ich sagen will, dass es erforderlich ist.

Die FDP hat einen sinngemäßen Antrag vor knapp zwei Jahren eingereicht. Die Anhörung am

17.03.2011 hat meines Erachtens deutliche Hinweise ergeben, wo wir die institutionelle Unterstützung ansiedeln können – bei den Landesjugendämtern.

Seit der ersten Antragsstellung sind jetzt also zwei Jahre vergangen. Ich nenne das die Offenlegung der Langsamkeit im Schäfer-Ressort.

(Beifall von der CDU)

Wer ernsthaft junge Menschen für parlamentarische Arbeit begeistern will, der muss hier mehr Gas geben. Jugendliche wollen berechtigterweise zeitnahe Entscheidungen. Das gilt auch deshalb, weil die sich schnell verändernde Lebenssituation eine hohe Fluktuation in den Gremien mit sich bringt. Der Jugendlandtag und insbesondere der Kinder- und Jugendrat NRW sind wichtige Plattformen für eine Weiterentwicklung der Partizipation. Darauf können wir aufbauen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Jörg?

Bitte schön, Herr Kollege Jörg.

Lieber Walter Kern, Sie haben gerade die Langsamkeit des Schäfer

Ministeriums beschrieben. Welche Initiative gab es denn zwischen 2005 und 2010 zur Jugendpartizipation durch die alte schwarz-gelbe Landesregierung?

Ich denke, in den Kommunen gab es sehr viele Initiativen. Es gab keine Landesinitiative. Das ist eingestanden. Nichtsdestotrotz ist das ein Antrag der FDP und nicht einer von euch.

(Christian Lindner [FDP]: Nein, natürlich gab es eine Landesinitiative! Wir haben ein eige- nes Programm im Landeshaushalt einge- bracht! 250.000 € für die Jugendbeteiligung im Landeshaushalt! – Unruhe und weitere Zurufe)

Das ist richtig. Herr Jörg, der Hinweis von Herrn Lindner ist richtig. Seinerzeit hat die FDP den Antrag gestellt, diese Mittel einzubringen. Das ist richtig, Christian. Ich kann mich daran erinnern.

Die Beteiligung junger Menschen ist unseres Erachtens eine gemeinsame Aufgabe aller im Landtag vertretenen Fraktionen. Nach Überzeugung der CDU müssen wir ein Gesamtkonzept erstellen, um Kinder und Jugendliche durch Informations-, Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen in den Beteiligungsmöglichkeiten zu stärken. Deshalb ist nonformale Bildung im Landesjugendplan in besonderer Weise zu nennen. Da haben wir ja auch noch freie Mittel. Damit könnte man schneller an die Ziele kommen.