Vielen Dank, Herr Feuß. – Bleiben Sie bitte am Pult. Es gibt die angemeldete Kurzintervention aus der CDU-Fraktion von Herrn Abgeordneten Stein. Herr Stein, anderthalb Minuten für Sie! Dann antwortet Ihnen Herr Feuß. Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Feuß, Sie haben gerade gesagt: Eltern interessiert nicht konkret, wie viel Unterricht ausfällt, sondern das, was im Unterricht in der Schule passiert.
Ich habe ein konkretes Beispiel. Als meine Tochter in der 2. Klasse war, wurde die Lehrerin schwanger – Risikoschwangerschaft. Das ist alles völlig okay. Dann fiel Unterricht aus. Von fünf Tagen pro Woche wurde konkret nur an drei Tagen Unterricht erteilt. An zwei Tagen wurden die Schüler auf andere Klassen aufgeteilt. Offiziell ist das aber kein Unterrichtsausfall. Was haben die Schüler in den anderen Klassen gemacht? Sie haben Papier bekommen und sollten malen.
Am Ende der 2. Klasse war fast das komplette Schuljahr in dieser Form ausgefallen, also fast 40 % des Unterrichts. Das sollte man sich hier wirklich einmal zu Herzen nehmen.
Dann kam eine neue Lehrerin. Sie hat festgestellt, dass in diesem konkreten Beispiel fast der komplette Inhaltsstoff des 2. Schuljahrs aufgearbeitet werden muss, weil massive Lücken da sind.
Das spielt man hier herunter und sagt, der Krankheitsstand liege nach der Statistik unter 5 %. Das zeigt zwar, dass einiges vielleicht aufgefangen wird. Diese Statistiken, die stichprobenartig der Öffent
lichkeit zugänglich gemacht werden, spiegeln aber nicht die Realität wider. Das hört man auch, wenn man Gespräche mit anderen Menschen führt. Ich denke, das sollten wir alle hier zur Kenntnis nehmen.
Dass Frau Löhrmann sich weigert, eine digitale Totalerfassung zu machen, obwohl das technisch möglich ist, stellt zum einen den Kurs der Ministerpräsidentin infrage. Denn während Frau Kraft sich für Digitalisierung ausspricht, lehnt man sie an diesem konkreten Punkt ab, weil dadurch natürlich die ganzen Lücken offenbar würden.
Zum anderen – ich komme zum Ende – hat sich die stellvertretende Ministerpräsidentin noch nie im Bereich der Digitalisierung hervorgetan. Das wird schon daran deutlich, dass sie im Zeitalter von Tablets den Einsatz von Taschenrechnern fordert. Hier erkennt man die ganz klare Handschrift, dass man digitalisierungsfeindlich ist. Man sollte wirklich die Vorteile der Digitalisierung nutzen und den Unterrichtsausfall lückenlos dokumentieren, um aus diesem Controlling heraus neue Schlüsse ziehen zu können. Das wäre doch für alle wünschenswert. Dagegen sollten wir uns nicht sperren.
Zu der konkreten Situation an der Schule Ihrer Kinder in Hamm kann ich jetzt nichts sagen. Wenn das Ganze digital erfasst worden wäre, wären die Lehrerinnen und Lehrer aber wohl auch nicht da gewesen.
Im Grunde geht es darum, dass Unterricht ausgefallen ist. Wenn 40 % des Unterrichts ausgefallen sein sollten, wäre formalrechtlich gar nicht die Möglichkeit gegeben, entsprechend Noten zu verteilen, glaube ich. Ein solcher Fall müsste erst über die örtliche Schulaufsicht und dann über die Schulaufsicht bei der Bezirksregierung geklärt werden.
Dazu kann ich jetzt also nichts sagen, obwohl es natürlich bedauerlich ist, wenn das wirklich in dieser Form der Fall gewesen ist. Ich kann das jetzt nur so zur Kenntnis nehmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fange gleich beim Kollegen Stein an. Bei den Regelungen
zur Aufteilung zwischen Schulträger- und Landesaufgaben, die wir hier im Land haben, müssen Sie mir einmal erklären, wem Sie denn die Kosten für eine durchgängige Softwareausstattung aufs Auge drücken wollen. Als neuer Kollege in der CDUFraktion sollten Sie das vielleicht einmal mit in einen Antrag aufnehmen; denn ganz so einfach ist es nicht.
Das wird auch der Kollege Kaiser wissen, wenn er zusammen mit Frau Gebauer einen solchen Antrag mit Blick auf Hamburg stellt. Dann muss man nämlich auch wissen, was in Hamburg mit der flächendeckenden Einführung verbunden war. Die Ausstattung in einem Stadtstaat ist auch etwas anderes als die Ausstattung im Land Nordrhein-Westfalen.
Außerdem müssen die Kollegen und Kolleginnen geschult werden. Der Kollege Feuß hat schon darauf hingewiesen, dass die Kuh allein durchs Wiegen nicht fetter wird. Da müssen Sie sie schon füttern. Damit würde ein großer Aufwand erzeugt. Diese Mittel stecke ich doch lieber in die Lehrerreserve und in die Qualität des Unterrichts.
Herr Kollege Kaiser, nicht wegducken! Auf der einen Seite sagen Sie: Lasst uns einmal über Qualität reden. – Auf der anderen Seite geben Sie hier Stammtischparolen von sich. Das geht doch überhaupt nicht.
Das war so vorhersehbar wie nichts anderes, so berechenbar wie selten etwas. Das heißt: Stichproben hören wir uns an.
An dieser Stelle gibt es zwei Szenarien. Das könnte man in jedem politikwissenschaftlichen Proseminar ausbreiten. Was wäre denn nach einer solchen Erhebung passiert?
Erstes Szenario: schlechtere Werte in der Erhebung gegenüber der Erhebung unter der Verantwortung der Ministerin von Schwarz-Gelb, Frau Sommer. Dann hätten wir gehört: Das haben wir schon immer gewusst! Eklatanter Unterrichtsausfall! Das ist bewusst vor sich hergeschoben worden! Das ist bewusst verschwiegen worden! Deswegen hat man die Studie ausgesessen! Der Vergleich mit der Erhebung von Frau Sommer weist nach, zeigt eindeutig, beweist jetzt, dass alles viel schlechter geworden ist!
Zweites Szenario: Stichprobenerhebung im Vergleich zu dem, was Schwarz-Gelb vorgelegt hat; die Werte sind besser als bei der letzten Erhebung. Dann würde der Chor in die andere Richtung tönen: Geschöntes Ergebnis! Das kann alles nicht so sein! Wir haben schon immer gewusst, dass hier Nebelkerzen geworfen werden! Hier wird etwas verschwiegen!
Eine durchsichtigere politische Inszenierung habe ich eigentlich noch nicht erlebt. Das muss man wirklich sagen. Besser kann man es doch nicht darstellen.
Frau Kollegin Gebauer, Sie haben die bedeutungsschwangere Vokabel des Steuerungswissens gebraucht. Da bin ich sehr bei Ihnen. Jetzt sagen Sie mir einmal, welches Steuerungswissen Sie durch die Datenerhebung erhalten. Wir wissen nämlich überhaupt nicht, wie der Lehrereinsatz vor Ort erfolgt; denn das wird in dem Datenmodul nicht erhoben. So geht es eben nicht.
Kolleginnen und Kollegen, wenn wir die Frage der Qualität von Unterricht ernst nehmen, müssen wir eindeutig sagen, dass jede Unterrichtsstunde, die ausfällt, eine zu viel ist. Da sind wir uns einig, denke ich. Schauen wir uns aber doch einmal an, wie die Qualität des gegebenen Unterrichts aussieht und wie die Qualität der Vertretungskonzepte aussieht. Das ist doch die Aufgabe. Dort sollten wir investieren.
Das war übrigens auch die Kernaufgabe und die Kernaussage des ersten Konzepts, das die Kollegen und Kolleginnen von den Hochschulen vorgelegt haben.
Wenn wir da zusammenkommen, sind wir ein bisschen weiter weg von den Stammtischparolen, die heute hier noch einmal penetriert werden. Vielleicht können wir uns miteinander auf diese Linie verständigen. Das wäre sehr gut.
Dann können wir nämlich heute in Ruhe diese Anträge ablehnen. Das ist auch unser Votum. Anschließend können wir zusammen eine qualitätsorientierte Debatte führen und die Kriterien gemeinsam entwickeln.
Wenn Sie ernst zu nehmen sind, machen Sie dabei mit. Wenn Sie aber weiter auf diesem Stammtischniveau argumentieren wollen,
Ich will auch noch darauf hinweisen, dass sich hier eine Art politischer Gedächtnisverlust eingeschlichen hat; denn diese Stichprobe lehnt sich nur in Teilen an das an, was Frau Sommer gemacht hat, und differenziert mehr nach dem, was der Landesrechnungshof uns auch ins Stammbuch geschrieben hat. Eigenverantwortlicher Unterricht fiel früher unter „besonderer Unterricht“ und wurde nicht extra ausgewiesen. Auch die Auflösung von Doppelbesetzungen wurde nicht extra ausgewiesen. Das macht man jetzt alles.
Also kommen wir doch wieder zurück auf den Teppich und unterhalten uns über die Dinge, die wirklich nach vorne zu entwickeln sind. Dann kommen wir einen Schritt weiter, und zwar im Sinne der Qualität des Unterrichts und in dem gemeinsamen Anliegen, Unterrichtsausfall so gering wie möglich zu halten. Aber bitte verschonen Sie uns mit den Plattitüden. – Danke.
Vielen Dank, Frau Beer. – Es gibt eine Kurzintervention von Herrn Kollegen Kaiser, beantragt von der CDU-Fraktion.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Sigrid Beer [GRÜNE]: Aber mit Freude! Über die Dinge tauscht man sich doch gerne aus!)
Wir haben gerade noch festgestellt, dass es ein wunderbares Instrument ist, das wir vorher nicht hatten. Die Kurzintervention ist gerade bei direkt abzustimmenden Anträgen von besonderer Bedeutung. – Herr Kollege Kaiser, 1:30 Minuten für Sie, und dann antwortet Ihnen Frau Beer.
Herr Präsident! Dieses Instrument habe ich selber noch gar nicht ausprobiert. Daher bin ich jetzt natürlich ganz aufgeregt, insbesondere nach der Rede der hochgeschätzten Kollegin Beer.