Protokoll der Sitzung vom 04.07.2014

Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Schmeltzer das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich bin mittlerweile 14 Jahre in diesem Haus und frage mich immer wieder, warum ich mir Konzepte schreibe, wenn doch der Kollege Brockes vor mir spricht, weil der so viele Steilvorlagen liefert, dass ich keine Konzepte mehr brauche.

Ein bisschen zur Geschichte, Herr Kollege Brockes: Es ist schon hanebüchen, wenn Sie sagen: Es war alleine die FDP, die den Druck aufgebaut hat. – Wenn ich in die jüngere Geschichte blicke, dann stelle ich fest, dass bis zum Herbst letzten Jahres eine andere Bundesregierung in Berlin tätig war.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Und wenn ich mich richtig erinnere, hieß einer der zuständigen Minister Rösler, wo immer er auch derweil weilt. Heute zu sagen, es sei viel Zeit vertan worden, vor dem Hintergrund der Geschichte Ihres Ministers, ist nicht nur hanebüchen, sondern Verdrängung von Wahrnehmung, Verdrängung von Wahrheiten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Mi- nister Johannes Remmel: Das ist unglaub- lich!)

Sie, die schwarz-gelbe Bundesregierung, hat jahrelang nichts getan, rin in die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln. Altmaier und Rösler sind sich nie einig geworden. Es ist nichts passiert. Und Sie sprechen hier davon, es sei viel Zeit vertan worden. Das ist mehr als hanebüchen.

(Beifall von der SPD)

Ich komme nun auf die Entwicklung der EEGUmlage zu sprechen, Herr Kollege Brockes. Es ist doch wichtig, wenn man einen solchen Satz hier ausspricht, dass man sich auch einmal die Zahlen anguckt. Schön ist es, wenn man sich auch die Kurve anguckt. 2003 bis 2009: ein leichter Anstieg von 0,5 auf 1 Cent. 2009 – ich erinnere daran, dass es damals eine schwarz-gelbe Bundesregierung gegeben hat – begann die Erhöhung der EEG-Umlage, nämlich von 1 Cent 2009 auf 2 Cent im Jahre 2010, auf 3,5 Cent im Jahre 2011 und 5 Cent im Jahre 2013. Wer hat denn zu dieser Zeit in Berlin regiert, Herr Kollege Brockes, als die EEG-Umlage so angestiegen ist? – Das waren Sie! Das hier anders darzustellen, ist schon mehr als hanebüchen.

(Beifall von der SPD und Minister Johannes Remmel – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Wäre es so, wie Sie es in der Überschrift zur Beantragung dieser Aktuellen Stunde dargestellt haben, wäre es so, wie Sie versuchen, zu suggerieren, dass diese Landesregierung tatenlos zugesehen hätte, vielleicht so, wie Sie dem ehemaligen Minister Rösler tatenlos zugesehen haben, dann könnten Sie ansatzweise recht haben. Das ist aber definitiv nicht so. Denn eines wird doch an der Verabschiedung der EEG-Novelle unter Federführung von Minister Gabriel besonders deutlich: Die alte

CDU/CSU-FDP-Bundesregierung hat sich als völlig überfordert und unfähig erwiesen, diese notwendigen und wichtigen neuen Weichenstellungen vorzunehmen.

Wir haben in diesem Jahr schon mehrfach über die EEG-Reform debattiert. Die Positionen von Nordrhein-Westfalen sind hierbei deutlich geworden. Mit Berlin standen wir, stand die Landesregierung natürlich im permanenten Kontakt. Wir alle wissen, dass, wenn dieser Kontakt, diese Einflussnahme nicht gewesen wäre, es für den Industriestandort Nordrhein-Westfalen wirklich hätte schlecht aussehen können.

Sie sprechen in Ihrer Beantragung dieser Aktuellen Stunde die EU-Kommission an. Ja, aber dann doch bitte in Gänze, Herr Kollege Brockes! Von dort kam doch damals die Eröffnung des Beihilfeverfahrens gegen die besonderen Ausgleichsregelungen im EEG. Die EU-Kommission griff das EEG also an seiner empfindlichsten Stelle an. Ohne eine neue, von der EU-Kommission akzeptierte gesetzliche Grundlage hätte es keine gesetzliche Grundlage dafür gegeben, dass Industrieunternehmen für das Jahr 2015 Ausnahmen von der Zahlung der EEGUmlage beantragen können.

Für Nordrhein-Westfalen mit seiner spezifischen Industriekultur ist dabei die nachhaltige Sicherung der besonderen Ausgleichsregelungen für die Industrie von großer Bedeutung. Die zukünftigen besonderen Ausgleichsregelungen sind positiv zu bewerten. Dies ist nicht zuletzt dem Einsatz der Landesregierung und der von Ihnen zu Recht zitierten Ministerpräsidentin Hannelore Kraft zu verdanken.

Die bisherigen Ausnahmeregelungen des EEG für die stromintensive, im internationalen Wettbewerb stehende Industrie werden fortgeführt und rechtssicher ausgestaltet.

Für Unternehmen, die aufgrund der Systemumstellung künftig nicht mehr antragsberechtigt sind, ist eine Härtefallregelung geschaffen. Die Mindestumlage in der besonderen Ausgleichsregelung für Unternehmen aus der Nichteisenmetallbranche, also zum Beispiel die Aluminiumindustrie, wird auch zukünftig auf 0,05 Cent pro Kilowattstunde festgelegt werden.

Nun gibt es manche Versuche, die Ausgleichsregelung für die Industrie gegen die Stromkosten für private Haushalte auszuspielen. Dabei wird so getan, als seien private Stromverbraucher nicht vielfach auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Würde man die EEG-Umlage ohne Ausnahme auf alle Stromverbraucher verteilen, dann würde ein privater Dreipersonenhaushalt um rund 40 € pro Jahr entlastet werden. Diesem Wohlfahrtsgewinn müssten aber mehrere Hunderttausend Arbeitsplätze entgegengestellt werden, die in der Industrie verloren gingen.

Sie sprechen die Regelungen zum Eigenstrom an. Dabei verschweigen Sie aber, dass die EUKommission auf den letzten Metern vor der Verabschiedung im Parlament an zwei Punkten regelrecht quer hineingegrätscht ist. Einer der Punkte betrifft die Forderung der EU-Kommission, Stromimporte grundsätzlich von der EEG-Umlage freizustellen. Dies wurde von der Bundesregierung und den Regierungsfraktionen grundsätzlich abgelehnt. Der andere Punkt betrifft das Ansehen der EU-Kommission, für Eigenstrombedarfsanlagen ab 2017 die gleichen Regeln einzuführen wie bei Neuanlagen. Eine solche Regelung hätte insbesondere für Nordrhein-Westfalen erhebliche Auswirkungen, vor allem dort, wo die Grundstoffproduktion mit der Stromerzeugung verbunden ist, zum Beispiel in der Chemieindustrie und auch bei Kraftwerken.

Sie sollten doch positiv zur Kenntnis genommen haben, dass gerade die Intention der EU

Kommission so nicht im Gesetz geteilt wurde. Das aktuelle Gesetz wird als Kompromiss festgeschrieben: Bestandsanlagen werden weiterhin nicht mit der EEG-Umlage belastet. Diese Regelung wird 2017 evaluiert. Auf dieser Grundlage soll ein Vorschlag für eine zukünftige Regelung vorgelegt werden. Diese Neuregelung muss mit dem Beihilferecht vereinbart sein – ein Kompromiss, der bei Anlagenbetreibern zu Recht einige Sorgen über die Sicherheit der in der Vergangenheit getätigten Investitionen bei der Eigenversorgung ausgelöst hat. Deshalb muss die Bundesregierung jetzt mit einer neuen EU-Kommission Klarheit darüber herbeiführen, um Investitionssicherheit zu gewährleisten.

Schauen wir doch einmal weiter! Die Energiewende ist mit der EEG-Novelle nicht abgeschlossen, wenngleich wir schon wesentlich weiter wären, wenn Herr Rösler dies hätte fortführen müssen oder nicht. Bundesminister Gabriel hat dazu eine 10Punkte-Energie-Agenda vorgelegt. Hieraus wird deutlich ersichtlich, wie vorgegangen wird. Darin ist ein Zeitstrahl bis 2016 anspruchsvoll umgesetzt. Bei all den bis Ende 2016 zu erarbeitenden Themen gilt für uns natürlich immer, die Interessen des Energie- sowie des Industrielandes Nummer eins im Auge zu behalten.

Die Redezeit.

Mit dieser Landesregierung mache ich mir darüber überhaupt keine Sorgen. Der Zeitstrahl wird auch im Sinne von Nordrhein-Westfalen eingehalten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schmeltzer. – Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Kufen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann nicht unterdrücken zu erwähnen: Sofern die Zuhörer auf der Tribüne diesen Einstieg in die Energiedebatte sowie den teilweise kleinlichen Streit zwischen Herrn Brockes und Herrn Schmeltzer mitbekommen haben, wird damit heute das Vertrauen in die Politik und in das Gelingen der Energiewende nicht gestärkt.

(Beifall von der CDU)

Die Energiewende ist doch ein Generationenprojekt. Dabei geht es nicht um heute oder um einen kleinen parteipolitisch taktischen Vorteil. Vielmehr stehen wir umweltpolitisch wie auch wirtschaftspolitisch vor einer großen Herausforderung. Es ist doch völlig klar, dass wir nach der Reform des EEG vor der neuen Reform stehen. Insofern glaube ich, dass wir uns und auch dem Standort Nordrhein-Westfalen keinen Gefallen damit tun, wenn wir uns ständig mit Tatarenmeldungen – entweder von Rot-Grün oder den Liberalen – jagen. Es geht um Verlässlichkeit, es geht um das Notwendige und um die Frage, was wir jetzt tun müssen. Dabei hilft es vielleicht, zu schauen, was mit der jetzigen Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes erreicht worden ist.

Denn gut gelaufen – dem können wir hier sicher alle zustimmen – ist doch Folgendes: Das Kostenbewusstsein ist gestärkt worden. Die gesamtgesellschaftliche Unwucht, die durch die enormen Kostensteigerungen des EEG entstanden ist, ist als politisches Problem erkannt worden. Daran wird jetzt gearbeitet. Jetzt geht es mehr um Qualität vor Quantität. Verbindliche Ausbaukorridore sind sinnvoll, weil wir damit langfristig den Ausbau der erneuerbaren Energien koordinieren und insgesamt besser planen und steuern können. Das ist ein Erfolg dieser Reform. Wir haben zudem jetzt mehr Marktwirtschaft. Der Einstieg in die Ausschreibungsverfahren zur Ermittlung der zukünftigen Fördersätze der Erneuerbare-Energien-Anlagen führt doch gerade zu mehr Wettbewerb bei den Erneuerbaren. Das war doch auch immer eine Forderung der FDP.

Darüber hinaus gibt es eine verpflichtende Direktvermarktung. Verpflichtende Direktvermarktungen für neue Anlagen bringen diese näher an den Markt und führen sie auch entsprechend mit Marktrisiken und mit der Prognoseverantwortung zusammen. Marktrisiken und Prognoseverantwortung sind wich

tig, wenn die erneuerbaren Energien zum Rückgrat der Energieversorgung in Deutschland werden wollen.

Ich finde, das ist ein besonderer Erfolg. Denn mit Blick auf den Wettbewerbskommissar und den Energiekommissar sah die Debatte doch zwischenzeitlich ganz anders aus. Die grundsätzliche Beibehaltung der besonderen Ausgleichsregelung für die energieintensiven Betriebe stärkt Nordrhein

Westfalen. Das ist doch insbesondere für die Standorte der Nichteisenmetalle Aluminium, Zink und Kupfer in Nordrhein-Westfalen ein Erfolg, und zwar – das sollten wir auch deutlich machen – der Bundesregierung unter Angela Merkel.

(Beifall von der CDU)

Man kann ruhig einmal offen aussprechen, dass es in dieser Hinsicht Erfolge gibt. Natürlich gibt es auch offene Fragen, die jetzt angegangen werden müssen. Eine offene Frage ist: Wie können konventionelle Kraftwerke in Zukunft wirtschaftlich betrieben werden? Diese Frage ist nach wie vor nicht geklärt. Eine weitere Frage lautet: Wie können wir ein EEG derart mit Förderinstrumenten – die lediglich als Anschubfinanzierung geplant waren – für die erneuerbaren Energien ausgestalten, dass zukünftig mehr Marktverantwortung übernommen wird? Auch das ist noch nicht geklärt. Das sind die offenen Fragen, über die wir weiterhin reden müssen.

Jetzt möchte ich auf das zu sprechen kommen, was bei dem neuen EEG schlecht gelaufen ist. Auch dabei können wir, denke ich, Einvernehmen herstellen.

Schlecht gelaufen ist, dass wir die Subventionsspirale immer wieder aufs Neue antreiben. Das gilt aus zweierlei Gründen: Erstens haben wir mittlerweile eine Last von über 20 Milliarden € in der Differenzrechnung beim EEG. Das zahlen insbesondere die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen. Auf der anderen Seite beträgt der Staatsanteil am Strompreis mittlerweile über 50 %. Auch das ist anzusprechen. Das ist auch nicht die Entwicklung, die wir uns insgesamt wünschen.

Aus NRW-Sicht müssen wir auch ansprechen, dass die teure Offshore-Technologie dazu führen wird, eine weitere Umlageerhöhung beim EEG nach sich zu ziehen. Es gibt aus Nordrhein-Westfalen massive Kritik an der Einigung zwischen der Bundesregierung und der EU-Kommission im Rahmen der EEGReform, neue Anlagen für die Eigenstromproduktion stärker zu belasten.

Das haben wir uns anders gewünscht. Das war aber offensichtlich mit Blick auf Brüssel nicht anders darstellbar. Neuanlagen müssen künftig bei selbst erzeugten Strom und Verbrauch grundsätzlich die volle EEG-Umlage zahlen, und lediglich EEGAnlagen und hocheffiziente KWK-Anlagen werden geringer belastet.

Das bringt insbesondere in Nordrhein-Westfalen die Stahlindustrie in Schwierigkeiten, die mit Restgasen und Restenergien vor der offenen Frage stehen: Wie verhält sich das denn in dem neuen Erneuerbare-Energien-Gesetz?

Insofern ist es eine Frage: Wie gehen wir mit den offenen Punkten und mit den Kritikpunkten, die es gibt, weiter um? Und insbesondere auch: Wie gehen wir mit den Belastungen durch das neue EEG, insbesondere für den Mittelstand, der auch vielfach in Nordrhein-Westfalen energieintensiv ist, um? Mit Blick auf die Chemieindustrie ist das ein wichtiger Faktor.

(Beifall von der CDU)

Deshalb ist es wichtig, dass der Bestandsschutz für die Eigenstromerzeugung, der jetzt bis 2016 gilt, zwar auf den ersten Blick ein Bestandsschutz ist, aber ab 2017 für Nordrhein-Westfalen eine große Planungsunsicherheit beinhaltet. Da muss jetzt die Landesregierung tätig werden und schauen, wie wir das hinbekommen, und zwar gemeinsam mit der Bundesregierung und der EU-Kommission.

Deshalb heißt es auch bei diesem EEG: Nach der Reform ist vor der Reform. Die Erneuerbaren müssen eine gesicherte Erzeugung haben. Sie müssen die konventionellen Energien flankieren, und die konventionellen Energien müssen die erneuerbaren flankieren. Wir brauchen einen dezentralen diskriminierungsfreien Leistungsmarkt. Wir müssen endlich auch über den Kapazitätsmarkt in Deutschland reden. Er muss auch mit unseren europäischen Nachbarn kompatibel sein.

Wir reden immer viel zu sehr um europäische Fragen herum. Da ducken wir uns, weil wir schauen: Wie läuft es in Nordrhein-Westfalen? Wie läuft es in Deutschland, wobei wir längst schon den einheitlichen Energiemarkt haben, ohne dass entsprechend berücksichtigt zu haben. Das sorgt gerade für die Schwierigkeit. Wenn wir uns hier auf bestimmte Projekte geeinigt haben, müssen wir feststellen, dass sie mit Europa so nicht in Einklang zu bringen sind.

(Beifall von der CDU)

Da sage ich ganz klar: Jetzt muss Herr Gabriel liefern. Und sein 10-Punkte-Plan, den er vorgelegt hat – Herr Wirtschaftsminister Duin will ihn ja kennen –, ist da zu wenig. Zehn Überschriften zu nennen, was nach der EEG-Reform kommen soll, ist zu wenig für einen Bundesenergieminister.

Die Redezeit.

Da war Altmaier 2012 weiter, der mit zehn Punkten nicht nur Überschriften, sondern auch Zeitplan und entsprechend klare Ausformulierungen gebracht hat, die auch zu Kritik geführt haben. Aber er wusste zumindest, in welche Richtung es gehen soll.

(Zuruf von Rainer Schmeltzer [SPD])