Protokoll der Sitzung vom 04.12.2014

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Er hatte doch schon drei!)

Herr Kollege, Sie können es uns schon zutrauen, dass wir bis drei zählen können und hier ganz exakte Listen führen. Jetzt hat der Kollege Witzel das Wort, und er kann selbstverständlich seine dritte Zusatzfrage stellen. Bitte schön.

So ist es, Herr Präsident. Vielen Dank. – Frau Ministerin Steffens, Sie haben hier gerade nachhaltig bestritten, dass die Auswirkungen, die die Stadt Essen sieht, auch nach dem Gespräch am kommenden Montag noch so bestehen. Daher möchte ich Sie fragen: Habe ich Sie richtig verstanden, dass die Bezirksregierung Düsseldorf als Behörde des Landes am nächsten Montag so auf die Stadt zugeht, dass der Bau und Ausbau keines einziges Hauses im Vergleich zur jetzigen Planung zukünftig unterbleiben muss? Können wir das so festhalten?

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit,

Emanzipation, Pflege und Alter: Herr Witzel, ich kann es auch noch einmal sagen. Erstens. Dass die Stadt Essen die Befürchtungen so kommuniziert, ist jetzt Ihre Aussage. Das ist nicht unbedingt die Aussage der Stadt Essen.

Das Zweite ist, dass es am Montag ein Treffen geben wird, bei dem die Stadt Essen und die Bezirksregierung versuchen wird, konstruktiv und gemeinsam eine nach vorne gerichtete Lösung für die

Problemlage im Sinne der Sicherstellung der Entwässerung und im Sinne der Grundstücksplanung zu erreichen. Ich traue der Stadt Essen und der Bezirksregierung zu, dass sie am Montag eine Lösung finden werden. Das werden wir auch nicht in irgendeiner Form im Vorhinein interpretieren.

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Weitere Zusatzfragen liegen mir nicht vor. Damit ist die Mündliche Anfrage 57 des Herrn Kollegen Witzel beantwortet.

Wir haben tatsächlich in dieser Fragestunde alle vorliegenden Anfragen abarbeiten können. Vielen Dank. Ich schließe die Fragestunde.

Ich rufe auf:

12 Ganzheitliche und moderne Gleichstellungs

politik – Gleichstellung von Frauen und Männern auf allen Ebenen vorantreiben

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/7402

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende FDP-Fraktion Frau Kollegin Schneider das Wort. – Bitte schön.

(Vorsitz: Präsidentin Carina Gödecke)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine große Sonntagszeitung hat in ihrer vorletzten Ausgabe anlässlich meiner Pressemitteilung zum Internationalen Männertag geurteilt, dass es wohl – Zitat – „nach Lage der Dinge“ ein völlig aussichtsloser Vorschlag sei, dass ein Gleichstellungsbeauftragter auch männlich sein könnte.

Die Lage der Dinge stellt es sich nach meiner Analyse tatsächlich so dar, dass die Landesregierung und die Regierungsfraktionen SPD und Grüne Gleichstellungspolitik überwiegend mit Frauenpolitik gleichsetzen. Lediglich 70.000 €, also 3,3 % des Etats für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation, werden zur Gleichstellung von Männern und Frauen und Nichtdiskriminierung im kommenden Haushaltsjahr vorgehalten. Allein diese Zahlen sprechen für sich. Eine Gleichstellungsbeauftragte hat per se weiblich zu sein. – Ende der Diskussion.

Wir Liberale hingegen werben für eine ganzheitliche, für eine moderne Gleichstellungspolitik und haben daher heute diesen Antrag in den Landtag und damit in die Diskussion eingebracht.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, lange Zeit gab es kein Bewusstsein dafür, dass auch Männer in Rollenzwängen gefangen sind. Mittlerweile wird aber an den Grundfesten der traditio

nellen Männerrolle gerüttelt. Mit anderen Worten ausgedrückt: Wir möchten mit unserem Antrag dazu beitragen, dass auch Männer die Chance erhalten, anders als ihre Vorfahren zu leben.

Männer sind nicht immer stark, auch Männer haben Schwächen, die nicht negiert oder kleingeredet werden sollten. Im Folgenden seien nur einige Beispiele angeführt: Die durchschnittliche Lebenserwartung von Männern liegt etwa fünf Jahre unter der von Frauen. Ein Jahr ist genetisch bedingt, die restlichen vier können auf eine ungesündere Lebensweise, eine größere berufliche Belastung, eine höhere Neigung der Männer zum Risiko und auf deutlich weniger Interessen an Präventionsmaßnahmen zurückgeführt werden.

Auch im Bildungsbereich gehören Jungs mittlerweile eher zu den Bildungsverlierern. Sie werden deutlich öfter als verhaltensauffällig eingestuft und schließen deutlich überproportional die Schullaufbahn ohne Abschluss ab. Und wenn sie abgeschlossen wird, dann aber im Durchschnitt mit schlechteren Noten.

Die Stiftung Männergesundheit hat herausgefunden, dass rund drei Viertel aller Suizide von Männern begangen werden. Dieser Freitod wird laut Studienergebnissen oftmals als letzter Ausweg aus nicht erkannten und damit nicht behandelten Depressionen gedeutet.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, mit unserem Antrag wollen wir nicht Mann gegen Frau ausspielen. Derartiges sollten wir im 21. Jahrhundert Gott sei Dank überwunden haben. Die Erreichung von Geschlechtergerechtigkeit zwischen Frauen und Männern ist demnach kein Verteilungskampf. Trotzdem ist es Ziel der FDP, Gleichstellung ganzheitlich zu denken und umzusetzen.

In der Bundesrpolitik scheint dieser Ansatz erkannt worden zu sein. Unter schwarz-gelber Regierungsverantwortung ist folgerichtig der Blickwinkel der Geschlechterpolitik auch auf die Jungen und Männer ausgedehnt worden. Ziel war es, gesellschaftliche Akzeptanz für die vielfältigen Rollen und Lebensentwürfe für Jungen und Männer zu schaffen.

Die Übertragung dieses neuen Ansatzes muss auch in der nordrhein-westfälischen Landespolitik gelingen.

(Beifall von der FDP)

Die FDP-Fraktion fordert daher die Landesregierung auf, in der landesseitigen Gleichstellungspolitik die Jungen- und Männerpolitik auf allen Ebenen fest zu verankern, damit es gelingt, dass neue männliche Lebensentwürfe gesamtgesellschaftliche Anerkennung finden.

Die Landesregierung muss daher die Umgestaltung von Karrieremustern von Jungen und Männern genauso im Blick haben wie die von Mädchen und

Frauen. Außerdem sollte die Männerforschung und Männerarbeit unterstützt und gefördert werden.

Der Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen muss dahingehend überprüft werden, ob auch Präventionsangebote für Männer einbezogen werden können. Weiterhin muss das Präventionskonzept des Landes durch eine Landesinitiative zur Förderung der Gesundheit von Männern erweitert werden. Es ist für mich nach wie vor unsinnig und unbegreiflich, sehr geehrte Frau Ministerin Steffens, dass Sie nach wie vor am Kompetenzzentrum Frauen und Gesundheit NRW festhalten. Entweder braucht es gleichermaßen ein Kompetenzzentrum Mann und Gesundheit, oder es wäre viel besser und erstrebenswerter, eine geschlechtersensible Gesundheitsforschung und behandlung zu initiieren.

(Beifall von der FDP)

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch einmal unseren Beweggrund für den Antrag hervorheben. Unser Antrag stellt die Weichen für eine innovative und zukunftsfähige Gleichstellungspolitik. So wird Freiheit zur Individualität von Frauen und Männern gleichermaßen ermöglicht, also Chancengerechtigkeit herbeigeführt, sodass jeder seinen Lebensstil abseits der klassischen Rollenbilder leben kann.

Gleichstellungspolitik darf nicht zur Frauenpolitik 2.0 verkommen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schneider. – Für die SPD-Fraktion hat nun Frau Kollegin Kieninger das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen! Dem Vorwurf, dass die nordrhein-westfälische Landesregierung ihren Fokus vor allem in der Frauenpolitik sehe, Gleichstellung also nur für Frauen und zuungunsten von Männern erfolge, muss ich aufs Schärfste widersprechen. Der vorliegende Antrag hat dabei so viele Baustellen, dass ich mir nicht einmal sicher bin, in meiner Redezeit alle abarbeiten zu können.

Ich möchte mit einer kleinen Zeitreise ins letzte Jahrhundert beginnen. Warum ist das in diesem Fall wichtig? – Damals gab es einen Antrag aller Parteien zum Gender-Mainstreaming.

(Zustimmung von Ministerin Barbara Stef- fens)

Ich helfe Ihnen gern weiter auf die Sprünge. Damals ist der Ansatz des Gender-Mainstreamings verpflichtend in die Geschäftsordnung der Landesregierung aufgenommen worden. Damit haben wir

schon viel erreicht – bis ins Jahr 2005. Dann wurde dieser Ansatz jedoch nicht mehr angewandt.

(Ministerin Barbara Steffens: Genau!)

Muss ich Sie daran erinnern, welche Parteien damals in Regierungsverantwortung waren? Die jetzige Landesregierung dagegen hat sich GenderMainstreaming wieder auf die Fahnen geschrieben und betreibt diesen Ansatz aktiv. Die Genderbeauftragten in allen Ministerien geben einen klaren Hinweis darauf.

„Gender-Mainstreaming“ bedeutet nicht, dass nur eines der Geschlechter bevorzugt wird. Diesen Vorwurf kann man Ihrem Antrag deutlich entnehmen. „Gender-Mainstreaming“ bedeutet, die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern bei allen Entscheidungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen zu berücksichtigen, um so die Gleichstellung der Geschlechter durchzusetzen. Genau das tut diese Landesregierung.

(Beifall von der SPD – Josef Hovenjürgen [CDU]: Hö?)

Aber kommen wir zu Ihrem ersten Punkt, der Lebenserwartung in Deutschland: Der vorliegende Antrag suggeriert, dass die Lücke zwischen der Lebenserwartung von Männern und Frauen gleichbleibend ist. Das ist schlichtweg falsch, denn die Lebenserwartung ist seit der Wiedervereinigung um fünf Jahre gestiegen. Die Differenz zwischen den Geschlechtern nähert sich seitdem kontinuierlich an.

Noch einige Worte zur Präventionsbereitschaft der Männer: Richtig ist, dass die Angebote nur etwa von einem Fünftel angenommen werden, obwohl sie bekannt sind. Aber was schwebt Ihnen da vor? Möchten Sie § 1 SGB V zu einer verpflichtenden Vorschrift machen? Dann viel Spaß damit!

Jungen als Bildungsverlierer hinzustellen, ist die eine Sache. Der Landesregierung in diesem Bereich aber gleichzeitig Untätigkeit vorzuwerfen, ist

schlichtweg falsch. Ich schlage Ihnen als Lektüre das Schulgesetz vor. Ganz besonders will ich Ihnen § 2 Abs. 6 Satz 2 ans Herz legen, in dem der konkrete Auftrag formuliert ist, dass die Schulen den Grundsatz der Gleichberechtigung der Geschlechter achten und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinwirken müssen.

(Beifall von den GRÜNEN – Ministerin Barba- ra Steffens: Das steht überall drin!)

Die Unterschiede sind vorhanden. Pisa hat uns das vor Augen geführt. Jedoch zeigen die Ergebnisse von Iglu auch, dass die Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen beispielsweise bei der Lesekompetenz in den letzten Jahren abgenommen haben. Ich gehe davon aus, dass dies auf die bisherigen Maßnahmen zurückzuführen ist.