Protokoll der Sitzung vom 04.07.2014

(Allgemeine Heiterkeit und Beifall)

Die Spannung steigt! – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist mir eine große Ehre, heute im Parlament von Nordrhein, Lippe und Westfalen ein Plädoyer für die Förderung der niederdeutschen Sprache halten zu dürfen. Um Ihnen ein Gefühl für diese Sprache zu geben, werde ich Teile der Rede auf Plattdeutsch halten. Ich werde Ihnen und dem Stenografischen Dienst, der jetzt vor einer besonderen Herausforderung steht, im Nachgang eine komplette Übersetzung ins Hochdeutsche zukommen lassen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Der Europarat hat das Niederdeutsche 1999 in die Charta der bedrohten Regional- und Minderheitensprachen aufgenommen. Dabei ist es wichtig, zu erwähnen, dass das Niederdeutsche kein Dialekt, sondern eine eigenständige Sprache mit eigener Grammatik ist, nah verwandt mit dem Niederländischen und dem Flämischen, aber auch mit dem Schwedischen oder dem Englischen.

Geschätzte 8 Millionen Menschen in den fünf nördlichen Bundesländern, in Teilen von Brandenburg und Sachsen-Anhalt sowie in Nordrhein-Westfalen bis hin zur sogenannten Benrather Linie sprechen vollständig oder teilweise Niederdeutsch. Manch ei

ner, zum Beispiel auch in Oberhausen, Essen oder Mülheim, kennt noch Menschen, die dort früher Niederdeutsch sprachen. Bis Mitte des

16. Jahrhunderts war das Niederdeutsche Amtssprache in diesen Regionen, es war die Weltsprache der Kaufleute in der Blütezeit der Hanse – mit reichhaltiger Literatur.

Zur Dokumentation der niederdeutschen Sprache richtete die CDU/FDP-Landesregierung mit Wissenschaftsminister Pinkwart im Rahmen des Forschungsprojekts „Niederdeutsch in Westfalen“ an der Uni Bielefeld das Historische Digitale Textarchiv mit unzähligen niederdeutschen Dokumenten seit dem 14. Jahrhundert ein.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Das waren noch Zeiten!)

Für dessen Förderung setzt sich die CDU auch weiterhin gerne ein.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die graute Vergangenheit von de plattdütsken Spraok to bewünnern is de eene Sake. Mettohelpen, datt de plattdütske Spraok ne lebennige Tokunft hätt, auk dat is urse Aufgabe äs Parlament von Nordrhein-Westfaolen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Bis in de 60er Jaohren was Plattdütsk in graute Deelen vun Westfaolen un Lippe Alltags-Spraok: tohus, bi de Arbeit un up de Straot – auk in gröttere Städte.

Warüm de Lüe anfangen häfft, met ihre Kinner nich mähr plattdütsk, sünnern haugdütsk to küern, dat weet man nich so genau. Vandage is längst bekannt, dat Kinner, de mit twe Moderspraoken graut wärt, bi den PISA-Test biätter sint äs de Kinner, de bluoß eene Spraoke könnt. Haugdütsk und Türkisch, Haugdütsk un Russisch, Haugdütsk un Plattdütsk: We twe Moderspraoken kann, de is ümmer en lück henniger in sienen Kopp.

(Allgemeine Heiterkeit – Beifall von der CDU)

Vandage is Haugdütsk de iärste Moderspraok. Platt ist aower nich daut: Immer mehr – auk junge Lü – sind in de graute, wiede Welt tohus, met Internet, Auslandsjob und Towanderers ut de ganze Wiärld, de ihre Spraoke un ihre Kultur direkt in urse Naoberschop brängt. Düsse Lü sökt auk dat Individuelle, dat Exklusive von ihre eegene Heimat: Kunst un Musik, Iärtten un Drinken, Kleidung, Feste und Fiern, ja, un auk de eegene, regionale Spraoke, de een Grund daför is, warum de Mensken hier so sint, äs se sint.

Et gieff en nien Trend – back to the roots – platt to lernen, platt to küeren. De Sääle bi plattdütsken Theaoter sind full, Plattdütsk-Kurse, Wikipedia up platt, plattdütske Böök un plattdütske Musik kuemt wier in Mode. „Nordisch by Nature“ von „Fettes Brot“

hätt plattdütske Passagen un was 1995 ganz buoben in de Charts.

(Beifall von der CDU)

Bi´n NDR giff et jeden Dagg auk Radiosendungen up Plattdütsk, in´t Fernsehen giff et Talkschows un Reportagen up Platt. Niedersachsen is hier up´n guetten Weg – viellicht könnt wie in NRW urs dao watt von afkieken.

(Beifall von der CDU)

De Bezirksregierung Mönster hätt düsse Dage en Versök anfangen, Plattdütsk inne Grundschool uptosetten. Guett! Un de CDU hät sick vörnuemen, Plattdütsk äs Wahlfach in plattdütske Regionen von Nordrhein-Westfaolen mürglich to maken, to´n Biespiell in de OGS. För de Schoolen brukt wi daför fachliche Unnerstützung von´t Ministerium. Und dat is de Inhalt von ursen Antrag.

Leiwe Kolleginnen und Kollegen, vandage häfft wi hier in´t Parlament tosammen de graute Chance mettohelpen, de plattdütske Spraoke lebennig to hollen. Een erster Schritt is de Antrag von de CDU. Wiedere Ideen sint hiärtlick willkuemen.

Plattdütsk kennt kine Parteigrenzen: Laot urs tosammen stimmen för Plattdütsk met Tokunft in Nordrhein-Westfaolen!

(Anhaltender lebhafter Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Rehbaum. Das war, glaube ich, für alle gut verständlich. – Nun spricht für die sozialdemokratische Landtagsfraktion der Kollege Feuß.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer genau analysiert hat, was der Kollege Rehbaum gerade vorgetragen hat, hat gemerkt, dass das keine Sprache war, sondern eine plattdeutsche Lesung. Das zeigt, dass er diese Sprache nicht internalisiert hat, sondern sich am Text entlanghangeln musste.

Trotzdem ist Niederdeutsch bzw. Plattdeutsch eine Regionalsprache und somit als Kulturgut anzusehen. Das begrüße ich sehr – gerade ich als Ostwestfale, ebenso der Münsterländer. Wer von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, mal etwas Ostwestfälisch lernen möchte, dem empfehle ich die Seite www.ostwestfaelisch.de. Klicken Sie diese Seite mal an. Dort gibt es Regionalsprachen wie Bielefelderisch, Herforderisch oder Gütersloherisch. Auf dieser Seite können Sie sich angucken, wie sich der Sprachschatz in Ostwestfalen auch heute noch entwickelt. Insbesondere für die rheinländischen Kolleginnen und Kollegen ist das sicher eine ganz neue sprachliche Erfahrung.

Klar ist aber auch: Im Gegensatz zu den norddeutschen Bundesländern ist Plattdeutsch bei uns so gut wie keine Alltagssprache mehr. Der Liederma

cher Knut Kiesewetter beklagte das schon vor rund 40 Jahren in seinem Lied „Mien Gott, he kann keen Plattdütsch mehr un he versteiht uns nich“.

Erhalt und Pflege der niederdeutschen Sprache sind dennoch wichtig. Daher sind wir uns in der Zielsetzung einig, aber zu der Umsetzung, dem Wie, gibt es doch unterschiedliche Meinungen. Die Schaffung einer neuen Koordinierungsstelle ist für uns nicht sinnvoll.

Außerdem ist dieser Antrag der CDU-Fraktion nicht neu. 2011 hat der Westfälische Heimatbund mit Schreiben an das Kulturressort sowie an den damaligen Vorsitzenden des Kulturausschusses im Landtag, Dr. Fritz Behrens, eine Koordinatorenstelle zur Pflege des Niederdeutschen und zum Erlernen des Plattdeutschen beantragt. Die Finanzierung sollte durch das Land erfolgen.

Der vorliegende Antrag der CDU ist im Grunde eine Wiederholung des Antrages aus dem Jahre 2011. Genau wie heute wurde dieser Antrag damals abgelehnt, auch mit Zustimmung des LWL, der sich um die Pflege der platt- beziehungsweise niederdeutschen Mundart kümmert.

Meine Erfahrung bei uns in der Region ist: Es gibt viele plattdeutsche Projekte an den Grundschulen, in den OGS, wie Herr Rehbaum gesagt hat, von Kolleginnen und Kollegen initiiert oder von Leuten aus dem Umfeld der entsprechenden Städte und Gemeinden. Es gibt plattdeutsche Lesewettbewerbe an Grundschulen, plattdeutsche Arbeitsgemeinschaften mit dem Thema „Ick küer Platt“– und das alles ohne eine Koordinierungsstelle.

Der LWL, wie gesagt, kümmert sich bei uns in Nordrhein-Westfalen um die plattdeutsche Sprache. Ich zitiere von der Homepage des LWL:

Der Gebrauch der plattdeutschen Mundarten geht seit Jahren kontinuierlich zurück, da die Elterngeneration diese Mundart an die folgende Generation nicht mehr weitergibt. Um eine positivere Bewertung und Förderung des Sprachgebrauchs bemühen sich Literaten, Laienbühnen und andere Leute des dörflichen und städtischen Lebens.

Ich komme auch auf den Schulversuch noch einmal zu sprechen, den Herr Rehbaum angesprochen hat – vom RP Münster ist er beantragt worden –, das Niederdeutsche in Arbeitsgemeinschaften an zehn Grundschulen im Raum Münster zu installieren. Da ist das MSW im Gespräch, auch mit der Universität Münster, entsprechende Lehr- und Unterrichtsmaterialien in Zusammenhang mit der Rottendorf-Stiftung zu erstellen, damit dieses an den Schulen umgesetzt wird.

Ich komme zum Schluss: Wir haben die Sommerferien vor der Tür, wenn man die Tür aufmacht. Wer von Ihnen demnächst in nördliche Bundesländer fährt, der kann sicher positive Erfahrungen machen, wenn er die einheimische Bevölkerung in Nieder

sachsen, Meck-Pomm und Schleswig-Holstein einmal auf Platt anspricht.

Herr Kollege Feuß, Herr Kollege Rehbaum möchte eine Zwischenfrage stellen.

Bitte, gern.

Henning Rehbaum*) (CDU) (Siehe Anlage): Herr Kollege, ick will noch lück wat seggen to den Vorwurf, dat ick nur Plattdütsk afliäsen kann. Ick will ju hiärtlick inladen, in de Kaffeeklappe tosammen met mi een Täsken Kaffee to drinken, un ick kann ju verklören, wo und wann noch Plattdütsk küert wiärd bi us.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das war zwar hervorragend platt gesprochen. Sie können nicht nur platt lesen, sondern auch platt sprechen. Aber ich habe die Frage nicht erkannt. Das war, glaube ich, keine Frage.

(Heiterkeit – Beifall von der SPD)

Ich knüpfe noch einmal an: Wer im Urlaub in die norddeutschen Bundesländer fährt, der kann bei den Einheimischen sicher guten Eindruck machen, wenn er platt spricht. Entweder nimmt er Herrn Rehbaum mit, oder Sie gucken gleich mal auf der Internetseite www.plattello.de nach. Da finden Sie wichtige Hinweise. „Plattello“ wird natürlich mit Doppel-“t“ geschrieben.

Zurück zum Antrag: Wir lehnen diesen Antrag ab. – Danke schön.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Feuß. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Keymis. – Jetzt kommt das rheinische Platt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal Kompliment, Herr Rehbaum: Sie können das wunderbar sprechen und vortragen. Das hat mich sehr beeindruckt. Ich kann kein Platt sprechen, ich verstehe Platt, verstehe aber auch Niederdeutsch, weil ich in meinem früheren beruflichen Leben, als ich noch etwas ganz Seriöses gemacht habe,