Protokoll der Sitzung vom 19.03.2015

Gerne, kein Problem.

Bitte schön, Herr Ellerbrock.

Herr Kollege, Sie werfen der Opposition gerne vor, keinen konstruktiven Vorschlag zu machen.

Erstens enthält der jetzige Antrag hinsichtlich der Flächenproblematik ganz deutliche Vorschläge.

Zweitens. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass wir im letzten Jahr als FDP-Fraktion mit der Drucksache 16/5220 einen Antrag mit dem Titel „Entwicklungschancen eröffnen, nicht beschränken – Rot-Grüne LEP-Novelle darf Kommunen und Wirtschaft nicht erdrosseln!“ eingebracht haben. Darin haben wir ganz konkret elf Punkte ausgeführt,

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Wo bleibt die Frage, Herr Kollege?)

wo wir etwas für problematisch halten und wo etwas geändert werden sollte. Da können Sie doch nicht sagen, das sei nur ein Ritual. Das sind doch Inhalte! Was wollen Sie denn noch mehr haben?

(Beifall von der FDP)

Das fragt Herr Ellerbrock.

(Heiterkeit)

Nachdem der Präsident aus dem Wortbeitrag eine Frage gemacht hat, will ich die auch gerne beantworten. Jetzt mal ganz ehrlich, Herr Kollege Ellerbrock: Wenn ich jemanden ausgenommen habe, dann sind Sie das. Sie sind der Führende in der FDP-Fraktion. Ich bin mir nicht sicher, ob immer alle genau im Thema sind, was Sie an dieser Stelle tun. Aber wenn es so ist, freut es mich sehr.

(Zurufe von der FDP)

Ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie sich bei der Kritik an Unkonstruktivität – nachdem ich es nicht getan habe – selber mit der CDU gemein machen. Ich rede dabei ausschließlich von der CDU, die sich diesem Prozess entzieht.

Kolleginnen und Kollegen, ich will Ihnen das an zwei Punkten deutlich machen. Die CDU ist nicht in der Lage, konstruktiv mit dem Themenfeld umzugehen, aus ganz einfachen Gründen. In dem Antrag sind ja vier Punkte benannt. Aber viele andere Punkte sind eben überhaupt nicht benannt: Fragen der Siedlungsbereiche im demografischen Wandel, Verkehr, technische Infrastruktur und Flughäfen, Standorte zur Nutzung erneuerbarer Energien. Die sind alle nicht benannt, und zwar aus einem einfachen Grunde: Da haben Sie Dissens bei Ihrer Klientel und trauen sich nicht, deutliche Positionen zu beziehen, weil Sie wissen, dass Ihnen das in Ihren eigenen Reihen auf die Füße fallen würde. Deswegen ist es unredlich, so mit diesem Prozess umzugehen, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD)

Ich will Ihnen das mit ein paar Zitaten deutlich machen. Lassen Sie mich das mal am Thema „Siedlungsflächen, Gewerbeflächen“ konkretisieren. Ich zitiere einfach mal und bin gespannt, ob Sie das, was ich jetzt sage, besser finden. Das wäre nämlich nicht das, was Sie möchten, also eine Entspannung der Situation im Vergleich zum jetzigen Vorschlag, sondern eine Verschärfung:

Zusätzliche Siedlungsbereiche sollen regionalplanerisch nur dann ausgewiesen werden, wenn der Bedarf nachgewiesen wird, keine weiteren Bauflächen aus den bestehenden Siedlungsbereichen entwi

ckelt werden können, ein regionaler Konsens über die zusätzlichen Siedlungsbereiche besteht – das ist eine Verschärfung gegenüber dem, was im Moment im vorgeschlagenen LEP steht – und die Bevölkerung bzw. die Wirtschaft sich in der Region insgesamt positiv entwickelt.

Die Entwicklung der Siedlungsflächen soll Gegenstand eines Monitoring-Verfahrens werden, das über Flächenreserven und Flächenpotenziale unterrichtet. Das Monitoring soll durch ein Siedlungsflächenmanagement ergänzt werden – jetzt kommt noch eine Verschärfung –, in dem sich die Gemeinden verpflichten, die Siedlungsflächenzunahme durch geeignete Maßnahmen zu reduzieren, mit dem Ziel, 2020 eine Halbierung zu erreichen.

Das ist ein stärkerer Eingriff als das, was der LEP im Moment vorsieht. Dann kommen noch weitere Zitate:

Dabei sind auch Maßnahmen des Flächentausches heranzuziehen bei den Siedlungsbereichen für Wohnen und Gewerbe, die in absehbarer Zeit nicht genutzt werden können, dem Freiraum wieder zugeführt oder in eine innerstädtische Grünfläche umgewandelt werden.

Das wäre aber nicht das, was Sie möchten, nämlich dass wir weniger Eingriff an dieser Stelle haben, sondern mehr Eingriff. Ich sage Ihnen, von wem das ist: Das stammt von Christa Thoben aus dem Jahr 2007, als Sie den ersten LEP-Entwurf nach 1995 vorbereitet haben. Das ist seinerzeit die CDUAuffassung gewesen.

Insofern ist es ein unredliches Vorgehen, das Sie hier an den Tag legen. Ich kann Ihnen nur sagen: Das, was Frau Thoben hier formuliert hat, wollen wir nicht. Das, was im Moment im LEP-Entwurf steht, wird von vielen kritisiert. Wir werden sehr genau prüfen, wie die richtige Antwort lautet, um am Ende einen möglichst konsensualen, breit getragenen LEP-Entwurf zu erhalten, der die Entwicklungsperspektiven unseres Landes nicht nur abbildet, sondern vor allem auch Entwicklungen in unserem Land ermöglicht. – Ganz herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Eiskirch. – Nun spricht für die Grünenfraktion Herr Goldmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei allem Respekt für die antragsstellenden Fraktionen von CDU und FDP drängt sich der Eindruck auf, dass Sie sich nicht wirklich entscheiden konnten, ob Sie sich nun endlich an einer fachlichen Diskussion zum LEP beteiligen wollten oder eher wieder der Versuchung unter

legen waren, vermeintliche Disharmonien auf Regierungs- und Koalitionsseite erkannt haben und –

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

getragen von der tiefen Sorge um die heimische Wirtschaft – der Ansicht sind, die Ministerpräsidentin zu einem Machtwort auffordern zu müssen, um einen unterstellten Koalitionsstreit zu beenden.

Ich muss Sie leider enttäuschen. Ihr suggerierter Koalitionsstreit zu den Festlegungen des LEP findet nicht statt, auch wenn Sie sich das anscheinend so sehr wünschen. Ich leide ja mit Ihnen; aber Sie müssen sich noch gedulden. – Das meine ich ironisch; ich sage es lieber dazu.

(Beifall von der SPD)

Mit einer Annahme haben Sie recht: Wir sprechen miteinander, um in den einzelnen Handlungsfeldern des LEP stabile Lösungen zu erreichen. Wir wollen – das ist unser Anspruch als Regierungskoalition – mit dem LEP ein Werk auf den Weg bringen, das den nachgeordneten Planungsebenen für ein Zeitfenster von 15 bis 20 Jahren einen verlässlichen Handlungsrahmen bietet, eine fachliche Bindungswirkung und hohe Rechtssicherheit entfaltet.

Bislang waren wir uns mit der FDP einig, dass hierbei Sorgfalt und Klarheit vor Schnelligkeit gehen sollten. Insofern bedanke ich mich für die Klarstellung, Herr Ellerbrock, dass diese Erkenntnis noch besteht und diese Absprache weiterhin gilt.

Mit Interesse habe ich zur Kenntnis genommen, dass die CDU von ihrer bisherigen Position, den aktuellen Entwurf zurückzuweisen, nun Abstand genommen hat und jetzt nur noch einen grundlegend überarbeiteten LEP-Entwurf von der Ministerpräsidentin einfordert. So schlecht scheint der Entwurf also doch nicht zu sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, haben Sie sich eigentlich schon einmal gefragt, ob das permanente Schlechtreden der Zukunftsperspektiven der heimischen Wirtschaft nicht einen größeren Schaden verursacht und eine größere Unsicherheit bei den Unternehmen hervorruft als eine objektive Bewertung und konstruktive Begleitung von Planungsprozessen wie dem des LEP?

(Beifall von den GRÜNEN und Ernst-Wilhelm Rahe [SPD] – Christof Rasche [FDP]: Un- glaublich!)

Das sollten Sie vielleicht einmal machen. Ich schließe mich den Aussagen meines Vorredners an. Herrn Ellerbrock klammere ich selbstverständlich aus. Ich habe hohen Respekt vor seinen fachlichen Aussagen.

(Beifall von Dr. Joachim Stamp [FDP])

NRW stünde – das ist nun einmal Fakt – als eigenständiges Land auf Platz 18 der führenden Wirtschaftsnationen. Das heißt: NRW war ein starker

Industriestandort, ist ein starker Industriestandort und wird ein starker Industriestandort bleiben. Daran sollten wir gemeinsam parteiübergreifend mitwirken. Bei diesem Anspruch sehe ich zwischen uns auch keinen Dissens.

Zu den von Ihnen angesprochenen Zukunftsperspektiven der heimischen Wirtschaft möchte ich gerne kurz auf die jüngsten Umfragen der Landeswirtschaftsförderung NRW.INVEST vom Dezember des vergangenen Jahres und die Studien von Prognos und Forsa aus diesem Frühjahr eingehen. 94 % der ausländischen Firmen sind mit dem Standort NRW zufrieden. 45 % sagen, sie seien sehr zufrieden. 27 % planen, ihre Investitionen nicht nur zu halten, sondern zu steigern. Der DGB erwartet 500.000 neue Stellen in NRW bis 2020. Prognos erwartet ein jährliches Wirtschaftswachstum von 1,3 % bis 2030. NRW sei der mit Abstand attraktivste Industriestandort für ausländische Investitionen, mit zahlreichen Chancen für die Zukunft. – Ich denke, das spricht für sich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, den demografischen Wandel erwähnen Sie in einem Halbsatz. Sie treffen jedoch keine Aussagen über die zu erwartenden gravierenden Auswirkungen auf teilräumliche Betrachtungsebenen, auf die Wirtschaftsentwicklung und auf den Flächenbedarf in den nächsten beiden Jahrzehnten für alle Siedlungsbereiche. Eine der größten Herausforderungen des Landes blenden Sie in Ihrem Antrag völlig aus.

Zur Flächenpolitik und dem von Ihnen so heftig attackierten 5-Hektar-Ziel zitiere ich mit Erlaubnis des Präsidenten einmal aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das ist die Drucksache 18/4172 des Deutschen Bundestages vom 3. März 2015, also ganz aktuell. Die Kernaussage lautet:

„Die Bundesregierung hält unverändert am 30-Hektar-Ziel … fest.“

Weiter heißt es dort:

„Die Reduzierung des täglichen Anstiegs der Siedlungs- und Verkehrsfläche … in Deutschland auf durchschnittlich höchstens 30 ha pro Tag findet sich als politische Zielsetzung identisch in der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie von 2002 sowie in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt …“

Das sagt die Bundesregierung. Aktuell haben wir bundesweit übrigens einen täglichen Flächenverbrauch von 74 ha pro Tag.

Ich zitiere weiter in Auszügen aus der Antwort der Bundesregierung:

„Mehrere Bundesländer haben eigene Ziele zur Umlegung des 30-Hektar-Ziels formuliert. So nennt Rheinland-Pfalz ein Flächensparziel von 1,5 ha/Tag. … In Sachsen existiert ein eigenes, mit dem Ziel der Bundesregierung korrespondie

rendes Flächensparziel von 2 ha/Tag … Hessen strebt eine Reduzierung der täglichen Flächenneuinanspruchnahme von 3,6 Hektar … an. Und Niedersachsen nennt im Entwurf zum LandesRaumordnungsprogramm das Ziel 3 ha/Tag. Baden-Württemberg nennt den Zielwert 3 ha/Tag.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es scheint, dass Nordrhein-Westfalen in der Betrachtung zukünftiger Flächenbedarfe wohl doch nicht so falsch liegt. Ich denke, dass es heute hier auch nicht um ein politisches Lippenbekenntnis geht, sondern um einen verantwortungsvollen Umgang mit einer begrenzten Ressource.