Protokoll der Sitzung vom 04.12.2014

Ich will auf die einzelnen Punkte näher eingehen. Von 1988 bis 2009 hat sich die Zahl der Betreuer für Menschen mit einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung deutschlandweit von 250.000 auf knapp 1,3 Millionen erhöht. Allein in Nordrhein-Westfalen sind es 300.000.

Angesichts der abzusehenden demographischen Entwicklung steht bereits fest, dass sich dieser Trend in den kommenden Jahren noch verstärken wird. Der zunehmende Bedarf an Betreuungen geht uns alle an. Er stellt uns vor riesige Herausforderungen. Im Haushaltsentwurf für das Jahr 2015 sind dementsprechend 250 Millionen € für Aufwandsentschädigungen vorgesehen. Die Berufsbetreuer bekommen davon allein 200 Millionen € – und das, obwohl seit 2005 ihre Vergütung nicht mehr erhöht worden ist.

Vor diesem Hintergrund muss das System der Betreuung neu organisiert werden. Wir wollen insbesondere die ehrenamtlichen Betreuungen stärken. Um hierfür Anreize zu setzen, wurde bereits die Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Betreuer bis zu einem Betrag von 2.400 € steuerfrei gestellt.

Dem öffentlichen Dienst kommt hierbei eine ganz besondere Bedeutung zu. Die überfällige Dienstrechtsreform bietet Gelegenheit, Beamte stärker an Betreuungen heranzuführen. Unserem Vorschlag sind Sie insofern gefolgt, als in Ostwestfalen 14 Stellen im Bereich des Landesamtes für Finanzen geschaffen wurden, um es Beamten, die nur noch teildienstfähig oder die in der Verwendung eingeschränkt sind, zu ermöglichen, Betreuungen wahrzunehmen. Hier muss aber noch wesentlich mehr gemacht werden.

Mit dem Gesetzentwurf zum Hinterlegungsgesetz hat die CDU-Fraktion eine Änderung von § 12 Hinterlegungsgesetz Nordrhein-Westfalen bewirkt.

Hierdurch ist die Pflicht zur Verzinsung von hinterlegtem Geld weggefallen. Das ist am 19. Februar 2014 in diesem Hohen Haus einstimmig beschlossen worden. Ich bedanke mich für die Einsicht der regierungstragenden Fraktionen. Das entlastet den Landeshaushalt um jährlich 660.000 €.

Im Hinblick auf die Tilgungsverordnung – mit der es ermöglicht wird, dass Menschen, die eigentlich eine Haft antreten müssten, weil sie beispielsweise schwarzgefahren sind, anstelle der Haft die Tagessätze abarbeiten können – haben wir, um auch

um dieses wichtige Instrument populärer zu machen, beantragt, dass man nicht mehr sechs Stunden leisten muss, sondern nur noch fünf. Das ist von Ihnen leider abgelehnt worden.

Dabei ist dieses Instrument eigentlich eine eierlegende Wollmilchsau, wenn ich das mal so sagen darf, denn das Land spart die Haftkosten, der Verurteilte erfährt nicht das Stigma der Haft, und die Allgemeinheit hat einen Nutzen dadurch, dass gemeinnützige Arbeit geleistet wird. Ich kann nicht verstehen, warum Sie das abgelehnt haben.

Apropos Tilgung: Während elf Bundesländer mittlerweile Schulden tilgen, ist Rot-Grün bei uns im Land immer noch Spitzenreiter beim Schuldenmachen. Deswegen werden wir den Haushalt ablehnen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kamieth. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Wolf.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kamieth, ich hatte jetzt gehofft, Sie würden hier etwas zur Rechtspolitik sagen. Das haben Sie im Rechtsausschuss aber auch nicht getan. Es waren mehr allgemeine Floskeln, die Sie hier vorgetragen haben, aber das macht ja auch nichts.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das schon über zwei Tage jetzt!)

Wenn wir hier auf die Rechtspolitik blicken, müssen wir feststellen: Es gibt zwei große Bereiche. Da ist zunächst der Bereich der Justiz. Dazu haben Sie kein Wort verloren. Ich glaube, das wäre aber doch sehr wichtig. Wir haben im Bereich der Justiz ausgesprochen engagierte Mitarbeiter, die für sehr hohe Qualität Sorge tragen, und die für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land den Rechtsfrieden sichern. Das ist ein ganz wichtiges Signal. Sie können dieses Signal, dass wir dies alles anerkennen, auch im Haushalt ablesen, und zwar daran, dass das Personal im Justizbereich auch in den kommenden Jahren stabil bleibt.

Herr Kollege Kamieth, Sie haben schon Einnahmeverbesserungen vorgetragen: die 660.000 € durch die Reduzierung der Zinsen bei der Hinterlegung. Eine wichtige Mehreinnahme haben wir in diesem Haushalt auch abbilden können, das ist nämlich das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz. Hier hat

sich Minister Kutschaty in den Verhandlungen mit dem Bund sehr gut für die Interessen der Bundesländer eingesetzt. Die ersten Mehreinnahmen können, wie gesagt, in diesem Haushalt nachgelesen werden.

Wir haben uns den Bereich der Justiz intensiv angeschaut, insbesondere den Bereich der Strafkam

mern: die Entwicklungen dort, die Laufzeiten der Strafverfahren, die starken Belastungen gerade an den Landgerichten Köln und Düsseldorf. Zusätzliche Richterplanstellen werden in diesem Haushaltsentwurf zur Verfügung gestellt.

Außerdem haben wir eine wichtige Maßnahme ergriffen: Wir haben nämlich 41 kw-Vermerke im Bereich der ordentlichen Gerichte und der Fachgerichte gestrichen – kw-Vermerke,

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Stimmt!)

die sehr pauschal in der Regierungszeit 2005 bis 2010 eingestellt worden sind, ohne darauf zu achten, wie hoch die Belastung bei den Gerichten tatsächlich ist.

Dann gibt es ein weiteres wichtiges Signal für die Amtsanwälte. Bereits im Jahre 2012 haben wir sehr vorausschauend damit begonnen, zusätzliche

Amtsanwältinnen und Amtsanwälte auszubilden und in den letzten zwei Jahren die entsprechenden Stellen einzurichten, damit dort die hohe Arbeitsbelastung der Amtsanwälte reduziert werden kann.

Ein wichtiges Projekt – Herr Kamieth, Sie haben es angesprochen –, das mir weiterhin Sorge macht, sind die steigenden Kosten im Bereich der Betreuung. 1992 gab das Land noch etwa 1,3 Millionen € für Betreuung aus, 2013 lagen wir schon bei Ausgaben von etwa 218 Millionen € – das ist eine unglaubliche Kostensteigerung.

Die Landesregierung hat sich sehr intensiv mit diesem Thema beschäftigt, und zwar indem sie im Kabinett den Aktionsplan zur Stärkung des selbstbestimmten Lebens, zur Qualitätssicherung der rechtlichen Betreuung und zur Vermeidung unnötiger Betreuung beschlossen hat. Dort arbeiten die Minister Schneider und Kutschaty sehr gut zusammen. Das ist ein wichtiges Signal, um die Zusammenarbeit auch mit ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuern zu verbessern.

Lassen Sie mich zum Schluss ganz kurz auf den Vollzug blicken; das ist ein weiterer wichtiger Bereich. Auch dort gibt es sehr viele engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die diese schwierige Arbeit mit dem nicht gerade leichten Klientel meistern.

Das neue Strafvollzugsgesetz, liebe Kolleginnen und Kollegen, wirft seine Schatten voraus. Auch hier werden entsprechende vorausschauende Maßnahmen ergriffen. Bereits 2011 haben wir zusätzliche Stellen im Bereich der Fachdienste eingerichtet, um die Betreuung und die Resozialisierung von Gefangenen im Strafvollzug zu verbessern.

Dann hat der Justizminister noch ein sehr wichtiges Bauprogramm vorgelegt – ein sehr ambitioniertes Projekt, um den Vollzug auch baulich in die Zukunft zu führen. Die Justizvollzugsanstalten in Köln, Münster, Willich I und Iserlohn werden modernisiert; das heißt, 2.750 Haftplätze werden in den kom

menden Jahren erneuert. Die Zahl der Plätze wird dann an die aktuelle Belegungssituation angepasst, sodass auch ein Teil der derzeit nicht belegten Haftplätze reduziert wird.

Ein weiteres wichtiges Projekt – Herr Kamieth, Sie haben es angedeutet – ist die Haftvermeidung; auch das ein klares Signal an diejenigen, die als freie Träger diese Projekte zur Leistung von gemeinnütziger Arbeit und damit zur Haftvermeidung unterstützen. Wir werden als SPD daher dem vorliegenden Einzelplan Justiz gerne zustimmen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Wolf. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Kollege Wedel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit einem kleinen Lob beginnen, nämlich einem Lob dafür, dass die Justiz die Bauvorhaben der Amtsgerichte Gummersbach und Werl wegen unwirtschaftlicher Angebote des BLB ausgeschrieben und dafür einen Titel in den Haushalt aufgenommen hat. Ich befürchte allerdings, dass der Finanzminister dieses zarte Pflänzchen zu mehr Wirtschaftlichkeit durch Wettbewerb ganz schnell wieder zertreten wird.

(Christof Rasche [FDP]: Nein!)

Ansonsten kann man Ihrer Rechtspolitik, Herr Minister, wenig Positives abgewinnen – im Landtag Staatsnotar auf Abwegen, draußen nur Populismus.

Ein paar Kostproben: Sie haben sich in fremde Justizangelegenheiten eingemischt, indem Sie der bayerischen Justizverwaltung unterstellt haben, im Fall Hoeneß besondere Maßstäbe anzulegen, wobei zu diesem Zeitpunkt die Ladung zum Strafantritt in die nach dem Vollstreckungsplan zuständige JVA Landsberg bereits seit drei Tagen zugestellt war.

Sie diffamieren die Berufsgruppe der angeblich Porsche fahrenden Zahnärzte, um eine Notwendigkeit der Einführung des Fahrverbots als Hauptstrafe zu belegen. Damit gewinnen Sie nicht nur den „faulen Zahn“ 2014, sondern selbst Ihre Kollegin Steffens rüffelt Sie öffentlich dafür. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten: Gerade als Politiker ist man häufig genug selbst Opfer von Pauschalierungen, Vorurteilen und Klischees. Daher sollte man sich dieser selbst nicht bedienen. – Zitat Ende. Wohl wahr!

Sie fordern vor der Kirchensynode ein in sich stimmiges Familienrecht auf der Basis eines einheitlichen Familienbegriffs und wärmen dann aber die bereits 2005 von Rot-Grün wegen Unvereinbarkeit mit den Güterständen des BGB verworfene Idee einer gesetzlichen Vertretungsmacht der Ehegatten auf, mit der Begründung, weite Bevölkerungskreise

gingen ohnehin von der gegenseitigen Vertretung aus.

Machen Sie doch einfach das am 1. April erschienene Lexikon der Rechtsirrtümer zu Ihrem Regierungsprogramm! Nehmen Sie schließlich Ihre unausgegorenen Vorstöße bezüglich der Reformierung des Mordparagrafen und zum Unternehmensstrafrecht, bei dem auch 15 Monate nach der mit großem Tamtam erfolgten Vorstellung jedes Anzeichen dafür fehlt, dass der Gesetzentwurf irgendwann auch einmal den Bundesrat erreicht.

Herr Minister, aber selbst der Staatsnotar ist nur gespielt – siehe Besoldung der Richter und Beamten. Wozu haben Sie nach der Geschäftsordnung der Landesregierung als Justizminister denn das Widerspruchsrecht wegen Unvereinbarkeit mit geltendem Recht?

Im interministeriellen Ausschuss für Verfassungsfragen hat das Justizministerium sogar zugelassen, dass die Landesregierung entgegen der seit 1958 ständigen Rechtsprechung des Bundesverfas

sungsgerichts zu Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes diesem den Charakter eines subjektiven Rechts der Beamten und Richter abgesprochen hat. Auch die sonstigen Interessen der Mitarbeiter und Belange der Justiz werden nur unzureichend vertreten, Probleme schöngeredet oder ignoriert.

Während Sie noch im Februar nach dem Hinweis der FDP davon gesprochen haben, dass die Belastung der Landgerichte der Großstädte Köln und Düsseldorf im Mittelfeld liege und dass keine spürbaren personellen Lücken bestünden, räumen Sie im Erläuterungsband zum Haushalt nun endlich ein, dass die Landgerichte Köln und Düsseldorf dauerhaft hoch belastet sind und eine Personalverstärkung brauchen.

Für 32, davon zehn temporäre, neue Stellen für Richter und Staatsanwälte möchten Sie sich abfeiern lassen, verschweigen aber gleichzeitig, dass gerade einmal 1,2 Millionen € der 105,7 Millionen € Mehreinnahmen aus dem 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz für notwendige Personalverstärkungen verwendet werden, während der Rest im schwarzen Loch des Finanzministeriums verschwindet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das wohl Gravierendste für einen Minister: Viel zu oft befinden Sie sich im Tal der Ahnungslosen, nach dem Motto: Nichts sehen, nichts hören und schon gar nichts tun! Ein Stichwort: überlange Wartezeiten von jugendlichen Straftätern bis zum Arrestantritt.- Bis heute verweigern Sie die Erfassung zu langer Zeiträume bis zur Ladung.

Einen Überblick über das Volumen an Strafen, die wegen Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht vollstreckt werden können, hat die Landesregierung natürlich auch nicht.

Der Rechtspolitik dieser Landesregierung kann man nur die Zustimmung verweigern. Deshalb lehnen wir den Einzelplan 04 ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Wedel. – Nun tritt an das Pult für die grüne Fraktion Frau Hanses.