Protokoll der Sitzung vom 13.09.2012

Herzlichen Dank, Herr Kollege Fricke. – Wir haben als nächsten Redner den zuständigen Minister der Landesregierung am Pult. Das ist unser Minister Herr Schneider.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der CDU-Antrag greift Befürchtungen des

Handwerks auf, dass aufgrund der schon vielfach zitierten EU-Vorschriften zusätzliche Belastungen auf das Handwerk zukommen. Der Entwurf der EUVerordnung, auf die sich die CDU bezieht, ist bereits Mitte letzten Jahres im Bundesrat beraten worden. Die Landesregierung hat damals im Bundesrat Änderungsanträge unterstützt, mit denen Erleichterungen für das Handwerk durchgesetzt werden sollten. So hat sie sich für die Ausweitung des Ausnahmeradius auf 150 km statt 100 km ausgesprochen. Weiter haben wir uns für ein vollständiges Entfallen der bisherigen 7,5-t-Grenze eingesetzt, ab der bisher im Handwerk die Pflicht zum Einbau eines Fahrtenschreibers gilt.

Die Anträge haben im Bundesrat eine Mehrheit gefunden. Damals war aber noch nicht absehbar, dass das Europäische Parlament vorschlagen würde, die Fahrtenschreiberpflicht generell von bisher 3,5 t auf Fahrzeuge bis 2,8 t auszuweiten. Vor allem bei den gewerblichen Lieferdiensten erscheint es sinnvoll, die Kontrollmöglichkeiten über die Lenk- und Ruhezeiten zu verbessern. In diesem Sinne argumentieren auch die Fraktionen von SPD, Grünen und Piraten in ihrem Änderungsantrag.

Von dieser geplanten Regelung wäre derzeit auch eine große Zahl von Handwerksbetrieben in NRW betroffen. Handwerksbetriebe müssten ihre Fahrzeuge unterhalb von 3,5 t bis 2,8 t mit Kontrollgeräten nachrüsten oder auf Fahrten außerhalb des Ausnahmeradius verzichten, der mit 100 km vorgesehen ist. Das ist, füge ich hinzu, zweifelsohne geschäftsschädigend. Für die Handwerksbetriebe wäre diese Regelung eine zusätzliche finanzielle und bürokratische Belastung. Insofern sollte versucht werden, zu erreichen, dass das Handwerk von jeder Verschärfung ausgenommen wird.

Zum aktuellen Verfahrensstand der Rechtsetzung auf der EU-Ebene: Die derzeitige Präsidentschaft strebt zu der Verordnung einen gemeinsamen Standpunkt zwischen dem Europäischen Rat, dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission an. Da die Bundesregierung im Rahmen der Ratsverhandlungen einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Rechtsetzung hat, hat sich unser Wirtschaftsminister bereits am 15. August mit einem Schreiben an den Bundesverkehrsminister gewandt und ihn gebeten, sich für eine handwerkerfreundliche Lösung einzusetzen.

In seinem Antwortschreiben stellt Bundesverkehrsminister Ramsauer fest, dass er die Ansicht der nordrhein-westfälischen Landesregierung teilt, aber seine Bemühungen auf der EU-Ebene bislang keinen Erfolg hatten. Dies zeigt nur: Die Bundesregierung muss in Brüssel deutlicher werden, damit für unsere mittelständischen Unternehmen mehr rauskommt.

Die Landesregierung wird zudem die Möglichkeit nutzen, über die Mitglieder des Europäischen Par

lamentes aus Nordrhein-Westfalen auch auf den vorliegenden Fall Einfluss zu nehmen.

Meine Damen und Herren, der Antrag der CDU geht ins Leere, weil wir keine weiteren Aufforderungen benötigen, uns für berechtigte Belange des Handwerks einzusetzen. Wir brauchen hier keine Belehrungen. Sie können sicher sein: Diese Landesregierung steht an der Speerspitze der Bewegung, wenn es darum geht, den Mittelstand zu fördern.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich sage Ihnen – das sei mir als sozialdemokratischem Arbeitsminister gestattet –: Ein Sozialdemokrat braucht von Ihnen überhaupt keine Belehrungen, wenn es um Handwerk geht.

(Beifall von der SPD)

Wir waren immer eine Partei der Handwerker und der Intellektuellen seit Bebel und Friedrich Eberts Zeiten.

Noch einmal: Wir brauchen keine Belehrungen. Die Landesregierung schließt sich dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen und der Piraten an und freut sich, wenn jetzt die FDP auch zustimmt. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Minister Schneider.

Wir kommen damit zur Abstimmung, und zwar so, wie wir es immer halten, nämlich erstens über den Änderungsantrag und zweitens über den Antrag der CDU-Fraktion.

Ich will noch einmal der guten Ordnung halber darauf hinweisen. Der Neudruck des Änderungsantrags Drucksache 16/884 unterscheidet sich von dem Änderungsantrag, der vorgelegt wurde, nur dadurch, dass die Fraktion der Piraten mit aufgedruckt wurde. Inhaltlich ist er gleich. Nur damit da keine weitere Verwirrung entsteht.

Also stimmen wir zunächst ab über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der Piraten Drucksache 16/884 – Neudruck. Wer möchte diesem Antrag zustimmen? – FDP, SPD, Grüne und Piratenfraktion. Wer stimmt dagegen?

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Die CDU-Fraktion. Gibt es Enthaltungen im Hohen Hause? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Änderungsantrag mit großer Mehrheit im Hohen Hause angenommen.

Wir kommen – zweitens – zur Abstimmung über den Inhalt des so geänderten Antrags der Fraktion der CDU Drucksache 16/821. Wer stimmt dem so zu? – SPD, Grüne, Piraten fast komplett, FDP kom

plett. Nehmen wir es einmal so auf. Wer stimmt dagegen? – Die CDU-Fraktion. Gibt es Enthaltungen? – Ich sehe keine Enthaltungen. Damit ist der Inhalt des so geänderten Antrags der CDU-Fraktion gegen die Stimmen der CDU-Fraktion mit den Stimmen von Piratenfraktion, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP angenommen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt

8 Modernes Regieren im digitalen Zeitalter –

Open Government Strategie für NordrheinWestfalen vorantreiben!

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/811

Ich eröffne die Beratung und erteile für die SPDFraktion Herrn Kollegen Vogt das Wort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich mir einen Hinweis erlauben darf: Es ist möglicherweise dem Umbau geschuldet, aber akustisch ist es jetzt lauter, wenn Sie miteinander sprechen, als vor dem Umbau. Ich weiß nicht, ob es Ihnen auch auffällt. Uns hier oben ist das aufgefallen. Ich kriege schon Ermahnungen von meinen Schriftführern, das auch einmal anzumerken. Das habe ich hiermit getan. Seien Sie bitte ein bisschen leiser im Gespräch, oder hören Sie am besten dem Redner, der Rednerin hier vorne zu.

Herr Kollege Vogt, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Modernes Regieren im digitalen Zeitalter – so ist der Antrag von SPD und Grünen überschrieben. Dass die rot-grüne Landesregierung bereit ist, Regierungsarbeit anders anzupacken und neu zu denken, hat sie schon in der letzten Legislaturperiode gezeigt. Hier in NRW wurde die erste Minderheitsregierung gestaltet, die erfolgreich durch eine neue Art von Beteiligung im Parlament fast zwei Jahre lang viele positive Projekte auf den Weg gebracht hat. Schon hierbei galt, Betroffene zu Beteiligten zu machen.

Der vorliegende Antrag setzt dieses Ziel fort. Wir wollen hiermit Politik transparenter machen. Wir wollen die Meinung und das Wissen von Bürgerinnen und Bürgern noch mehr in Entscheidungen mit einbeziehen. Hierzu werden wir natürlich die modernen Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen.

Aber um diese Art des Open Government zu praktizieren, bedarf es eines Kulturwandels auch innerhalb der Verwaltung. Es wird ein fortlaufender Prozess sein. Neben der Vereinfachung von Verwaltungsabläufen und der Bereitstellung vorhandener Daten verstehen wir unter Open Government auch

die verstärkte Teilhabe an der Willensbildung durch Bürgerinnen und Bürger.

Um die Teilhabe an politischen Prozessen zu stärken, hat die rot-grüne Landesregierung schon in der vergangenen Legislaturperiode eine Reihe von Online-Konsultationen durchgeführt. So wurden unter anderem Vorschläge und Anregungen zur Entwicklung des Medienpasses, zur Eine-Welt-Strategie und zum Jugendmedienschutz gesammelt und diskutiert. Hieran haben sich neben Bürgerinnen und Bürgern auch viele Fachleute und Verbände beteiligt. Auf diesen Erfahrungen mit diesen OnlineKonsultationen muss weiter aufgebaut werden. Auch für diejenigen, die noch nicht über die technische Ausstattung verfügen oder die Medienkompetenz mitbringen, muss eine noch bessere Beteiligung ermöglicht werden.

Neben der Bürgerbeteiligung ist die freie Bereitstellung von Daten ein Bestandteil des Open Government. Die Idee hinter Open Data ist, dass Daten, die in der Verwaltung vorhanden sind und deren Erhebung übrigens mit Steuergeldern bezahlt wurde, wieder den Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung gestellt werden. Bisher sind schon einige Datenbestände der Landesverwaltung im Netz vorhanden.

Die Bereitstellung auf einer einheitlichen Plattform nach Kriterien, die die Open Data Working Group definiert hat, bietet Chancen für unsere Wissensgesellschaft und auch wirtschaftliches Potenzial. Aus diesen Daten können neue Produkte, Anwendungen und Dienstleistungen entwickelt werden. Um neue Anwendungen voranzutreiben, sollen Wettbewerbe für Entwicklerinnen und Entwickler durchgeführt werden.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)

Es ist selbstverständlich, dass bei der Veröffentlichung der Daten die Datenschutzaspekte berücksichtigt werden müssen, insbesondere bei personenbezogenen Daten. Open Government ist ein fortlaufender Prozess. Die Entwicklung einer Strategie wird ein erster Schritt sein. Neben dem Land sollen auch lokale Open-Government-Projekte unterstützt werden. Seitens des Landes werden zur Umsetzung der Open-Government-Initiative Ressourcen notwendig werden. Hierzu zählen auch die Qualifikation der Bediensteten des Landes und ihre Beratung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam die Chancen nutzen, die der Antrag dafür bietet, dass politische Entscheidungen mehr Akzeptanz erfahren, die Ideen der Menschen mehr einbezogen und letztendlich auch Verwaltungskosten reduziert werden können. Über die weitere Umsetzung werden wir gemeinsam in den Fachausschüssen diskutieren. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Vogt. – Für die zweite antragstellende Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Bolte. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Die globale Informationsinfrastruktur wird nicht bloß eine Metapher für eine funktionierende Demokratie sein, tatsächlich wird sie das Funktionieren der Demokratie verbessern, indem sie die Teilhabemöglichkeiten für die Bürger erweitert.“

Diesen Satz sagte der damalige US-Vizepräsident Al Gore vor der ITU 1994. Das war das Jahr, in dem der damalige deutsche Bundeskanzler auf die Frage, was er für den Ausbau der deutschen Datenautobahn zu tun gedenke, antwortete, man müsse schon einmal etwas gegen das ständige Stop and Go auf deutschen Autobahnen tun, aber die fielen leider unter die Oberhoheit der Länder.

Das verdeutlicht zweierlei: zum einen, dass es Menschen gab, die die riesigen Potenziale der Digitalisierung, unsere Demokratie voranzubringen, früh erkannt haben, und zum anderen, dass wir in Deutschland in diesem Bereich großen Nachholbedarf haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin froh, dass wir – die Fraktionen von SPD und Grünen – es sind, die heute diesen wichtigen Schritt zu mehr Transparenz und zu mehr Beteiligung im digitalen Zeitalter anstoßen.

Ich habe heute Mittag vom Kollegen Paul gehört, dass Sie uns mit Rat und Tat zur Seite stehen möchten. Ich interpretiere das als ein freundliches Angebot zur konstruktiven Mitwirkung in dem Prozess, der vor uns liegt. Ich gehe davon aus, es wird sich dann zeigen, dass auch bei den antragstellenden Fraktionen bereits ein gewisser Sachverstand vorhanden ist, ebenso wie bei der Landesregierung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einige Punkte aus dem Antrag hervorheben: Erstens. Wir bieten heute kein fertiges Produkt an; denn Open Government ist ein Prozess, der auch immer heißt, etwas zuzulassen, sich auf Neues einzulassen sowie unkonventionelle Vorschläge und unkonventionelle Formen zu nutzen. Das werden wir tun. Wir machen heute den parlamentarischen Aufschlag. Auch von der Landesregierung sind schon wichtige Impulse gekommen.

Aber eine Open-Government-Strategie wird erst dadurch gut, dass sie in der Diskussion mit der Bevölkerung entwickelt und stetig weiterentwickelt wird. Deswegen werden wir genau diesen Weg gehen und schlagen ihn in unserem Antrag vor.