Protokoll der Sitzung vom 05.07.2012

Wir haben in NRW zum Beispiel das Semester-Ticket. Das funktioniert umlagefinanziert. Das heißt, insgesamt würden auf jeden Bürger in NRW ungefähr 13,00 € – einmal ganz grob geschätzt – zukommen. Man kann natürlich auch noch andere Gegenfinanzierungen herauskramen. Man kann dafür City-Maut-Mittel einsetzen, man kann die Verkehrswendedividende, also freie Parkflächen und so weiter, einbeziehen. Wir sehen das ja in anderen Städten wie Tübingen, wo der Bürgermeister von den Grünen genau das machen möchte,

(Beifall von den PIRATEN)

nämlich einen umlagefinanzierten, fahrscheinlosen ÖPNV einführen. Das ist also anscheinend nicht unrealistisch.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich hoffe indes, dass beim Rhein-Ruhr-Express – da war ich eben –, bei der wohl zunehmenden Fokussierung auf den Schienenverkehr und auf RheinRuhr, der Raum Westfalen-Lippe und der Busverkehr in vor allem ländlichen Gebieten nicht vernachlässigt werden. Ein attraktiver ÖPNV und Mobilität für alle – darf nicht nur für die Metropolregionen gelten.

(Beifall von den PIRATEN)

Zur meist diskutierten Änderung: Die SPNV-Pauschale soll zukünftig auf Grundlage einer Rechts

verordnung festgelegt werden – für mehr Flexibilität und schnelle Reaktionen. Das klingt ganz toll. Ich verstehe die Argumentation. Wir müssen uns aber vor einer sukzessiven Entdemokratisierung in Acht nehmen,

(Beifall von den PIRATEN)

auch wenn Herr Groschek sagt, dass das keine Bevormundung sein soll.

Das Inachtnehmen betrifft übrigens auch, was die verfahrensökonomischen Gründe anbelangt, die Absicht, den ÖPNV-Infrastrukturfinanzierungsplan nicht mehr einvernehmlich mit dem Verkehrsausschuss des Landtags zu erstellen. Ich habe eben mitgenommen, dass wir darüber sprechen werden. Auf jeden Fall müssten der Rechtsverordnung transparente und nachvollziehbare Verteilungskriterien zugrunde liegen, damit nicht etwaiger Willkür Tür und Tor geöffnet ist. Dies muss das Gesetz verlangen. Demokratie und Transparenz sind auch hier wichtig. Herr Ott hat insoweit recht.

Eine Rechtsverordnung ist dabei allerdings erst einmal der falsche Weg und trägt nicht automatisch zu mehr Transparenz und Demokratie bei.

Wir haben noch weitere Änderungswünsche. Beispielsweise wünschen wir uns – wie an anderer Stelle bereits geschehen –, für die Zugänge zur Infrastruktur verpflichtend Barrierefreiheit zu verlangen und die Barrierefreiheit nicht nur wie jetzt im Gesetzentwurf als Soll zu definieren. Die guten Vorsätze des Aktionsplans „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ müssen auch hier konsequent umgesetzt werden.

Ich freue mich darauf, mit Ihnen zusammen das Gesetz im Ausschuss weiter bearbeiten zu können. Stimmen Sie dafür, und lassen Sie uns langfristig gute Ideen zusammenkopieren, um Lebensqualität, Mobilität und Gerechtigkeit in NRW zu verbessern. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bayer. Das war Ihre Jungfernrede im Landtag von Nordrhein-Westfalen. Dazu herzlichen Glückwunsch im Namen des Hohen Hauses.

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen uns nicht vor.

Wir kommen somit zum Schluss der Beratung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfes Drucksache 16/57 an den Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr – federführend –, an den Haushalts- und Finanzausschuss sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Wer stimmt dieser Überweisungsempfehlung zu? – Gibt es Gegenstimmen? –

Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenom

men.

Wir treten ein in die Beratung zu Tagesordnungspunkt

5 Klug in die Zukunft investieren: Kita-Ausbau

statt Betreuungsgeld!

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/121 – Neudruck

Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/169

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende SPD-Fraktion Herr Kollegen Jörg das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Ruhrgebiet fangen die Beitragstabellen für Kitas bei ungefähr 14.000 € bis 17.000 € Jahreseinkommen an. Das ist ein ganz geringes Gehalt, und prozentual zahlen die betroffenen Eltern die höchsten Beiträge im Land. Sie zahlen nicht viel, aber im Vergleich zu ihrem Einkommen sind das die höchsten Beiträge.

Diese Eltern überlegen sich sehr gut, ihre Kinder in die Kita statt zu Oma oder Opa zu bringen. Diesen Eltern, liebe CDU-Fraktion, machen Sie jetzt ein unlauteres Angebot. Sie wollen ihnen 150 € geben, damit ihr Kind zu Hause bleibt und nicht in die Kita geht. Das ist perfide und ein Skandal.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Inhaltlich logisch – wenn Sie so argumentieren – müssten Sie auch die armen Eltern von Grundschulkindern durch finanzielle Mittel auslösen. Bildungspolitisch gibt es da keinen Unterschied.

Ich will das hier nicht lange verzögern. Alle Fachleute, alle Parteien – auch die Piraten und die FDP – sagen Nein zu diesem Vorgehen. Selbst in den eigenen Reihen – Herr Burkert hat gestern als CDUKollege in Hamm auch dagegen gestimmt – gibt es sehr viele Menschen, die sagen: Das können wir so nicht machen.

Ich rufe Ihnen zu: Herr, schmeiß Hirn vom Himmel! Lass die Vernunft siegen! Versuchen Sie, das im Bundestag abzuwenden. Es ist eine familienpolitische Katastrophe.

Es muss Ihnen doch zu denken geben, wenn alle – außer der CSU, die dieses Gesetz befürwortet – dieses Gesetz ablehnen. Geben Sie sich doch ei

nen Ruck und handeln Sie nach Ihren Überzeugungen, nach Ihrer Erkenntnislage und nicht nach der Koalitionsdisziplin. Das würde ich mir jedenfalls wünschen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Zum Entschließungsantrag der FDP drei Dinge. Ich finde es ganz witzig, dass Sie das machen. Inhaltlich finde ich es wirklich in Ordnung, Marcel Hafke, sich zu wehren, sich aufzulehnen und zu sagen: Wir tragen das nicht mit. Wir haben bessere und tiefere Erkenntnisse. Die Erfahrungen aus vielen Ländern zeigen es ja.

Aber was – ganz formal hingeschaut – macht denn die FDP? – Die FDP stimmt im ersten Schritt dem Koalitionsvertrag zu. Dann stimmt die FDP im zweiten Schritt noch einmal zu und bekommt dafür eine private Pflegeversicherung.

Was ist das denn für ein Kuhhandel? Auf was lassen Sie sich denn da ein? Da wird versucht, einen Mist mit dem anderen Mist auszukehren. Das ist Familienpolitik à la CDU und FDP – unvorstellbar!

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Aber das Allerwitzigste ist zum Ferienbeginn, dass die FDP über Geld und Schulden redet. Da bin ich heute Morgen, als ich mir das noch einmal in Ruhe angeschaut habe, ungebremst mit dem Kopf auf den Tisch gefallen.

Die FDP, die für ein zusätzliches Schuldenvolumen von 13 Milliarden € von 2005 bis 2013 verantwortlich ist, die dafür verantwortlich ist, dass mit Krediten finanzierte Steuersenkungen den Hoteliers und anderen hinterhergeschmissen werden …

(Christian Lindner [FDP]: Aber das Wachs- tum nehmt ihr!)

Lieber Christian, es ist doch auffällig, dass ihr immer bereit seid, hohe Kredite aufzunehmen, sobald es um Steuersenkungen geht, und das den jeweiligen Lobbygruppen hinterherzuschmeißen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Aber sobald es um Familienpolitik geht, sobald es darum geht, beispielsweise die Kitas von den Beiträgen zu befreien, da sagt ihr: Nein, wir haben das Geld gar nicht. – Unglaubwürdig bis Meppen! Dass die FDP in der Frage aufmuckt, ist kaum zu ertragen.

Herr Abgeordneter, entschuldigen Sie.

Nein, ich will den Ferienstart nicht verzögern. Deshalb lasse ich keine Zwischenfrage zu.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben inhaltlich alle Argumente auf unserer Seite für diesen Antrag. Ich wäre froh, wenn wir eine große Mehrheit bekommen und vielleicht den einen oder anderen Kollegen aus der CDU dafür gewinnen könnten. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Jörg. – Für die zweite antragstellende Fraktion, Bündnis 90/Die Grünen, erteile ich Frau Kollegin Asch das Wort. Bitte schön.