Ich will nochmal daran, was wir hier in den 20 Monaten unserer Regierungszeit ohne absolute Mehrheit, ohne eine absolute Mehrheit der Koalition gemacht haben, erinnern. Das war anstrengend, ohne Frage, für uns, auch für die Opposition. Wir haben
eine hohe Schlagzahl an den Tag gelegt, weil wir vieles von dem, was Sie in den fünf Jahren schwarz-gelber Regierungsverantwortung in diesem Land falsch gemacht, versaubeutelt haben, korrigieren mussten. Das haben wir in den 20 Monaten getan.
Ich will auch gerne einräumen, dass wir viele neue Erfahrungen haben machen müssen und machen dürfen. Ja, ich erinnere mich gern daran, dass es in diesem Haus gelungen ist, bei vielen Vorhaben, die wir auf den Weg gebracht haben, die Opposition mitzunehmen auf diesen Weg: bei der Frage des Schulkonsenses, auch bei der Frage der Kommunalfinanzierung. Die unterschiedlichen Mehrheiten haben deutlich gemacht: Wir haben uns angestrengt und wir haben vor allen Dingen die Probleme des Landes, der Menschen in den Blick genommen, wenn wir über Lösungsvorschläge beraten haben. Diese Erfahrung, meine Damen und Herren, möchte ich nicht missen.
Deshalb in aller Klarheit gleich zu Beginn der neuen Legislaturperiode nach der Regierungserklärung der Ministerpräsidentin: Die Opposition ist herzlich eingeladen, vernünftige Vorschläge zu unterbreiten, über die wir reden werden. Herr Kollege Laumann, das müssen dann aber auch wirklich vernünftige Vorschläge sein, über die man auch sprechen kann, und dürfen nicht irgendwelche Wolkenkuckucksheime über irgendwelche Maßnahmen zum Abbau von Schulden sein. Bis heute sind Sie jeden vernünftigen Vorschlag in diesem Bereich schuldig geblieben. Legen Sie ihn endlich auf den Tisch!
Ja, das ist eine entscheidende Frage: Wie leben wir in fünf, in zehn Jahren? Wie leben wir zusammen in Nordrhein-Westfalen? Wie groß wird die Notwendigkeit sein, dass Politik das Miteinander gestaltet, das Miteinander der Generationen, und wie soll sie es gestalten, wie soll sie eine solidarische Gesellschaft – das spricht sich leicht – gestalten, die für das Heute sorgt und die Zukunftsfähigkeit dauerhaft gewährleistet?
Das war gestern auch das Beeindruckende in der Regierungserklärung der Ministerpräsidentin, dass es darum geht, in diesem solidarischen Zusammenleben Respekt für jeden Menschen jeden Alters zu gewährleisten. Auch das ist eine Aufgabe, die wir gemeinsam zu bewältigen haben.
Gleichberechtigt zu sein bedeutet für Menschen mit Behinderung eine selbstbestimmte Teilhabe. Das heißt, wir müssen Barrierefreiheit in allen Bereichen für alle Menschen schaffen, die mit körperlichen, mit seelischen, mit geistigen, mit Sinnesbeeinträchtigungen oder mit Einschränkungen leben müssen, die mit dem und durch das Alter entstehen.
Daher muss auch der Bund mit der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ernst machen. Wir fordern von ihm das Recht für Menschen mit Behinderungen ein, alle Leistungen der Sozialgesetzbücher gleichberechtigt in Anspruch nehmen zu können. Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe, der wir uns zu stellen haben. Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, müssen im Bund endlich für eine Umsetzung der Konvention sorgen. Die Menschen haben ein Recht darauf, diese Leistungen in Anspruch zu nehmen.
Um das gleich voranzustellen: Es ist nämlich nicht die Aufgabe der Kommunen, die Lasten für die Eingliederungshilfe als ausschließlich kommunalfinanzierte Fürsorgeleistung zu tragen. Im Land sind das allein 3,1 Milliarden € oder 57 % aller Ausgaben im Bereich der Sozialhilfe.
Herr Kollege Laumann, wir müssen doch ein gemeinsames Interesse daran haben, dass der Bund hier endlich seiner Verpflichtung nachkommt und hier mehr finanzielle Verantwortung übernimmt, damit die Kommunen in diesem Bereich entlastet werden.
Ja, miteinander die Zukunft zu gestalten verlangt auch ein Miteinander der Kulturen und ein Miteinander der individuellen Verschiedenheiten. Es bleibt dabei: Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, dafür zu sorgen, dass alle in unserem Land ohne Angst auch anders leben können. Auch darauf muss die Politik eine Antwort geben, und sie muss die Weichen in die richtige Richtung stellen.
Mit dem Teilhabe- und Integrationsgesetz haben wir uns in Nordrhein-Westfalen alle gemeinsam darauf verpflichtet, die Integration als eine dauerhafte Aufgabe für uns alle zu begreifen. Wir haben auch klargemacht – Herr Kollege Laumann, Sie waren dankenswerterweise dabei –: Integration geht alle an und wird keinen Lebensbereich unverändert lassen.
Wir erkennen auch die Talente und Potenziale der Migrantinnen und Migranten. Wir machen deutlich: Ihr müsst eure Wurzeln nicht vergessen, um dazuzugehören, um bei uns und mit uns leben zu können. – Das war ein wichtiges Signal, das von diesem Hohen Haus ausgegangen ist, und das müssen wir jetzt auch leben und in unserer praktischen Politik mit Leben erfüllen.
Ja, Nordrhein-Westfalen ist ein offenes Land. Es lebt von der Fantasie, dem Einsatz und auch der Hartnäckigkeit seiner Bürgerinnen und Bürger. Es lebt vom toleranten Umgang miteinander, unabhängig von der ethnischen Herkunft und der religiösen Orientierung. Das ist die Grundlage des Zusammenlebens in unserem Land.
Ich sage in aller Klarheit: Wer dies – etwa als religiöser Fanatiker wie bei den Salafisten – infrage stellt, muss mit allen rechtsstaatlichen Mitteln daran gehindert werden, sein Unwesen fortzusetzen.
Ich bin dem Minister für Inneres und Kommunales, Ralf Jäger, ausdrücklich dankbar dafür, dass er in den zwei vergangenen Jahren deutlich gemacht hat, dass diese rot-grüne Landesregierung hier keine falsche Toleranz kennt, sondern dass sie das mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft, was sich außerhalb unserer Gesetzgebung und außerhalb unseres Rechtsstaates bewegt.
Als jemand, der nahe bei Dortmund wohnt, füge ich gleich hinzu: Ich habe es als ermutigend empfunden, dass in Dortmund der Antikriegstag am 1. September zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren endlich einmal ohne die bedrückende Anwesenheit von demonstrierenden Nazis begangen werden konnte.
Die Menschen waren gelöst und haben das gut aufgenommen. Die Dortmunderinnen und Dortmunder haben am Antikriegstag friedlich, engagiert und ohne braune Störer angemessen des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs gedacht.
Auch dafür waren die entschiedene Haltung der Landesregierung, das entschiedene Eintreten des Innenministers und das Verbot der sogenannten Kameradschaften eine entscheidende Grundlage. Machen Sie weiter so, Herr Innenminister. Sie haben die Unterstützung der Koalitionsfraktionen auf diesem Weg!
„Wichtig ist auf‘m Platz“, hat mal ein Dortmunder Fußballer, Adi Preißler, gesagt. Der Platz, um den es in der Lebenswirklichkeit der Menschen vor allem geht, ist die kommunale Familie. Das sind unsere Städte und Gemeinden; denn sie sind das Fundament unseres Landes. Johannes Rau hat uns immer eingebläut: Wer wissen will, wie es dem Land geht, muss in die 396 Städte und Gemeinden gehen und sich anschauen, wie es den Menschen dort geht. Dann weiß man auch, wie es dem Land geht.
Herr Kollege Laumann, dort – nirgendwo anders – wird die Politik unmittelbar wahrgenommen. Dort nehmen die Menschen auch unmittelbar wahr, wer sich um sie und ihre tatsächlichen Probleme kümmert. Herr Kollege Laumann, auch deshalb ist es im Kreis Steinfurt, Ihrem Heimatkreis, in einem Wahlkreis so – das ist keine Erfindung von mir, wenn ich das feststelle –: Von neun Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern haben inzwischen sieben das Parteibuch der SPD in der Tasche.
Wir machen nämlich eine Politik, bei der wir uns um die Menschen kümmern. Wir kümmern uns vor allen Dingen darum, dass eine kommunale Politik wieder möglich wird und, Herr Kollege Laumann, dass die Kommunen finanziell wieder stabiler werden.
Lebendige Städte brauchen liebenswerte Quartiere. Dafür muss es bezahlbaren Wohnraum geben. Das voranzutreiben, das ist eine Herkulesaufgabe für den neuen Minister Michael Groschek. Ich bin froh, dass er einen ganzheitlichen Ansatz bei der Quartiersentwicklung zugrunde legt, weil es wichtig ist, zu beachten, dass alles miteinander im Zusammenhang steht: sowohl die Barrierefreiheit im Wohnumfeld von Menschen als auch die Entwicklung von Quartieren, die wohn-, aber vor allen Dingen lebenswert bleiben. Herr Kollege Laumann, damit haben wir eine Menge in Nordrhein-Westfalen zu tun.
Dieser ganzheitliche Ansatz unterscheidet sich daher auch von der von Ihnen betriebenen „sozialen“ Wohnungsbaupolitik:
Sie haben die Mittel vor allen Dingen in die Eigenheimförderung gelenkt. – Das ist falsch. Es geht darum, soziale Wohnungsbaupolitik zu betreiben. Dazu gehört zwar auch eine vernünftige Eigenheimpolitik, aber angesichts der Zinssituation brauchen wir diese nicht noch mit öffentlichen Mitteln zu unterstützen. Das funktioniert auch so. Und wir brauchen auch nicht die Unterstützung in den ländlichen Gebieten, von denen Sie meinen, dass dort Ihre Hochburgen seien. Diese Unterstützung war fehlorientiert, war falsch geleitet. Wir werden das korrigieren, meine Damen und Herren!
Ja, wir müssen vieles von dem, was Sie in Ihrer fünfjährigen Regierungsverantwortung angerichtet haben, korrigieren. Das schaffen wir nicht von heute auf morgen.
Ich will Ihnen einmal den Unterschied zwischen Ihrer und unserer Politik verdeutlichen und das mit den Worten des Wuppertaler Oberbürgermeisters Peter Jung von der CDU – er ist also keiner von uns – unterlegen.
Die geänderte kommunalpolitische Linie beinhaltet, der kommunalen Familie wieder auf Augenhöhe zu begegnen und sie in die Lage zu versetzen, und zwar auch mit Landesmitteln, wieder finanzielle Stabilität zu erlangen. Ich weiß, das ist nicht allein mit Landesmitteln zu erreichen; ich weiß, dafür braucht es vor allem die Unterstützung des Bundes. Ich will Sie daran erinnern, Herr Kollege Laumann, dass wir in diesem Hohen Haus – Sie mit uns gemeinsam – im Jahre 2010 in einer Sondersitzung an den Bund appelliert haben, endlich 50 % der in den Kommunen anfallenden sozialen Lasten zu übernehmen.
Wir haben auch an die eigene Adresse Anforderungen formuliert. Wir haben bisher unser Wort eingehalten. Der Bund hat überhaupt noch nicht reagiert. Ich habe nicht gehört, dass von der NRW-CDU irgendeine Initiative in Richtung Bundesregierung unternommen worden wäre, um dieses Versprechen einzulösen.