Protokoll der Sitzung vom 28.03.2014

Das, was damit verbunden ist, das ist schon deutlich geworden – da danke ich der Kollegin SpanierOppermann –: Es wird zu einer Aufwertung der Kolleginnen und Kollegen führen, die im Fach Hauswirtschaft an den Schulen schon jetzt engagiert in diesem Sinne arbeiten. Das sind nämlich nicht die Schnittchenbeauftragten der Schule, das sind auch nicht die Möhrenbeauftragten der Schule, Frau Kollegin Gebauer. Denn dazu gehört natürlich auch die Vermittlung, wie ich mit Nahrungs-, mit Lebensmitteln umgehe. Es geht um kritischen Konsum. Es geht darum, wie produziert wird, wie Marktmechanismen funktionieren. Es geht um Ressourcenverantwortung, um die Frage: Was löse ich durch meinen Lebensstil aus?

Ich nehme eine Bemerkung aus der Ausschussberatung auf: Das bedeutet nicht, dass Lebensstile „verordnet“ werden. Das genau heißt es nicht. Aber das Bewusstmachen für die Frage, wie wir leben und welche Auswirkungen das hat, wie ich Verantwortung für mich, das soziale Miteinander und für den Bezug zum globalen und lokalen Handeln übernehmen kann, das ist natürlich curricularer Inhalt.

Wir haben miteinander darauf geachtet, dass das Fach Hauswirtschaft als Trägerfach innoviert und verankert werden kann. Dann ist es nämlich anschlussfähig in vielen anderen Bezügen, etwa an die Sozialwissenschaften, an die Naturwissenschaften, sodass es wirklich alle Schülerinnen und Schüler in allen Schulstufen und in allen Schulformen erreicht.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Mit dem REVIS-Projekt sind uns ja schon Bildungsziele vorgelegt worden. Glücklicherweise haben wir einen innovativen Lehrerausbildungsstandort in Paderborn, der über die Bundesländer hinweg und international vernetzt ist und genau diese Bildungsziele und Kompetenztableaus erarbeitet hat.

Das ist ein weiterer positiver Aspekt aus der Anhörung: dass da jetzt ein Kompetenzstrang der ökonomischen Grundbildung explizit hinzugefügt wird. Zudem müssen die Realschulen profilieren, was bisher auf den Weg gebracht worden ist und in diesem Sinne weitergeführt werden kann.

Von daher finde ich, dass das ein gutes Ergebnis ist. Ich freue mich über das breite Getragensein dieser Grundidee. Wir haben viele Kooperationspartnerinnen: die Landfrauen, die Verbraucherzentralen, die mit den Expertinnen in der Schule, nämlich den gut ausgebildeten und gut fortgebildeten Lehrerinnen und Lehrern in diesem Feld, an dieser Sache arbeiten können. Das ist zukunftsorientierte Bildungspolitik.

(Zustimmung von Margret Voßeler [CDU])

Ich freue mich, Frau Voßeler, dass Sie das mit Ihrem Nicken kommentieren. Ich finde es prima, dass wir das so breit getragen hinbekommen haben. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Frau Abgeordneter Gebauer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Begriff „Möhren- und Schnittchenbeauftragte“ habe nicht ich genannt, den haben Sie ins Spiel gebracht. Es liegt mir fern, unsere Lehrerinnen und Lehrer, die

hervorragende Arbeit an den Schulen leisten, derart zu bezeichnen.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Sie haben die Fährte gelegt!)

Es ging in der Pressemitteilung – Sie haben das zitiert – ein Stück weit um das, was Sie vorhaben. Sie haben nämlich vor, in einem Fach alles zu vermitteln: Konsum, Medienkompetenz, Datenschutz, Ernährung und Gesundheit. – Das sind alles wichtige Themen. Dazu kommt ein Stück weit als Anhängsel auch noch ökonomische Bildung.

Wir sagen ganz klar: Das ist nachher nichts anderes als ein Gemischtwarenladen, der keinem dieser wichtigen Teilthemen gerecht wird. Deshalb sprechen wir uns nicht für diesen Antrag aus.

Natürlich geht es um Verbraucherschutz. Ein wichtiges Thema! Das haben wir sowohl in der Anhörung als auch in unserem Antrag immer wieder zum Ausdruck gebracht. Aber das, was jetzt passiert, von allem ein bisschen, jeder Lehrer muss Fachmann, jede Lehrerin muss Fachfrau sein, was in dem riesigen Komplex der Wirtschaft gar nicht sein kann, das halten wir für völlig unzureichend.

(Beifall von der FDP)

Jetzt gibt es also das von Ihnen, Frau Beer, angesprochene Konzept REVIS zur Reform der Ernährungs- und Verbraucherbildung in allen Schulformen bis hin zur Lehreraus- und -fortbildung, das uns übergestülpt wird.

Auch wenn REVIS in anderen Bundesländern genutzt wird: Viele Wissenschaftler haben dieses Konzept im Rahmen der Anhörung als einseitig und unzureichend kritisiert. Darauf wird aber überhaupt nicht eingegangen. Sie wollen dieses Konzept jetzt einführen.

Frau Beer, wir glauben schon, dass es Ihnen am Herzen liegt, dass dieses Konzept kommt, denn wir wissen, dass die Grünen ein Stück weit daran beteiligt sind.

Sie haben das Thema „Lebensstile“ angesprochen. Ja, in Ihrem Antrag steht: Lebensstile erlernen. Sie haben das in letzter Zeit nicht mehr so häufig gebracht, weil das im Rahmen der Anhörung ebenfalls ein großer Kritikpunkt war.

Wir möchten nicht, dass unseren Kindern Lebensstile vermittelt werden. Wir möchten, dass unsere Kinder so weit frei denken können und frei erzogen werden, dass sie ihr Leben selbst bestimmen können. Wir möchten ihnen nicht Lebensstile vorleben bzw. durch unsere Lehrerinnen und Lehrer vortragen lassen wollen und sagen: Das ist der Lebensstil, den es in Zukunft zu berücksichtigen gilt.

Ich weiß, dass Sie darauf empfindlich reagieren.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Aber genau darauf kommt es an.

Wir wollen den mündigen Bürger mit eigenständigem Denken und Handeln und nicht das Mündel des Staates. Dazu sind Aufklärung und Bildung wichtig und richtig, aber nicht in Form des Vermittelns von Lebensstilen.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Kommen wir zurück zum Fach Wirtschaft an Realschulen. Sie haben das trotz überwältigender Zustimmung von Schülern, Eltern, Lehrern und Schulleitungen leider nicht auf den Weg gebracht. Stattdessen gibt es REVIS für alle. Wir bedauern das sehr. Uns geht es um die Stärkung der ökonomischen Kenntnisse unserer Kinder. Dafür müssen wir dringend etwas tun.

In diesem Zusammenhang möchte ich Folgendes erwähnen – das habe ich bereits im Ausschuss getan –: Es gab im Rahmen der Anhörung eine Erklärung von DGB und GEW, wonach man für Schulen des gegliederten Schulsystems generell nichts mehr machen möchte.

Meine Damen und Herren, ich finde eine solche Aussage erschreckend. Sich von dieser Aussage nicht zu distanzieren, finde ich noch erschreckender. Denn hier klaffen Reden und Handeln auseinander. Wir haben knapp eine Million Schülerinnen und Schüler an Schulformen, die kein längeres gemeinsames Lernen anbieten. Es gilt, auch diese Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen bestmöglich zu beschulen.

Die Aussage, dass wir für das gegliederte Schulsystem generell nichts mehr tun wollen, finde ich besorgniserregend. Ich hoffe, dass sich die handelnden Personen davon distanzieren. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Gebauer. – Für die Piratenfraktion erteile ich Frau Kollegin Rydlewski das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Wir haben bereits im Ausschuss ausführlich über Verbraucherbildung und ökonomische Bildung gesprochen. Ich denke, wir sind uns zumindest in folgenden Punkten einig:

Bei vielen Schülerinnen und Schüler fehlen Kenntnisse über ökonomische oder rechtliche Zusammenhänge fast vollständig. Das betrifft nicht nur theoretische Bereiche, zum Beispiel Hintergrundkenntnisse bezüglich komplexer wirtschaftlicher Abläufe, sondern auch ganz konkrete und praxisrelevante Dinge des Alltags, die junge Erwachsene persönlich betreffen, beispielsweise das Durchführen von Überweisungen, das Abschließen von Verträgen, Rechte und Pflichten aus diesen Verträgen usw.

Leider – das kann ich nach zehn Jahren Erfahrung mit wirtschaftswissenschaftlichen Fächern an Berufskollegs sagen – tritt dieses Problem an allen Schulformen gleichermaßen auf. Die Frage ist: Wie lösen wir dieses Problem?

Die FDP hatte ursprünglich vorgeschlagen, ein eigenes Fach Wirtschaft an Realschulen zu schaffen. Dieser Antrag ist im Ausschuss abgelehnt worden.

Die in verschiedenen Bereichen immer wieder auftretenden Forderungen nach diesem oder jenem zusätzlichen Fach könnten aber endlich Anhaltspunkt zur Überarbeitung von Lehrplänen generell und zum Aufbrechen der Fächer hin zu eher fächerübergreifender projektorientierter Arbeit sein.

(Beifall von den PIRATEN)

Dies hätte vor allem den Charme, dass ökonomische Modelle, Zusammenhänge und Entscheidungen im Kontext mit den politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen betrachtet würden.

Diese Idee der Verknüpfung von Verbraucherbildung mit hauswirtschaftlichen und ökonomischen Inhalten ist in den Vorschlägen zwar erkennbar, allerdings wird da aus unserer Sicht viel zu sehr auf die Rolle von Schülerinnen und Schüler als Konsumentinnen und Konsumenten geschaut.

(Beifall von den PIRATEN)

Das ist uns zu wenig und bildet insbesondere die moderne Medienwirklichkeit nicht ausreichend ab.

Sieht man sich beispielsweise den im Beschluss der Kultusministerkonferenz erwähnten Bereich „Medien und Informationen“ näher an, stellt man fest: Junge Menschen müssen über ihre Rolle als Konsumenten hinaus auch in ihrer Rolle als Schaffende, in ihrer Rolle als Gestaltende und – um es ökonomisch zu formulieren – in ihrer Rolle als Produzierende stärker berücksichtigt werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Außerdem ist es für uns eine ganz wichtige Frage, wer konkret die Anteile der Wirtschaftswissenschaften in den Schulen unterrichten soll. Mir reicht es an dieser Stelle nicht, wenn fachfremd mit wenig Fortbildung ökonomische Inhalte vermittelt werden.

Gerade in diesem Bereich sehe ich zudem die Gefahr, dass Lobbyverbände kostenfreie Materialien produzieren. Ich hoffe, dass fachkundige Kolleginnen und Kollegen in den Schulen die Prüfung dieser Unterrichtsmaterialien vornehmen können.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Verbraucherbildung an Schulen ist uns wichtig. Auch wir sind für den Ausbau und die Weiterentwicklung der Angebote. Es kommt dabei aber aus unserer Sicht an vielen Stellen sehr auf die tatsächliche Ausgestaltung der Verbraucherbildung an.

Der vorliegende Antrag enthält bedauerlicherweise viele der von mir genannten konkreten Elemente nicht. Daher empfehle ich meiner Fraktion die Ablehnung. – Danke schön.