Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schauen wir uns erst einmal die Überschrift des FDP-Antrags an. Da heißt es: „Landesregierung muss die Anstrengungen für eine
qualitative Lehrerversorgung im MINT-Bereich massiv verstärken“. Das Verb „verstärken“ zeigt schon, dass es bereits Maßnahmen der Landesregierung gibt. Diese bisherigen erfolgreichen Maßnahmen gilt es fortzuführen und zu intensivieren.
Unabhängig vom FDP-Antrag ist es wichtig, dass MINT-Fächer in der Gesellschaft und in den Bildungseinrichtungen des Landes einen höheren Stellenwert bekommen und attraktiver werden. Das muss schon in der Kita beginnen. Die Drei- bis Sechsjährigen experimentieren und probieren gerne. In der Grundschule und in den weiterführenden Schulen muss sich das fortsetzen. Es muss probiert, experimentiert, erklärt und ausgewertet werden. In der Pädagogik – es sind ja einige Lehrkörper hier – spricht man von Handlungsorientierung. Für alle MINT-Fächer muss der Satz von Konfuzius gelten:
„Sage es mir, und ich vergesse es. Zeige es mir, und ich erinnere mich. Lass es mich tun, und ich behalte es.“
Intensiver mit der Wirtschaft kooperieren: Landesweit gibt es zum Beispiel die zdi-Projekte, in denen Lehrerinnen und Lehrer mit Schulen aller Art zusammenarbeiten und in die auch die Kindertagesstätten einbezogen sind.
Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für fachfremd unterrichtende Lehrkräfte intensivieren: Seit Jahren finden erfolgreiche Qualifizierungsmaßnahmen für die MINT-Fächer statt.
Die Zahl der Studienabbrecher in den MINTFächern reduzieren: Das ist eine schwierige Sache, aber auch daran wird erfolgreich gearbeitet. Wer in der Vorbereitung mal ein bisschen im Internet gegoogelt hat und sich das Onlinetool „StudiFinder NRW“ angesehen hat, findet da Angebote, wie eventuelle Defizite aufgearbeitet werden können.
MINT-Fächer müssen in den Bildungseinrichtungen einen höheren Stellenwert bekommen, aber auch in der Gesellschaft. Vielleicht gibt es ja auch unter den MdLs Forscher und Forscherinnen, die an naturwissenschaftlichen Phänomenen interessiert sind.
Heute gibt es ja für die Schülerinnen und Schüler aller Schulformen – abgesehen von einigen Jahrgängen der Grundschule – die Halbjahreszeugnisse, und über das Wochenende darf es keine verpflichtenden Hausaufgaben geben. Aber es gibt eine freiwillige Hausaufgabe, die ich Ihnen jetzt gerne nennen möchte. Damit können Sie Ihre Familien zu Hause vielleicht überraschen. Wenn Sie das Phänomen auch noch erklären können, dann sind Sie sicher der Forscher des Wochenendes.
Die Versuchsbeschreibung: Sie nehmen ein Glas, anschließend füllen Sie das Glas halb voll mit Wasser. Dann drücken sie von oben einen Bierdeckel auf das Glas und drehen es um. Sie werden staunen. Probieren Sie es aus – bei mir hat es bisher immer geklappt -!
Der Überweisung des Antrags stimmen wir zu und freuen uns auf die anregende Diskussion im Ausschuss.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Herren, meine Damen! Das Timing für Ihre Antragstellung hätte nicht besser gewählt sein können. In der letzten Woche haben wir im Schulausschuss die Anfrage der CDU zur Situation an den Schulen und bei den Lehrerstellen im Fach Technik behandelt. In der letzten Woche haben wir auch die Ergebnisse der Studie, die Prof. Klemm begleitet hat – „Zukunftsperspektiven der Lehrerversorgung in den MINT-Fächern“ –, zur Kenntnis nehmen dürfen. Und gestern gab es eine Regierungserklärung und eine mehrstündige Aussprache zu den Herausforderungen des digitalen Wandels.
Der Wirkungszusammenhang zwischen diesen drei Bereichen erschließt sich unmittelbar: Gibt es zu wenig Lehrpersonal in den genannten Fächern, werden sich immer weniger Jungen und Mädchen für Naturwissenschaften und Technik interessieren. Dies wiederum führt dazu, dass noch weniger junge Menschen als jetzt einen Studiengang oder einen Beruf in diesem Bereich ergreifen. Ergreifen immer weniger junge Menschen ein technisches Studium, fehlen Lehrkräfte, Ingenieure und gut ausgebildete Fachkräfte in Unternehmen. Das hat dramatische Folgen für unsere Arbeitswelt, für unsere Wirtschaft und für die Zukunft unseres Landes.
Schauen wir noch einmal kurz auf die Bestandsaufnahme des Schulministeriums zur Situation im Fach Technik – Frau Gebauer hat eben auch schon darauf rekurriert –:
„Die Ausbildungssituation im Fach Technik und damit die weitere Entwicklung auf dem Lehrerarbeitsmarkt muss aufmerksam beobachtet werden.“
Das sind die Aussagen zur Auswertung des Berichts. Wenn ich sage: „aufmerksam beobachten“ und – das Bonbon –: „In Zukunft gibt es gute Einstellungschancen“, dann ist das eigentlich zu wenig. Diese Zufriedenheit wurde durch die Ergebnisse der Studie sicherlich ein bisschen ins Wanken gebracht, wenn nicht gar erschüttert. Auch Frau Gebauer hat deutlich gemacht: Wir haben gegenwärtig 52.000 Lehrkräfte. Bis zum Schuljahr 2025/26 wird sich die Zahl aber halbiert haben; denn schon heute ist jeder Zweite über 50 Jahre alt.
Erstens. Die Studienabbrecherquote in diesen Fächern liegt bei ungefähr 56 %. – Ich denke, es ist wichtig, auch den Wissenschaftsausschuss mit dieser Frage zu befassen.
Zweitens ist die Zahl der Orte für die Ausbildung in MINT-Fächern – vor allem auch für Technik – in den letzten Jahren deutlich zurückgefahren worden. Anfang der 70er-Jahre hatten wir in NordrheinWestfalen elf Standorte, wo es entsprechende Studienmöglichkeiten gab, im Jahr 2012 sind davon drei übrig geblieben.
Wenn man sich überlegt – auch das hat Frau Gebauer wohl schon erwähnt –, dass wir im Fach Physik für über 4.000 Plätze, die wir brauchen, nur 1.400 Bewerbungen haben und im Fach Technik auf Dauer nur 21 % des Einstellungsbedarfs decken können, dann muss man doch sagen, dass die Zukunft hier so glücklich nicht aussieht, dass das nicht zusammenpasst.
Angesichts dieser Fakten frage ich die Landesregierung: Wann und wie fangen Sie endlich an, gezielt und konzeptionell etwas gegen den Lehrermangel in den MINT-Fächern zu tun? Wir brauchen mehr Lehrerinnen und Lehrer in den MINT-Fächern, und wir brauchen junge Menschen, die sich für Technik interessieren und in diesem Bereich einen Beruf ergreifen.
Wir brauchen und nutzen die Maßnahmen, die wir haben. Die Initiativen zur Förderung des naturwissenschaftlich-technischen Nachwuchses haben Sie, Frau Ministerin, im Ausschuss dargestellt. Das sind wirklich gute Zeichen. Aber sie sind punktuell.
Wir brauchen ein klares Konzept zur Etablierung eines technischen Grundverständnisses an Schulen und zur Vermittlung einer technischen Allgemeinbildung. Nordrhein-Westfalen braucht eine gezielte Förderung von an Technik interessierten jungen Menschen. Nur so wird es uns langfristig gelingen, genügend junge Menschen für die MINT-Fächer zu begeistern. Auf diese Weise können wir die Basis für Offenheit gegenüber Technik bilden und die Voraussetzung dafür schaffen, dass der Innovations- und Technikstandort Nordrhein-Westfalen sein volles Potenzial entfalten kann.
Die primäre Verantwortung für die Allgemeinbildung von Kindern und Jugendlichen trägt eindeutig die Schule. Nur sie kann durchgängig und nachhaltig technische Allgemeinbildung für alle vermitteln und Interesse für Technik entfachen.
Ich komme zum Schluss mit dem Fazit: Die Schulen können dieser Verantwortung nur nachkommen, wenn fachkundiges Lehrpersonal und eine sachgerechte Ausstattung zur Verfügung stehen. Der vorgelegte Antrag stellt diesen Sachverhalt in den Fokus. Seine Behandlung lässt eine lebhafte Diskussion im Fachausschuss erwarten. Darauf freue ich mich. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Birkhahn. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Beer.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst mal bei Frau Gebauer bedanken, weil Ihr heutiger Vortrag eine ganz andere Tonlage hatte und in anderer Art gehalten worden ist als der Vortrag Ihres Fraktionsvorsitzenden mit seinem Alarmismus – wir kennen ja mittlerweile das Posen, die Textbausteine, die Darbietung –, dem Ausrufen der Bildungskatastrophe, was nicht zielführend ist.
Die Fragestellung, die Sie aufgeworfen haben, bewegt uns in der Tat alle. Aber es ist eben nicht so – ich muss die Kollegin Birkhahn bitten, noch mal darauf zu schauen –, dass sich die Landesregierung und die regierungstragenden Fraktionen zurücklehnten nach dem Motto: Wir haben uns das mal angesehen und lassen alles so laufen. – Das Gegenteil ist der Fall.
In der Tat ist das doch eine Herausforderung, die wir gemeinsam stemmen müssen. Wir müssen dafür sorgen, dass die MINT-Fächer in den Fokus gerückt werden. Wir müssen den Lehrernachwuchs gewinnen, den wir brauchen.
Eine ganz wesentliche Frage aber ist doch – das ist nicht kurzfristig zu erreichen –, welche Wertschätzung diese Fächer gesamtgesellschaftlich haben. Wie gehen Jungen und Mädchen darauf zu? Wie erhält man das, was wir an Entdecker- und Forscherfreude bei den Kindern in der Kita haben? Wie gelingt es, das in der Schule zu festigen und ihnen die Felder zu bieten, wo sie das ausleben und das als ihre Sache begreifen können, sodass die Begeisterung anhält? Die Herausforderung besteht in der Anerkennung dieses Bereiches, und zwar in der Schule insgesamt, aber auch gesamtgesellschaftlich, was die Berufsperspektiven angeht. Und natürlich gibt es die Herausforderung, dass auch Mädchen in diesen Bereichen Zukunftsperspektiven sehen. Das ist eine Aufgabe, die wir wohl gemeinsam
Das hat viel damit zu tun, wie wir Berufsorientierung in den Schulen verankern, wie wir Studiengänge über Berufsperspektiven attraktiv machen, wie wir auch da den Blick weiten. Das ist ein Riesenfeld mit großen Einstellungschancen. Das gilt etwa für die Ausbildung von Lehrern für die Berufskollegs, wo wir einen ganz starken MINT-Bereich haben, aber auch für die Ausbildung von Lehrern für die allgemeinbildenden Schulen.
Diese Aufgabe wird doch systematisch angefasst. Das gilt etwa für die Berufsorientierung „Kein Kind ohne Anschluss“, indem dort ein Fokus gelegt wird. Diese Aufgabe wird mit der Ausweitung des zdi angefasst. Das ist auch ganz wichtig.
Es ist auch wirklich nicht schlimm, etwas fortzuführen, was damals von Schwarz-Gelb sinnvoll angelegt worden ist. Das war durchaus sinnvoll. Auch die Kinder- und Forscherhäuser sind sinnvoll. Das muss man aber noch verstärken, das sollte man nicht durch irgendwelche andere Programme ersetzen. Das haben wir ausdrücklich nicht getan, sondern wir stärken diesen Bereich.
Die Fokussierung, die in den Schulen gelingen kann, weil wir auch Pflichtunterricht in den Schulformen haben, ist etwas, was wir ausbauen sollten. Ich glaube, auch da sind wir einer Meinung.
Die FDP sollte sich im Übrigen über die steigende Zahl von Gesamtschulen und Sekundarschulen freuen, weil dort der Technikunterricht und auch der naturwissenschaftliche Unterricht im Curriculum ganz anders verankert ist, Pflichtbestandteil ist und viel stärker nach vorne gestellt wird. Das bietet gerade den Kindern und Jugendlichen Chancen, die im sprachlichen Bereich nicht ihre erste Priorität und ihre Stärke haben. Wir brauchen aber alle mit ihrem gesamten Potenzial. Da bieten gerade die integrierten Schulformen sehr viele Möglichkeiten – das wissen wir –, dass die Jugendlichen ihren Weg finden, gerade im naturwissenschaftlichen und im technischen Bereich.
Insgesamt ist es unsere Aufgabe – das ist auch schon gesagt worden –, die Studienabbrecherquoten zu senken. Dazu läuft eine sehr enge Kooperation zwischen dem Schulministerium und dem Wissenschaftsministerium. Die Hochschulen sind dabei, weitere Brückenkurse anzubieten, um in den naturwissenschaftlichen Studiengängen zu helfen, dass die Studienabbrecherquoten sinken.
Ich will aber noch ein Argument von Frau Birkhahn aufnehmen, das ich bemerkenswert finde. Ja, wir müssen darauf schauen, an welchen Plätzen man dieses Lehramt überhaupt studieren kann. Sie werden mir aber doch zustimmen, dass man an dem Punkt eine gemeinsame Hochschulplanung braucht
und eine Verpflichtung zwischen dem Land und den Hochschulen, damit entsprechend den Bedarfen ausgebildet werden kann und es nicht zur Reduzierung durch die Entscheidung eines einzelnen Hochschulstandortes kommt.
Deswegen ist es wichtig, dass wir das Hochschulzukunftsgesetz entsprechend gestaltet haben: damit auch diese Bedarfe sichergestellt werden können. Das gehört zu einem Maßnahmenpaket. Und es ist in der Tat eine mittel- und langfristige Aufgabe, die wir gemeinsam stemmen wollen. Deswegen freue ich mich auf die Beratung im Ausschuss.