Protokoll der Sitzung vom 13.09.2012

Aber eine Open-Government-Strategie wird erst dadurch gut, dass sie in der Diskussion mit der Bevölkerung entwickelt und stetig weiterentwickelt wird. Deswegen werden wir genau diesen Weg gehen und schlagen ihn in unserem Antrag vor.

Zweitens. Wir haben auf der inhaltlichen und auf der technischen Ebene wichtige Pflöcke eingeschlagen. Das gilt insbesondere für Open Data. Dass es ge

lungen ist, die Open Government Data Principles als Leitgedanken einer Open-Data-Strategie in diesem Antrag festzuschreiben, ist ein Erfolg, den wir in der Umsetzung auch Realität werden lassen müssen.

Ich weiß, dass das an einigen Stellen in der Umsetzung nicht ganz einfach sein wird. Beispielsweise wird die Frage einer angemessenen Lizenzierung der bereitgestellten Daten im Prozess zu Diskussionen führen. Vor diesem Hintergrund ist es absolut notwendig, Strategien zum verstärkten Einsatz freier Lizenzen zu entwickeln, ebenso wie es erforderlich ist, die teils noch bestehenden Unsicherheiten im Umgang mit freien und offenen Lizenzmodellen abzubauen.

Drittens. Wir zollen in unserem Antrag den lokalen Initiativen, die bereits jetzt in den Bereichen Open Government und Open Data viel leisten, unseren Respekt und sprechen Ihnen unsere Anerkennung aus. Ich finde, auch das ist wichtig; denn ohne dieses Engagement geht es nicht. Ohne dieses Engagement kommt unser Vorhaben, Nordrhein

Westfalen für das digitale Zeitalter fit zu machen, nicht voran.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dieses Engagement wird auch durch die Wettbewerbe gefördert und unterstützt, die wir ebenfalls als Bestandteil einer Open-Government-Strategie vorschlagen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, vor uns liegt ein Prozess: ein Prozess der parlamentarischen Beratung, ein Prozess der Strategieentwicklung und ein Prozess der Partizipation. Das wird spannend und nicht ganz einfach werden. Aber wir müssen diesen Weg gehen. Wir müssen ihn nach vorne gestalten; denn die Digitalisierung verändert unsere Gesellschaft nachhaltig.

Es wäre ein historischer Fehler, die riesigen Chancen und großen Potenziale, die sich für unsere Gesellschaft bieten, zu verpassen; denn – zum Abschluss möchte ich noch einmal aus Al Gores Rede zitieren – „das Internet bringt Folgen, die sogar größer sind als Fußball“. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Bolte. – Als nächstem Redner erteile ich für die CDU-Fraktion Herrn Kollegen Sieveke das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bolte, das ist so etwas mit dem Prozess. Da ich heute in der Diskussion den Vorschlag mitbekam, dass über diesen Antrag vielleicht direkt abgestimmt werden soll, muss ich sagen: Das passt natürlich nicht zu einem Prozess. – Aber Sie haben sich

dann ja entschieden, den Antrag in die weiteren Beratungen zu geben.

Mit dem vorliegenden Antrag fordern Sie die Landeregierung auf, eine Open-Government-Strategie für Nordrhein-Westfalen vorzulegen. Das bedeutet, Datenbestände der öffentlichen Verwaltung im Internet frei zugänglich zu veröffentlichen und nutzbar zu machen. Auf diese Weise könnten beispielsweise Statistiken, Geodaten, Verkehrsinformationen, Fluglärmkarten, Exportzahlen und vieles mehr einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Insgesamt sollen durch Open Government vor allem auch mehr Teilhabe an der Willensbildung in Verwaltung und Regierung ermöglicht und neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Bürgern etabliert werden.

Diese Ziele und damit auch der Ansatz, Open Government in Nordrhein-Westfalen auszubauen, sind grundsätzlich begrüßenswert. Die CDU unterstützt die politische Entwicklung in dieser Richtung sowohl auf Landes- wie auch auf Bundesebene.

Erst im Juli 2012 hat das Bundesinnenministerium eine Auftragsstudie mit dem Titel „Open Government in Deutschland“ veröffentlicht. Im Geleitwort dieses fast 600 Seiten starken Werks hat der Bundesinnenminister das Potenzial von Open Government bewertet. Ich zitiere:

„Offene Daten sind ein ökonomischer Schatz. Wenn diese Fachinformationen öffentlich bereitstehen und nutzbar sind, können neue Anwendungen, Dienstleistungen mit Mehrwert und neue Geschäftsmodelle entstehen. Offene Daten sind somit die Basis für Innovationen. Die EUKommission schätzt das wirtschaftliche Potenzial von Verwaltungsdaten in der Europäischen Union auf insgesamt 40 Milliarden Euro jährlich. Offene Daten und Informationen sind zudem Grundstein für offenes Regierungs- und Verwaltungshandeln. Sie bilden die Grundlage für Meinungsbildung und damit für Mitsprache und Mitbestimmung in unserer repräsentativen Demokratie.“

Meine Damen und Herren, Sie sehen also, dass gerade auch die Unionsparteien eine bürgerfreundliche, offene und transparente Verwaltung wollen. Damit möchte ich an dieser Stelle nicht weiter auf die inhaltliche Ausgestaltung einer Open-Government-Strategie eingehen. Wir werden sicherlich über sehr wichtige Details wie die Informationsrechte der Parlamente, das heißt vom Landtag über die Landschaftsversammlung und die Kreistage bis hin in die Stadt- und Gemeinderäte, zu sprechen haben. Wir werden sicherlich weitgehende Übereinstimmung feststellen, wenn es zum Beispiel um die Belange sonst bewusst nichtöffentlicher Verwaltungsunterlagen geht, beispielsweise während laufender Vertragsverhandlungen oder ähnlicher sensibler und auch richtigerweise vollständig verwal

tungs- und parlamentsinterner Informationen. Wir werden selbstverständlich die technischen Machbarkeiten oder gegebenenfalls zu überwindende Hürden und einige Details mehr zu erörtern haben.

Damit sind wir auch ganz schnell bei dem vielleicht entscheidenden Kriterium, wenn es um Open Government geht. Darüber sprechen Sie gar nicht. Neben allem Wünschenswerten und technisch Machbaren ist zu fragen, wie die Kosten aussehen und wie es um die Finanzierung steht. Welche finanziellen Auswirkungen der vorliegende Antrag auf den Landeshaushalt hat, wird darin leider mit keiner Silbe erwähnt. Die pauschale Forderung, die Landesregierung solle dazu die erforderlichen Ressourcen bereitstellen, ist mir einfach zu kurz gesprungen. Sie hätten die Landesregierung auch erst einmal zu einer verantwortlichen Kostenschätzung auffordern können, bevor weitere Schritte eingeleitet werden sollten.

Dies gilt auch für die Durchführung von Entwicklerwettbewerben. Da können wir schnell in Millionenbereiche gelangen, eine Größenordnung, die angesichts der Haushaltslage unseres Bundeslandes nicht ohne Weiteres darstellbar ist.

Entschuldigen Sie, Herr Kollege. Würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Bolte zulassen?

Immer gerne.

Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie sprechen natürlich einen durchaus relevanten Punkt an. Offensichtlich haben Sie sich auch ein Stück weit mit den Potenzialen von Open-Government-Strategien beschäftigt. Ist Ihnen bei dieser Beschäftigung mit der Materie bewusst oder bekannt geworden, dass Open-Government-Strategien auch durchaus positive fiskalische Effekte dadurch haben können, dass gegebenenfalls konkrete Prozesse hinterfragt werden, oder anderweitige positive Effekte durch Open Government erzielt werden können?

Selbstverständlich. Vielleicht ist Ihnen in meiner Rede das erwähnte Zitat des Bundesinnenministers entgangen. Ich habe gerade darauf hingewiesen, dass in dieser Studie genannt wird, dass das auch finanzielle Potenziale für das Land hat.

Trotzdem geht es bei einem solchen Antrag erst einmal darum, die Kosten zu beziffern, die Sie mit diesem Prüfauftrag in Gang setzen. Wenn der neue Stil ist, einfach erst einmal alles in Gang zu setzen, ohne die Kosten zu berücksichtigen, und hinterher zu sagen, wir bekommen den Landeshaushalt nicht in den Griff, ist das natürlich der falsche Weg. Aber

das ist Ihr Weg, nicht unser Weg. Deswegen spreche ich hier die Kostensituation an, die in Ihrem Antrag mit keiner Silbe erwähnt wird.

Ich danke Ihnen aber für das Stichwort. Im Zusammenhang mit der Kostenfrage wäre nämlich zuerst einmal zu klären, wie andere Bundesländer mit der Open-Government-Strategie bereits umgehen, beispielsweise das Land Berlin. Wie können wir davon profitieren?

Zudem werden wir auch grundsätzliche Standpunkte unseres Demokratieverständnisses diskutieren müssen. Ich zitiere dazu einen Satz aus Ihrem Antrag:

„Notwendig ist ein Wandel von der Holschuld der Bürgerinnen und Bürger zur Bringschuld der Verwaltung.“

Lassen wir diesen Satz mit dem Bezug Verwaltung so stehen, werden wir vermutlich eine große Einigkeit haben. Was aber wäre, wenn wir den Bezug auf Verwaltung und Politik ausdehnten? Dann wird das schnell zu einer Grundsatzdiskussion, die wir aber dennoch führen müssen.

Sie sehen, die CDU-Fraktion steht erstens der Thematik sehr aufgeschlossen gegenüber.

Zweitens. Viele Fragen sind zu erörtern, aber umso mehr wird sich die Diskussion sicher lohnen, denn das Potenzial, Herr Bolte, ist sehr groß.

Drittens. Die Kosten sind ebenso wie das Potenzial dennoch als erheblich einzuschätzen.

Wir können diesem Antrag in der vorliegenden Qualität daher leider nicht zustimmen, aber freuen uns auf die weiteren Beratungen. Wir stehen diesen Beratungen sehr konstruktiv gegenüber.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Sieveke. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Wedel. Sie haben das Wort. Bitte, Herr Kollege.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

Auf meine Kleine Anfrage, was die rot-grüne Landesregierung in der Zeit von Juli 2010 bis Dezember 2011 im Bereich Open Government gemacht hatte, lautete die Antwort: bestehende Angebote ermittelt. Dafür brauchte man anderthalb Jahre. Man musste zugeben, dass bislang regelmäßige Wettbewerbe, die im Koalitionsvertrag 2010 angekündigt wurden, weder durchgeführt noch konkret geplant sind. Stattdessen erwähnt man stolz, dass sich Bürger oder Verbände in Einzelfällen bei der Landesanstalt für Medien oder bei „Eine Welt“ online zu bestimmten Themen äußern können. Was heute nahezu je

de Nachrichtenseite anbietet, wird als Erfolg verkauft.

Und: Der Umstand, dass die Landesverwaltung verschiedene Internetseiten mit Informationen bereithält, wird gar als guter Ansatz für Open Government bewertet. Genauso gut können Sie sagen: Wir haben schon einen Fußball. Das ist ein guter Ansatz für den Bau des Stadions drum herum.

Meine Damen und Herren, ab Dezember 2011 hat die Landesregierung eine ressortübergreifende Projektgruppe unter Leitung des MIK beschlossen, die erstmals Ende Januar 2012 tagte. Ihr Ziel ist nicht etwa die zeitnahe Umsetzung von Open Government, sondern die bloße Erarbeitung einer OpenGovernment-Strategie. Die hat man in Berlin schon seit Februar.

Da acht Monate nach Einsetzung der Projektgruppe gerade einmal eine themenbezogene Arbeitsstruktur aufgebaut wurde, dürfte allein die Strategieerarbeitung noch eine längere Zeit dauern, zumal laut Punkt IV.4 Ihres Antrags dabei auch noch Bürgerbeteiligung und ein Zukunftsforum geplant sind.

Schritt zwei zur Erarbeitung eines detaillierten Umsetzungsprogramms und dessen Umsetzung als dritter Schritt geraten so in weite Ferne. Dafür wird dann wohl die nächste Projektgruppe eingerichtet.

Meine Damen und Herren, fassen wir es zusammen: Von den Ankündigungen zum Thema Open Government im Koalitionsvertrag 2010 ist bis heute faktisch rein gar nichts umgesetzt worden.

(Vereinzelt Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Nun wurde das Thema erneut im Koalitionsvertrag 2012 verankert.

Fakt ist: Sie haben das Thema lange verschlafen. Wenn Sie nun in Ihrem Antrag möglichst schon Mitte 2013 eine Umsetzung, also den dritten Schritt, fordern, obwohl der erste gerade erst begonnen wurde, erscheint dies unrealistisch.

Jeden Realitätsbezug verloren hat Rot-Grün dann aber beim Koalitionsvertrag 2012, der ein Voranschreiten NRWs in der nationalen und internationalen Open-Government-Entwicklung postuliert.