Protokoll der Sitzung vom 19.02.2014

Es wäre auch schön gewesen – das möchte ich nicht verhehlen –, wenn sich auch die CDU aktiv in diese Initiative eingebracht hätte. Das wäre ein ganz starkes, überparteiliches Signal für NordrheinWestfalen gewesen.

Auf einen Punkt möchte ich noch eingehen. Sie haben seitens der CDU gesagt, dass Ihnen der Gesetzentwurf in der vorgesehenen Beteiligung des Ausschusses nicht weit genug gehe. Mit diesem Gesetzentwurf wurden aber die Anregungen des Ausschusses auf eine intensivere Beteiligung aufgegriffen.

Sie wollen jetzt, dass der Ausschuss bereits vor der Vorlage eines ersten Entwurfes der Landesregierung an den Planungen beteiligt wird, und das – das möchte ich noch einmal betonen – halte ich aus sachlichen Erwägungen nicht für fachgerecht. Die Landesregierung muss in einem eigenständigen Beratungsprozess mit den öffentlichen und freien Trägern und der Fachwissenschaft die Möglichkeit haben, Aspekte der Planung zu erörtern. Frau Altenkamp hat es neulich treffend auf den Punkt gebracht; denn sie hat gesagt: Wir machen Betroffene zu Beteiligten. – Dabei wollen wir als Landesregierung auch bleiben.

(Beifall von der SPD)

Herr Kamieth, ich möchte keine Schärfe hineinbringen, aber Sie sprechen davon, dass Ihnen die Planungssicherheit nicht ausreicht. Ich darf daran erinnern, dass Sie bei dem Haushaltsplanentwurf für 2013 selbst noch gefordert haben, dass man alle Förderprogramme bis 2017 um 20 % kürzen solle. Das hat jedoch ganz wenig mit Planungssicherheit zu tun. Das kann ich mir jetzt auch nicht verkneifen.

Wir legen heute einen Kurs für eine starke, zukunftsfähige Kinder- und Jugendarbeit in NordrheinWestfalen fest. Frau Hanses sagt, es ist ein Festtag. Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 9, und wir kommen zur Abstimmung.

Der Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend empfiehlt in der Drucksache 16/5056 – Neudruck –,

den Gesetzentwurf Drucksache 16/3440 mit den vom Ausschuss beschlossenen Änderungen anzunehmen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Piraten, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP. Wer möchte dagegen stimmen? – Keiner. Gibt es Enthaltungen? – Die CDU enthält sich. Der fraktionslose Abgeordnete Stein scheint nicht im Raum zu sein. Mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis ist der Gesetzentwurf Drucksache mit Mehrheit angenommen worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 9 und rufe auf:

10 Vorschläge zu Fahrzeugstopp per Fernbedie

nung und automatisiertem Kennzeichenscan sind inakzeptabel – Auswüchse einer um sich greifenden technischen Überwachungsdoktrin verhindern!

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/5036

Entschließungsantrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/5098

Der Kollege Dr. Wolf von der FDP-Fraktion hat das Wort.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf europäischer Ebene beschäftigt sich gegenwärtig eine nahezu unüberschaubare Vielzahl von Arbeitsgruppen formeller und informeller Art mit allen möglichen Aufgabenstellungen. Eine davon ist die Gruppe ENLETS. Das steht für European Network of Law Enforcement Technology Services.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Diese 2008 gegründete Arbeitsgruppe hat jüngst ein Arbeitsprogramm für die Jahre 2014 bis 2020 vorgelegt. Daran beteiligt waren Mitarbeiter der Polizei und polizeiliche Forschungseinrichtungen, und dort sind uns einige aus unserer Sicht grundrechtlich hoch problematische Vorschläge bekannt geworden. Ich denke, es ist wichtig, dass man gerade bei europäischen Vorhaben rechtzeitig eingreift und seine Stimme erhebt.

Nun könnte man fragen: Welche Relevanz besitzt ein Vorschlag solch einer Arbeitsgruppe? – Dabei muss man sich vergegenwärtigen, dass diese Arbeitsgruppe zum einen EU-finanziert ist und dass zum anderen die Kommission dem Ständigen Ausschuss des Rates für die innere Sicherheit jüngst das Arbeitsprogramm mit dem Zusatz zugeleitet hat, dieser möge es unterstützen. Das heißt also, eine praktische Relevanz ist nicht zu leugnen, und es droht ein großes Stück bürgerliche Freiheit verlorenzugehen. Deswegen verbinden wir mit unserem

heutigen Antrag unseren Appell, sich in dieser Hinsicht einzubringen.

Das Netz der Freiheitsbeschränkungen zieht sich immer enger zusammen, und wir wissen aus den letzten Jahren, dass das sowohl auf staatlicher Ebene Platz greift – ich nenne nur die Stichworte „NSA“, „PRISM“, „Tempora“ und „Vorratsdatenspeicherung“ – als auch bei privaten Unternehmen – Stichwort: „RFID-Chips“ –. Die Anzahl der Datensammlungen bereitet uns große Sorgen.

Wenn jetzt noch weiteres Ungemach hinzukommt, nämlich die anlasslose automatisierte Kennzeichenerfassung und -speicherung und das Anhalten von Kfz per Fernbedienung, dann ist das etwas, was uns nicht ruhig bleiben lässt.

(Beifall von der FDP)

Die anlasslose automatisierte Kennzeichenspeicherung ist vom Bundesverfassungsgericht im Übrigen für verfassungswidrig erklärt worden. Insofern ist höchste Gefahr im Anmarsch, wenn in Europa so etwas geplant ist.

Aber auch der zweite Punkt hat Sprengkraft, nämlich das Thema des flächendeckenden Einbaus von technischen Möglichkeiten zur Anhaltung und Fernabschaltung von Fahrzeugen aller Art. Die technische Umsetzung ist zwar noch nicht genau spezifiziert, aber das Ziel ist letztendlich, das Risiko von Verfolgungsjagden zu vermeiden. Das hört sich gut an, aber wir sehen unter dem Deckmantel der staatlichen Fürsorge eine in der Tat große grundrechtliche Relevanz.

(Beifall von der FDP)

Man kann sich fragen, inwieweit die zahlenmäßige Relevanz solcher Verfolgungsjagden ausschlaggebend ist. Wer viele Kinofilme oder auch „Alarm für Cobra 11“ schaut, der weiß, dass es das gibt.

(Heiterkeit)

Aber ich habe das Gefühl, dass die Dinge doch nicht allenthalben, jeden Tag und dauerhaft passieren. In Deutschland gibt es keine genaue Erfassung der Zahlen, und ich glaube, dass die Gefahr des Missbrauchs deutlich größer ist als der Nutzen. Denn eines ist völlig klar: Zum einen wird der Fall der Risikojagd nach Verbrechern hochgespielt, zum anderen ist die Ausweitung auf andere Fälle mit Sorge zu betrachten. Werden hinterher auch solche Fernabschaltungen bei Geschwindigkeitsüber

schreitungen, Rotlichtverstößen oder Ähnlichem vorgenommen? Hier gilt es, rechtzeitig Einhalt zu gebieten.

Die Gefahr von Staus und Unfällen durch Abschaltung sind hier zu erwähnen, aber auch nicht weniger, meine Damen und Herren, das Problem, dass Dritte Zugriff auf dieses System bekommen können. Kriminelle könnten beliebige Opfer an beliebiger Stelle überfallen, ausrauben oder entführen, indem

sie sich in dieses System einhacken. Daher halten wir auch dieses System für höchst kritisch.

(Beifall von der FDP)

Im Übrigen, meine Damen und Herren: Das Unterbinden von Verfolgungsjagden ist dem Bereich der Prävention zuzuordnen. Darüber herrscht in der polizeirechtlichen Literatur weitgehend Einigkeit. In diesem Bereich hat die EU normalerweise auch keine Zuständigkeit. Es fehlt somit an einer ausdrücklichen Befugnis hierfür.

Deswegen ist unser Appell ganz eindeutig: Nicht alles, was technisch möglich ist, darf auch gemacht werden. – Wir brauchen uns sonst über Grund- und Freiheitsrechte nicht mehr zu unterhalten.

Es gibt kein Grundrecht auf Sicherheit, meine Damen und Herren. Im Gegenteil: Das Grundgesetz sieht die Gewährleistung der Freiheit als vornehmste Aufgabe, und das ist für uns Liberale eine Selbstverständlichkeit.

Ich biete Ihnen aber auch gerne Zeugen außerhalb der liberalen Familie. Da ist zum einen der Expräsident des Bundesverfassungsgerichts Papier zu nennen. Zum anderen haben die Ausführungen des Bundespräsidenten Gauck in den letzten Wochen und Monaten deutlich gemacht, dass die Freiheit im Vordergrund steht.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Also, schließen Sie sich uns gegen die unsinnigen und freiheitsfeindlichen Vorschläge der Arbeitsgruppe an, und lassen Sie den Landtag ein Zeichen setzen, dass Technik ihre Grenze findet, und zwar im Rechtsstaat. – Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Wolf. – Für die Fraktion der SPD spricht der Kollege Geyer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Dr. Wolf, dieses Drohszenario, das Sie jetzt gerade dargestellt haben und das Ihrer Ansicht nach auf uns zukommt, ist übertrieben und hätte ganz gut als kabarettistische Einlage in die fünfte Jahreszeit gepasst.

(Zurufe von der FDP und den PIRATEN: Oh!)

Ja, das muss auch einmal so sagen, auch wenn es schwerfällt.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Nein, das muss man nicht sagen!)

Es ist ja erfreulich, dass die FDP das Thema „Datenschutz“ für sich zu finden scheint. Sie waren mit dem Antrag auch schneller als die Kollegen der Pi

ratenfraktion. Den Piraten muss man allerdings zugute halten, dass ihr Entschließungsantrag, den sie heute eingereicht haben, mehr Substanz hat und differenzierter ist. Aber letztlich ist er auch nicht viel besser als der Antrag der FDP-Fraktion.

Schauen wir uns doch erst einmal gemeinsam den Sachverhalt an. ENLETS ist eine Arbeitsgruppe, besetzt mit Experten aus Wissenschaft und Polizei. Sie verfügt über keinerlei gesetzgeberische Kompetenzen und erarbeitet lediglich Vorschläge. Die Expertengruppe soll einen Erfahrungsaustausch auf europäischer Ebene ermöglichen und sich schwerpunktmäßig mit der Entwicklung und Anwendung neuer Technologien befassen.

Der Antrag bezieht sich dabei explizit auf das Arbeitsprogramm für den Zeitraum 2014 bis 2020. Was heißt das für den Antrag? – Sie möchten einen Beschluss über etwas herbeiführen, was im Rahmen der Arbeitsgruppe noch erarbeitet werden soll und obwohl wir noch gar nicht wissen, ob die Kommission diesen annimmt oder auch nicht. Die Beratungen fangen gerade erst an. Im jetzigen Stadium macht Ihr Antrag daher wenig Sinn. Er kommt damit einem Denkverbot gleich.

Lassen Sie mich nun zu dem Thema an sich kommen. In der Bevölkerung herrscht eine hohe Sensibilität für das Thema „Datenschutz und Datensicherheit“ vor, und das ist auch gut so. Das bedeutet für uns als ihre Vertreter: Es ist unsere Aufgabe, dass wir uns in den verschiedenen und vielfältigen politischen Arbeitsfeldern um das Recht auf informationelle Selbstbestimmung unserer Mitbürgerinnen und Mitbürgern kümmern – ohne Ausnahmen.