Wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass es Menschen gibt, die es nicht schaffen werden, eine komplette duale Ausbildung durchzuziehen. Da hilft dann einfach die Überlegung: Wenn es jemand nicht schafft, eine komplette Lehre zum Werkzeugmacher zu absolvieren, dann wird er vielleicht mit einem Schweißerschein glücklich und kann so am Arbeitsmarkt wieder Fuß fassen.
Ich denke, eines ist sehr wichtig: Wir müssen uns davon frei machen, dass wir alle Betroffenen – übertrieben formuliert – zu Nobelpreisgewinnern ausbilden werden.
Das alles schaffen wir aber nicht nur durch die Bereitstellung von Angeboten, sondern auch durch eine entsprechende Betreuung. Zurzeit gibt es bei den Jobcentern absolut unterirdische Betreuungsraten. Wir reden von folgenden Betreuungsraten: Auf
einen Jobcentermitarbeiter kommen 150 bis 200 zu betreuende Menschen. Das ist keine Betreuung, das ist nicht mal Verwaltung – das ist Notstand!
Von den sogenannten Kunden abgesehen, lassen wir die Menschen, die im Jobcenter nach ihrer Kurzausbildung von sechs Wochen tätig sind, und die das Ganze bewältigen müssen, damit komplett alleine. Diesen Betreuungsschlüssel müssen wir ändern.
Übrigens, Herr Kollege Preuß, hoffe ich auch, dass wir nicht nur ein Expertengespräch, sondern eine große Anhörung dazu durchführen. Selbst meiner kleinen Fraktion fällt direkt ein halbes Dutzend Namen ein. Die Anhörung relativ groß aufzuziehen, würde auch der Einbringung dieses Antrags entsprechen.
Um den Betreuungsschlüssel zu ändern, braucht man natürlich Geld – frisches Steuergeld. Es wird nicht reichen, Geld umzuschichten, so wie es Frau Nahles angekündigt hat. Kollege Garbrecht hat völlig recht: Es ist keine Kürzung, es ist eine Umschichtung. Das bringt die Jobcenter zwar völlig durcheinander, weil sie nicht mit ihnen abgesprochen ist; aber es ist eine Umschichtung. Gleichwohl erinnert mich diese Umschichtung von einer Gruppe Arbeitsloser vielleicht zu der nächsten Gruppe Arbeitsloser ein bisschen an Münchhausen. Der hat sich auch am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen. Das erwarten wir jetzt auch von den Arbeitslosen.
Wenn ich mir anschaue, wie die geschätzten Steuermehreinnahmen auf Bundesebene in den nächsten Jahren aussehen sollen, sagen die Wirtschaftsinstitute, ganz konservativ gerechnet, mindestens 10 Milliarden € Nettosteuermehreinnahmen für die Bundesebene im Jahr voraus. Wenn es da nicht gelingt, 250 Millionen € für unsere Ärmsten der Armen zu erübrigen, die wirkliche Hemmnisse haben, in den Arbeitsmarkt zu gelangen, dann ist die Politik dieser Bundesregierung absolut verfehlt.
Anders ausgedrückt: Vielleicht kaufen wir ein oder zwei A400M weniger. An dieser Stelle wäre das durchaus angebracht.
Wichtig ist mir auch noch der Passiv-aktiv-Transfer, auf den vielfach abgehoben worden ist. Der alleine
wird es aber nicht richten. Der Passiv-aktiv-Transfer ist notwendig – das sehe ich ganz klar so –, aber selbstverständlich muss es etwas on top geben. Für Menschen, die sich aktiv für ihre Zukunft einsetzen, muss es auch ein Ziel geben, damit sie nicht das, was sie vorher sowieso als SGB-II-Leistung bekommen haben, jetzt als Entlohnungszuschuss erhalten. Das muss meiner Meinung nach mehr werden. Darüber werden wir im Ausschuss sprechen.
Sehr wichtig ist mir auch – das ist eben ein bisschen untergegangen; vieles ist aber auch schon gesagt worden, das wiederhole ich extra nicht – Folgendes:
Diese Aufgabe ist selbstverständlich für die betroffenen Menschen extrem bedeutsam, aber auch für unsere Unternehmen. Schauen wir uns den Demografiefaktor an: Aktuell gibt es in Deutschland insgesamt 43 Millionen Arbeitsplätze. Wenn man die demografische Entwicklung fortschreibt – mit einem Plus von 100.000 Menschen im Jahr als Wanderungsüberschuss –, kommt man bis 2050 auf vielleicht 25 Millionen Menschen, die Vollzeit arbeiten können. Das sind die aktuellen statistischen Zahlen.
Das heißt: Diese Menschen, die zurzeit nicht am Arbeitsmarkt teilnehmen, werden von unserer Wirtschaft dringend gebraucht. Entweder wir aktivieren sie jetzt, oder sie werden uns im Zuge unserer wirtschaftlichen Entwicklung bitter fehlen. Deshalb muss dieses Geld, das ich von der Bundesebene eingefordert habe – frisches Steuergeld –, nicht nur als Hilfe für die Menschen zur Verfügung stehen, sondern es dient auch zusätzlich unserer Wirtschaft. Lassen Sie uns deshalb gemeinsam dafür kämpfen, dass das von der Bundesebene aus geregelt wird!
Ich freue mich auf die Anhörung im Ausschuss, die bitte groß sein möge, und die hoffentlich die Einheitlichkeit, die wir als Fachpolitiker gezeigt haben, widerspiegelt. Lassen Sie uns bitte zu guten Ergebnissen kommen! – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Sommer. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger, der den erkrankten Minister Schneider vertritt.
Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ausweitung der öffentlich geförderten Beschäftigung langzeitarbeitsloser Menschen ist aus Sicht dieser Landesregierung dringend erforderlich. Im April 2015 wurden in Nordrhein-Westfalen in diesem Bereich nur noch rund 3.600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Mitteln des Bundes gefördert und in diesem Bereich beschäftigt. Im April 2013 waren es im Vergleich dazu 6.100, obwohl es zurzeit erheblich mehr Menschen gibt, die langzeitarbeitslos sind.
Es ist übrigens schön, Herr Alda, dass Sie anerkannt haben, dass das auf die Kürzung der ehemaligen Bundesregierung zurückzuführen ist.
Auch die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Arbeitsgelegenheiten in Nordrhein-Westfalen sinkt seit Jahren. Von über 50.000 Teilnehmern dieser Arbeitsgelegenheiten in den Jahren 2008 und 2009 sind derzeit nur noch 20.000 Plätze vorgehalten. Darüber hinaus sind diese Arbeitsgelegenheiten oft viel zu kurz und nicht ausreichend mit begleitenden qualifizierenden und stabilisierenden Maßnahmen für diese Menschen verknüpft.
Gerade die Personen, die seit vielen Jahren keine Beschäftigung mehr gefunden haben, und die besondere Schwierigkeiten bei der Integration in den ersten Arbeitsmarkt haben, brauchen längerfristig qualifiziert angelegte Maßnahmen. Sie brauchen zudem zusätzliche Aktivitäten der Bundesregierung, die dringend erforderlich sind.
Wie händeringend auch die Jobcenter in NordrheinWestfalen nach zusätzlichen Unterstützungsangeboten für diese Zielgruppe suchen, zeigt die sehr positive Resonanz auf das neue Bundesprogramm für Langzeitarbeitslose. Die Jobcenter in NordrheinWestfalen haben rund 5.350 zusätzliche Plätze beantragt, die in den nächsten Wochen und Monaten besetzt werden können.
Das Auswahlverfahren für das zweite Programm des Bundes für soziale Teilhabe am Arbeitsleben läuft noch bis Ende Juni dieses Jahres. Auch hier rechnen wir bzw. rechnet diese Landesregierung mit einer äußerst positiven Resonanz der Jobcenter.
Die neuen Förderprogramme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sind erste wichtige Schritte; aber sie reichen bei Weitem nicht aus, die Zahl der Langzeitarbeitslosen dauerhaft und nachhaltig spürbar zu reduzieren. Vor diesem Hintergrund begrüßt die Landesregierung außerordentlich den Antrag der Regierungsfraktionen; denn dieser Antrag unterstützt die Landesregierung in ihrem Bemühen, Menschen, die langfristig keine Chancen zur Integration in den ersten Arbeitsmarkt haben, eine Teilhabe am Erwerbsleben zu ermöglichen.
Die Landesregierung wird auch in der neuen Förderphase der ESF-kofinanzierten Landesarbeitspolitik ihre Förderung im Bereich der öffentlich geförderten Beschäftigung in Nordrhein-Westfalen im bisherigen Umfang, Herr Alba, und eben nicht gekürzt fortsetzen.
periode – das waren die Jahren 2007 bis 2013 – gezeigt, dass Arbeit statt Arbeitslosigkeit machbar ist. Seit Anfang 2013 hat die Landesregierung über 50 Projekte im Bereich öffentlich geförderter Beschäftigung gefördert und damit über 1.000 langzeitarbeitslose Menschen erreicht. Das sind Menschen, die zum Teil länger als fünf Jahre nicht mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren. Sie haben somit eine Chance auf eine berufliche Teilhabe bekommen. – Bei der Umsetzung spielt auch die Zusammenarbeit der Arbeitsmarktakteure vor Ort eine ganz wichtige Rolle.
Mit der öffentlich geförderten Beschäftigung nimmt die NRW-Landesregierung ihre gesamtgesellschaftliche Verantwortung wahr und unterstützt die Verbesserung der Integrationschancen und die Ermöglichung von sozialer Teilhabe.
Da unterscheiden sich, glaube ich, Herr Alda – gestatten Sie mir, das zu sagen, auch wenn es nicht mein Ressort ist –, ganz fundamental die Positionen der einzelnen Fraktionen. Ich habe so den Eindruck, Herr Alda, dass Ihre Fraktion der Auffassung ist: Menschen, die zurzeit gehindert sind, am ersten Arbeitsmarkt teilzunehmen, sind ein Kostenfaktor mit zwei Ohren. Nur dann, wenn sie eine Aussicht haben, auch langfristig tatsächlich am ersten Arbeitsmarkt teilzuhaben, um die Qualifizierungskosten sozusagen zu refinanzieren, sind sie ein Zielobjekt von Förderung.
Dagegen steht in diesem Antrag ein Menschenbild, das ich sehr teile: dass nämlich Menschen auch dann, wenn sie nicht mit dem Ziel der Beteiligung am ersten Arbeitsmarkt integriert werden können, trotzdem im sozialen Arbeitsmarkt eine Beschäftigung geboten wird. Denn es geht um Respekt und Wertschätzung auch diesen Menschen gegenüber, die nicht so produktiv sein können wie andere, aber trotzdem eine gesellschaftliche und soziale Teilhabe erlangen können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Bund hat 2010 die Mittel für die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen drastisch gekürzt. Wir haben das hier zur Kenntnis genommen. Allein in NRW sank die Summe von knapp 1,5 Milliarden € im Jahr 2010 auf nur noch 850 Millionen €. Das, meine Damen und Herren, muss sich ändern. Deshalb werden wir uns auch weiterhin in enger Zusammenarbeit mit den übrigen Ländern mit Nachdruck auf Bundesebene für entsprechende gesetzliche und finanzielle Änderungen für die Jobcenter, aber auch für den Passiv-aktiv-Transfer einsetzen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herrn Kollegen Alda wird es nicht wundern, dass ich noch einmal das Wort ergreife. Wie schön, dass ich noch eine Minute Zeit habe. – Herr Alda, Sie haben natürlich große Erwartungen mit der Ankündigung geweckt, dass Sie das Thema durchaus sexy finden, und auch damit, dass Sie gesagt haben, dass Sie als Aufsichtsratsvorsitzender oder Aufsichtsratsmitglied vom Fach sind.
Insofern möchte ich kurz darauf eingehen, um nicht den Eindruck stehen zu lassen, dass Sie im letzten Jahr im September mit Ihrem Antrag zur Integration von Langzeitarbeitslosen sozusagen den Aufschlag gemacht hätten.
Ich habe mir den Antrag gerade noch einmal ganz schnell durchgelesen. In ihm ging es natürlich hauptsächlich darum, Langzeitarbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Außerdem war das – um das noch einmal im Ganzen zu sagen – mit der Forderung des Wegfalls der Vorverlegung des Fälligkeitstermins der Sozialbeiträge verknüpft. Dieses – es ist eines Ihrer Lieblingsthemen – haben Sie übrigens gerade bei Ihrer Aufzählung noch vergessen. Insofern war dieser Antrag, glaube ich, nicht ernsthaft dazu geeignet, etwas bei der Verbesserung der Situation der Langzeitarbeitslosen zu bewirken.
Ich möchte noch Folgendes klarstellen: Bei uns geht es genau darum, dass das kein geschlossener Markt ist. Deswegen öffnen wir ja die Möglichkeiten des sozialen Arbeitsmarktes auch für Privatarbeitgeber. Genau aus diesem Grunde habe ich eben auch kein Arbeitgeber-Bashing betrieben, indem ich Mitnahmeeffekte ausgeschlossen habe.
Noch ein letzter Punkt – gleich ist die Zeit vorbei –: Wir begrüßen das Bundesprogramm ausdrücklich. Es wird aber das Problem des ganz harten Kerns von Menschen, die seit Jahren, vielleicht Jahrzehnten, im Langleistungsbezug stehen, nicht lösen. Deswegen brauchen wir hier ergänzende Mittel. Deshalb stimmen wir für die Überweisung und hoffen auf Ihre tatkräftige Unterstützung. – Vielen Dank.