Protokoll der Sitzung vom 17.12.2014

Festsetzung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer

Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/7147

Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 16/7554

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 16/7610

Entschließungsantrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/7621

zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache. Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Herter das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beschließen in dieser Plenarrunde die Erhöhung der Grunderwerbsteuer in Nordrhein-Westfalen. Das ist nicht schön, aber es ist notwendig. Das ist die einzige Landessteuer, bei der wir auch eine entsprechende Regelungskompetenz haben. Der Dreiklang Sparen, Zukunftsinvestitionen und Einnahmeerhöhungen, da wo es möglich ist, wird durch diese Maßnahme in seinem dritten Punkt auch umgesetzt.

Herr Römer hat heute Morgen

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

darauf hingewiesen, Herr Witzel, dass allein 1,5 Milliarden € im Landeshaushalt 2015 eingespart werden und dass meine Fraktion und mit Sicherheit auch Bündnis 90/Die Grünen viel dafür übrig hätten, die Sache über den Spitzensteuersatz oder über eine Vermögensteuer zu regeln. Nur leider können wir das im Lande Nordrhein-Westfalen nicht tun. Leider bräuchten wir den Bund dafür.

Die selbsternannten Robin Hoods dieses Hauses führen immer ins Feld, dass sich diese Maßnahme insbesondere gegen junge Familien, die sich einen Hauswunsch erfüllen wollten, richten würde.

(Ralf Witzel [FDP]: Auch!)

Das sind dieselben, Herr Witzel, die uns heute Morgen hier empfohlen haben, Studiengebühren wieder einzuführen und die Gebührenfreiheit für das letzte Kindergartenjahr aufzuheben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich möchte gerne von Ihnen diesen Widerspruch aufgeklärt bekommen, wie man das miteinander unter einen Hut kriegen kann. Ehrlich gesagt, die Hinweise von Ihrem Fraktionsvorsitzenden heute Morgen, der leider heute Nachmittag an der Debatte nicht mehr teilnehmen kann, fand ich da nicht besonders erhellend.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Alternativen liegen auf dem Tisch: Hier diejenigen, die Studiengebühren und Kitabeiträge wieder einführen wollen, auf der anderen Seite diejenigen, die nicht umhin kommen, die Grunderwerbsteuer zu erhöhen.

Ich will übrigens zu der letzten Debatte um die Grunderwerbsteuer noch eine Anmerkung hinzufügen: Weder im Wahlprogramm der FDP noch im Wahlprogramm der CDU für das Jahr 2012 war eine Rücknahme der entsprechenden Grunderwerbsteuererhöhung vorgesehen. Es kann ja sein, dass das 2017 anders ist. Aber die Rechnung für 2012 sah folgendermaßen aus: Grunderwerbsteuererhöhung plus Studiengebühren plus Rücknahme des beitragsfreien letzten Kindergartenjahres. Das ist keine Belastung von 400 Millionen €, Herr Witzel – Sie schütteln den Kopf –, das ist eine Belastung von 800 Millionen €,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

jedenfalls wenn man Schürmanns Rechenbuch mal heranziehen würde.

Die Kritik, die in der Anhörung vorgetragen wurde, hat neben dem Steuersatz vor allem die Frage der Struktur betroffen.

Deshalb haben wir einen entsprechenden Entschließungsantrag eingebracht – einen Entschließungsantrag, der sich selbstverständlich nur im Hinblick auf eine Bundesratsinitiative verhalten kann, weil sowohl die Bemessungsgrundlage als auch mögliche Zu- und Abschläge auf den Grunderwerbsteuersatz Bundesrecht sind.

Ich will noch einen Punkt herausgreifen – weil das in der Tat ein besonderes Ärgernis ist –, dass nämlich unter dem Namen „Sharedeals“ eine legale Steuergestaltungsmöglichkeit vorliegt, die letztendlich großen Firmen mit großem Immobilienbesitz die Möglichkeit gibt, um die Grunderwerbsteuer herumzukommen.

Wir schlagen Ihnen unter Punkt 2 unseres Antrags vor, diese Steuergestaltungsmöglichkeit von Nordrhein-Westfalen aus infrage zu stellen und entsprechend zu beseitigen. Ich bin gespannt, wer gleich bei diesem Punkt zustimmen wird.

Lassen Sie mich einen letzten Punkt ansprechen: Die Robin Hoods wollen auch die Kommunen hier teilhaben lassen. Ich mache auf Folgendes aufmerksam: Die Kommunen sind beteiligt – zunächst über den Stärkungspakt, danach wieder direkt über das GFG – in Höhe der 50 Millionen €, die auf sie entfallen, auf den Vier-Siebtel-Anteil an der Grunderwerbsteuer.

Besonders glaubwürdig ist es übrigens nicht, diese Beteiligung zu fordern, wenn man vorher als CDU und FDP in der eigenen Regierungszeit eben jene Kommunalbeteiligung abgeschafft hat. Vielleicht denken Sie einmal darüber nach. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Herter. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Optendrenk.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Schon bei der Einbringung des Gesetzentwurfs durch die Koalitionsfraktionen habe ich mich gefragt, warum eigentlich die Fraktionen diesen Schritt tun mussten. Warum mutet die Landesregierung den sie tragenden Fraktionen zu, diesen wachstumsfeindlichen, wohnungsbaupolitisch unsinnigen und sozialfeindlichen Gesetzentwurf vorzulegen? Warum zwingt man Herrn Herter auch noch, das in dieser Weise zu begründen?

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Ich kann nur spekulieren. Dass der Finanzminister ein Freund von Steuererhöhungen ist, das wissen wir aus einer Vielzahl von Debatten. Er hat aber die Initiative nicht ergriffen, sondern anschließend „Verständnis“ geäußert. Herr Minister, Sie werden das gleich sicher noch viel wortreicher wiederholen.

War es ihm möglicherweise auch unangenehm, dass man nach all den Wahlkämpfen rund um die Kommunalwahl, wo man gesagt hat: „Wir von RotGrün werden die Grunderwerbsteuer nicht erhöhen“, dann doch zu diesem Mittel gegriffen hat? Was war das denn so alles wert?

Vielleicht hätte man auch Schwierigkeiten im Kabinett gehabt; schließlich wissen der Wirtschaftsminister und der Bauminister ganz genau, welche Folgen das alles für Investitionen, für soziale Wohnraumförderung, für Wohnungsbaupolitik und für das Preisniveau hat. Dann hätte man möglicherweise einen sachlichen Konflikt im Kabinett aushalten müssen.

Oder hat man seitens Rot-Grün die Kolleginnen und Kollegen vor die Wahl gestellt, entweder in ihren Fachressorts, in ihren Facharbeitsgruppen konkrete Streichungsvorschläge im Haushalt zu machen, um die Mehrausgaben und die Mindereinnahmen aus den Steuern für 2015 zu kompensieren, oder doch lieber schweren Herzens „nur“ eine unangenehme Steuererhöhung zu verkünden?

Dabei ist es so, dass diese Grunderwerbsteuer immerhin um 30 % erhöht wird, und zwar zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren. Die Prozentpunkte hören sich dann so harmlos an. Aber wenn man sich die Anhörung noch einmal vor Augen führt und dann bedenkt, dass es um ganz konkrete Fragen geht – wie Kreditfinanzierung von kleinem Wohneigentum läuft, wenn man solche nicht anrechenbaren Zusatzlasten hat –, dann kommt man zu völlig anderen Ergebnissen als der Kollege Herter vorhin.

Klar ist: Die Grunderwerbsteuererhöhung ist wachstumsfeindlich. Nordrhein-Westfalen wächst schon heute mit seiner Wirtschaft und seiner Beschäfti

gung unterdurchschnittlich. Das hat viele, auch hausgemachte Gründe. Wenn das aber so ist, dann ist eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer eine weitere Belastung für Wachstum und Beschäftigung in unserem Land.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Grunderwerbsteuererhöhung ist auch baupolitischer Unsinn. Das schon in der ersten Debatte angesprochene „Bündnis für Wohnen NRW“ des Bauministers wird hier völlig konterkariert. Es wird das Gegenteil von „bezahlbar, generationengerecht und energieeffizient“ passieren, denn wenn der Häuslebauer das Geld am Schluss nicht mehr hat, dann wird das Haus nicht gebaut, oder er muss sich zusätzlich verschulden, oder die Energieeffizienz kommt nicht zustande, jedenfalls nicht so, wie wir uns das wünschen.

Die Grunderwerbsteuererhöhung ist zudem sozialpolitischer Unsinn; das hat die Kollegin Schneckenburger im Wirtschaftsausschuss eindrucksvoll deutlich gemacht; da sollten wir uns das entsprechende Ausschussprotokoll noch einmal anschauen.

Der Finanzminister führt dann seinerseits Klage darüber – wie der Kollege Herter das auch gemacht hat –, dass die Sache mit den Sharedeals eine Umgehung sei, die ethisch angreifbar sei. Da kann ich nur sagen: Herr Minister, Sie werden hier dem Plenum und der Öffentlichkeit noch einmal erklären müssen, wieso Sie im Aufsichtsrat der Portigon bei diesem Blackstone-Deal dafür gestimmt haben, eine solche Steuerumgehung zu machen, und warum Sie als Vertreter des Alleineigentümers Land Nordrhein-Westfalen nicht gesagt haben: Nein, Vorstand, das brauchst du nicht zu tun, das ist ethisch angreifbar und das wollen wir als Eigentümer nicht; darüber können wir als Eigentümer selbst entscheiden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das nenne ich einfach nur doppelzüngig, das ist im Grunde genommen die Entkleidung des steuerpolitischen Moralapostels. Diese Rolle, Herr Minister, ist heute ausgespielt. Sie haben nämlich die Verkleidung ausgezogen, und jetzt stehen Sie da als das, was Sie im Herzen mit all Ihren Äußerungen zu dem Thema „Was ist die Aufgabe des Staates, und wie viel sollen die Bürger dafür bezahlen?“ im Grunde immer waren – das haben Sie selbst auch offen gesagt –: Sie sind ein staatsgläubiger Steuererhöher.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, Ihr Entschließungsantrag versucht das alles jetzt zu bemänteln. Im Kern wollen Sie allerdings gar nicht das, was darin steht. Sie wollen eigentlich nur eine Rechtfertigung dafür, dass es eine Mehrheit in Ihrer Koalition dafür gibt, es trotzdem zu machen, auch wenn Sie wissen, dass es falsch ist.

Bei dem Anliegen, Steuergestaltungsmöglichkeiten in Berlin zu reduzieren, haben Sie uns an Ihrer Seite. Dafür hätten Sie Ihren Entschließungsantrag aber nicht gebraucht. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Marc Herter [SPD])

Vielen Dank, Herr Dr. Optendrenk. – Für die grüne Fraktion hat das Wort nun Herr Mostofizadeh.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Optendrenk, ich glaube, wir müssen doch noch die eine oder andere Resolution oder Entschließung im Landtag machen. Ich richte am heutigen Tage nur den Blick nach Karlsruhe. Da hat die Bundesregierung eine Niederlage mit Ansage bekommen. Die Erbschaftsteuer ist nicht verfassungskonform. Die Ausnahmetatbestände bevorzugen in unzulässiger Weise die Erbenfolge bei Unternehmen. Und Sie unterstützen wiederum – trotz Ansage – in bedeutender Größenordnung nicht nur Besserverdienende, sondern Besservermögende, liebe Kolleginnen und Kollegen.