Protokoll der Sitzung vom 02.10.2014

Bei dem Beispiel, das ich eben genannt habe – gerade bei den Menschen, die das extra machen –, wären diese Grenzen aus meiner Sicht, zumindest in den meisten Fällen, vermutlich überschritten. Aber mein Beispiel ist Gott sei Dank nicht der Regelfall, sondern die Ausnahme. Die ganz große Mehrzahl der Fälle bewegt sich, zumindest aus meiner Sicht, in einem Bereich unterhalb einer solchen Grenze oder in einer großen Grauzone. In Punkt 3 Ihres Antrags erwähnen Sie das in einem Nebensatz selber.

Wie kann man zum Beispiel unzumutbare Härten verhindern? Man muss auch bedenken, dass die Menschen, die ich gerade in meiner Geschichte erwähnt habe, häufig geistig in einem nicht ganz gesunden Zustand sind. Denen kann man solche Kosten sicherlich nicht aufbürden. Was sind überhaupt unzumutbare Härten in diesem Bereich? Auch diese Frage müsste in einem solchen Prüfauftrag beleuchtet werden. Das ist in Ihrem Antrag aber nicht der Fall.

Dann müsste in einem solchen Prüfauftrag auch die Frage beantwortet werden, was eine solche Gebühr auch finanziell unter dem Strich überhaupt bringt. Damit meine ich nicht nur die Einnahmen, sondern ich möchte das unter dem Strich auch mit der Ausgabenseite in einen Zusammenhang gebracht sehen.

Bisher ist es in der Regel so: Wenn man Menschen in den Gewahrsam packt, zum Beispiel weil sie betrunken sind, sind sie am nächsten Morgen wieder nüchtern, schämen sich ganz doll und gehen nach Hause. Sie packen ihre Sachen und sind weg. Da passiert häufig – oder meistens – nichts Weiteres.

Aber wir wissen alle, was passiert, wenn man den Menschen ans Geld geht. Das wird vermutlich zu einem erhöhten Klageaufkommen führen. Dabei wird dann nicht nur die Gebühr als solche Gegenstand der Verhandlung sein, sondern auch die Grundmaßnahme, die überhaupt zur Erhebung dieser Gebühr führte, zum Beispiel die Einlieferung in den Gewahrsam.

All das verursacht wieder Kosten in einem nicht unerheblichen Ausmaß. Sie werden Richterstellen schaffen müssen. Die Polizeibeamten, die daran beteiligt waren, werden in aller Regel als Zeugen zu der Verhandlung geladen. Das sind – wenn nicht sogar noch die Gewahrsamsbeamten hinzukommen – schon mal mindestens zwei Zeugen. Die wiederum stehen jedes Mal für ein bis zwei Stunden im Dienst nicht zur Verfügung, oder es wird, falls die Aussage außerhalb der Dienstzeit erfolgt, als Mehrarbeit gutgeschrieben. Ganz generell gibt es bei Gebührenerhebungen immer Verwaltungskosten.

Man muss sich einfach fragen: Lohnt sich das überhaupt? Ist eine solche Gebühr verhältnismäßig? Man kann auch fragen: Gibt es in BadenWürttemberg bereits Erfahrungen damit?

Das alles müsste in einen solchen Prüfauftrag aufgenommen werden; es ist hier aber nicht vorhanden. Vielleicht ändern Sie das nach der Debatte im Ausschuss noch. Dann kann man darüber nachdenken, ob man ihm zustimmt, gerade weil es sich um einen Prüfauftrag handelt. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir aber nicht zustimmen. Der Überweisung stimmen wir zu. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Jäger das Wort.

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist eine Situation, in der zu einem Antrag viel, wenn nicht sogar schon fast alles gesagt worden ist und man das Gesagte eigentlich nur wiederholen könnte. Deshalb will ich mich kurz fassen.

Erstens. Herr Golland, ich glaube auch, dass neben der Möglichkeit, dass man bestimmte polizeiliche Tätigkeiten mit Gebühren belegt, immer auch im Einzelfall zu prüfen ist, ob eine Gebührenpflicht vorliegt. Das erfordert immer Aufwand.

Zweitens muss man immer Nutzen und Aufwand im Verhältnis zueinander sehen. Gerade bei Ingewahrsamsnahmen muss man abschätzen, ob die Gebührenforderungen tatsächlich auch für den Haushalt realisiert werden können. Ich glaube, da gibt es eine große Diskrepanz. Es macht keinen Sinn, Gebühren zu erheben und mehr Personal- und Bürokratieaufwand zu betreiben, als man hinterher an Geld einnehmen kann.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das alles muss man ernsthaft in dieser Debatte miteinander abwägen. Dann ist relativ klar, wie das Ergebnis sein wird. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/6856 an den Innenausschuss – federführend – sowie an den Haushalts- und Finanzausschuss; die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer möchte dieser Überweisungsempfehlung zustimmen? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist jeweils nicht der Fall. Damit ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

6 Schulsozialarbeit in NRW über das Jahr 2014

hinaus sicherstellen

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/6849

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/6955

Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/6958

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die antragstellende Piratenfraktion Herrn Kollegen Wegner das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Menschen im Stream und auf der Tribüne! Aufgrund der Rückmeldung vieler Schülergruppen wissen wir, dass diese heute den Tagesordnungspunkt zur Schulsozialarbeit mit hohem Interesse verfolgen. Deshalb möchte ich heute auch ganz explizit alle

Schülerinnen und Schüler aus Nordrhein-Westfalen begrüßen und meine Rede an sie richten.

Denn hier im Landtag gibt es gleich eine Abstimmung, die für die Zukunftschancen vieler Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen sehr entscheidend sein wird. Konkret stimmen wir Politiker heute hier im Landtag darüber ab, ob es die Schulsozialarbeit an euren Schulen auch im nächsten Jahr noch geben wird.

Egal, mit wem man redet, ob mit euch, liebe Schülerinnen und Schüler, wenn ihr das Glück hattet, die Schulsozialarbeit in den letzten drei Jahren kennenzulernen, ob man mit euren Eltern, euren Lehrerinnen und Lehrern: Alle sind von der Schulsozialarbeit überzeugt. Keiner möchte sie mehr missen.

Und weil wir das wissen, haben wir Piraten heute erneut einen Antrag zur Weiterführung der Schulsozialarbeit gestellt. Wir möchten mit diesem Antrag erreichen, dass die Schulsozialarbeit für euch, liebe Schülerinnen und Schüler, auch im nächsten Jahr erhalten bleibt.

Alle meine Kolleginnen und Kollegen hier im Saal wissen, wie wichtig die Schulsozialarbeit für euch ist. Einige von ihnen haben sogar mit euch demonstriert und gerufen: Schulsozialarbeit muss bleiben, dauerhaft!

Liebe Schülerinnen und Schüler, achtet gleich ganz genau darauf, was die Redner der regierungstragenden Fraktionen hier im Landtag zu unserem Antrag und zur Weiterführung der Schulsozialarbeit sagen werden, und vor allem, wie sie danach abstimmen werden. Sie werden – da bin ich mir ganz sicher – wieder sagen, wie wichtig die Schulsozialarbeit ist und dass die Schulsozialarbeit auf jeden Fall erhalten bleiben muss.

Sie werden weiter sagen, dass der Bund die Schulsozialarbeit finanzieren soll, obwohl sie nach einem Jahr Verhandlungen genau wissen, dass der Bund sie nicht finanzieren wird.

Sie werden weiter sagen, dass hier im Landeshaushalt leider kein Geld für die Schulsozialarbeit da ist, kein Geld für euch und eure Zukunft, liebe Schülerinnen und Schüler. Danach werden sie – da bin ich mir leider genauso sicher – mehrheitlich gegen den Antrag der Piraten und damit gegen die Weiterführung der Schulsozialarbeit stimmen.

Also, liebe Schülerinnen und Schüler, achtet ganz genau darauf, was die Redner der regierungstragenden Fraktionen sagen werden und wie danach jeder einzelne Abgeordnete von ihnen, insbesondere die aus eurem Wahlkreis, abstimmen werden! Denn die spannende Frage dabei ist, ob diese Abgeordneten es wirklich mit ihrem Gewissen vereinbaren können, sich namentlich gegen eure Zukunft zu entscheiden, um dann trotzdem weiterhin und ganz ungeniert bei jeder Gelegenheit zu erzählen, dass die Schulsozialarbeit wichtig und erhaltenswert

ist. Lassen wir uns überraschen! – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Danke, Herr Kollege Wegner. – Ich habe Sie bei Ihrer Rede diesmal noch nicht unterbrochen, will Ihnen aber am Ende Ihrer Rede sagen, dass nach dem Selbstverständnis dieses Parlaments Reden an die Mitglieder des Landtags Nordrhein-Westfalen gerichtet werden und nicht an eine imaginäre Öffentlichkeit oder einen imaginären Adressatenkreis außerhalb des Parlamentes. Das gehört zum wesentlichen Bestandteil unseres Selbstverständnisses.

(Beifall von der SPD, der CDU, den GRÜNEN und der FDP)

Ich sage es Ihnen diesmal nach Ihrem Redebeitrag und bitte sehr herzlich, das demnächst zu berücksichtigen. Ansonsten müsste ich intervenieren.

Jetzt spricht Frau Kollegin Warden für die SPDFraktion.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren oben auf der Besuchertribüne, aber auch liebe Kolleginnen und Kollegen und sehr geehrter Herr Kollege Wegner! Sie haben in Ihrer Rede begründet, aus welcher Motivation heraus Sie als Piratenfraktion diesen Antrag gestellt haben. Sie haben richtigerweise vorhergesehen, dass ich als Vertreterin unter anderem der Regierungsfraktionen auch sagen werde, dass uns allen die Schulsozialarbeit ausgesprochen wichtig ist.

Sie haben aber nicht darüber gesprochen, dass wir hier über verschiedene Formen von Schulsozialarbeit sprechen und dass der allergrößte Teil der Schulsozialarbeit in den Kommunen genauso weiterlaufen wird wie bisher.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das möchte ich jetzt noch einmal für diejenigen, die sich vielleicht nicht so gut im parlamentarischen Geschäft auskennen, wie wir es tun, die wir uns tagtäglich damit befassen, deutlich machen. Das wäre auch ungerecht den vielen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern gegenüber, die sich tagtäglich in ganz verschiedenen Funktionen, an ganz verschiedenen Stellen – sei es an der Schule, sei es in Kitas oder Jugendeinrichtungen, im Bereich von Integration und Vielfalt und in vielen anderen Bereichen – sehr engagieren und vielen jungen Menschen eine Zukunftsperspektive ermöglichen.

(Beifall von der SPD)

Ich habe selber Kinder, die auch Schulen besuchen, in denen es auch Schulsozialarbeiter gibt. Von daher weiß ich diese Arbeit persönlich auch sehr zu schätzen.

Frau Kollegin, entschuldigen Sie die Unterbrechung. Frau Kollegin Pieper würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Ich möchte gerne zu Ende reden.

Das ist Ihr gutes Recht.

Ich möchte aber heute deutlich machen, dass sich eine Forderung wie die Ihre, so wichtig und berechtigt sie auch tatsächlich ist, nicht dadurch einlösen lässt, Anträge mit direkter namentlicher Abstimmung, also ohne Beratung in den Fachgremien, zu stellen und abstimmen zu lassen. Wenn ich ein Problem lösen will – das gilt in allen Lebenslagen, nicht nur im Parlament –, muss ich mich auch mit den Ursachen, mit der Entstehung der Details befassen. Das möchte ich kurz vortragen, weil es zum Verständnis gehört.

Bei dem Antrag, über den wir heute entscheiden, geht es nicht um die Schulsozialarbeit im klassischen Sinne, wie wir sie seit Jahren kennen, und zwar schon länger als drei Jahre, wie sie sich in unseren Schulen bewährt hat. Sie ist deshalb in den Schulen untergebracht und angesiedelt, weil hier die größte Schnittmenge in der Arbeit mit Heranwachsenden besteht.