Mir ist wichtig, noch einmal zu sagen: Wir fordern hier keine fertige Lösung. Wir wollen der Landesregierung die Möglichkeit geben, bei einer sie betreffenden Regelung mitzureden. Bitte tun Sie das. Bitte legen Sie einen Vorschlag vor! Und bitte – Zitat – rechtfertigen Sie das Vertrauen, das die überwiegende Mehrheit der Menschen noch in diese Institution – Zitat Ende –, den Landtag, das Land Nordrhein-Westfalen, in seine Regierung und in die Demokratie hat. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Marsching. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Prof. Bovermann das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auch noch am Freitagnachmittag! In seinem Vortrag „Politik als Beruf“ aus dem Jahr 1919 unterscheidet Max Weber, der Vater der modernen Sozialwissenschaft, zwischen zwei Typen von Politikern: denen, die „für“ die Politik leben, und denen, die „von“ der Politik leben. Weiter heißt es bei Weber – nun zitiere ich auch einmal –:
„Der v o n der Politik lebende Berufspolitiker kann sein: reiner ,Pfründner‘ oder besoldeter ,Beamter‘.“
In unserer heutigen Debatte geht es um den Übergang von Politikern als besoldete Beamte in Funktionen und Positionen der Wirtschaft, die ihren Unterhalt sichern sollen. Auch fast 100 Jahre später tun wir uns dabei in Deutschland immer noch schwer mit dem Typus des Berufspolitikers. Sei es bei Diätenerhöhungen, Nebentätigkeiten oder, so wie heute, den Aktivitäten nach dem Ausscheiden aus der Politik – stets droht die Zunahme der Politikerverdrossenheit.
Daher ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass die Piraten sich um die – jetzt zitiere ich aus dem Antrag – „Glaubwürdigkeit des Parlamentarismus als Ganzem“ sorgen. Das hat man, lieber Herr Marsching, nicht von Ihnen, aber von anderen Mitgliedern Ihrer Fraktion auch schon anders gehört.
Um hier kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Der Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft ist durchaus erwünscht. Doch es gibt Bedenken, die die Piraten in ihrem Antrag am Beispiel des Falles Pofalla aufgreifen. Unabhängig davon, ob es sich um einen Wechsel zu einem Unternehmen des Bundes oder in die freie Wirtschaft handelt, muss die Mitnahme von Insiderwissen und die Verwendung dieses Wissens gegen staatliche Interessen und zum persönlichen Vorteil unterbunden werden.
Herr Abgeordneter, entschuldigen Sie bitte. Herr Kollege Marsching würde Ihnen gerne eine Frage stellen. Möchten Sie sie zulassen?
Als weiteres Problem kommt bei einem Wechsel während der Wahlperiode der Vertrauensverlust an der Wählerbasis hinzu. In diesem Fall, dem Fall Pofalla, fehlte es wohl an der notwendigen Verantwortungsethik, die stets die Folgen des Tuns einbezieht. Oder, um es wieder mit Max Weber zu formulieren: Nicht jeder Berufspolitiker hat auch den „Beruf zur Politik“.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, kommen wir nun zu den Forderungen der Piraten. Sie präsentieren uns in Ihrem Antrag eine bunte Mischung von Indikatoren, ohne sich klar festzulegen. Zum einen sollen sich die Aufgabengebiete oder Ressorts von früherer und neuer Tätigkeit nicht überschneiden. Zum anderen dienen Interessenverflechtungen und Konflikte als Kriterium. Schließlich soll der Zusammenhang zwischen im Amt getroffenen Entschei
Gefordert werden eine dreijährige Karenzzeit und die Einrichtung einer Ethikkommission. Letzteres dürfte angesichts der vorhin angedeuteten ethischen Fragen besonders problematisch sein.
Was ich überhaupt nicht verstehen kann, liebe Piraten, ist die Behauptung, dass es in Nordrhein-Westfalen keine diesbezüglichen Regelungen gebe. Ein Blick in das Korruptionsbekämpfungsgesetz und das Beamtenstatusgesetz hätte Sie eines Besseren belehrt. Dort finden sich eindeutige Bestimmungen, die für ausgeschiedene Regierungsmitglieder gelten, wenn durch ihre Tätigkeit dienstliche Interessen beeinträchtigt sind. Auch ein Karenzzeitraum ist klar definiert.
Was wollen die Piraten uns also mit ihrem Antrag sagen? Vielleicht erfahren wir es nach der Überweisung in den Hauptausschuss, der wir zustimmen. Dort können wir auch über die Überlegungen auf Bundesebene diskutieren und abwarten, ob dort überzeugende Lösungen gefunden werden. Für Nordrhein-Westfalen jedenfalls sehen wir zurzeit keinen Handlungsbedarf. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Bovermann. Bitte bleiben Sie noch einen Augenblick hier; denn die Piratenfraktion hat eine Kurzintervention angemeldet. Ich vermute, dass der Kollege Marsching das Wort ergreifen wird. Wenn er sich freundlicherweise eindrückt, kann ich ihm auch für 90 Sekunden das Wort geben. Bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Bovermann, wenn Sie während Ihrer Rede keine Zwischenfrage zulassen, muss ich meine Frage leider am Ende stellen. Zwischenfragen sind ja auch vorgesehen, um Verständnisfragen zu stellen. Sie haben gerade gesagt, zum Thema „Glaubwürdigkeit des Parlamentarismus“ hätten Sie von anderen Mitgliedern meiner Fraktion schon etwas anderes gehört. Diesen Punkt hätte ich von Ihnen gerne noch einmal erläutert, wenn es geht.
Ich beziehe mich hier auf Aussagen, die aus Ihrer Fraktion gekommen sind und das System des Parlamentarismus als ein krankes System bezeichnen.
Das halte ich für eine Formulierung, bei der es nicht nur um sicherlich immer wichtige Verbesserungen unseres parlamentarischen Systems geht, sondern um eine fundamentale Kritik. Daher habe ich mich gewundert, dass Sie sich jetzt in diesem Fall der Karenzzeiten zum Retter oder zur Retterin des Parlamentarismus aufschwingen. Ich begrüße es aber, wenn es einen entsprechenden Gesinnungswandel gibt. Ich habe ja auch deutlich gemacht, dass das nicht auf Ihre Fraktion insgesamt zutrifft
und dass es bei Ihnen ganz unterschiedliche Positionen dazu gibt. Wir freuen uns immer darüber, wenn jemand dafür eintritt, den Parlamentarismus im Detail zu verbessern. Allerdings kann ich die dort gefallenen Äußerungen nur mit großem Unverständnis zurückweisen. – Danke schön.
Vielen Dank, Herr Kollege Prof. Bovermann. – So weit Kurzintervention und Antwort darauf. – Nächster Redner für die CDU-Fraktion ist Herr Kollege Jostmeier. Bitte, Herr Kollege.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Völlig losgelöst von dem aktuell diskutierten Fall hatten wir die Frage und das Problem, wenn Sie so wollen, des Wechsels von der Politik in die Wirtschaft oder umgekehrt von der Wirtschaft in die Politik auch in früheren Jahren und Jahrzehnten, und zwar völlig unabhängig von der Farbe der Partei, die gerade in Bonn oder hier in Düsseldorf das Sagen hatte.
Auch vor dem Hintergrund des Antrags der Piratenfraktion denke ich, dass bei den Parteien in diesem Hause Konsens dahin gehend besteht, dass wir gemeinsam sagen: Ein Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft, Politik und Kultur sowie Politik und Verwaltung und auch umgekehrt ist nicht nur gewünscht; es ist auch notwendig, dass solche Wechsel stattfinden.
Je mehr Normalität wir bei dieser Frage haben, je mehr Normalität wir bei dem Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft haben, desto besser ist es für die Parlamente, und desto besser ist es auch insgesamt für die Politik, denke ich.
Sie kennen wahrscheinlich alle den Spruch, den wir uns häufiger in den Wahlkreisen anzuhören haben: Wir wollen kein Beamtenparlament; wir wollen auch nicht, dass nur Berufspolitiker im Parlament sit
zen. – Häufig kommt dann hinterher noch der schöne Satz: Das Parlament ist mal voller und mal leerer, aber ständig voller Lehrer. – Jeder von uns weiß, dass das nicht stimmt und dass wir dem entgegentreten. Die Art und Weise aber, wie wir dieses Thema behandeln, kann auch dazu beitragen.
Meine Damen und Herren, die Große Koalition hat sich ebenfalls mit dem Thema befasst. Der Koalitionsvertrag besagt, dass man eine angemessene Regelung anstreben will. Am 16. Januar dieses Jahres hat sich der Bundestag damit befasst.
Ich denke, es wäre völlig falsch, wenn sich die Parteien jetzt in einen Überbietungswettbewerb begeben, wer die höhere Karenzzeit fordert. Aus meiner Sicht ist der Antrag der Piraten hier schon nicht stringent. Die Piraten verweisen auf die europäische Regelung. Danach sind es anderthalb Jahre für Kommissare und für Kommissionsmitglieder – Sie haben das vorhin zitiert, Herr Marsching –, Sie selber fordern aber die doppelte Karenzzeit, nämlich drei Jahre, begründen das in Ihrem Papier aber nicht.
Meine Damen und Herren, wir sollten uns hüten, bei dieser Frage eine generelle, pauschale Regelung zu finden. Jeder Fall unterscheidet sich. Es ist etwas völlig anderes, ob sich ein früherer Bundeskanzler in den Dienst des Präsidenten Putin stellt. Das ist auch keine Frage der Karenzzeit. Wenn sich ein früherer Bundeskanzler in den Dienst einer fremden Macht stellen will, dann sollte es nicht auf Karenzzeiten ankommen – das sollte er nie tun.
Meine Damen und Herren, wir verschließen uns einer sachlichen Diskussion, um zu Regelungen zu kommen, nicht. Das können wir gerne im Hauptausschuss sachlich konkret behandeln. Ich gebe aber zu bedenken, ob es nicht klug wäre, um keinen Flickenteppich zu bekommen, dass wir abwarten, was der Bund in dieser Angelegenheit regeln wird. Unterschiedliche Regelungen zwischen Bund und Ländern sollten wir vermeiden. Noch schlimmer wäre es, wenn die 16 Bundesländer ebenfalls völlig verschiedene Regelungen zu dieser Thematik beschließen würden.
Wir freuen uns auf die Diskussion im Hauptausschuss. Ich hoffe und wünsche, dass wir dann zu einer Regelung kommen, die – da gebe ich Ihnen recht – mit dazu beiträgt, dass die Politik- oder die Politikerverdrossenheit nicht weiter zunimmt, sondern das Gegenteil sollte stattfinden. Je mehr wir den Wechsel zur Normalität werden lassen, desto mehr hilft es den Parlamenten. – Danke schön.
Vielen Dank, Herr Kollege Jostmeier. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Herrn Kollegen Engstfeld das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Marsching, Sie haben in Ihrer Rede gesagt: „Achtung, jetzt kommen ein paar Zitate“, und Sie haben die Stellen dann auch kenntlich gemacht. Ich habe mir Ihren Antrag angeguckt.
Sie wissen ganz genau – das hätten Sie auch dazuschreiben können –, dass er in ganz großen Teilen deckungsgleich mit dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 15. Januar 2014 ist.
Was Sie gemacht haben, ist sehr „piratig“. Sie haben einen aktuellen Anlass genommen, den Sie auch benannt haben – den Fall Pofalla –, und dann haben Sie ein bisschen geguckt, was die anderen aufgeschrieben haben, in diesem Fall unsere Bundestagsfraktion. Dabei haben Sie die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen – der Kollege Bovermann hat es angedeutet – nicht richtig erfasst; ich weiß gar nicht, ob willentlich nicht, oder ob Sie dazu nicht in der Lage gewesen sind. Ich gehe davon aus, dass der Minister gleich noch das eine oder andere zur Rechtslage sagen wird.